Protokoll der Sitzung vom 19.04.2011

Zweitens. Erforderlich ist die Einführung einer Studieneingangsphase, weil wir uns davon eine Senkung der hohen Studienabbrecherquoten versprechen.

Drittens. Auch der Vorschlag von Teilzeitstudiengängen ist unbedingt zu verfolgen, auch, um Konflikte mit der Regelstudienzeit und die darauffolgenden Diskussionen um Gebühren zu vermeiden. Vielfach wurden die alten Inhalte in die neuen Studiengänge gepresst. Die Stoffdichte wurde größer, innovative Lehrformen vermissen wir aber weiterhin. Die Zahl der Prüfungsanforderungen hat sich mit den Problemen, die wir kennen, drastisch erhöht. Hier sind Reformen notwendig, und die dazu gemachten Vorschläge im Studienreformgesetz sind angemessen.

Der Übergang von der Bachelor- zur Masterphase muss selbstverständlicher und problemloser gestaltet werden. Auch muss es möglich sein, mit dem Bachelorabschluss der einen Universität zur Fortsetzung des Studiums an eine andere Universität, zumindest in Sachsen, aber auch in Deutschland und in Europa zu wechseln. Das ist vielfach nur mit Zusatzleistungen möglich. Hier muss also nachgelegt werden. Auch das ist ein wichtiger Punkt, den die GRÜNEN aufgegriffen haben. Die Akkreditierung der Studiengänge und die Qualitätssicherung müssen gewährleistet sein. Auch hier gibt es Defizite.

Leistungsnachweise aus dem Ausland sollten in der Regel anerkannt werden. Solange die Studierenden besorgt sein müssen, dass diese Leistungen nicht anerkannt werden, bleiben sie im Land und unternehmen gar nicht erst den Versuch, ihre Perspektive zu erweitern. Die Vergleichbarkeit bzw. die Kompatibilität der Studiengänge muss weiter vorangetrieben werden. Wir müssen – unter anderem durch eine höhere Transparenz – die Attraktivität des Studienstandorts Sachsen erhöhen. Dies ist nur eine Maßnahme, um die Attraktivität zu erhöhen, aber sie ist eine sehr wichtige Maßnahme. Es muss transparent sein, was hier geboten wird, welche Schritte zu absolvieren sind, um auswärtige Studienanfänger anzuziehen.

Dazu gehört, dass wir zumindest Lehrveranstaltungen auch in englischer Sprache anbieten. Wir müssten überlegen, ob wir uns in den grenznahen Studienorten nicht gelegentlich auch des Polnischen oder des Tschechischen bedienen, um einen Übergang für die Studierenden zu erreichen.

(Beifall des Abg. Geert Mackenroth, CDU)

Differenzen hat es im Wissenschaftsausschuss bei der Frage des Promotionsrechts für Fachhochschulen gegeben. Dieser Punkt konnte nicht ausgeräumt werden. Ich meine, dass sich das kooperative Promotionsverfahren – im Unterschied zu dem, was Herr Dr. Gerstenberg gesagt hat – bewährt hat. Es entspricht zudem den Empfehlungen des Wissenschaftsrates und sollte weiter ausgebaut werden.

Ein weiterer Kritikpunkt am Studienreformgesetz war der Vorschlag, die Sächsische Dienstaufgabenverordnung an den Hochschulen abzuschaffen. Ich denke, wir können den Professorinnen und Professoren nicht die Entschei

dung über ihre Dienstpflichten überlassen. Ich will Luthers Wort nicht strapazieren – morgen sind wir erst mit der Lutherdekade befasst –, aber: „Jeder Frosch braucht seinen Storch.“ Das gilt für Professorinnen ebenso wie für Abgeordnete. Daran sollten wir festhalten.

(Zuruf von der CDU)

Vielleicht habe ich ein zu negatives Menschenbild, das mag sein. Nach meinen Erfahrungen ist es eher realistisch.

(Andreas Storr, NPD: Darwinistisch!)

Lassen Sie mich zum Schluss den vielleicht wichtigsten impliziten Gedanken – jedenfalls für mich – des Studienreformgesetzes akzentuieren: Es gibt Grenzen der Autonomie der Hochschulen. Gerade wenn es darum gehen soll, eine größere Vereinheitlichung zwischen den Studienanforderungen und -qualitäten in Sachsen, in Deutschland und in Europa zu erreichen, können wir solche überwiegend strukturellen Veränderungen nicht den einzelnen Hochschulen überlassen. Damit sind sie einfach überfordert. Vielmehr müssen die Wissenschaftsressorts der Bundesländer maßgeblich Verantwortung übernehmen – natürlich im Benehmen mit den Hochschulen – und dabei die Federführung übernehmen. Mit dem Hinweis auf die Autonomie der Hochschulen dürfen sich Wissenschaftsministerinnen und Wissenschaftsminister dieser zentralen Verantwortung nicht entziehen.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Prof. Besier. – Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Mann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat uns ein Studienreformgesetz vorgelegt. So wie die GRÜNEN haben sich auch die anderen demokratischen Fraktionen im Parlament

(Andreas Storr, NPD: Danke für das Kompliment!)

seit Beginn dieser Legislaturperiode mit der Studien- und Lehrsituation und insbesondere mit der Umsetzung der Bologna-Reform beschäftigt. Spätestens seit den Studierendenprotesten im Jahre 2009 hat die Politik erkannt, dass maßgebliche Ziele des Bologna-Prozesses nur unzureichend erfüllt worden sind. Das betrifft vor allem die mangelnde internationale Mobilität der Studierenden, die fragliche soziale Dimension des Bologna-Prozesses und nicht zuletzt eine Studienreform, die maßgebliche Erfolgsbedingungen für die Wissenschaft konterkariert. Hier sind zumindest zu nennen der verknappte Zugang zum Master sowie die Überfrachtung und teilweise Verschulung der Studiengänge, aber nicht zuletzt und vor allem die Unterfinanzierung des Hochschulsystems bei erneut gewachsenen Anforderungen.

Dort, wo wir selbst eine Verantwortung an dieser Entwicklung haben, müssen und sollten wir – mithin auch die Landesregierung – gegensteuern.

Den GRÜNEN kommt mit ihrem Gesetzentwurf das Verdienst zu, viele gute Vorschläge und Ideen, die durch das Land umzusetzen wären, in einem Gesetz vereint zu haben und uns heute zur Abstimmung vorzulegen. Die SPD-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen, weil er die richtigen Ansätze enthält, um Fehlentwicklungen zu korrigieren, die Lernenden stärkt und den Hochschulen ermöglicht, mit flexiblen Lösungen auf die neuen Anforderungen zu reagieren.

Um Beispiele für die Problemlagen an den Hochschulen zu nennen, möchte ich einige illustrieren: Trotz anderweitiger Stellungnahme, zum Beispiel des SMWK im November 2009 auf unsere Anfrage, ist es immer noch verbreitete Praxis an den Hochschulen, dass Anwesenheitslisten eine Prüfungsvoraussetzung in Sachsen sind. Oder um es einmal auf den Punkt zu bringen: Zwar wird von künftigen Absolventen erwartet, dass sie Firmen führen oder hoch spezialisierte Forschung und Entwicklung tätigen können, wir trauen ihnen aber nicht zu, selbst zu entscheiden, welche Lehrveranstaltungen für ihren Lernerfolg und ihren Studienerfolg notwendig sind. Ich finde, das ist widersprüchlich.

Im Übrigen nehmen wir ihnen mit ihrer Anwesenheitspflicht das letzte bisher bestehende effektive Mittel zur Lehrbewertung in Sachsen.

Oder ein anderes Beispiel: Trotz anderweitiger Vereinbarung liegt die Beweislast für im Ausland erworbene Studienleistungen viel zu oft noch bei den Studierenden. Jeder einzelne Studierende ist gezwungen, zu den meist nicht kleinen Hochschulen zu gehen und ihnen nachzuweisen, dass die Studienleistung, die er an einer Partnerhochschule seiner Hochschule erworben hat, als gleichwertige Leistung anzuerkennen ist. Das ist etwa so, als müsste jeder Pkw-Fahrer beim Transit in ein anderes europäisches Land nachweisen, dass der deutsche TÜV einen gleichwertigen Standard sichert wie in diesem Land. Ich halte eine solche Regelung für sinnwidrig und deshalb sollten wir sie überwinden.

Weil wir mit diesem Gesetzentwurf viele Vorschläge haben, um Missstände abzustellen, stimmen wir ihm zu.

Zwei Ansätze jedoch – das will ich auch erwähnen – schießen unserer Meinung nach über das Ziel hinaus. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die sogenannte Dienstaufgabenverordnung Sachsens außer Kraft gesetzt. Das wurde bereits erwähnt. Sie will diese komplett an die Hochschulen delegieren.

Die SPD hält das vor dem Hintergrund der derzeitigen Überlastzahlen an den sächsischen Hochschulen und eines zugleich bestehenden Anreizsystems, das Forschungsbemühungen belohnt, aber gute Lehre nicht honoriert, für gewagt. Eine Flexibilisierung dieser Dienstaufgabenverordnung, wie es bereits das letzte Sächsische Hochschulgesetz einleitete, und zugleich ein Anreizsystem, das gute

Lehre betont, wären unserer Meinung nach der richtige Weg.

Zum Zweiten soll qua Gesetzentwurf den Fachbereichen der Fachhochschulen das Promotionsrecht verliehen werden. Hier sehen wir sowohl in den Vorschlägen des Wissenschaftsrates zur Stärkung der Fachhochschulprofessoren in den Promotionsausschüssen als auch dem Abbau der Hürden zur Promotion gegenüber Fachhochschulabsolventen an den Universitäten den deutlich besseren Weg. Nach unserer Meinung ist das der richtige Weg, um Nachwuchsförderung und Qualitätssicherung miteinander zu vereinbaren, und der richtige Weg, um klare Profile der Institutionen im tertiären Bildungssektor zu stärken.

Deshalb können wir diesen zwei Abschnitten nicht zustimmen. Wir hoffen aber umso mehr, dass die anderen Artikel in diesem Hohen Haus eine Mehrheit finden und wir damit einen Beitrag leisten, dass der Bologna-Prozess den Erfolg erfährt, den die Idee eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes verdient.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Mann. – Für die Fraktion der FDP Herr Abg. Prof. Schmalfuß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nimmt die häufig geäußerte Kritik an der Umsetzung der Bologna-Reform zum Anlass, um mit dem vorliegenden Studienreformgesetz dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Werte Kollegen der GRÜNE-Fraktion, Ihre Kritik können wir sogar weitgehend nachvollziehen. Die konzeptionellen Mängel wie Verschulung, strikte Präsenzregelungen, stoffliche Überfrachtung, hohe Prüfungsdichte und Probleme bei der Anerkennung von Studienleistungen während eines Auslandsaufenthaltes sind Tatsachen, die in Zukunft verbessert werden müssen. Gleichzeitig, meine Damen und Herren, ist aber auch festzustellen, dass es positive wie negative Beispiele der Umsetzung des Bologna-Prozesses innerhalb der sächsischen Hochschullandschaft gibt.

Die FDP-Fraktion teilt jedoch nicht die Herangehensweise, die Sie mit diesem Gesetzentwurf vorschlagen. Zur Lösung der aufgezeigten Probleme sind aus unserer Sicht – Kollege Mackenroth hat es in seinem Redebeitrag betont – in erster Linie die Hochschulen selbst gefragt. Ihre jeweiligen Studiengänge sind zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu ordnen.

Herr Dr. Gerstenberg, Sie reden immer von Hochschulautonomie. Hier, wo wir die Hochschulautonomie haben und wo die sächsischen Hochschulen selbst gefragt sind, rufen Sie nach der Staatsregierung. Ich denke, dass das der falsche Weg ist. Hochschulautonomie fängt genau an

dieser Stelle an. Die Verantwortung für die Umsetzung des Bologna-Prozesses tragen die Hochschulen unmittelbar, und zwar unmittelbar selbst.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Prof. Schmalfuß, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Herr Prof. Schmalfuß, ich nehme an, dass Sie mit vielen Hochschullehrern und Hochschulleitungen sprechen. Ist Ihnen auch die Situation begegnet, dass viele Hochschulleitungen, also Rektorate, Veränderungen durchsetzen wollen, jedoch auf ausgesprochene Beharrungskräfte in den Professuren und Fakultäten stoßen, und dass sich genau diese Hochschulleitungen zur Wahrnehmung ihrer Hochschulautonomie gesetzliche Unterstützung wünschen?

Herr Dr. Gerstenberg, Sie sprechen im Nebulösen. Ich darf Ihnen hier zwar keine Frage stellen, aber ich würde Sie bitten, dass Sie mit konkreten Beispielen arbeiten, indem Sie mir Fakultäten und Hochschulen nennen.

Ich kann das tun, ich kann Ihnen ein positives Beispiel nennen: An der Fachhochschule Mittweida ist der Bologna-Prozess in großen Teilen hervorragend umgesetzt. Selbst die Studierenden dort betonen, dass sich die Studienbedingungen nach der Bologna-Reform sogar verbessert haben. Ich fordere Sie auf, wenn Sie Beispiele haben, bei denen der Bologna-Prozess innerhalb einer Hochschule auf Widerstände stößt, diese hier mit Ross und Reiter zu benennen.

Das können wir gern im Anschluss diskutieren.

Ja, gern. – Meine Damen und Herren! Hochschulautonomie fängt genau an dieser Stelle an. Die Verantwortung für die Umsetzung des Bologna-Prozesses tragen die Hochschulen unmittelbar. Ausschließlich die sächsischen Hochschulen selbst wissen tatsächlich, an welcher Stelle die Präsenzzeiten verringert, Anerkennungsverfahren von Studienleistungen vereinfacht und die Stoffdichte einzelner Studiengänge entfrachtet werden können.

Es stellt sich die Frage – Herr Mann, Sie hatten es vorhin angesprochen –: Warum muss die Präsenzpflicht so rigoros gehandhabt werden? Wir haben verantwortungsbewusste Studierende. Wenn diese den Lehrveranstaltungen nicht folgen und den entgangenen Stoff nicht nacharbeiten, fallen sie möglicherweise durch, und das wissen

sie. Hier sind die Hochschulen gefordert, etwas im Sinne einer Verbesserung der Studienbedingungen zu verändern.

Das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sollte dabei lediglich Hilfestellung geben und die Hochschulen gegebenenfalls durch Verordnungen bzw. Zielvereinbarungen dazu animieren, weiterhin an einer Verbesserung zu arbeiten. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass sich das Wissenschaftsministerium mit den sächsischen Hochschulen bereits in einem intensiven Austausch darüber befindet.