Protokoll der Sitzung vom 20.04.2011

(Zuruf des Abg. Holger Mann, SPD)

Angesichts dieser für uns ausgezeichneten Ausgangslage kommt der Initiativantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD, vorsichtig gesagt, ein wenig spät. Er ist auch nicht zielführend, weil er, ebenfalls vorsichtig gesagt, an einigen Unschärfen leidet.

Wenn es in Ihrem Antrag allgemein darum geht, dass die Personalstruktur den derzeitigen Stellenumfang der sächsischen Hochschulen bis 2020 beibehalten soll, erinnere ich Sie an zwei Daten, die Sie nicht zur Kenntnis genommen haben oder nicht zur Kenntnis nehmen konnten oder wollten. Bekanntlich hat die Hochschulvereinbarung von 2003 vorgesehen, dass 300 Stellen im Hochschulbereich per 31. Dezember von den Hochschulen weggehen sollten.

Es ist uns, der Koalition, beiden Koalitionspartnern, gemeinsam mit dem SMWK gelungen, meine Damen und Herren, im Rahmen der parlamentarischen Beratung des Doppelhaushalts 2011/2012 300 Stellen über Soll zu erhalten. Insoweit hat der Doppelhaushalt 2011/2012 den Stellenwegfall im Rahmen seiner Laufdauer ausgesetzt, sodass wir im Gegenteil derzeit einen Zuwachs gegenüber dem in der Vereinbarung 2003 Genannten im Hochschulbereich zu verzeichnen haben.

(Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Prof. Schneider, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das verschweigen Sie, und damit setzen Sie sich mit keinem Wort auseinander. Darüber, dass das Personalkonzept 2020 der Sächsischen Staatsregierung einen maßvollen Personalabbau im Ganzen, nicht nur im Einzelplan 12, also SMWK, vorsieht, sind wir uns gemeinsam im Klaren, und das bedarf zu gegebener Zeit der Behandlung. Das steht aber auf einem anderen Blatt.

Das von Ihnen des Weiteren geforderte Thema Innovationspool ist eher ärgerlich. Dieser Pool soll irgendwo verwaltet werden. Er ist für meine Begriffe ein Luftschloss, eine Luftnummer, und er soll zusätzlich zur Grundfinanzierung zur Verfügung gestellt werden. Meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD, Ihre Botschaft heißt an dieser Stelle wieder einmal wie heute Morgen beim Thema Studentenwerke: Staat, gib mir bitte mehr Geld!

Ich halte es vor dem Hintergrund der geführten Haushaltsberatungen angesichts der hervorragenden fiskalischen Leistungen, die wir gerade mit dem Doppelhaushalt 2011/2012 im nationalen und internationalen Vergleich erbracht haben, für langweilig und politisch bedürftig, wie Sie mit fiskalischen Mitteln, mit Steuergeld umgehen.

Ein Wort zu Ihren strukturellen Überlegungen, die Sie auf eine Beteiligung von Studierenden, des wissenschaftlichen Personals, der Kommunen und der Studentenwerke begrenzen: Zu wenig! Meine Damen und Herren, dies wäre viel zu wenig. Ihre strukturelle hochschulpolitische Haltung führt allenfalls zur Bildung eines universitären Biotops, Herr Mann. Das ist Ihre Haltung.

Tatsächlich geht es um mehr. Wir brauchen Vernetzung zwischen allen Akteuren der heutigen Wissensgesellschaft: Wissenschaft, Lehre, außeruniversitäre Forschung, Unternehmen, Wirtschaft, Kultur, Bibliotheken, um nur ein paar Akteure anzusprechen. Dies wird sich – und das ist der Unterschied zwischen uns, Herr Mann – auf dem Boden von Hochschulautonomie und von Selbststeuerung entwickeln. Das ist die gemeinsame Linie der Koalition und des SMWK, und das ist auch die richtige Antwort auf die Zukunft.

Wer zukunftsfähige Hochschulpolitik machen will, braucht dringend Vernetzung. Es geht um Qualität und um Exzellenz. Das ist mit Ihrem Antrag jedenfalls so nicht zu erreichen.

Schließlich spricht gegen Ihren Antrag, dass der Hochschulentwicklungsplan in der Tat auf dem Weg ist, und zwar gemeinsam in der Koalition mit dem SMWK. Hier geht – und das verkennen Sie – Qualität und Gründlichkeit vor übereilten Aktionismus auch im Blick auf die damit einhergehenden baulichen Maßnahmen, die zweifellos auch mit Blick auf die Implementierung in den Hochschulentwicklungsplan Zeit kosten.

Wir als Koalition sind uns mit der Ministerin darin einig, dass es beim Hochschulentwicklungsplan insgesamt um die Gewährleistung eines Höchstmaßes an Hochschulautonomie im Rahmen der Gesetze geht. Der Entwicklungs

plan enthält daher im Wesentlichen Merkmale der strategischen Ebene. Strukturell geht es um die autonome Wahrnehmung, um den Dialog vor Ort – nicht mehr, aber auch nicht weniger –, der aus der lokalen autonomen Verantwortung erwächst.

Neben dem Hochschulentwicklungsplan ist schließlich ausweislich § 10 des Hochschulgesetzes – Sie sollten sich den einmal ansehen – eine Hochschulvereinbarung abzuschließen. Dort, meine Damen und Herren, mag es um operative, operationelle Fragestellungen gehen. Mit Fragen dieser strukturellen Art und den sich daraus ergebenden strukturellen Überlegungen setzen Sie sich in Ihrem Antrag mit keinem Wort auseinander. Ihr Vorschlag ist eben kein großer Wurf. Er ist, Herr Mann, eher in der Lage eines Rohrkrepierers.

Meine Damen und Herren, insgesamt mag es, wenn man den Antrag zur Hand nimmt und ihn durchsieht, um einige Punkte gehen, um Selbstverständlichkeiten, über die zu reden ist. Als Beispiel nenne ich das von Ihnen aufgeworfene Thema Qualitätssicherung. Überwiegend enthält der Antrag aber eine Reihe von Allgemeinplätzen, die keinen nennenswerten Nährwert bringen.

Als schädlich bezeichne ich den Antrag aber mit Blick auf die Exzellenzinitiative für herausragende Forschungen an Universitäten in ganz Deutschland. Ich habe von Ihnen zum Thema Exzellenzinitiative keine Silbe gehört, sondern nur das Wort „Exzellenzschrumpfen“. Das ist ein wenig erbärmlich.

Meine Damen und Herren, aus Sicht der Koalition gilt: Qualität und Gründlichkeit geht vor übereilten Aktionismus, den Sie mit Ihrem Antrag allerdings nur bewirken würden. Aus diesem Grund lehnen wir Ihren Antrag ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Schneider. – Herr Dr. Gerstenberg.

Herr Prof. Schneider, nachdem sich sowohl Herr Kollege Mann als auch ich in der Einbringung, in der Begründung dieses Antrages um eine sachliche Benennung von Gründen und Begründungen bemüht haben, und Sie in einer Art und Weise geantwortet haben, wie wir sie von Ihnen gar nicht gewohnt sind, habe ich den Eindruck, dass Sie mit dem Rücken an der Wand stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber auch in dieser Situation sollten wir, zumindest wenn es um Zahlen und um Fakten geht, ehrlich miteinander umgehen. Die Stellen, die Sie genannt haben, die im Haushalt 2011/2012 erhalten geblieben sind, die die Ministerin auch gegenüber dem Finanzminister erkämpft hat, waren zu streichende Stellen, für die die Geschäftsgrundlage entfallen war. Der Rückgang der Studierendenzahlen, der Voraussetzung für diese Streichungen war, war

nicht erfolgt. Damit ist mit Recht dieser Stellenbereich im Hochschulbereich geblieben.

Das, was ich angesprochen habe, ist etwas anderes. Das ist der Haushaltsvermerk, den Sie sehr genau kennen und der besagt, dass bis 2020 1 042 Stellen eingespart werden sollen.

Und jetzt reden wir einmal über Exzellenz: Wir haben mit der TU Dresden eine Universität, die die Chance hat, ein Vollkonzept für die dritte Linie, also Exzellenzuniversität, zu erstellen. Wir hatten vor Kurzem ein Gespräch, ein Frühstück. Auch viele Kollegen aus Ihrer Fraktion waren dort anwesend.

Die Hochschulleitung und die anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch der Kanzler dieser Universität haben Klartext gesprochen. Es geht nicht zusammen, einen solchen Exzellenzwettbewerb erfolgreich anzugehen und sich zugleich der Streichung von Geld und von Stellen ausgesetzt zu sehen. Eine Universität wie die TU Dresden, die sich in diesen Exzellenzwettbewerb begibt, muss auch die Sicherheit haben – das muss sie garantieren können –, dass nach einer zusätzlichen Förderung die Stellen auch weitergeführt werden können. Das passt nicht zusammen mit den Streichungskonzepten, die im Moment von Ihnen propagiert werden. Das meinte ich mit „Exzellenz schrumpfen“. Wenn wir über Exzellenz sprechen, dann bitte auch die entsprechenden Grundlagen dafür schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Herr Dr. Gerstenberg, das war Ihre Kurzintervention. – Herr Prof. Schneider, Sie möchten erwidern?

(Prof. Dr. Günther Schneider, CDU: Ja!)

Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Dr. Gerstenberg, „Exzellenz schrumpfen“ haben Sie gesagt, „Streichungskonzepte“ und Ähnliches. Dann nennen Sie mir diese doch einmal. Es gibt sie zurzeit nicht, sondern es gibt in der Tat ein maßvolles Stellenabbaukonzept der Staatsregierung in Gänze.

(Zurufe der Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Regen Sie sich doch nicht künstlich auf! Herr Gerstenberg, wer austeilt, muss auch einstecken können. So einfach ist das.

Im Übrigen kann ich, bezogen auf die 300 Stellen, nichts anderes sagen. Tatsächlich ist dies zurzeit eine Stellensituation über Soll und jetzt muss man die nächsten Jahre abwarten. Das ist Ihnen doch genauso bekannt. Die Problematik „Stellen“ lösen Sie heute mit keinem Wort.

Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Aussprache mit der Fraktion DIE LINKE fort. Herr Prof. Besier, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sächsische Wissenschaftslandschaft steht vor einschneidenden Umstrukturierungsmaßnahmen, die in einem bis 2020 reichenden Hochschulentwicklungsplan der Staatsregierung konkrete Gestalt annehmen sollen. Meine Fraktion hat im Antrag mit der Nr. 5/5349 vorerst um eine umfassende Auskunft über die bestehenden Pläne nachgesucht.

Der Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat einige Punkte benannt – ich denke, bei Weitem nicht alle –, die bei der Erarbeitung des Hochschulentwicklungsplanes und den darauf aufbauenden Zielvereinbarungen mit den Hochschulen Berücksichtigung finden sollten. Ich nehme es gleich vorweg: Meine Fraktion teilt vollauf die Auffassung von SPD und GRÜNEN.

Mit Recht sagen die den Antrag vorlegenden Fraktionen, dass sich die Personalstruktur nicht in einem bloßen Stellenabbau erschöpfen dürfe. Vielmehr sollte die Stellenplanung unter bestimmten Konditionen erfolgen, etwa im Blick auf die tatsächliche Entwicklung der Studierendenzahlen und die Erfüllung von Mindestzahlen. Auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Schaffung von Qualifikationsstellen und die Förderung von Schwerpunktsetzungen müssen dabei Berücksichtigung finden.

Aus der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft – sie liegt Ihnen inzwischen vor –, Drucksache 5/5345, geht hervor, wie wenig attraktiv und wie unsicher Anstellungsverhältnisse für junge Wissenschaftler tatsächlich sind. Wir benötigen hier ein höheres Maß an Sicherheit, eine Möglichkeit, dauerhafter zu forschen und nicht ständig befürchten zu müssen, nach dem nächsten Qualifikationsabschluss rauszufliegen.

Der Antrag von SPD und GRÜNEN bemängelt auch zu Recht die viel zu geringe Grundmittelausstattung pro Studierenden. Sachsen liegt mit 6 300 Euro auf einem der letzten Plätze und ist damit nicht konkurrenzfähig. Es ist nur eine andere Seite der Facette, die wir heute Morgen aufgerissen haben. Daraus resultieren erhebliche Nachteile bei Exzellenzwettbewerben. Herr Kollege Gerstenberg hat auf die Not des Rektors der TU Dresden bereits hingewiesen. Er hat zuvor schon mehrfach – es ist nicht das erste Mal bei diesem Frühstück gewesen – auf die finanziellen Probleme verwiesen. Daraus resultieren erhebliche Nachteile.

Wir müssen darauf achten, dass beim Erhalt von Drittmitteln, namentlich Bundesmitteln, und bei der Qualität der Lehre Unterstützung seitens der Staatsregierung für die in Konkurrenz stehenden Universitäten und die sich weiter qualifizierenden Universitäten erfolgen muss.

Eine Reduzierung der Studierendenzahlen bis 2020 könnte dieses Missverhältnis kompensieren – auch hierin sind wir uns völlig einig –, wenn keine weiteren Kürzungen vorgenommen würden. Die Mittelvergabe mit der tatsächlichen Absolvierendenquote zu verknüpfen – das ist der Vorschlag der beiden Fraktionen – könnte in der

Tat zur Erhöhung der Lehrqualität beitragen und die Abbrecherquote senken helfen. Es sind beides Probleme, die es zu lösen gilt.

Auch der Vorschlag, neben der Grundfinanzierung einen Innovationspool vorzuhalten, mit dessen Hilfe Forschung, Lehre und akademische Weiterbildung bei Bedarf punktuell verstärkt werden könnten, ist doch sehr bedenkenswert. Das ist so etwas wie eine Art akademische Feuerwehr, die da geplant ist, damit man handlungsfähig bleibt, sobald eine Situation sich verändert, und das kann sehr schnell der Fall sein.

Die Erhöhung des Frauenanteils unter den sächsischen Hochschullehrern ist ebenfalls ein Desiderat und das Kaskadenmodell gewiss ein geeignetes Verfahren. Es gibt andere. Aber es muss an dieser Stelle etwas getan werden.