Protokoll der Sitzung vom 20.04.2011

So weit zur ersten Vorstellung, und ich freue mich heute auf eine hoffentlich klar strukturierte Debatte.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Herr Prof. Schmalfuß, Ihr Wunsch?

Herr Präsident, ich würde gern das Instrument der Kurzintervention nutzen, wenn ich darf.

Dann bitte schön.

Kollege Mann hatte auf den Beschluss des Landesparteitages der FDP Sachsen vom 16. April 2011 in Plauen Bezug genommen. Er hat behauptet, dass wir eine Einheitsuniversität schaffen wollen. Ich zitiere jetzt aus dem beschlossenen Antrag: „Die Universität Sachsen ist unter Wahrung der speziellen Traditionen eines jeden Standorts ein Modell eines effizienten und flexiblen sächsischen Hochschulsystems. Wir verstehen diese Vision nicht als Einheitsuniversität, sondern als einen Universitäts- und Hochschulverbund.“

Ich glaube, dass ich mit den Worten widerlegt habe, dass wir eine Einheitsuniversität schaffen wollen, sondern einen Hochschulverbund.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP – Holger Mann, SPD, steht am Mikrofon.)

Herr Prof. Schmalfuß, wir haben das gehört. – Herr Mann, Sie möchten erwidern?

Herr Prof. Schmalfuß, ich kenne die Strategie, gezielt misszuverstehen. Ich habe mich nicht gehört, dass ich behauptet hätte, Sie hätten eine Einheitsuniversität gefordert, sondern Sie haben die Forderung nach einer Universität in Sachsen aufgestellt. Auch das ist ein strukturpolitischer Vorschlag, der keine Substanz hat und wo wir unter anderem über die Presse entsprechend geantwortet haben. Ich denke, Karl-Heinz Gerstenberg wird die Zeit nutzen, vielleicht noch das eine oder andere zum Gegenstand zu sagen. Dann verstehen wir uns in Zukunft vielleicht auch richtig und nicht „miss“. – Danke schön.

Vielen Dank, Herr Mann. – Nun ist, bereits mehrfach angekündigt, Herr Abg. Dr. Gerstenberg von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zum gemeinsamen Antrag an der Reihe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem unsere Fraktion bereits seit April 2009 die dringend notwendige Hochschulvereinbarung thematisiert hat, scheint die Debatte über die künftige Entwicklung der sächsischen Hochschulen nun auch in der Koalition und in der Öffentlichkeit angekommen zu sein. Wir haben früh darauf hingewiesen, dass eine stabile Stellen- und Finanzausstattung unabdingbar für die weitere erfolgreiche Entwicklung der sächsischen Hochschulen ist. Im Gegenzug hat die Koalition den nötigen Abbau von 1 042 Stellen in den Haushaltsplan 2011/2012 aufgenommen, und das natürlich, wie üblich, ohne Konzept.

Über den Versuch, diese Lücke mit Wissenschaftsräumen zu schließen, lässt sich streiten. Es gibt an einzelnen Stellen durchaus Reserven bei der Zusammenarbeit, die durch gezielte Kooperationen behoben werden können. Wer sich jedoch davon eine Kompensation drohender Stellen- und Finanzkürzungen erhofft, der gibt sich freilich Illusionen hin.

Richtig absurd wird es mit der FDP-Idee einer Universität Sachsen, die allen Ernstes auf einer Ebene mit der University of California stehen soll. Wie weltfremd diese Pläne sind, zeigt ein Blick auf das Vorbild. Allein der Teil University of Berkeley hat einen Etat von 2,2 Milliarden Euro. Das sind bei einer vergleichbaren Anzahl von 35 000 Studierenden mehr als viermal so viel Mittel, wie die TU Dresden zur Verfügung hat.

Lieber Kollege Schmalfuß, die sächsischen Hochschulen wären schon froh, wenn ihnen die angekündigte Kürzung von über 1 000 Stellen erspart bliebe. Sie stellen munter Vergleiche mit amerikanischen Eliteuniversitäten an. Auf welchem Planeten leben Sie eigentlich?!

(Zuruf von den LINKEN: Auf dem gelben!)

Offenbar wollen Sie mit Kürzungen bei Geld und Stellen zu Berkeley & Co. aufschließen. Das kommt mir bekannt vor. „Überholen ohne einzuholen“, hieß einst dieses Prinzip. Die FDP will die sächsischen Hochschulen offenbar auf Walter Ulbrichts Pfaden zum Weltniveau führen.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Ich bin dem Rektor der TU Chemnitz, Prof. Klaus-Jürgen Matthes, ausgesprochen dankbar für seine klare ablehnende Haltung zu diesem Unsinn. Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz spricht stellvertretend für die sächsischen Hochschulen, wenn er anmahnt, dass die Koalition ihr Augenmerk auf eine ausreichende Finanzierung der Hochschulen richten soll. „Wissenschaft und Forschung müssen gestärkt und nicht durch Stellenabbau untergraben werden“, so Matthes.

(Prof. Dr. Schmalfuß, FDP, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Dr. Gestenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Vielen Dank, Herr Präsident.

Herr Dr. Gerstenberg, ich würde Sie fragen wollen, wann Sie denn gedenken, zu Ihrem eigenen Antrag sprechen zu wollen.

Herr Prof. Schmalfuß, hören Sie bitte zu. Sie werden es spüren.

Werte Koalition! Werter Prof. Schmalfuß! Diese Ansage des Rektors ist klar. Hören Sie auf, über mehr oder minder sinnvolle Etiketten zu debattieren und widmen Sie sich den konkreten Problemen der sächsischen Hochschulen.

Wir wollen die Anliegen der Hochschulen in unserem Antrag gemeinsam mit der SPD-Fraktion gern aufgreifen. Damit erneuern wir zum großen Teil Positionen, die wir bereits zu Beginn der Legislaturperiode formuliert haben und die in einer Anhörung im Wissenschaftsausschuss

weitgehend bestätigt wurden. Im Kern geht es um das Vorhaben, dass wir den erwartbaren Rückgang der Studierendenzahlen nutzen – hören Sie bitte zu, Kollege Schmalfuß, es geht um unseren Antrag –, um bei gleichbleibender finanzieller und personeller Ausstattung die Grundmittel je Studierenden auf ein konkurrenzfähiges Niveau zu bringen. Diese „demografische Rendite“ können die sächsischen Hochschulen gut gebrauchen. Wir wagen es ja gar nicht, Vergleiche mit einer ETH Zürich oder gar einer University of Berkeley anzustellen. Wir sind bescheiden und wollen die Grundfinanzierung von derzeit 6 300 Euro auf 8 000 Euro je Studierenden bringen. Das wäre das Niveau von Bayern und BadenWürttemberg.

Wir sind uns sicher in diesem Plenum einig, dass wir mehr Exzellenz in der sächsischen Hochschullandschaft wollen. Gerade Bayern und Baden-Württemberg zeigen aber, dass dies ohne eine ausreichende Breite nicht zu machen ist. Werte Koalition, Sie können die sächsischen Hochschulen nicht exzellent schrumpfen. Und es reicht auch nicht, die Grundfinanzierung etwas weniger abzuschmelzen als es dem Rückgang der Studierendenzahlen entspricht. Wer über eine spürbare Erhöhung der Grundausstattung der sächsischen Hochschulen nicht reden will, der sollte von Exzellenz schweigen.

Im Antrag schlagen wir eine Reihe von intelligenten Instrumenten zum Erreichen strategischer Ziele vor. Ich will nur drei herausgreifen.

Erstens wollen wir angesichts des Fachkräftemangels dafür sorgen, dass sich nicht einfach nur mehr Studierende einschreiben, sondern dass tatsächlich mehr Absolventen die sächsischen Hochschulen verlassen. Zusätzlich zu den 13 000 Euro, die der Hochschulpakt für Studienanfänger oberhalb seiner Referenzlinie bereithält, sollte der Freistaat den Hochschulen Mittel für jeden Absolventen zahlen. Damit werden echte Anreize gesetzt, um die Studienqualität so zu verbessern, dass möglichst jeder Studierende zum Abschluss geführt werden kann.

Zweitens wollen wir das Kaskadenmodell einführen, um den Anteil von Frauen auf allen Qualifikationsebenen zu erhöhen. Das nützt vor allem der Wissenschaft selbst, denn es setzt sich mittlerweile die Erkenntnis durch, dass Chancengleichheit ein Merkmal von exzellenten Hochschulen ist. Das vom Wissenschaftsrat vorgeschlagene Kaskadenmodell berücksichtigt die unterschiedlichen Frauenanteile in den Fächern und macht den jeweiligen Frauenanteil in der darunterliegenden Qualifikationsstufe zum Zielmaßstab. Bei konsequenter Umsetzung könnten wir 2020 den Frauenanteil an sächsischen Professuren von derzeit 15 % verdoppeln.

Drittens. Auch wenn die CDU- und FDP-Fraktion dies offensichtlich besondern umtreibt – ich warne davor, die Hochschulentwicklungsplanung auf eine Debatte um Doppel- und Mehrfachangebote zu verkürzen und vom grünen Tisch aus die Schließung einzelner Studiengänge oder gar Institute zu beschließen. Wir schlagen hier mit einem Fächermonitoring einen anderen Weg vor. Ich

erinnere die Ausschussmitglieder an die Mahnung des früheren bayerischen Wissenschaftsministers Goppel an die Adresse der Politik: „Bei größerer Eigenständigkeit der Hochschulen bedeutet das, dass wir den Randbereich viel aufmerksamer als bisher beachten müssen, der ansonsten baden geht.“

Ein Monitoring kann neben dem Erhalt kleiner Fächer dazu genutzt werden, Anknüpfungspunkte und etwaige Kooperationen, aber auch unnötige Doppel- und Mehrfachangebote zu identifizieren und dort zu reduzieren, wo es sinnvoll ist. Ein Monitoring erlaubt es zugleich der Landespolitik, sich auf die Punkte zu konzentrieren, die essenziell für die weitere Entwicklung des Freistaates sind. Ich nenne stellvertretend die Bereiche Lehrer- und Erzieherausbildung, Medizin und Energie. Hier sollte der Freistaat konkret benennen, welche Strukturen und zusätzlichen Angebote er haben will.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Uns geht es nicht um oberflächliche Etiketten, nicht um Luftschlösser, sondern um konkrete, tragfähige und machbare Lösungen. Wir laden Sie ein, sich an dieser Diskussion mit ebensolchem Ernst zu beteiligen und unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Gerstenberg. – Und nun die CDU-Fraktion; Herr Prof. Dr. Schneider, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 2. März 2011 haben die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Wissenschaftsrat beschlossen, die Technische Universität Dresden und die Technische Universität Chemnitz in die Endauswahl der Exzellenzinitiative aufzunehmen.

(Beifall des Abg. Nico Tippelt, FDP)

Nunmehr stellen beide Universitäten die Vollanträge. Beide sächsischen Universitäten konnten sich jeweils mit anspruchsvollen Konzepten durchsetzen und zu Recht punkten.

Meine Damen und Herren, das ist ein toller Erfolg und das ist ein hervorragendes Signal für beide Universitäten, aber auch für den gesamten Hochschul- und Wissenschaftsstandort Sachsen schlechthin.

Beispielsweise hat die Technische Universität Dresden mit ihrem Dresden-Konzept offensichtlich die Zeichen der Zeit erkannt. Das von der TU Dresden entwickelte Konzept ist ein Wissenschaftsnetzwerk der Universität mit insgesamt 14 Partnern aus den vier großen Forschungseinrichtungen Fraunhofer, Helmholtz, Max Planck und Leibniz sowie mit Dresdner Museen und Bibliotheken.

Zu nennen ist die TU Chemnitz, die sich mit ihrer Antragsskizze „Technologiefusion für multifunktionale

Leichtbaustrukturen“ für ein Exzellenzcluster im Auswahlverfahren unter insgesamt 60 Hochschulen durchgesetzt hat.

Beiden Universitäten gebührt bereits heute ein herzlicher Glückwunsch. Den beiden anderen sächsischen Universitäten, nämlich Leipzig und Freiberg, ist ein herzlicher Dank für ihre Bewerbung auszusprechen. Insgesamt haben unsere Hochschulen mit ihren Bewerbungen dem Wissenschaftsstandort Sachsen einen kräftigen Schub verliehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Also, der Wissenschaftsstandort Sachsen überzeugt bei der Exzellenzinitiative rundum.

Vor diesem Hintergrund bin ich, vorsichtig gesagt, ein wenig enttäuscht über Ihre Bemerkung, Herr Gerstenberg, es gehe um ein „Exzellenzschrumpfen“. Das ist eine blanke Verkennung der gegenwärtigen Situation.

Dass die sächsischen Universitäten im Exzellenzbereich hervorragend aufgestellt sind, Herr Mann, beruht im Wesentlichen auf unserer politischen Begleitung in den vergangenen 20 Jahren, und das ist auch Ergebnis einer hervorragenden gemeinsamen Arbeit in der Koalition mit dem SMWK. Das Ganze, Herr Mann, ist weiß Gott nicht auf dem Mist der SPD gewachsen.