Wir fahren in der ersten Runde der allgemeinen Aussprache fort. Für die Opposition ist Herr Lichdi gemeldet. – Herr Lichdi verzichtet auf seinen Redebeitrag. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider hat sich nur Kollege von Breitenbuch an der Debatte beteiligt. Das ist für mich ein Armutszeugnis, weil es um ein denkbar wichtiges Thema geht. Ich verstehe einfach nicht, wie Sie dieses Thema so aus den Augen verlieren können. Wir alle haben in den vergangenen Wochen gemeinsam betont, wie wichtig es ist, dass die Atomkraft nur eine Brückentechnologie ist und dass dementsprechend ein möglichst rascher Ausstieg erfolgt. Es ist doch klar, dass Deutschland keine Insel ist. Die Hauptgefahr für einen GAU oder einen Super-GAU ist nicht mehr in Deutschland zu suchen, sondern im europä
ischen Ausland, wo viele Schrottmeiler stehen. Dementsprechend muss doch jetzt eigentlich das Thema EURATOM ganz oben auf der Prioritätenliste stehen.
Herr Breitenbuch, Ihre historische Perspektive reicht einfach nicht aus, um die Probleme zu erfassen. Die historische Perspektive – der Blick zurück in die Fünfzigerjahre – ist nicht mehr relevant; denn wir hatten inzwischen die AKW-Katastrophen in Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima. Wir haben einfach lernen müssen: Atomkraft ist nicht kalkulierbar, ist vom Menschen nicht beherrschbar. Deswegen müssen wir neue Wege gehen.
Ich muss Ihnen auch sagen, dass der EURATOM-Vertrag nicht so leicht revidiert werden kann, beispielsweise mit der Perspektive: „Wir kümmern uns jetzt nur noch um die Lagerung von Atommüll, wir kümmern uns jetzt nur noch um Sicherheitsinvestitionen in Atomkraftwerken.“ Der EURATOM-Vertrag kann mit dieser Perspektive nicht so leicht geändert werden; denn EURATOM fördert alle Investitionen in AKWs. Dementsprechend ist es blauäugig, auf eine Revision des EURATOM-Vertrages zu hoffen. Er kann nur ganz aufgekündigt werden.
Ich finde es putzig, dass Sie mir vorhin vorgehalten haben, dass ich den BUND zitiert habe. Ich glaube, in Deutschland herrscht immer noch Zitierfreiheit.
Wenn man es so sieht wie Sie – Sie sagen, der EURATOM-Vertrag sei aktueller denn je –, dann heißt das nur, dass wir der Atomenergie eine Ewigkeitsgarantie zuschreiben. Wir alle wissen – ich habe es vorhin schon gesagt –: Der EURATOM-Vertrag kann nur einstimmig geändert werden. Wir wissen auch, dass Länder wie
Frankreich, die 80 % ihres Energieaufkommens über Atomenergie decken, niemals einer Änderung des EURATOM-Vertrages zustimmen werden. Wenn man EURATOM unangetastet lässt, räumt man damit gleichzeitig ein, dass man aus der Atomenergie nicht aussteigen will. Das war wohl der einzige wirkliche Erkenntnisfortschritt, den Ihr heutiger Redebeitrag gebracht hat.
In vielen anderen europäischen Ländern – wie in Österreich – wird schon massiv Druck gegen EURATOM gemacht. Ich bin mir sicher, dass auch dieser unsinnige Vertrag eines Tages aufgekündigt wird.
Meine Damen und Herren, ich stelle nun den Antrag in der Drucksache 5/5554 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei null Stimmenthaltungen und einigen Dafür-Stimmen ist der Antrag in der Drucksache 5/5554 mehrheitlich nicht beschlossen worden.
Beratende Äußerung gemäß § 88 Abs. 2 SäHO zum Thema „Transparenz, Haushaltsflexibilisierung, Budgetrecht – Schritte zu einer neuen Haushaltswirtschaft –“
Das Präsidium hat dafür eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt. Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, Staatsregierung, wenn gewünscht.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Prüfen, beraten und berichten – das sind die Aufgaben, die der Sächsische Rechnungshof wahrnimmt, und er meint es ausdrücklich ernst damit und geht seinen Aufgaben gewissenhaft nach.
Im Sommer letzten Jahres legte der frischgebackene Rechnungshofpräsident, Prof. Dr. Karl-Heinz Binus, die erste Beratende Äußerung unter seiner Federführung auf
den Tisch des Hohen Hauses, rechtzeitig vor der Beratung des Doppelhaushaltes 2011/2012. Das Thema: „Transparenz, Haushaltsflexibilisierung, Budgetrecht – Schritte zu einer neuen Haushaltswirtschaft“.
Seitdem hat sich der Sächsische Landtag intensiv mit den Inhalten beschäftigt, und im Herbst 2010 verabschiedete der Landtag einen Antrag der Koalitionsfraktionen, nicht erst im Doppelhaushalt 2013/2014 tätig zu werden, sondern bereits in den Haushaltsberatungen für 2011/2012. Auch die Staatsregierung hat die Vorlage sofort aufgegriffen und über 200 Haushalts- und Deckungsvermerke in der Ergänzungsvorlage zum Haushalt selbst gestrichen.
Das Parlament hat ebenfalls Hand angelegt. Die Koalitionsfraktionen haben weitere Vermerke in umfangreicher
Art und Weise gestrichen. So wurden beispielsweise die Kosten für die journalistischen Nachrichtenagenturen aus allen Ressorts in einem Titel in der Staatskanzlei zusammengefasst. Weitere Zusammenfassungen nach diesem Vorbild sollten nach unserer Auffassung im nächsten Haushaltsentwurf der Staatsregierung 2013/2014 folgen.
Aber wer jetzt denkt, damit wäre die Beratende Äußerung des Rechnungshofs erledigt, der springt zu kurz. Der Sächsische Rechnungshof hat weitere wichtige Dinge angesprochen, und dafür möchte ich Präsident Prof. Binus und den Mitarbeitern des Sächsischen Rechnungshofs ausdrücklich danken.
Auch den Sachverständigen der Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses vom 5. Januar dieses Jahres möchte ich herzlich danken. Neben dem Rechnungshofpräsidenten standen uns Prof. Dr. Wolfgang Roth, Prof. Dr. Georg Milbradt und Roland Weckesser zu diesem Thema Rede und Antwort. Es war ein aufschlussreicher Jahresauftakt, dessen Protokoll man immer wieder gern liest.
Mit der heutigen Beschlussempfehlung im Parlament kommen wir nun aber nicht zum Abschluss der Diskussion. In dieser konstruktiven Debatte ist es ganz sicher nur ein Zwischenschritt zu den Grundsätzen des sächsischen Haushaltswesens. Wenn wir uns nochmals die Ausführungen des Rechnungshofs in Erinnerung rufen, so heißt es, dass die Transparenz des Haushalts quasi zunehmend verloren geht und der Einsatz der zunächst als Ausnahme von den Haushaltsgrundsätzen entwickelten Instrumente für einen flexibleren Haushaltsvollzug im sächsischen Staatshaushalt zum Regelfall geworden ist. Der Rechnungshof sagt, dass der Einsatz dieser Flexibilisierungsinstrumente auf ein angemessenes Maß zurückgeführt werden soll.
Es ist völlig richtig, dass die Transparenz des Haushalts wichtig ist, doch wir brauchen auch Flexibilität. Dazu ist es unumgänglich, dass wir uns die vergangenen Haushalte vor Augen führen, die wir in diesem Parlament beschlossen haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Nutzung der Flexibilisierungsinstrumente haushaltswirtschaftlich notwendig war und ist. Auch der Rechnungshof erkennt in seiner Beratenden Äußerung das Erfordernis der Flexibilisierung im Haushaltsvollzug aufgrund der Einbringung der öffentlichen Haushalte in globale Prozesse und föderale Finanzbeziehungen an.
Mit Instrumenten wie Deckungs-, Übertragungs- und Kopplungsvermerken geben wir der Verwaltung mehr Handlungsfreiheit, auf unvorhersehbare Situationen besser reagieren zu können, denn mangelnde Flexibilität führt letztlich zu Ineffizienz.
Dies haben ebenso auch die Sachverständigen im Haushalts- und Finanzausschuss im Januar so gesehen. Umso mehr waren wir über das Nachsetzen des Rechnungshofs in der „LVZ“ und den „DNN“ vom 28. Februar 2011
irritiert. Die Anhörung hat klar herausgearbeitet, dass es nicht um das akkurate Geldzählen gehen kann, sondern um eine am Ergebnis orientierte Ausgabenpolitik.
Ich hoffe, dass es in der vom Rechnungshof für dieses Jahr bereits angekündigten Fortsetzung der Beratenden Äußerung gelingt, hier konkrete Vorschläge zu diskutieren. Dann kommen wir auch in der Debatte zum Haushaltsrecht voran. Wenn Milbradt sagt, „die neue Haushaltswirtschaft muss ein neues Gleichgewicht zwischen Zentralität und Dezentralität haben“, hat er nach meinem Geschmack recht. Ziel könnte es tatsächlich sein, ab 2015 eine neue, modernisierte Haushaltsordnung einzuführen.
Es gilt, ein Gleichgewicht zwischen Transparenz und Flexibilität herzustellen, um die Steuerungs- und Kontrollfunktionen des Landtages nicht einzuschränken. Wie viel Flexibilität der Landesgesetzgeber der Verwaltung im Haushaltsvollzug einräumt, obliegt letztlich diesem Parlament; denn die alleinige Entscheidungs- und Feststellungskompetenz des Landtages für den Staatshaushalt ist und bleibt unangetastet.
Rechtlich betrachtet, gibt es bezüglich der bisherigen Budgetierung und Flexibilisierung, die im Haushalt bereits zur Anwendung kommt, keine Bedenken, auch nicht seitens des Rechnungshofs. Allerdings müssen wir uns mit Recht die Frage stellen, inwieweit die derzeitige Kameralistik mit Blick auf die internationale und nationale Entwicklung überhaupt noch geeignet ist, die heutigen komplexen Finanzbeziehungen und Prozesse abzubilden.
Wir kommen nicht umhin, eine Debatte zur Einführung einer kaufmännischen Buchführung bzw. eines doppikschen Rechnungswesens für den staatlichen Haushalt zu führen. Es zeigt sich, dass das traditionelle Haushaltsverfahren der Kameralistik deutliche Schwächen aufweist. Ich sehe beispielsweise nicht rechtzeitig, wenn ich Investitionsbedarf habe und entsprechende Vorsorge treffen muss. Weiterhin ist die Kameralistik mit keiner Erfolgskontrolle verbunden, sondern eine reine Kontrolle von Ausgaben- und Zahlungsströmen. Was habe ich für einen Erkenntnisgewinn, wenn ich weiß, dass es ein Budget XY von 1 000 Euro gibt und dieses nicht überschritten wurde?
Bei der ergebnisorientierten Budgetierung beispielsweise werden dezentrale Finanzverantwortung und Leistungsziele systematisch miteinander verbunden. Das heißt, ich steuere das Verwaltungshandeln über kombinierte Leistungs- und Ressourcenvorgaben.
Prof. Milbradt bringt es auf den Punkt, indem er in der Anhörung im Januar 2011 sagt, dass sich der Landtag stärker darauf konzentrieren soll, operationalisierbare Ziele vorzugeben, „denn dann kann ich auch die Verwaltung danach prüfen, ob sie die Ziele erreicht und nicht nur das Geld ausgegeben hat“.
Daher schließe ich mich der Forderung an, dass wir ein neues Verhältnis zwischen einer zentralen und einer dezentralen Steuerung finden müssen. Letztlich sollten wir uns doch als Parlament die Frage stellen, was wir eigentlich kontrollieren wollen: Wollen wir eine buchhal
Das war für die CDUFraktion Herr Kollege Rohwer. Als Nächstes hat die Fraktion DIE LINKE das Wort durch Herrn Kollegen Scheel.