Protokoll der Sitzung vom 20.04.2011

Somit steigen wir in die Abstimmung ein. Ich rufe den Änderungsantrag in der Drucksache 5/5610 auf, „Demokratie braucht Vertrauen – Gegen eine Kultur der Verdächtigung und des Bekenntniszwangs“. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist dieser Änderungsantrag mehrheitlich nicht beschlossen worden.

Herr Jurk, bitte.

Ich wünsche eine Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten vornehmen zu dürfen.

Das können Sie machen.

Ich habe dem Antrag der Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus vollem Herzen zugestimmt, weil es für mich in der Debatte keine erkenntlichen Gründe gab, warum eine entsprechende Erklärung bei Förderanträgen für Demokratieprojekte erforderlich ist. Diese Erklärung ist man mir schuldig geblieben.

Dasselbe trifft zu, dass ich mich als Mensch, der 1989 auf die Straße gegangen ist, sehr unangenehm berührt fühle. Wenn ich höre, dass dieser Staat Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Sachsen es nötig haben, dass freie Träger mit staatlichen Stellen abgestimmte Erklärungen abgeben müssen, dann fühle ich mich fatal an die Situation vor 1990 erinnert.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum zweiten vorliegenden Änderungsantrag in der Drucksache 5/5651, „Demokratie braucht Vertrauen – Gegen eine Kultur der Verdächtigung und des Bekenntniszwangs“. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist die Drucksache mehrheitlich nicht beschlossen worden.

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung über die Drucksache 5/5482, „Demokratie braucht Vertrauen – Gegen eine Kultur der Verdächtigung und des Bekenntniszwangs“. Wer dieser Drucksache zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist diese Drucksache nicht beschlossen worden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren, wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 9

Raus aus EURATOM – Förderung erneuerbarer Energien statt Privilegierung der EU-Atomindustrie

Drucksache 5/5554, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: NPD, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Fraktion der NPD als Einreicherin das Wort; Herr Schimmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit zwei Zitaten beginnen – einmal mit der „Zeit“ vom 25. März, wo es heißt: „Die Europäische Union besitzt weder die Kompetenz, ihren

27 Mitgliedsländern vorzuschreiben, welche Energieform sie nutzen sollen. Sie kann noch nicht einmal gemeinsame Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke in Europa vorschreiben. Das ist verwunderlich für einen Kontinent, auf dem jedes neue Feuerzeugmodell, jedes Mineralwasser und jedes Handy vor der Zulassung aufwendige EUGenehmigungsverfahren durchlaufen muss.“

Weiter möchte ich die ehemalige schwedische EUUmweltkommissarin Margot Wallström mit den Worten

zitieren: „Die Vorschriften zum Umgang mit Nuklearmüll sind weniger streng als die EU-Norm für anderen Müll.“

Trotz solcher Äußerungen, die nun weiß Gott tief blicken lassen, lassen wir uns in Deutschland einen europaweiten Ausstieg aus der Kernenergienutzung durch den EURATOM-Vertrag verunmöglichen, obwohl dem ja gar nicht so sein müsste.

Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft lösten sich 1993 mit dem Maastricht-Vertrag in der EU heraus, EURATOM leider nicht. Diese Institution blieb davon leider unberührt und ist bis heute eine eigenständige supranationale Organisation. Das ist bedauerlich und es zeigt, dass bereits in den Fünfzigerjahren die falschen energiepolitischen Weichenstellungen vorgenommen wurden. Lassen Sie uns doch wenigstens jetzt einen anderen Weg einschlagen.

In diesem Zusammenhang möchte ich im historischen Rückblick feststellen, dass bereits in den Fünfzigerjahren – also fast vor 60 Jahren – die Kernenergie keineswegs alternativlos war, sondern darüber hinaus damit sogar der Grundstock für einen erschwerten Ausbau alternativer Energieformen gelegt wurde.

Diese Erkenntnis, meine Damen und Herren, ist für die heutige Entscheidungsfindung von geradezu zukunftsträchtiger Bedeutung oder, um mit dem dänischen Philosophen Søren Kierkegaard zu sprechen: „Leben muss man das Leben vorwärts, verstehen kann man es nur rückwärts.“

Stromerzeugung aus solarthermischen Kraftwerken existierte in Frankreich schon in den Fünfzigern. Ebenso kannte man damals aus der Raumfahrt schon die Nutzung der Fotovoltaik. Die Windkraftanlage besteht seit 1891, ganz zu schweigen von der Nutzung der Wasserkraft. Doch die Entscheidung für die Kernenergie war neben der Nutzung fossiler Energien auch eine Entscheidung gegen eine Dezentralität von Versorgungsstrukturen und infolge dessen gegen den Ausbau alternativer erneuerbarer Energieformen.

Dies hatte auch der jüngst verstorbene SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer erkannt, der in diesem Zusammenhang das gute Wort von der „energetischen Selbstbestimmung“ in den Mund nahm und forderte, weg von der globalisierten strukturellen Einfalt, hin zur strukturellen Vielfalt zu gelangen.

(Allgemeine starke Unruhe)

Eben aus dieser grundlegenden Erkenntnis heraus fordert die NPD-Fraktion im Antragspunkt 2 nicht allein den Ausbau erneuerbarer Energien, sondern – –

Herr Schimmer, wenn Sie einmal kurz unterbrechen würden. – Ich bitte die Abgeordneten, die zwischen den Reihen der Linksfraktion, der SPD und der GRÜNEN stehen und sich unterhalten, bitte ihre Plätze einzunehmen oder den

Plenarsaal zu verlassen; das macht sich für die Debatte sicherlich besser.

Herr Schimmer, bitte fahren sie fort.

Eben aus dieser grundlegenden Erkenntnis heraus fordert die NPD-Fraktion im Antragspunkt 2 nicht allein den Ausbau erneuerbarer Energien, sondern sie fordert auch, ebendiesen Ausstieg mit den für die Kernenergie vorgesehenen Mitteln und stattdessen zu betreiben.

Meine Damen und Herren, die Kernenergienutzung wurde in den Fünfzigerjahren zum energiepolitischen Leitbild; aber diese hermetische Perspektive wurde durch die Dramen, durch die Katastrophen von Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima aufgebrochen. Jetzt gilt es – das ist doch eine Forderung, die sich an uns alle richtet –, diesen endlich durchgesetzten neuen Sichtweisen gemeinsam zur Realisierung zu verhelfen; denn wir alle wollen ja, dass die Kernenergie eine Brückentechnologie bleibt.

Ein Mittel dazu ist die Aufkündigung des EURATOMVertrages. Fukushima dürfte gezeigt haben, dass wir keine Institutionen mehr benötigen, in denen es um die Sicherheit der Kernenergienutzung geht; denn wie schon Mycle Schneider, Träger des alternativen Nobelpreises zutreffend feststellte: „Weil die Art von Unglücken unvorhersehbar ist, ist auch nicht festlegbar, welche Sicherheitskultur die richtige ist.“

Wir als NPD-Fraktion möchten über alle Parteigrenzen hinweg zum Ausdruck bringen, dass wir sowohl die Menschenrechtsbeschwerde der FPÖ beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bezüglich der Europäischen Atomgemeinschaft als auch die Bundestagspetition der ÖDP zum EURATOM-Ausstieg begrüßen, an der sich auch zahlreiche Nationaldemokraten beteiligen.

Meine Damen und Herren, man muss nicht erst Dürrenmatts „Physiker“ gelesen haben, um einzusehen, dass Marktgesetze geändert werden können, Naturgesetze allerdings nicht. Da wir unsere Heimat nicht nur von unseren Vätern geerbt, sondern andererseits auch von unseren Kindern und Enkeln geborgt haben, kann die Messlatte für eine verantwortungsvollen Umgang mit dem Lebenselixier Energie gar nicht hoch genug angesetzt werden.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Die EURATOM-Politik hat über die Jahre nur dazu geführt, dass die EU – bitte hören Sie jetzt ein Mal zu! – mittlerweile mit mehr als 140 im Betrieb befindlichen AKWs der weltweit führende Anbieter von Atomenergie ist. Die Institution EURATOM trägt maßgeblich dazu bei, diese rückwärtsgewandte und brandgefährliche Energiepolitik zu zementieren. EURATOM vergibt Kredite an die Atomindustrie, die durch das Europäische Parlament weder genehmigt noch kontrolliert werden, und ist damit ein geradezu idealtypisches Beispiel für das Demokratiedefizit, das eigentlich für alle EU-Institutionen so kennzeichnend ist.

Über EURATOM-Kredite werden grenznahe Nuklearmonster – wie das nur 25 Kilometer von Freiburg im Breisgau entfernte AKW Fessenheim oder die nur 12 Kilometer von der saarländischen Grenze entfernten Reaktorblöcke von Cattenom – am Leben erhalten.

Über EURATOM werden osteuropäische Schrottreaktoren am Netz gehalten, die in ihrem Grundmodell dem havarierten Reaktor von Tschernobyl entsprechen und als tickende Zeitbomben eigentlich längst abgeschaltet gehörten. Wenn es tatsächlich – was zu befürchten steht – zum Bau eines Atomkraftwerks in Niederschlesien, direkt an der Grenze zu Zittau, kommt, dann wird dieses Kraftwerk sicherlich wieder über EURATOM-Kredite und damit indirekt auch wieder über den deutschen Steuerzahler finanziert werden, der ja bekanntermaßen für einen Großteil des EU-Haushalts aufkommen muss, aus dem sich auch das EURATOM-Budget speist.

Wenn es tatsächlich einmal – egal, ob in Frankreich, Polen oder der Tschechischen Republik – zu einem Gau in einem grenznahen Reaktor und damit zur Verstrahlung ganzer deutscher Regionen sowie zur irreparablen Schädigung der Gesundheit von Millionen von Landsleuten kommen sollte, dann müsste man später vielleicht einmal feststellen, dass dies nur möglich war, weil auch diese Schrottmeiler durch EURATOM-Gelder am Leben erhalten wurden.

Die Frage ist: Wollen Sie als Vertreter der etablierten Parteien diese Politik aus dem Irrenhaus wirklich ewig mitmachen, nur damit es immer wieder Brüssler Streicheleinheiten für den Verrat am nationalen Interesse Deutschlands gibt? Wir Nationaldemokraten wollen dies ganz sicher nicht.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Für die CDU-Fraktion ist Herr von Breitenbuch als Redner gemeldet.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit den Fünfzigerjahren wurde in Europa mit Atomenergie der Energiemangel beseitigt. Sechs Staaten haben sich damals zusammengetan: Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande. Diese Staaten haben die gemeinsame Nutzung der Atomenergie vereinbart, um damit nach dem Krieg den Aufbau von Wohlstand zu verstetigen. Es ging um Unabhängigkeit, und es ging um Solidarität, weil die kleineren manches nicht stemmen konnten. Man tat sich zusammen und legte 1957 im EURATOMVertrag die vertraglichen Grundlagen.

Allgemeine Ziele waren die Bildung und die Entwicklung von Kernindustrien. Alle, die mitmachten, sollten davon profitieren. Es sollte Versorgungssicherheit beim Thema Energie hergestellt werden – ähnlich wie heute. Es ging um technische Sicherheit und den Anschluss an moderne Forschung. Ziel war es auch zu verhindern, dass Kernma

terial für die militärische Nutzung abgezweigt wird. Insgesamt ging es um die zivile, friedliche Nutzung der Kernenergie in Europa. Die Prämissen, unter denen man damals agierte, waren die Sicherung neuer Erkenntnisse und deren Verbreitung in Europa, die Sicherheit der Technologie und der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung.

Heute geht es um die Erhöhung der Reaktorsicherheit und die Einbindung in den EU-Verbund. Das betrifft auch Länder wie Tschechien. Die Voraussetzungen für einen sinnvollen und koordinierten Ausstieg aus der Nutzung der Kernkraft sind zu schaffen. Ferner sind alle Fragen der Endlagerung zu klären, das heißt, EU-weit abzustimmen.

Die NPD fordert in ihrem Antrag verschiedene Punkte: den Vertrag aufzukündigen, die Zahlungen in die Förderung erneuerbarer Energien umzuleiten, eine Drohkulisse als Nettozahler aufzubauen und mit Tschechien Gespräche über die Stilllegung von deren Atomkraftwerken zu beginnen. In dem Antrag wird auch der BUND zitiert. Ich wäre interessiert zu erfahren, ob die das wissen.

Fazit: Angesichts dessen, was dieses Vertragswerk für uns bis heute insgesamt bietet, ist der EURATOM-Vertrag in meinen Augen und in den Augen der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP aktueller denn je, gerade was Themen wie die Endlagerung angeht. Diese Probleme müssen wir lösen. Dafür ist es ganz wichtig, diese gemeinsame Plattform zu haben, auch mit Geld untersetzt. Wir hielten es für fatal, wenn wir aussteigen würden. Deswegen lehnen wir den Antrag der NPD-Fraktion ab.

(Beifall bei der CDU und der FDP)