Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Dietzschold und Herr Dulig.
Folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 4 bis 9 festgelegt: CDU bis zu 90 Minuten, DIE LINKE bis zu 60 Minuten, SPD bis zu 36 Minuten, FDP bis zu 36 Minuten, GRÜNE bis zu 30 Minuten, NPD bis zu 30 Minuten, Staatsregierung 60 Minuten. Die
Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.
Ich sehe keine weiteren Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. – Die Tagesordnung der 35. Sitzung ist damit bestätigt.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium hat vereinbart, nach der Beschlussfassung über die Subsidiaritätsvereinbarung und die damit im Zusammenhang stehende Änderung der Geschäftsordnung, also nach Tagesordnungspunkt 3, die Mittagspause einzulegen. Währenddessen – das wiederhole ich ausdrücklich – ist das Präsidium eingeladen, der feierlichen Unterzeichnung unserer kurz vorher beschlossenen Vereinbarung beizuwohnen.
1. Aktuelle Debatte: Sachsen braucht freiwilliges Engagement – Perspektiven zu jetzigem Zivil- und Ersatzdienst entwickeln
Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen und der Staatsregierung hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 25 Minuten, SPD 12 Minuten, FDP 14 Minuten, GRÜNE 10 Minuten, NPD
Sachsen braucht freiwilliges Engagement – Perspektiven zu jetzigem Zivil- und Ersatzdienst entwickeln
Als Antragstellerinnen haben zunächst die Fraktionen der CDU und der FDP das Wort. Die weitere Reihenfolge in der ersten Runde lautet: DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD, Staatsregierung, wenn gewünscht.
1961, vor genau 50 Jahren, traten die ersten Kriegsdienstverweigerer ihren Dienst an. Seit 1961 haben das insgesamt 2,5 Millionen junge Männer getan. Sie haben ihren Dienst geleistet. Zuletzt waren es 90 000 jährlich.
Nun also, 50 Jahre später, ist quasi die Abschaffung – andere nennen es „Aussetzung“ – des Wehr- und des Zivildienstes durch den Bundestag und – am 15. April – den Bundesrat beschlossen worden. An die Stelle des bisherigen Zivildienstes tritt zum 01.07. dieses Jahres der
neue sogenannte Bundesfreiwilligendienst mit insgesamt 35 000 Stellen bundesweit. Parallel dazu erfolgt der Ausbau der geförderten Stellen des Freiwilligen Sozialen und des Freiwilligen Ökologischen Jahres von 25 000 auf ebenfalls 35 000.
Der neue Bundesfreiwilligendienst ermöglicht freiwilliges Engagement in einer sehr großen Breite: im sozialen Bereich, in der Ökologie, in der Kultur, im Sport, im Bereich der Integration, aber auch beim Zivil- und Katastrophenschutz. Das Besondere an dem neuen Bundesfreiwilligendienst ist, dass künftig ein freiwilliges Engagement für Menschen jeden Alters ermöglicht wird. Der Bund gibt seit diesem Jahr für den Bereich der Freiwilligendienste 350 Millionen Euro aus, sehr geehrte Damen und Herren, so viel wie noch nie.
In Sachsen gab es im April 2011 insgesamt 2 524 Zivildienststellen mit 5 935 Plätzen. Derzeit befinden sich 1 834 Zivis im Dienst. Im Bereich des Freiwilligen Sozialen bzw. des Freiwilligen Ökologischen Jahres fördert der Freistaat Sachsen im Jahr 2011 777 und im Jahr 2012 722 Plätze. Dazu kommen aus ESF-Mitteln weitere 170 FSJ-Plätze für benachteiligte Jugendliche und weitere 300 Plätze im Freiwilligen Ökologischen Jahr.
Wenn man die Plätze des neuen Bundesfreiwilligendienstes mit denen des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Freiwilligen Ökologischen Jahres zusammenrechnet, kommt man relativ schnell zu dem Schluss, dass diese Plätze nicht ausreichen, um die wegfallenden Zivildienstplätze zu 100 % zu kompensieren. Aber ich meine, das kann auch nicht das eigentliche Ziel sein; denn Sie alle wissen, dass gerade im Bereich des Zivildienstes die Jugendlichen viele Leistungen erbracht haben – ich greife zwei heraus: den Hausmeister und den Pförtner in bestimmten Einrichtungen –, bei denen man sich wirklich fragen muss: Sind das die Bereiche, in denen wir Jugendliche in Verantwortung bringen wollen? Oder sind das nicht Leistungen, die von den Einrichtungen anderweitig erbracht werden müssten?
Wir wollen jungen, aber auch älteren Menschen die Chance geben, Verantwortung zu übernehmen. Dies soll nun stärker als bisher durch die Jugendfreiwilligendienste und den neuen Bundesfreiwilligendienst geschehen. Dass dabei noch nicht alles perfekt läuft, ist nur logisch. Wenn Sie sich anschauen, wie schnell die Debatte zur Abschaffung bzw. Aussetzung des Wehrdienstes und damit des Zivildienstes gelaufen ist, dann wissen Sie: Es ist selbstverständlich, dass bei einem solchen gesellschaftlichen Umbruch nicht gleich alles top sein kann. Es gibt noch viel zu tun; es gibt noch Punkte, die dringend einer Debatte und Beschlussfassung bedürfen. Ich greife ein paar heraus:
Zum Ersten brauchen wir dringend eine Diskussion über die Anerkennung dieser Dienste, beispielsweise bei den Wartesemestern für Studenten. Wir brauchen eine erweiterte Anerkennung der im Freiwilligendienst erworbenen Qualifikation bei einer späteren Berufsqualifikation. Was auch sehr wichtig ist: Wir brauchen eine Angleichung der
Regelung zur Fortzahlung des Kindergeldes beim Bundesfreiwilligendienst an die beim Freiwilligen Ökologischen und beim Freiwilligen Sozialen Jahr bereits geltende Regelung.
Was wir ganz besonders brauchen – das ist gleichzeitig eine Aufforderung an die Staatsregierung –, ist eine Imagekampagne für die neuen Freiwilligendienste. So werden wir es schaffen, künftig die Jugendlichen, aber auch die älteren Menschen zu diesen Freiwilligendiensten zu bewegen.
Wir wollen das Jahr 2011 zu einem echten europäischen Jahr der Freiwilligendienste machen. Ich fordere alle Parteien und alle politischen Kräfte sowohl hier im Haus als auch im Deutschen Bundestag auf, sich daran zu beteiligen.
Für die einbringende Fraktion der CDU sprach Herr Kollege Schreiber. – Für die miteinbringende Fraktion der FDP spricht jetzt Frau Kollegin Schütz.
Sehr geehrte Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Aussetzen der Wehrpflicht wird eine langjährige Forderung der FDP auf Bundesebene jetzt in der Koalition umgesetzt. Dem liegen einerseits sicherheitspolitische Argumente zugrunde, andererseits aber auch der Fakt, dass von einer Wehrgerechtigkeit schon lange nicht mehr gesprochen werden konnte; denn wenn nur knapp 40 % eines Jahrganges eingezogen wurden, 60 % der jungen Männer, die tauglich waren, allerdings weder Wehr- noch Zivildienst leisten konnten, so konnte in diesem Rahmen nicht mehr von Wehrgerechtigkeit gesprochen werden. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich, dass der Wehrdienst jetzt reformiert wird.
Wenn es also keine verteidigungspolitische Begründung für den Wehrdienst gibt, gibt es auch keine Begründung mehr für einen verpflichtenden Zivildienst.
Dieser Zivildienst hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer geachteten sozial- und jugendpolitischen Institution entwickelt, nicht zuletzt natürlich durch das Engagement der Zivildienstleistenden selbst. Ich darf einfach von dieser Stelle aus noch einmal einen herzlichen Dank an alle richten, die es jetzt noch tun bzw. auch in den vergangenen Jahren getan haben.
Bis heute haben über 2,5 Millionen junge Männer diesen Zivildienst in Pflege- und Betreuungseinrichtungen, im Bereich des Umweltschutzes, in Krankentransporten oder auch im Rettungswesen geleistet. Im Interesse der Freiwilligen und auch im Interesse der Einsatzstellen wollen wir dieses Engagement mit dem Bundesfreiwilligendienst
weiter aufrechterhalten. Mit zusätzlich 35 000 Plätzen wird es neben dem schon bestehenden Freiwilligendienst, Freiwilligen Sozialen Jahr und Freiwilligen Ökologischen Jahr mehr Interessenten möglich sein, einen Freiwilligendienst zu leisten. Das Land Sachsen profitiert jetzt von der Strukturänderung im Bund, denn künftig erhalten alle besetzten Plätze der Jugendfreiwilligendienste einen deutlich aufgestockten Zuschuss des Bundes.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Daten und Fakten sind schon oft genannt worden. Ich will aber trotzdem noch einmal betonen, dass ich es für richtig halte, dass der Bundesfreiwilligendienst für Mann und Frau gilt, jede Generation sich einbringen kann und es eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten auch über die sozialen Dienste hinaus geben wird. Wichtig ist daher, dass diese Angebote für die Interessenten zielgruppengerecht und gegebenenfalls natürlich individuell angepasst werden. Die Vorschläge, die ich dazu schon von Einsatzstellen gelesen habe, wie beispielsweise die stundenreduzierten Einsatzpläne für ältere Interessenten, setzen da genau in der richtigen Richtung an. In Sachsen hat der PARITÄTISCHE Sachsen mit dem FDaG – dem Bundesprogramm Freiwilligendienst aller Generationen – und dem Projekt „Brückenzeit“ bereits gute Erfahrungen gesammelt, die alle Einsatzstellen gern nutzen können, um hier noch einmal Unterstützung für den zukünftigen Bundesfreiwilligendienst zu bekommen.
Interessenten müssen dafür gewonnen, geworben und ihre Arbeit vor allem wertgeschätzt werden. In Sachsen haben wir bereits diese Kultur der Anerkennung und an dieser halten wir auch im Besonderen mit der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes fest und werden sie weiter ausbauen.
Mit dem Ausbau des Freiwilligendienstes setzt die christlich-liberale Koalition auf Bundesebene auch einen wichtigen Punkt aus dem Koalitionsvertrag um. Die Einrichtung des Bundesfreiwilligendienstes vor Ort in den Ländern und in den Kommunen ist eine gemeinsame Aufgabe, bei der wir natürlich gern unterstützen wollen, sei es auch nur in der Form, dass wir mit nach außen tragen, was für eine Chance es ist, eine Gesellschaft aktiv mitzugestalten und diese Zeit gleichzeitig als Bildungszeit und Orientierungszeit in jedem Lebensalter zu nutzen.