Lutherdekade 2008 bis 2017 – Die Bedeutung der Reformation für Sachsen darstellen und erlebbar machen
Hier ist gleichfalls eine Diskussion vorgesehen. Es beginnt die einreichende Fraktion. Ich erteile der CDUFraktion das Wort. Herr Prof. Schneider, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 31. Oktober 1517 hat Martin Luther am Tor der Wittenberger Schlosskirche 95 Thesen gegen den kirchlichen Missbrauch des Ablasses angeschlagen. Der Thesenanschlag – und damit dieser Tag – wird gemeinhin als Beginn der Reformation angesehen. Er hat eine weltweite Bewegung ausgelöst. Diese hat nicht nur die Menschen in unserer Region in Deutschland, sondern auch in Europa und in Amerika geprägt – mittlerweile weltweit.
Die Reformation, die vom 31. Oktober 1517 ausgegangen ist, prägt Kirche und Theologie. Man möchte sagen: natürlich. Sie beeinflusst auch die Musik und Kultur: Ich denke beispielsweise an die erzgebirgische Kirchenmusik.
Meine Damen und Herren! Ich empfehle Ihnen die Lektüre der einschlägigen Website der Stiftung Luthergedenkstätten.
Allgemein wird Martin Luther als Urheber oder als Lehrer der Reformation angesehen – mit Recht. Sein Glauben und seine ganze Haltung waren an Jesus Christus als dem fleischgewordenen Wort Gottes ausgerichtet. Sein Anliegen lag nicht in der Spaltung der Kirche. Das war es nicht. Vielmehr wollte Martin Luther innerhalb der einen Kirche in diesem Sinne Fehlentwicklungen innerhalb des Christentums überwinden. Das war seine Absicht: die Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern. Dies hat die Gesellschaft nach dem Thesenanschlag grundlegend verändert.
So richtig also Martin Luther als Urheber und Lehrer der Reformation anzusehen ist, so sehr sollten wir uns heute einmal gedanklich in die Lage versetzen, in der er damals
gestanden hat: zu Beginn des 16. Jahrhunderts und unmittelbar vor, aber auch nach seinem Thesenanschlag. Seine ganze Persönlichkeit nötigt bis heute allerhöchsten Respekt ab. Sein Rückgrat, das er gezeigt hat, ist es, auf das ich hinweisen möchte. Sein Erkennen, seine Formulierungen, die Umsetzung des Prinzips der Gerechtigkeit Gottes sola gratia – allein aus Gnade – und seine darauf gegründeten Handlungen hatten die Anzeige in Rom und 1518 die Untersuchung des Vorliegens von Ketzerei zur Folge.
Beim Reichstag zu Augsburg – zwischen dem 12. und 15. Oktober 1518 – hat Martin Luther den Widerruf verweigert, wenn – so seine Einlassung – er nicht aus der Bibel heraus widerlegt würde. Einige haben ihn danach als Ketzer angesehen. Er ist der Verhaftung durch Flucht entgangen. Am 17. April 1521 stand Luther sodann vor dem Reichstag zu Worms vor den Ständen und Fürsten. Dort ist er verhört und letztmals zum Widerruf aufgefordert worden. Nach einem Tag Bedenkzeit und im Wissen, dass dies seinen Tod bedeuten könnte, hat er nach einer Überlieferung von Martin Treu wörtlich gesagt: "Da mein Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist – ich kann und will nichts widerrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen."
Danach kam die Reichsacht. Es war der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise, also sein Landesvater, der ihm Schutz geboten hat. Deshalb und aus vielerlei Gründen, meine Damen und Herren, darf Sachsen auch als ein Ursprungsland der Reformation angesehen werden. Unsere Botschaft, die Erkenntnis, die wir haben, ist: Standhaftigkeit und Rückgrat zeigen und Handeln aus tiefer religiöser Überzeugung heraus. Das halte ich für die bedeutendste und wichtigste Erkenntnis bis in die heutige Zeit hinein – oder vielleicht auch gerade heute. Hierin liegen auch wesentliche Wurzeln, wenn nicht die Wurzeln christlicher Werte, die auch Maßstab für unser politisches Handeln sind bzw. sein sollten.
Ich habe dies bewusst sehr breit im Zusammenhang mit dem heute gestellten Thema ausgeführt, meine Damen und Herren; denn die Ereignisse des 31. Oktober 1517 und in seiner Folge machen etwas deutlich, was heute von vielen entweder viel zu leicht und oft ungewollt, unbedacht oder vielleicht auch überhaupt nicht gesehen bzw. übergangen wird. Es ist das Zusammenwirken von Politik und Christentum. Es ist ein konstruktives Zusammenwirken von Kirche und Gesellschaft, das unser Leben bis heute bestimmt und beeinflusst. Dies durfte ich – das ist ein Geschenk Gottes – hier, in meiner neuen Heimat, erleben. Wir sollten dies bedenken, gerade hier im Sächsischen Landtag und gerade in der sächsischen Landespolitik.
Es ist nicht meine Absicht, meine Damen und Herren, an dieser Stelle Öl ins politische Feuer zu gießen, wenn ich sage, dass sich unsere Kirchen auch künftig auf die CDUFraktion im Sächsischen Landtag werden stützen können.
Ich habe als Christ – ich sage dies nicht als Politiker – die im vergangenen Jahr geführte Diskussion über die Kirchenstaatsverträge zutiefst bedauert. Als Christ weiß ich, dass ein Vergleich zwischen Kirche und politischen Parteien untauglich ist. Die Kirche ist viel mehr als nur eine politische Partei.
Dies zeigen auch die Ereignisse der Reformation. Als Christ weiß ich – dies sage ich der Kirche ausdrücklich –, dass die Kirche in der Fläche präsent bleiben muss, will sie nicht Gefahr laufen, die Errungenschaften der Reformation zu gefährden, und als Christ werde ich mich auch künftig den – ich sage nicht: billigen – politischen Versuchen widersetzen, das Kreuz im Fraktionssaal A 600 des Sächsischen Landtages abhängen zu lassen.
Meine Damen und Herren! Martin Luther hat im Beginn der Reformation gerade auch den Grund zum Feiern gesehen. Am 1. November 1527, also sozusagen zehn Jahre im Rahmen der ersten Dekade, hat er im Kreis von Freunden der Vernichtung der Ablässe zehn Jahre zuvor gedacht. Er hat diese Zeit überlebt, wie wir wissen. Seitdem wird im Jahrestag des Thesenanschlages der Reformationstag gesehen, der sich am 31. Oktober 2017 zum 500. Mal jährt. Aus dieser Erkenntnis ist vor einigen Jahren die Lutherdekade entstanden, in der wir mit Blick auf den 31. Oktober 2017 stehen. Ich bin dankbar dafür, dass die Lutherdekade seit 2008 mit jährlich wechselnden Themen sowie mit gemeinsamer finanzieller Begleitung des Bundes geführt wird, dem ich dafür herzlich danke, auch des Freistaates Sachsen, dem ich herzlich danke, und nicht zuletzt, meine Damen und Herren, auch der Kirche.
Das Jahr 2011 steht unter dem Thema "Reformation und Freiheit". Hieran soll deutlich werden, dass der mündige Christenmensch im Mittelpunkt der Reformation steht. Der aufrechte Gang unter Gottes Wort und zugleich die solidarische Hinwendung zum Mitmenschen – das sind die beiden Pole reformatorischer Freiheit, und sie wirken selbstverständlich auch hier bei uns.
Ich freue mich schon auf das Kirchenjahr 2012. Dann wird es um das Thema "Reformation und Musik" gehen. Die Reformation legte einen Grundstein für europäische Musikkultur – vom Gemeindegesang bis zur Hausmusik. Bach und Händel seien genannt, nicht zuletzt der Leipziger Thomanerchor. Ich bin sehr dankbar dafür, dass das Themenjahr im kommenden Jahr gerade auf Reformation und Musik ausgerichtet ist, begeht doch der Leipziger Thomanerchor in diesem Themenjahr sein 800-jähriges Bestehen. Ich freue mich darauf.
Meine Damen und Herren! Diese reiche Tradition wollen wir lebendig erhalten, gerade bei uns im Freistaat. Ein
Baustein hierfür ist etwa – ich könnte viele, viele andere Beispiele nennen; die Kollegen mögen es mir nachsehen, wenn ich nur einen heraushebe – das Musikfest Erzgebirge, das im Themenjahr 2012 erneut in herausragenden Kirchengebäuden im Erzgebirge herausragende Kirchenmusik darbieten wird. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der Staatsregierung für die Unterstützung, auch im Zuge des laufenden und des kommenden Haushaltsjahres.
Die Reformation endet nicht an den Kirchenmauern. Sie erfasst und durchzieht unser Leben, unsere Gesellschaft. Eine humanistische Gesellschaft wäre ohne die Reformation so nicht denkbar.
Ich wünsche mir, dass die Lutherdekade gerade auch denjenigen, die damit wenig anfangen können, Gelegenheit zur Einkehr geben kann und ein konstruktives Miteinander ist, in dem Kirche, Gesellschaft und Politik stehen.
Der Thesenanschlag von Martin Luther am 31. Oktober 1517 war Auslöser der Reformation. Diese hat in den vergangenen 500 Jahren nicht nur in unserem Land, sondern europaweit Gesellschaft und Politik gleichermaßen geprägt. Das 500-jährige Jubiläum im Jahr 2017 und die laufende Dekade sind in der Tat Ereignisse von Weltrang, wie es mein CDU-BundestagsabgeordnetenKollege Michael Kretschmer bezeichnet hat. Meine Kolleginnen Aline Fiedler und Uta Windisch werden sich in nachfolgenden Redebeiträgen zu den in Sachsen vorgesehenen Maßnahmen und Auswirkungen weiter äußern.
Meine Damen und Herren! Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Osterfest und schließe mit einem herzlichen "Glück auf!"
(Beifall bei der CDU, der Abg. Tino Günther, FDP, und Antje Hermenau, GRÜNE, sowie der Staatsregierung)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Martin Luther ist der Wegbereiter der Reformation und des Protestantismus. Das damalige Kurfürstentum Sachsen mit seiner Residenz ist die Wiege der Reformationsbewegung. Sachsen ist tiefstes Luther-Land, Sachsen ist zutiefst Land der Reformation.
Die Reformation ist wohl das folgenreichste Ereignis des 16. Jahrhunderts und prägt das Land Sachsen bis heute. Bereits seit 2008 ist die Lutherdekade präsent, doch bislang hat die Dekade ihre Ziele nicht erreicht und ihre Potenziale nicht entfalten können. Die Akzeptanz und Mitwirkung großer Teile der Bevölkerung, vor allem außerhalb der Kirchen, die Präsenz in den Medien, die
touristische Bewertung – all das kann noch optimiert werden. Darin steckt noch eine Menge Potenzial.
Wir wollen, dass die Lutherdekade zum Anlass genommen wird, unseren Kindern und Jugendlichen die beeindruckende Zeit der Reformation zu vermitteln. Immerhin kann diese Generation einiges lernen, nicht nur für unser heutiges Verständnis von Glauben und Demokratie, Glauben und Freiheit. Entscheidend ist, dass Glaube nicht verordnet oder einfach übergestülpt werden kann. Glaube ist eine ganz persönliche Entscheidung des Einzelnen. Ob oder wie bzw. was einer glaubt, das gilt von anderen respektiert zu werden. Um mit Melanchthon zu sprechen – siehe Birnstein 2010 –: "Es ist keinem Menschen, weder Vater noch Mutter noch irgendeiner geistigen oder weltlichen Obrigkeit, nicht dem Papst zu Rom noch dem Kaiser noch dem König, irgendeinem Menschen in seinem Glauben und in seinem Gewissen Gewalt anzutun."
So darf es als eine Sternstunde der Reformation betrachtet werden, als es Luther am 18. April 1521 auf dem Reichstag zu Worms unter Berufung auf sein Gewissen ablehnte, seine Schriften zu widerrufen. Damit hatte Luther infrage gestellt, dass irgendeinem einzelnen Menschen oder einer kirchlichen Instanz hinsichtlich des Glaubens eine letzte und zugleich unfehlbare Autorität zukommt.
Damit löste er eine für die Kirchengeschichte des Abendlandes einzigartige Bewegung aus. Weiterhin muss man feststellen, dass die theologische und auch die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Reformation und das Wirken Luthers weit über Sachsen hinausgehen.
Es gibt weltweit etwa 400 Millionen Protestanten und über 70 Millionen bekennende Lutheraner. Schwerpunktherkunftsländer sind neben Nordamerika auch die skandinavischen Länder. Nach Auskunft der Deutschen Zentrale für Tourismus gibt es in diesem Herkunftsbereich ein Potenzial von etwa 25 Millionen Menschen, die sich zu diesen Glaubensrichtungen bekennen. Diese potenzielle Gästeanzahl ist selbstverständlich in der Realität nicht zu erreichen. Aber schon ein Potenzial von nur 3 % entspräche circa 750 000 Gästen mit einem zu erwartenden Umsatz von circa 1 Milliarde Dollar. Das ist eine interessante Vorstellung für die Tourismusbranche.
Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie uns so viele Besucher – hören Sie einfach zu! – wie möglich nach Sachsen einladen und auf die sächsischen Spuren der Reformation bringen. Überlassen wir nicht allein Sachsen-Anhalt oder Thüringen die Initiative. Sachsen hat auch einiges zu bieten.
Laden wir unsere Gäste zum Beispiel auf das Schloss Torgau-Hartenfels ein, als eine der Wirkungsstätten Luthers, welches Ausstellungsort der 2. Sächsischen Landesausstellung „Glaube und Macht“ war, oder nach Zwickau. Martin Luther kam im April 1522 auf Bitten des Rates nach Zwickau und hielt dort einige Predigten. Zwickau wurde später im Zusammenhang mit dem Druck
reformatorischer Publikationen als die feste Burg der Reformation bezeichnet. Bringen wir unseren Kindern die Orte der Reformation und ihre Geschichte näher. Wir wollen die Leistungen von Martin Luther und seinen Mitstreitern vielen Menschen in Erinnerung bringen. Wir wollen diesem Jubiläum, welches sich im Jahr 2017 zum 500. Mal jährt, ein unverkennbares Gesicht geben.
Deshalb stellen wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner diesen Antrag zur Abstimmung und bitten um Ihre Unterstützung.