Protokoll der Sitzung vom 20.04.2011

Durch den Vertrag von Lissabon wurden die nationalen Parlamente auch in die Vorprüfung von Rechtsakten der EU eingebunden. Sie können also jetzt in einem frühen Stadium, noch vor Beginn des formalen weiteren Gesetzgebungsverfahrens, Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes geltend machen.

Meine Damen und Herren! Dies ist eine deutliche Entwicklung der demokratischen Legitimation von Rechtsetzungsvorhaben in der Europäischen Union. Das Subsidiaritätsprinzip des Vertrages über die Arbeitsweise der Union sieht vor, dass die EU ihre Kompetenzen nur dann ausüben darf, wenn ein Handeln auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene nicht ausreicht, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Dieser Grundsatz dient nicht nur dem Schutz des Spielraums der nationalen Parlamente, sondern ausdrücklich auch der Legislativrechte der regionalen Ebene. Deswegen ist es konsequent, in die Vorprüfung der Rechtsakte der Union auch die Landesparlamente einzubeziehen. Dies wird durch die vorliegende Vereinbarung sichergestellt, indem der Landtag dazu umfassend und frühzeitig die notwendigen Informationen erhält.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang lassen Sie mich kurz darauf hinweisen, dass sich die Staatsregierung und der Landtag darauf verständigt haben, den Austausch dieser Dokumente vorab vollständig in elektronischer Form durchzuführen. Auch dies wird zur schnelleren Übermittlung und zur effektiven Arbeitsweise beitragen.

Der Freistaat Sachsen gehört mit dieser Vereinbarung zu den fünf Ländern, die ihre Landtage am umfassendsten informieren und ihnen mit einer Einschätzung der Staatsregierung zu einem möglichen Subsidiaritätsverstoß auch erste Anhaltspunkte für die Bildung der eigenen Auffassung im Parlament an die Hand geben. Darüber hinaus wird die Staatsregierung halbjährlich Bericht zur Entwicklung der sächsischen Europapolitik erstatten und auch den Ausschuss regelmäßig unterrichten. Wem diese Unterrichtung noch nicht tief gehend genug ist, der ist jederzeit gern und herzlich eingeladen, sich mit Nachfragen auch über Detailregelungen durch die Staatsregierung informieren zu lassen.

Die zügige Bereitstellung der Informationen ist für die Staatsregierung mit erheblichem Aufwand verbunden. Das möchte ich hier auch deutlich machen.

Es liegt in der Hand des Landtages, von den eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Mit acht Wochen ist

Prof. Hans-Werner Sinn vom Münchner Ifo-Institut hat mittlerweile errechnet, dass sich die Nachschusspflicht Deutschlands auf 391 Milliarden Euro beläuft. Dann wird nicht nur die Schuldenbremse auf Bundesebene Makulatur sein. Nein, dann werden wir auch unsere Länderhaushalte nicht mehr sanieren können. Das hat also sehr wohl etwas mit der heutigen Subsidiaritätsdebatte zu tun, dass wir über den Euro-Rettungsfonds also eine Art Notstandsregierung bekommen, was viele Experten auf europäischer Ebene so sehen und wovor viele Finanzwissenschaftler warnen.

die Subsidiaritätsprüfung in der Tat eine sehr kurzfristige Angelegenheit. Aus Sicht der Staatsregierung wäre eine längere Frist sicherlich vorteilhaft gewesen. Aber durch die parallele Änderung der Geschäftsordnung des Landtages wird nun auch innerhalb des Parlaments sichergestellt, dass der Landtag in kurzer Frist eine Stellungnahme im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip abgeben kann.

Natürlich ist das Subsidiaritätsfrühwarnsystem nicht mit einfachen Regelungen versehen, was die Rügerechte anbelangt. Wieso benötigen wir ein Quorum von einem Drittel der nationalen Parlamente, um wirksam Verstöße geltend zu machen? Von größerer Bedeutung dürfte allerdings das Klagerecht des Ausschusses der Regionen sein, in dem auch Sachsen vertreten ist, meine Damen und Herren.

Gleichwohl sollte dieses die nationalen und regionalen Parlamente und insbesondere den Sächsischen Landtag nicht davon abhalten, begründete Bedenken zu möglichen Subsidiaritätsverstößen vorzubringen und zu rügen, damit auf der EU-Ebene insgesamt klar wird, was Subsidiarität bedeutet, welchen Stellenwert sie hat. Da sollten wir uns insgesamt – Parlament und Staatsregierung – nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Diese Vereinbarung trägt dazu bei, dass es gelingt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Schimmer, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. Ich würde gern vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen, weil meines Erachtens der Herr Staatsminister hier eben Schönrederei betrieben hat, wenn er von einer verbesserten demokratischen Legitimation von Rechtsetzungsakten der EU spricht.

Genau das Gegenteil ist der Fall, und zwar im Zusammenhang mit dem sogenannten Euro-Rettungsfonds wird jetzt darüber nachgedacht, dass dieser Rettungsfonds einen Verwaltungsrat bekommt, in dem mit einfacher Mehrheit über die Zuteilung von Geldern entschieden werden kann.

(Christian Piwarz, CDU: Thema!)

Ich rede zum Thema, Herr Piwarz.

Ein Gutachten des Deutschen Bundestages spricht von einem dramatischen Schwund der demokratischen Kontrolle von Entscheidungen, die auf EU-Ebene fallen. Insofern kann keineswegs davon die Rede sein, dass hier angeblich die demokratische Legitimität von EURechtsetzungsakten gestärkt worden sei und wir uns nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Wir lassen uns sehr wohl die Butter vom Brot nehmen, wenn immer mehr Nachschusspflichten in den Euro-Rettungsfonds bestehen.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Aber Sie wollen es nicht wahrhaben, Herr Piwarz. Da waren ja heute wirklich auch die Redebeiträge von Herrn Jurk und von Herrn Dr. Hahn wesentlich substanzieller.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Sie haben wenigstens das Problem der demokratischen Legitimität angesprochen, während Sie sich hier nur weitgehend in reiner Schönrednerei ergehen.

Danke sehr.

(Beifall bei der NPD)

Herr Minister, möchten Sie sich dazu äußern? – Bitte.

Nur ganz kurz.

Das macht aus der Sicht der Staatsregierung deutlich, dass man über Europa wesentlich mehr informieren und verbreiten muss, da es nach wie vor erschreckende Defizite gibt.

(Arne Schimmer, NPD: Ja, in der Tat!)

Die Frage von Währung und Währungsrecht obliegt auch nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Ländern. Zu Ihrer Information: Das galt auch bereits früher, sogar schon zu Reichsmarkzeiten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der Staatsregierung und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses in der Drucksache 5/5264 ab. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist die Drucksache beschlossen.

Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

Änderung der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtags

Drucksache 5/4980, Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/5283, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten

Das Präsidium hat, falls Bedarf besteht, eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vorgesehen. Soll das in Anspruch genommen werden? – Das ist nicht der Fall. Damit können wir zur Abstimmung kommen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass für eine Änderung der Geschäftsordnung nach § 115 der Geschäftsordnung eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Landtages notwendig ist.

Ich bitte nun bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe, dass Einstimmigkeit vorliegt. Damit ist die Änderung der Geschäftsordnung beschlossen.

Meine Damen und Herren! Wir gehen jetzt in eine Mittagspause von 45 Minuten.

(Zuruf: Eine Stunde!)

Wir hatten 45 Minuten vereinbart. Wenn es keinen Widerspruch gibt, verfahren wir so. Wir können ein bisschen großzügiger sein: 13:30 Uhr.

(Allgemeine Heiterkeit und Unruhe)

Ich soll lieber 13:35 Uhr sagen.

(Allgemeine Heiterkeit und Unruhe)

Es ist bald Ostern. Ich bitte, mir das nachzusehen. Also machen wir Mittagspause bis 13:45 Uhr. Ist das in Ordnung?

(Beifall bei allen Fraktionen)

(Unterbrechung von 12:53 bis 13:45 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme und lange Mittagspause.

(Beifall bei der CDU und der FDP)