Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

Bitte.

Wenn ich es richtig verstanden habe, Herr Minister, heißt das, Sie informieren besser, es ändert sich aber nichts an der Schulordnung, und es ändert sich nichts an der Übergangsregelung von der Mittelschule zum beruflichen Gymnasium?

Dieser Weg steht allen offen. Das reicht aber nicht. Er muss von denjenigen, für die das zutrifft, dann auch genutzt werden. Diese Durchlässigkeit ist da. Wir müssen für sie werben, und das tun wir auch.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss kommen. Der vorgelegte Vorschlag der SPD ist alter Wein in neuen Schläuchen. Ich bin sehr dankbar, dass Sie keinen Vorschlag für ein neues Gesundheitskonzept gemacht haben, denn das würde dann lauten: Egal, ob Sie einen Schnupfen oder Schwierigkeiten mit der Gallenblase haben, egal ob Sie einen Beinbruch haben

oder einen Tumor – wir verbieten die Spezialmediziner und lassen nur noch Allgemeinmediziner ran. Das kann nicht unsere Aufgabe sein. Wir müssen der Vielfalt auch im sächsischen Bildungswesen gerecht werden mit dem Herzstück unserer Mittelschule, Oberschule und dem Gymnasium in der bewährten Weise. Deshalb bitte ich um Ablehnung dieses Antrags.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Prof. Wöller. Die einbringende Fraktion der SPD hat nun das Schlusswort. Bitte, Frau Kollegin Dr. Stange.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte und der Antrag hatten das Ziel, der Landesregierung und der Koalition die Möglichkeit zu geben, hier ihr Konzept der Oberschule darzustellen. Ich habe trotz intensivsten Bemühens und Zuhörens festgestellt, dass sich in den letzten Jahren und offenbar auch in absehbarer Zeit nichts an der Durchlässigkeit und an dem System der Mittelschule ändern wird – im Gegenteil. Den Schülerinnen und Schülern wird der Zugang zu höherer Bildung, zum Abitur weiter versperrt; denn der Übergang hat jetzt mit der verschärften Bildungsempfehlung dazu geführt, dass weniger Schüler auf das Gymnasium kommen. In der Vergangenheit haben drei Viertel der Schüler, die mit dem Durchschnitt von 2,5 gewechselt haben, erfolgreich das Gymnasium durchschritten. Wir haben keine zweite Fremdsprache in den Klassenstufen 5 und 6. Wir haben damit keine gleichwertigen Bedingungen für eine zweite Bildungsempfehlung nach der Klasse sechs für den Übergang an das Gymnasium. Die Bildungsempfehlung läuft im Wesentlichen ins Leere. Wir haben keine Veränderung der Übergangsempfehlung von der Klasse 10 auf das Berufliche Gymnasium.

Es ist nichts als heiße Luft, was hinter diesem Konzept der Oberschule steht.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben Ihnen mit dem Antrag und mit den Vorschlägen die Möglichkeit geben wollen, inhaltlich auf einige Punkte einzugehen. Sie haben diesen Ball nicht aufgegriffen. Sie haben sich dazu verweigert. Herr Schreiber, im Gegensatz zu Ihnen sind wir eben nicht in den politischen und ideologischen Gräben hängen geblieben,

(Heiterkeit und Zurufe von der CDU)

weil uns die Kinder wichtig sind, weil uns die Entwicklung der 10 % wichtig ist, Herr Schreiber, die heute ohne Schulabschluss rausgehen, der 10 %, die nur mit einem Hauptschulabschluss rausgehen, und der enttäuschten Kinder, die nicht die Möglichkeit haben, aufgrund dieses Schulsystems, das eben nicht durchlässig ist, ein Abitur und damit einen Hochschulzugang zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das von uns vorgelegte Konzept braucht vielleicht noch ein bisschen Nachdenken bei dem einen oder anderen. Dabei sind wir gern behilflich, Herr Schreiber.

(Zurufe von der CDU)

Wir sind auch nicht so blauäugig, wie Sie es hier beschrieben haben, was das Thema Inklusion angeht. Ich glaube, wir sind da schon eineinhalb Jahre weiter als Ihre Diskussion, und ich hoffe, wir kommen an dieser Stelle auch noch zueinander.

(Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU: Mangelndes Selbstbewusstsein!)

Wir wollen Entwicklungschancen eröffnen, auch politische Entwicklungschancen, dass wir endlich da herauskommen, und zwar auch bundesweit. Ich sage es noch einmal, und das ist ja auch das Anliegen des Kultusministers –

Ich erinnere Sie an die Redezeit, Frau Kollegin.

– 24 Sekunden habe ich noch –, auch eine bundesweite Vergleichbarkeit des Schulsystems herzustellen. Wir haben in Sachsen die besten Voraussetzungen dafür, genau diesen Weg zu beschreiten. Lassen Sie uns dazu ins Gespräch kommen. Das Angebot liegt auf dem Tisch.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/4504 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Damit ist die Drucksache 5/4504 nicht beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Zusammenarbeit von Schulen und Bundeswehr verbindlich regeln, Grundsätze des Beutelsbacher Konsenses garantieren

Drucksache 5/4972, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Einhaltung des Überwältigungsverbotes an Sachsens Schulen

Drucksache 5/5000, Antrag der Fraktion der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Schulfrei für die Bundeswehr

Drucksache 5/5301, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Wir beginnen in der ersten Runde mit der Fraktion GRÜNE. Bitte, Frau Kollegin Giegengack.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Ende letzten Jahres über die Medien bekannt wurde, dass unser Kultusminister eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr unterschrieben hat, erreichten auch unsere Fraktion Anfragen von Eltern, wie denn die konkrete Verfahrensweise in den Schulen diesbezüglich sei. Es war wohl meinem Idealismus geschuldet, dass ich diesen Eltern mitteilte, ich ginge davon aus, dass Eltern natürlich über den Besuch der Bundeswehr in der Schule ihre Kinder informiert würden und Kinder nicht zwangsweise an diesen Veranstaltungen teilnehmen müssten. Hintergrund meiner Annahme war, dass ein Staat, der seinen Bürgern Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert und in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit des Zivildienstes einräumt, Kinder und Jugendliche zu Veranstaltungen der Bundeswehr nicht zwangsverpflichtet. Doch weit gefehlt.

In der mündlichen Fragestunde im Januar-Plenum teilte Minister Wöller mit: „Ich sehe aus den dargelegten Gründen keinen zwingenden Grund, weshalb die Eltern vorab vom Besuch der Bundeswehr in der Schule unterrichtet werden müssten. Selbstverständlich spricht nichts dagegen, diese Information vorab zu geben, aber nicht, um eine Freistellung vom Unterricht zu ermöglichen, für die es keinen Anlass gibt. Es ist beispielsweise auch und vielleicht auch gerade für einen Schüler mit einer skeptischen Haltung gegenüber der Bundeswehr förderlich, sich im Rahmen des Bildungsauftrags der Schule mit anderen Aspekten und Meinungen zum Thema Friedenssicherung auseinanderzusetzen.“

Nun, meine Damen und Herren, ich gebe zu, diese Antwort hat mich nicht nur überrascht, sondern auch zutiefst getroffen. Ich kann es nicht glauben, dass sich ein Bildungsminister heute noch aufschwingt und glaubt vorgeben zu können, welche Haltung zu Themen wie Krieg und Frieden die richtige sei und wer von den Kindern und Jugendlichen eine besondere Förderung, also Nachhilfe braucht, um die richtige Haltung zu Armee und Militär zu entwickeln.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Abgesehen davon, dass ich es für ausgesprochen erstrebenswert und löblich halte, wenn Kinder und Jugendliche Dingen gegenüber skeptisch sind und nicht alles Vorgekaute kritiklos hinnehmen, sind die Zeiten auch in unserem Land vorbei, wo ein Minister darüber entscheiden kann, welche Haltung besonders zu fördern und welche besser zu unterbinden ist.

Nun, bevor einige von Ihnen wieder in alte Verhaltensmuster verfallen, wie: Von den GRÜNEN ist ja auch nichts anderes zu erwarten! Oder: Diese weltfremden Ökopazifisten würden ja am liebsten die Bundeswehr abschaffen – meine Damen und Herren, keine Frage: Dies würden wir nicht tun, und dies haben wir nicht getan. Im Gegenteil. Gerade wir GRÜNEN haben insbesondere in Bezug auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr schwerste Debatten hinter uns gebracht und um unsere Position gerungen. Wir haben nicht den Anspruch, dass jeder diese Position teilen muss, denn skeptische Haltungen sind bei uns erlaubt.

Doch kommen wir einmal zu dem, was unsere Kinder und Jugendlichen erwartet, wenn die Bundeswehr in die Schulen geht. Das politische Bildungsangebot der Jugendoffiziere für Schülerinnen und Schüler umfasst laut Kooperationsvereinbarung Vorträge im Unterricht, mehrtägige Seminare in Bonn und Berlin, Besuche von Bundeswehrstandorten, Bereitstellung von Informationsmaterial und das Projektangebot „Interaktive Simulation, Politik und internationale Sicherheit“ – kurz POL&IS. POL&IS ist ein geopolitisches Plan- und Rollenspiel. Simuliert wird das Weltgeschehen aus Sicht des Militärs. Mit diesem Spiel soll gezeigt werden, wie globale Politik, Ökonomie und vernetzte Sicherheit funktionieren. POL&IS gilt als Kernstück der bildungspolitischen Arbeit der Bundeswehr und ist mit bundesweit 365 Simulationen pro Jahr und über 16 000 Teilnehmern eine Erfolgsgeschichte.

Was sich dahinter verbirgt, welches Welt- und Menschenbild vermittelt wird, worin die Aufklärung über die Brennpunkte der Welt und ihre Ursachen besteht und welche Lösungen auf der Agenda der POL&IS-Welt stehen, damit hat sich die Journalistin Cornelia Benel auseinandergesetzt. Sie hat ein POL&IS-Seminar mit Azubis des Bayer-Konzerns begleitet und darüber ein Feature gemacht. Ausgestrahlt wurde dies am 1. April dieses Jahres im Deutschlandfunk. Es ist bis heute auf der Homepage von Deutschlandradio zu hören.

Die POL&IS-Welt ist ein Modell und in der Struktur sowie dem Aufbau – so der Anspruch – ein Spiegel der realen Welt. Es gibt Vertreter von 13 Weltreligionen: sogenannte Superminister: zuständig für Armee, Polizei, Geheimdienst, Entwicklungshilfe und Wirtschaft gleichermaßen, sehr „real“; darüber hinaus die Weltbank, die Weltpresse und Greenpeace.

Die Superminister bekommen bunte Spielsteine, die Infanterie, Panzerarmee, Luftflotten, Marinestreitkräfte, strategische Raketenverbände, strategische Bombergeschwader, Atom-U-Boot-Flotten sowie atomare und chemische Waffen symbolisieren. Diese dürfen auf der großen bunten Weltkarte stationiert und bewegt werden. Nachgespielt werden die verschiedenen globalen Konflikte, Bürgerkriege und Piraterie in Afrika oder der Afghanistan-Konflikt. Dafür gibt es noch einmal Steine: Steine mit Bomben darauf für organisierte Verbrecherbanden, Piratensteine und Steine, die die Guerillas symbolisieren. Man beachte: Auf ihnen ist der Kopf von Che Guevara abgebildet.

„Du darfst jetzt deine Leute schicken“, fordert der Jugendoffizier im Feature den Superminister auf und erklärt weiter – ich zitiere –: „Ziel ist es für Euch, alle diese Steinchen zu entfernen. Also könnte ein Ziel sein. Wäre vorteilhaft für Euch, weil dann wäre die Krise oder der Konflikt beseitigt. Wie das funktioniert, steht im Regelheft. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wollt Ihr lieber verhandeln mit den Taliban oder wollt Ihr lieber militärisch vorgehen? Das ist Eure Politik. Das müsst Ihr überlegen, was sinnvoll ist.“

Meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll, was bei den POL&IS-Spielen abgeht. Ich weiß nur eines: Mit den Zielen, die in der Vereinbarung zwischen Kultusminister und Bundeswehr vereinbart wurden, hat dies nicht viel zu tun. Die Schüler sollen durch den Besuch der Bundeswehr in den Schulen zur differenzierten Analyse von sicherheitspolitischen Themen motiviert und befähigt werden. Sie sollen sich insbesondere mit der Entstehung und den Hintergründen internationaler Konflikte, mit Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Krisenbewältigung auseinandersetzen.

Die eben zitiere Sequenz zeigt, dass Rollen- und Planspiele nicht immer geeignet sind, komplexe Zusammenhänge differenziert zu vermitteln. Es ist außerdem zweifelhaft, ob eine Institution in der Lage ist, sich selbst, ihre Aufgaben, Herausforderungen und Defizite objektiv und selbstkritisch zu vermitteln. Die Jugendoffiziere müssten ihre eigene Rolle infrage stellen, wenn sie dem Kontroversitätsgebot gerecht werden wollten.

Wir von den GRÜNEN wollen deshalb, dass die Eltern informiert werden, wenn die Bundeswehr an die Schule ihrer Kinder kommt. Wir wollen, dass sie außerdem darüber informiert werden, welche Aktivitäten geplant sind. Wir wollen, dass Eltern frei entscheiden können, ob ihre Kinder an solchen Spielen wie POL&IS teilnehmen oder nicht. Wir wollen, dass andere Institutionen, wie zum Beispiel die Landeszentrale für politische Bildung, Kirchen und Friedensinitiativen, obligatorisch eingeladen werden, wenn die Bundeswehr kommt.

All das soll in einer Verwaltungsvereinbarung geregelt werden, damit die Direktoren und Lehrer nicht im luftleeren Raum und über die Eltern und Schüler hinweg entscheiden. Wir fordern ganz bewusst nicht, die Kooperationsvereinbarung zurückzunehmen. Wir wollen es in das

Ermessen der Eltern stellen, ob sie möchten, dass ihre Kinder an einer Veranstaltung der Bundeswehr teilnehmen. Sie tragen die Verantwortung für die ethischmoralische Erziehung ihrer Kinder.

(Beifall bei den GRÜNEN)