Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

Dann hat ein Abgeordneter auch im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit gesagt, dass es sinnvoller sei, wenn der Runde Tisch Anerkennung arbeite, als die Verantwortung allein auf die Schultern der Staatsregierung zu legen. Dazu zitiere ich aus Punkt 2. Dort steht: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, in Abstimmung mit dem Runden Tisch Anerkennung sowie den Sozialpartnern geeignete Vorschläge zur umfassenden Anerkennung ausländischer

Abschlüsse hinsichtlich …“ Dann werden einige Punkte genannt, bei denen wir der Meinung sind, dass sich der Runde Tisch dazu äußern sollte. Der Abgeordnete hat also gesagt, die Staatsregierung brauche hier keine Verantwortung zu übernehmen, weil der Runde Tisch Anerkennung arbeite.

Herr Prof. Gillo als Ausländerbeauftragter hat sich am Anfang dieses Prozesses an die ausländischen Mitbürger gewandt. Er hat unter anderem geschrieben, dass der Runde Tisch anhand konkreter Fälle lernen will, wie die Anerkennung beschleunigt werden könnte, und zwar auch durch neue Gesetze und Vorschriften in Sachsen.

Gesetze erlässt bei uns der Landtag, und die Staatsregierung macht dazu Vorschläge. Insofern haben wir nie vorgehabt, den Runden Tisch zu entmachten und die Staatsregierung als diejenige einzusetzen, die den Prozess voranbringt. Aber wir sind schon der Meinung, dass sich aus den Arbeiten des Runden Tisches Konsequenzen ergeben müssen. Dazu muss die Staatsregierung Vorschläge machen.

Ein Abgeordneter der FDP hat gesagt, der Antrag sei nicht nötig, weil Sachsen in der täglichen Arbeit bereits weiter sei. Er hat nur nicht anhand der Punkte, die in Punkt 2 enthalten sind, ausgeführt, an welcher Stelle Sachsen in der täglichen Arbeit weiter ist.

Wir sind der Meinung, dass es sehr sinnvoll ist, dass der Runde Tisch Anerkennung einen bestimmten Auftrag hat, unter dem er arbeitet. Bisher aber tagt der Runde Tisch ohne ganz konkreten inhaltlichen Rahmen. Es gibt nur diese Zielsetzung, die ich eben zitiert habe. Darüber hinaus gibt es nicht einmal die Vorstellung, dass das Verfahren in Sachsen nicht hinter den Entwurf des Bundeskabinetts für die Anerkennung im Bund zurückbleiben darf. Eigene Ziele zu diskutieren wäre aber sicherlich sehr notwendig.

Die Runde der Minister, die als zentraler politischer Bestandteil des Runden Tisches konzipiert worden war und so auch in allen Papieren auftaucht, hat bisher nur ein einziges Mal wirklich getagt.

Wir sind der Meinung, dass der Runde Tisch in Ordnung ist. Es ist richtig, ihn einzuberufen. Es ist auch tatsächlich bemerkenswert, dass hier behördenübergreifend über unklare Anerkennungsfälle diskutiert wird. Um einheitliche Verfahrensstandards zu entwickeln, ist das sicherlich sehr sinnvoll. Es wird allerdings dann verkehrt, wenn es bei der Befassung mit Einzelfällen bleibt und daraus nicht die nötige Landesregelung bzw. auch eine einheitliche Positionierung zur schon angesprochenen Bundesgesetzgebung und vor allem in Vollzugsfragen erwächst. Dann ist das Ganze nicht mehr als ein Wohlfühlort, der ablenkt, und das scheint mir an dieser Stelle derzeit tatsächlich der Fall zu sein.

Ich hatte im Ausschuss den Eindruck, dass die Staatsregierung uns vermittelt: „Störe meine Kreise nicht!“ Das ist, mit Verlaub gesagt, nicht meine Vorstellung von Demokratie.

Angesichts des vorhandenen Verhandlungsdrucks, der uns in fast jeder Landtagsdebatte von den verschiedenen Fraktionen immer wieder nahegebracht wird, nämlich angesichts des Fachkräftemangels, auf den Sachsen zusteuert, ist es angezeigt, dass die Staatsregierung parallel und abgestimmt mit dem Runden Tisch bereits Vorschläge zur umfassenden Anerkennung ausländischer Abschlüsse erarbeitet.

Dies betrifft insbesondere Umsetzungspunkte, die sich jetzt schon abzeichnen. Der endgültige Vorlagetermin, den wir in unserem Antrag benannt haben, ist der 31.12. dieses Jahres. Dieser Termin lässt ausreichend Spielraum, um auch die endgültigen Empfehlungen des Runden Tisches aufzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es am Anfang schon gesagt: Ich hatte nicht den Eindruck, dass Sie in den Ausschüssen mit der gebotenen Kreativität und dem gebotenen Ernst diese Dinge diskutieren. Das steht ganz im Widerspruch dazu, dass auch die Kollegen aus der Koalition immer wieder beklagen, dass es zu wenige Fachkräfte gibt. Außerdem ist Sachsen Mitinitiator einer Bundesratsinitiative zur Erleichterung der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte und ich finde, dass es dann mindestens dazugehört, dass die Fachkräfte, die schon im Land sind, ein geordnetes Verfahren zur Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse bekommen und auch einen Rechtsanspruch auf dieses Verfahren. Nichts anderes fordern wir mit diesem Antrag ein.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Herrmann. – Meine Damen und Herren! Vonseiten der Fraktionen hatte ich keine weiteren Wortmeldungen gesehen.

(Alexander Krauß, CDU: Ich habe mich gemeldet!)

Wer hat sich noch gemeldet? – Bitte schön. Herr Krauß, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Punkt 1: Vielen herzlichen Dank an Martin Gillo, an die Arbeit des Runden Tisches Anerkennung. Das ist uns ein wichtiges Anliegen. Das haben wir auch in den Ausschüssen zum Ausdruck gebracht. Ich hatte die Kritik von den GRÜNEN in der Presse auch so verstanden, dass man die Arbeit sozusagen nicht würdigt. Ich habe heute etwas anderes gehört. Es freut mich, dass die Arbeit des Runden Tisches gewürdigt wird.

Leider kennen jetzt nicht alle die Zusammensetzung im Runden Tisch Anerkennung. Dort sind die Ministerien und die Sozialpartner dabei. Es ist ein breites Spektrum, und das ist gut so. Ich glaube, wir sind gut beraten, diesen Runden Tisch Anerkennung weiterhin zu etablieren. Darüber werden wir sprechen. Bislang sind Einzelfälle

diskutiert worden. Wenn man in dieser Zusammensetzung arbeitet, dass nicht nur die Ministerien das machen, sondern externer Sachverstand dabei ist, dass man so Lösungen erarbeitet, halte ich das für eine sehr gute Lösung, und deswegen, glaube ich, sollte der Runde Tisch Anerkennung seine Arbeit auch fortsetzen.

Zum Thema Anerkennung Berufsabschlüsse auf Bundesebene: Wer heute dem Minister zugehört oder auch Zeitung gelesen hat, der weiß, dass es eine Zustimmung von Sachsen zu dem entsprechenden Gesetzentwurf auf Bundesebene gibt. Ich habe sehr großes Verständnis dafür, dass der Wirtschaftsminister uns heute nicht jeden einzelnen Punkt erklärt hat. Es ging in dieser Beschlussvorlage um über 100 Punkte, bei denen man sich bei Sitzen enthält. Ich kann einmal sagen, wir wären jetzt wahrscheinlich bei 23:00 Uhr, wenn er zu jedem einzelnen Punkt gesprochen hätte,

(Zuruf der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

was die Meinung der Staatsregierung dazu ist. Insofern finde ich, manchmal liegt in der Kürze die Würze. Wir haben gesagt – da ist Sachsen führend –, wir wollen, dass ausländische Bildungsabschlüsse anerkannt werden. Wir wollen nicht, dass eine russische oder ukrainische Lehrerin bei uns als Putzfrau arbeiten muss.

Lassen Sie mich zum Ende kommen. Wie gesagt, ich kann mir gut vorstellen, man sollte diskutieren, wie die Arbeit des Runden Tisches fortgesetzt werden kann. Es ist, glaube ich, sehr, sehr demokratisch, wenn man externen Sachverstand dazuholt, wenn man nicht nur in der eigenen Suppe schwimmt, sondern wirklich schaut: Was sagen die Tarifpartner dazu, was sagen die Sozialpartner, was sagen andere Verbände der Betroffenen, wie kann man dort weiter vorankommen? Daraus kann die Staatsregierung auch das gesetzgeberische Handeln ableiten. Wir sind dann gefordert, die entsprechenden Gesetze auszuarbeiten und zu verabschieden. Das ist die Reihenfolge, und ich halte diesen Gegensatz, der zwischen Staatsregierung und Rundem Tisch Anerkennung konstruiert wird, für falsch. Es ist ein Miteinander und es soll auch ein Miteinander bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Krauß. – Also, meine Damen und Herren, das ist unfair mir gegenüber. Ich habe vorhin in die Runde gefragt, wer vonseiten der Fraktionen das Wort ergreifen möchte. Da hat sich keiner gemeldet außer Frau Herrmann.

(Alexander Krauß, CDU: Ich habe mich gemeldet!)

Herrn Krauß habe ich wegen seiner zaghaften Handhebung nicht mitbekommen, sonst hätte ich selbstverständlich zuerst den Ausländerbeauftragten reden lassen. – Was soll nun geschehen?

(Freya-Maria Klinger, DIE LINKE, steht am Mikrofon)

Frau Klinger, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herrn Krauß’ Beitrag hat mich dazu gebracht, mich doch noch einmal zu melden, obwohl dieser Beitrag überhaupt keinerlei Neuerungswert oder Informationsgehalt hatte.

(Zuruf von der CDU)

Alles, was Sie heute erzählt haben, konnte man auch in den „DNN“ nachlesen. Ich bin den GRÜNEN doch ganz dankbar dafür, dass sie den Antrag jetzt hier noch einmal aufgegriffen haben. Wir teilen die Kritik, die hier von Frau Herrmann vorgebracht worden ist. Wir haben das auch über ein entsprechendes Stimmverhalten in den entsprechenden Ausschüssen signalisiert.

Auch ich möchte im Namen meiner Fraktion Herrn Gillo für seine Initiative, für die Einberufung des Runden Tisches Anerkennung danken. Er beweist nämlich im Gegensatz zur Regierungskoalition Handlungsfähigkeit. Was die Sächsische Staatsregierung betrifft – ich weiß nicht, ob es Ignoranz ist oder ob sie einfach versucht, vielleicht ihre Unfähigkeit zu verschleiern, was das Thema angeht. Es wurde dann durch Herrn Bey zum Beispiel seitens des Ministeriums für Soziales und Verbraucherschutz auf das Zuwanderungs- und Integrationskonzept verwiesen, was ursprünglich für Anfang Mai angedacht war. Es sollte im Kabinett beschlossen werden. Es liegt immer noch nicht vor. In ihm sollen wohl entsprechende Regelungen oder weitere Maßnahmen und Vorgehensweisen zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu finden sein. Wir können ja nur darüber spekulieren.

Ich weiß auch nicht, warum man hier tatsächlich diese bundespolitische Entscheidung abwartet, obwohl man erstens eigene landespolitische Kompetenzen hat, wo man eigene Regelungen treffen kann und sogar muss, und zweitens, warum man sich in dieser bundespolitischen Debatte eben nicht konstruktiv einbringt, nicht klar benennt, was es dort für Problemlagen gibt, und nicht mit konkreten Lösungen kommt.

Wie angedeutet wurde, handelt es sich ja vor allem um den Bereich der Heilberufe. Angesichts des Fachkräftemangels, des Ärztemangels gerade im ländlichen Raum, angesichts der extrem angespannten Situation im Pflegebereich hätten Sie sich hier wirklich einmal konstruktiv einbringen können, anstatt zu blockieren und abzuwarten. Aber das ist wahrscheinlich das, was Sie können.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Klinger. – Meine Damen und Herren, nun spricht der Sächsische Ausländerbeauftragte, Herr Prof. Gillo. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Anerkennung ausländischer Abschlüsse hat aus meiner Sicht fünf Perspektiven.

Erstens die Perspektive der Integration. Die bei uns lebenden Menschen sollen bei Äquivalenz ihrer Qualifikation im erlernten Beruf auch arbeiten dürfen. Der Physiker soll nicht als Taxifahrer arbeiten müssen und die Krankenschwester sollte sich nicht als Putzfrau verdingen müssen.

Zweitens Sozialpolitik. Menschen sollten ihre Talente im Arbeitsmarkt einbringen können, um unsere Gesellschaft damit zu unterstützen und unsere Sozialsysteme nicht zu belasten.

Drittens Wirtschaftspolitik. Der Fachkräftemangel ist keine Schimäre, sondern nüchterne Realität. Fragen Sie heute schon in Krankenhäusern, in Handwerksbetrieben und sächsischen Firmen nach – wir hatten gerade vom Verband der sächsischen Wirtschaft eine Meldung: Die Metallindustrie sucht nach 5 000 Arbeitskräften.

Viertens Bildungsgerechtigkeit. Nicht anerkannte Qualifikation, ob aus dem Ausland oder der DDR – übrigens ist das ein unbewältigtes Thema –, sind eine Verschwendung menschlicher Ressourcen und stellen wegen der fehlenden Anerkennung menschliche Härten dar. Wie soll die Mathematikerin ihrem Kind erzählen, dass sie nicht ihrer Qualifikation entsprechend arbeiten kann? Wie soll sie dem jungen Menschen erklären, sich in der Schule anzustrengen, weil damit ein besseres Leben erarbeitet werden könnte?

Fünftens Demografie. Wir werden immer weniger und immer älter. Immer weniger Menschen gibt es im erwerbsfähigen Alter, aber wir brauchen sie unter anderem zur Finanzierung unserer Sozialsysteme.

Es gilt, diese fünf Perspektiven zu einer umfassenden Strategie zu machen und umzusetzen. Das ist kein Hundertmeterlauf, sondern ein Marathon. Die Staatsregierung hatte das erkannt und sich mit mehreren Läufern in den Marathon eingebracht. Im Jahr 2009 beauftragte das Sozialministerium eine ANSA-Studie, die ermittelt hat, dass in Sachsen 10 000 Menschen nicht qualifikationsgerecht arbeiten, weil ihre Abschlüsse nicht anerkannt werden. Das Sozialministerium hat einen Leitfaden erstellen lassen, der heute den „Anerkennungsdschungelführern“ als Leitfaden zur Verfügung steht. Wir haben etwa 60 Beratungsstellen im Freistaat, die oft nichts voneinander wissen.

Das Kultus- und Wissenschaftsministerium haben eine gute Zusammenarbeit für Anerkennungsverfahren entwickelt. Das klingt simpel, ist es aber nicht. Es macht aus der Sicht der Antragsteller einen Unterschied, ob sie eine schlichte Absage bekommen, weil ihre ausländische Qualifikation nicht anerkannt wird, oder ob es eine ressortübergreifende Beratung über Möglichkeiten und Alternativen für ihre spezifische Situation gibt. Wenn es

zum Beispiel mit der Lehreranerkennung nicht klappt, welche Alternativen gibt es dann?

Die Staatsregierung unter Federführung des Wissenschaftsministeriums entwickelt eine Fachkräftestrategie für den Freistaat. Das operative Wort dabei ist: „und“.

Wir brauchen Nachqualifizierungen, wir brauchen mehr Chancen für Frauen und Mütter in der Wirtschaft und wir brauchen ein Rückholprogramm, das tatsächlich funktioniert, um Menschen nach Sachsen zurückzuholen. Wir brauchen außerdem die Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen für Menschen, die schon bei uns leben.

Die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit hat zehn Ansätze aufgezeigt, bei denen sie unterstützend zur Seite steht. Die Staatsregierung unter Initiative des Innenministeriums, das wissen wir jetzt, hat eine Bundesratsinitiative gestartet: Klugen Köpfen Türen öffnen. Wir wollen qualifizierten Menschen aus anderen Ländern der Welt eine Chance geben, zu uns zu kommen und bei uns zu arbeiten. Dabei sollten komplizierte Anerkennungsverfahren eben keine Hürde darstellen. Wer aus dem Ausland mit ausländischen Qualifikationen kommt, kann hier nur eine qualifikationsnahe Arbeit finden, wenn wir seine Abschlüsse anerkennen. Das ist doch klar. Deswegen brauchen wir ein schlankes, schnelles, transparentes und faires Verfahren. Wir brauchen ein Anrecht auf Anerkennungsprüfungen für alle. Wir brauchen eine Balance zu den Standards und Werten. Wir müssen attraktiv für Menschen aus anderen Regionen sein. Wir stehen am Anfang dieser Reise. Wir kommen voran.