Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

Wir dürfen Deutschland nicht als Insel betrachten, wie es häufig von einigen Ideologen getan wird. Wir müssen den europäischen Kontext betrachten. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal herausstreichen. Das gilt auch für das Thema Klimaschutz. Dieses muss man global betrachten. Das Problem kann ich nicht allein im Freistaat Sachsen lösen. Deswegen müssen wir bei der Klima- und Energiediskussion immer wieder auf die europäische bzw. globale Dimension hinweisen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Es kann niemand in diesem Raum behaupten, dass unser Energiesystem sicherer wird, wenn wir beispielsweise Isar 2 bei München abschalten und im 50 Kilometer entfernt liegenden Temelin das Kraftwerk weiter läuft – vielleicht sogar unter schlechteren Sicherheitsstandards. Ich glaube nicht, dass es im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und Sachsen sein kann, wenn wir in dieser Art Energiepolitik betreiben.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Herr Meyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Lichdi, bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. Ist Ihnen bekannt, wie viele Gigawattstunden installierte Leistungen in Deutschland bestehen?

Wollen Sie noch zwischen den Kraftwerkstypen differenzieren?

Nein, wenn Sie das möchten, können Sie gern eine Differenzierung vornehmen.

Es ist so, dass die installierte Leistung in Deutschland eine Sicherheitsreserve hat. Das ist eine Sicherheitsreserve im Sinne der Nachfrage bei Spitzenlast. Wir können schon jetzt erkennen, dass wir bei einem vollständigen Atom- und Kernenergieausstieg Strom importieren müssen. Die installierte Leistung, die derzeit vorrätig ist, wird nicht ausreichen. Die Folge ist, dass wir andere Energieformen zubauen müssen. Wir sind dann auf den Import – beispielsweise aus Tschechien – angewiesen. Die installierte Leistung bei einem sofortigen Kernenergieausstieg – wie Ihre Partei es favorisiert – wird nicht ausreichen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Stimmen Sie mir zu, dass die höchste Spitzenlast in Deutschland bei 80 Gigawatt und die installierte Leistung bei 150 Gigawatt liegt? Würden Sie mir in Anbetracht dieses Zahlenverhältnisses zustimmen, dass es leicht wäre, durch den Zubau von Gas- und Dampfturbinenkraftwerken den Ausfall – die Abschaltung – der Atom- und Kohlekraftwerke zu kompensieren?

(Staatsminister Sven Morlok: Regenerative!)

Es ist richtig, dass wir einen Puffer haben, aber Sie haben jetzt auch gerade angeführt, was die Alternative wäre. Ich bin aber nicht der Meinung, dass wir jetzt durch ein zu frühes Herausgehen – in keinem Redebeitrag ist angeklungen, dass wir die Kernenergie unbefristet fortschreiben wollen – und durch ein zu frühes Hineingehen in die erneuerbaren Energien schaffen werden, diese Sicherheit vorzuhalten. Es stimmt, dass wir ungefähr 150 Gigawatt installierte Leistung haben. Wir hatten Spitzenwerte, bei denen wir die 90 Gigawatt gebraucht haben. Aber ich bin trotzdem der Meinung, dass der Kanon von Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit erhalten bleiben muss. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir die installierte Leistung vorhalten, die wir letztlich für unsere Versorgungssicherheit brauchen.

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Aber eigentlich wollte ich etwas zum Klimaschutz sagen und ein wenig auf die sächsischen Klimaschutzziele eingehen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass wir den jährlichen CO2-Ausstoß bis 2020 gegenüber 2006 um 6,5 Millionen Tonnen reduzieren. Das wollen wir vor allem durch die Senkung des fossilen Heizenergiebedarfs um 20 %, die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs um 20 % und als dritte Komponente die Erhöhung der KraftWärme-Kopplung an der Stromerzeugung bis 2020 auf

30 % erreichen. Ich denke, dass wir damit einen wesentlichen Beitrag dafür leisten können – das ist auch gesagt worden –, das Thema Energieeffizienz zu besetzen, und zwar mit realpolitischen Ansätzen.

Wir wollen eine umweltschonende und bezahlbare Energieversorgung. Das kann man natürlich am einfachsten durch die Vermeidung von Verbrauch.

Ich sehe, dass Frau Dr. Runge am Mikrofon steht, und vermute, dass sie eine Zwischenfrage stellen möchte.

Gestatten Sie die?

Bitte, Frau Dr. Runge.

Danke schön. – Meine Frage schließt sich an die vorangegangene Debatte mit Herrn Lichdi an.

Herr Meyer, ist Ihnen bekannt, dass wir im Moment von den 17 Atomkraftwerken nur noch vier unmittelbar am Netz haben und dass wir zumindest im Sommer in der Lage sind, diesen Ausfall mit Solarstrom auszugleichen, wie der Netzagenturchef, Herr Kurth, neulich über die Presse mitgeteilt hat? Das ist doch eine Bestätigung dafür, dass es möglich sein kann, die Grundlastversorgung aus den AKWs zu ersetzen.

Frau Dr. Runge, es ist mir bekannt, dass wir derzeit nur vier AKWs am Netz haben. Das hängt aber vor allem damit zusammen, dass die Kraftwerksbetreiber den Sicherheitsanforderungen nachkommen und eine Revision durchgeführt wird.

(Steffen Flath, CDU: Richtig!)

Zum anderen sagt mein Kalender, dass wir noch keinen Sommer haben.

Sie müssten bei Ihrer Frage dazusagen, dass wir die Ausfälle vor allem durch Importe kompensieren. Ich glaube nicht, dass das der zielführende Weg ist.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Sicher kommen wir damit erst einmal zurecht, aber letztlich hilft es uns wenig, wenn wir unsere Probleme durch Importe lösen. Das ist nicht der zielführende Weg, aber darum geht es zurzeit.

Wir müssen uns bei der Thematik „Erneuerbare Energien“ natürlich auch immer vor Augen halten, dass dafür jede Menge Geld des Steuerzahlers über Fördermechanismen eingesetzt wird, um diese Technologien zur Marktfähigkeit zu bringen. Ich sage ganz bewusst, dass es aus meiner Sicht ein ganz wesentlicher Bestandteil des Energiekonzepts der Bundesregierung vom vergangenen Jahr ist, diese Marktfähigkeit einzufordern. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, dass wir die annähernd 2 % der Stromerzeugung aus Fotovoltaik mit knapp 40 % der Fördermittel

unterstützen. Das kann volkswirtschaftlich nicht sinnvoll sein. Wir müssen auf jeden Fall dafür Sorge tragen, dass eine Förderung niemals eine dauerhafte Subvention darstellt, sondern immer nur zum Anschub von Technologien dient. Das müssen wir uns immer vor Augen halten. Ich halte es für wichtig, das hier herauszustellen.

Das Thema „Erneuerbare Energien“ – das ist heute mehrfach angesprochen worden – erfordert natürlich auch die Akzeptanz in der Bevölkerung vor Ort. Die Landschaft wird sich verändern, wenn wir erneuerbare Energien wollen. Diese Akzeptanz herzustellen ist unser aller Anliegen und unsere gemeinsame Aufgabe. Deswegen möchte ich an das anschließen, was Steffen Flath gesagt hat. Wir müssen Kompromisse machen, wenn wir diese Akzeptanz vor Ort herstellen wollen. Ich denke, dazu kann eine frühzeitige und angemessene Einbeziehung der Bevölkerung einen wesentlichen Beitrag leisten. Es muss auch überlegt werden, ob man vielleicht über regionale Moderatoren diese Prozesse unterstützt.

Es bedarf auch eines gewissen parteipolitischen Konsenses. Ich denke, das fordert uns alle hier in diesem Haus.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE, und des Staatsministers Sven Morlok)

Ich möchte als Letztes noch auf die Thematik Energieforschung eingehen. Es ist schon viel über die reiche sächsische Forschungslandschaft gesagt worden. Die Bergakademie Freiberg wurde genannt. Aber auch unsere Landesverwaltungen und -ämter, das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie zum Beispiel, aber auch Leipzig mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung oder Dresden-Rossendorf sind wirkliche Schwergewichte, die die Energieforschung in Deutschland und Europa mitbestimmen.

Wenn wir über erneuerbare Energien sprechen, müssen wir auch über Lastmanagement und innovative Speichersysteme sprechen.

Aber auch die Kernsicherheitsforschung dürfen wir nicht vernachlässigen. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Kernsicherheitsforschung fortgeführt wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Natürlich hat ein Ausschalten der Kernkraftwerke in Deutschland nicht zur Folge, dass alle Kernkraftwerke weltweit sicherer werden. Wir haben bisher mit DresdenRossendorf, aber auch mit der Hochschule in Zittau sehr kompetente und international sehr gut positionierte Forscherinnen und Forscher, die das Thema Kernsicherheitsforschung vorangebracht haben. Es ist unser Anliegen, dass das auch weiterhin der Fall ist. Wir wollen keinen deutschen Alleingang, bei dem die Sicherheitsfrage ausgeblendet ist. Ich halte diese Forschung für ganz wesentlich.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen.

Wir brauchen eine rationale Diskussion, wir brauchen realistische Ziele und wir brauchen vor allem die gesellschaftliche Akzeptanz für den Umbau, für die preisliche Gestaltung. Das wird uns in die Lage versetzen, eine deutschland- und auch sachsengerechte Energiepolitik zu machen. Wir müssen die Arbeitsplätze und unseren Wohlstand sichern, und das muss nachhaltig erfolgen. Ich will in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass Nachhaltigkeit eine ökonomische, eine ökologische und eine soziale Komponente hat. Das darf man nicht außer Acht lassen. Wir sollten es uns immer vor Augen führen.

Ich danke an dieser Stelle für die herzhafte Debatte, die teilweise sehr emotional geführt wurde, und für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Herr Lichdi, bitte.

Frau Präsidentin! Ich würde gern eine Kurzintervention auf die Rede des Kollegen Meyer machen.

Herr Kollege Meyer, wir sind uns sicher darüber einig, dass wir eine rationale und sachliche Diskussion zu führen haben. Wir bemühen uns seit Jahren darum. Wir bemerken durchaus, dass sich Redner der CDU, nicht der FDP, auch bemühen, diesen Kurs einzuschlagen. Dazu möchte ich gern Stellung nehmen.