Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will es wie Frau Falken halten: Das Thema, über das wir hier diskutieren, ist sicherlich ein hochschulpolitisches und hochschulstrukturelles Thema, aber es berührt in besonderer Weise auch die Schulpolitik. Ich will deshalb die Debatte aus schulpolitischer Sicht aufgreifen und einige Anmerkungen dazu machen, zumal die Lehrerausbildung eine sehr wichtige und entscheiden
de Voraussetzung für die organisatorische und inhaltliche Weiterentwicklung unserer Schullandschaft und die Sicherung des Erfolgs unserer Kinder in Schule und Beruf ist.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich deshalb die Ausgangssituation, die in der öffentlichen Diskussion mittlerweile breit bekannt ist, noch einmal kurz skizzieren. Bis zum Jahr 2020 verlassen 8 000 Lehrerinnen und Lehrer aus Altersgründen unser Schulsystem und bis zum Jahr 2030 sind es noch einmal 14 000 Lehrerinnen und Lehrer. Das sind drei Viertel der bisher tätigen Lehrer im Freistaat. Darüber hinaus ist die bestehende Alterspyramide der verbleibenden Lehrerinnen und Lehrer sehr unausgewogen. Es sind zu wenig junge Lehrerinnen und Lehrer. Nach wie vor bestimmt eine große Anzahl älterer Lehrerinnen und Lehrer das Bild an unseren Schulen.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass diese Situation in nicht unerheblichem Maß letztlich auch aufgrund der Teilzeitvereinbarungen, die wir in der Vergangenheit geregelt haben, entstanden ist.
Das Bemühen der Staatsregierung und der regierungstragenden Fraktionen, keine Bedarfskündigungen auszusprechen – dahinter stehe ich nach wie vor, das war eine richtige Entscheidung –, hat aber auch ihren Preis gehabt und hat ihn noch. Um sowohl den Ausgleich hinsichtlich der altersbedingten Abgänge als auch der Harmonisierung der Altersstruktur zu erreichen, brauchen wir jetzt neue und gut ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen, und zwar in allen Schularten. Wir werden nicht weniger brauchen als die, die bis zum Jahr 2020 bzw. 2030 aus dem Schuldienst ausscheiden.
Dieses Vorhaben stellt uns nicht nur hinsichtlich der speziellen Lehrer, sondern auch schulorganisatorisch und qualitativ vor große Probleme; denn mit den ausscheidenden Lehrerinnen und Lehrern verlassen nicht einfach nur Personen eine Arbeitsstätte, sondern es gehen uns wertvolle pädagogische Kompetenzen und großes persönliches Engagement, das unsere Schullandschaft in den letzten Jahren geprägt hat, verloren.
Auch wenn das objektiv nicht in jedem Fall lösbar sein wird, gilt es doch, diese Kompetenz möglichst gezielt, schrittweise und in einem relativ kurzen Zeitabschnitt zu ersetzen. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, den Übergang des Lehrerpersonals im Hinblick auf die Weitergabe von Kompetenzen und Erfahrungen möglichst kontinuierlich zu gestalten. Wir können nicht einfach von heute auf morgen alte Lehrerinnen und Lehrer durch neue Lehrerinnen und Lehrer ersetzen. Wir brauchen auch altersgemischte Lehrerkollegien, um auch die pädagogische Kompetenz der neuen Lehrerinnen und Lehrer wirksam werden zu lassen. Es ist aber auch wichtig, den
neuen Lehrerinnen und Lehrern die Chance zu bieten, von den älteren Kolleginnen und Kollegen pädagogische Kompetenz zu erwerben. Das ist eine Qualitätsanforderung unseres Schulsystems, und auch das müssen wir bei der Personalplanung und der Lehrerausbildung im Blick behalten.
Meine Damen und Herren! Die Lehrerausbildung ist von daher in den notwendigen Maßnahmenkatalog einzuordnen, um in der benannten Zeitschiene die Altersabgänge der Lehrkräfte auszugleichen und so den steigenden Anforderungen an Schule in Sachsen gerecht zu werden.
Die Weiterentwicklung der Mittelschule zur Oberschule, die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention sind nur zwei Aspekte – sicherlich zwei wichtige Aspekte –, die hierbei zu beachten sind.
Mit der durch die Staatsregierung beschlossenen Weiterentwicklung der Lehrerausbildung wird das Studium im Interesse der pädagogischen Kompetenz und des Bedarfs weiterentwickelt. Das ist zumindest die Zielvorgabe, die sich mit dieser Reform verbindet. Mit dem Kabinettsbeschluss Ende letzten Jahres wurden die wichtigsten Eckpunkte beraten und verabschiedet. Ich will nur kurz darauf eingehen und sie benennen:
Erstens. Die notwendige Praxisnähe der Lehrerausbildung soll sich verbessern. Frühzeitige schulpraktische Studien und Übungen sollen bereits im Grundstudium die pädagogische Kompetenz entwickeln. Unsere angehenden Lehrerinnen und Lehrer müssen so früh wie möglich mit der Arbeit vor der Klasse konfrontiert werden, um Anforderungen zu erkennen, Kompetenzen zu erwerben und damit auch die im Mittelpunkt stehende Arbeit mit dem Schüler kennenzulernen, aber auch um die Erfahrung von älteren Kollegen zu gewinnen.
Zweitens. Der Fächerkanon muss sich stärker am tatsächlichen fächerspezifischen Bedarf der sächsischen Schulen orientieren. Unsere Lehrer sollen den Fachbezug mit der notwendigen Pädagogik verknüpfen können, ohne damit Überforderungen im Studium selbst zu initiieren. Wir brauchen beispielsweise keinen Mathematiker, wir brauchen einen versierten Mathematiklehrer. Das muss letztlich der Anspruch des Studiums sein, das heißt, insbesondere die Fachdidaktik spielt eine große Rolle.
Drittens. Das Lehramtsstudium wird auch weiterhin an den beiden Standorten Leipzig und Dresden angeboten. Ich will an dieser Stelle rückblickend sagen, dass es eine falsche Entscheidung war – das muss man einfach so kritisch anmerken –, die Lehrerausbildung auf einen Standort zu reduzieren.
Wenn man 20 Jahre zurückschaut, dann stellt man fest, dass wir in diesem Land eine Lehrerausbildung an drei Standorten hatten.
Allerdings halte ich an dieser Stelle nichts von gegenseitigen Schuldzuweisungen. Das waren keine einsamen Entscheidungen der CDU-Fraktion. Diese Entscheidungen sind auch in Koalitionen getroffen worden.
Insofern sollten wir uns mit Schuldzuweisungen zurückhalten. Ich möchte keine solchen formulieren, ich möchte aber auch nicht, dass das einseitig, in Richtung CDU, als Problem benannt wird. Ich denke, es ist fair und richtig, wenn man falsche Entscheidungen getroffen hat, diese zu korrigieren. Sie werden korrigiert, indem wir an zwei Standorten, in Leipzig und Dresden, die Ausbildung wieder vornehmen.
Meine Damen und Herren! Mögliche Spezialisierungen des Fächerkanons sollten an den Standorten möglich sein. Wir werden aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen – das ist sicher strittig – auch die Länge der Studiengänge staffeln, vom Lehramt Grundschule mit acht Semestern über das Lehramt Mittelschule mit neun Semestern bis hin zu den übrigen Lehrämtern mit einer Studienzeit von zehn Semestern. Ich denke, besonders im Lehramt für den Grundschulbereich erreichen wir damit eine Konkretisierung von Studieninhalten und eine gewisse Entfrachtung des Studiums und können mit dieser Verkürzung ohne Qualitätseinbußen die Attraktivität der Ausbildung durchaus beibehalten.
Insbesondere im Grundschulbereich kommt es weniger darauf an, dass man sich theoretisches Wissen und theoretische Kenntnisse erwirbt, sondern es kommt vor allen Dingen darauf an, dass wir den Grundschullehrern pädagogische, frühkindliche Kompetenz vermitteln und dass sie sich diese aneignen. Ich sage ganz ungeschützt: Darüber kann man ins Gespräch kommen. Das lässt sich meines Erachtens in der pädagogischen Praxis wirksamer realisieren als in der theoretischen Wissensvermittlung und Überfrachtung insbesondere des Grundschullehrerstudiums, wie es bisher der Fall war.
Viertens werden wir schließlich zur Struktur eines Grund- und Hauptstudiums zurückkehren und den Weg für ein geschlossenes Lehramtsstudium mit Staatsexamen als Studienabschluss ebnen. Gleichwohl werden wir allen derzeit Studierenden die Möglichkeit eröffnen, den Bachelor und Master zusätzlich zum Staatsexamen zu absolvieren, um die Wechselmöglichkeiten und die Anerkennung für den Studienwechsel nicht zu gefährden.
Meine Damen und Herren! Wenn wir das Problem des Lehrernachwuchses lösen wollen, dann müssen wir sicher auch über neue Wege nachdenken und diese gehen wollen. Ich denke, das ist auch der Ansatz dieser jetzt beabsichtigten Vorgehensweise.
Wichtiger als der quantitative Umfang von schulpraktischen Übungen und Studien ist sicherlich deren qualitative Ausgestaltung. Jeder, der selbst einmal das Lehramt studiert hat, weiß, wie existenziell wichtig es ist, theoretisch erworbenes Wissen praktisch zu testen und fächerspezifische bzw. pädagogische Orientierung für den späteren Beruf selbst zu finden. Das kann ein Studium allein nicht vermitteln.
Ich halte es durchaus für einen Wermutstropfen der aktuellen Entwicklung, dass sich die Einführung der neuen Ausbildungsstruktur quasi ein halbes Jahr verzögert. Das ist zwar unabwendbar, aber für den eingangs beschriebenen Bedarf an jungen Lehrern schon ein kleines Problem.
Meine Damen und Herren! Mit der universitären Lehrerausbildung erlangt man als Universität weder national noch international einen Exzellenzstatus. Ich will an dieser Stelle unseren Universitäten Mut machen, diese Ausbildung stärker in den Fokus ihrer Entwicklung zu nehmen. Denn mit diesem ausgebildeten Lehrerpersonal werden auf der schulischen Ebene letztlich die Grundlagen dafür gelegt, dass Exzellenz in der Forschung an den Universitäten überhaupt erst möglich ist. Das sollten unsere Universitäten ein Stück weit mehr ins Blickfeld rücken, als sie es bisher getan haben.
Meine Damen und Herren! Gute Schule in Sachsen lebt von guten Pädagoginnen und Pädagogen – von denen, die seit Jahren im Schuldienst tätig sind und ihre Kompetenz für die Bildung unserer Kinder einsetzen, und von denen, die am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen und sich gerade mit der Entscheidung auseinandersetzen, in Sachsen Lehrer zu werden. Ein kontinuierlicher Übergang der Generationen muss, wie gesagt, im Einklang mit altersgemischten Lehrerkollegien stehen. Wir müssen insbesondere jungen Menschen beste Möglichkeiten einräumen, diesen Beruf umfassend zu studieren und die notwendigen persönlichen Kompetenzen und Neigungen herauszubilden, die für das Lehramt und die jeweiligen Fächerkombinationen notwendig sind.
Lehrer zu sein hat in Sachsen durchaus eine Perspektive. Diesen Weg verfolgen wir als Koalition zielstrebig gemeinsam, sicherlich auch in kontroversen internen Diskussionen. Ich denke, wir werden diesen Weg erfolgreich beschreiten.
ation der neuen Lehramtsstudiengänge haben wir durchaus Übereinstimmung. Die Analyse der größten Probleme im Studium in der aktuellen Stellungnahme des SMWK – das Lehramtsstudium sei überfrachtet und zu wenig praxisorientiert, die Polyvalenz sei nur unvollkommen umgesetzt und zu wenig genutzt und es erfolge kaum noch die Wahl des Mittelschullehramtes – können wir teilen.
Aber zu der Analyse gehört es auch, Gründe zu benennen, zum Beispiel die mangelnde Ausstattung der Zentren für Lehrerbildung an den Universitäten und die noch unzureichende und viel zu späte Verknüpfung des Studiums mit der Berufspraxis, des Weiteren die unterschiedliche Wertigkeit der Lehrer zwischen den Schularten in Sachsen – damit meine ich vor allem, aber nicht nur die Bezahlung – und nicht zuletzt die durch das Kultusministerium viel zu spät vorgelegte Bedarfsprognose.
Soweit bekannt, ist Ihr kurzsichtiger Lösungsansatz: Sie wollen das Lehramtsstudium verkürzen und noch schulartspezifischer ausrichten, das Staatsexamen wieder einführen, die Polyvalenz abschaffen und – zugegeben endlich – nach Jahren des absehbaren Lehrermangels und einem Sturmlauf der Opposition auch in diesem Haus mehr Referendariatsplätze schaffen. Dabei betrifft all das nur die Kapazitätsfrage, aber nicht die Herausforderungen an das Lehramtsstudium von heute und morgen.
Hinzu kommt, dass Sie durch Ihren überstürzten und konzeptionslosen Ausstieg aus der Reform der Lehramtsstudiengänge zur Verunsicherung der Studierenden beigetragen haben. Beispielhaft will ich hier nur erwähnen, dass letzte Woche eine Informationsveranstaltung der TU Dresden stattgefunden hat. In dieser konnte die Universitätsleitung nur informieren, dass die Rückkehr zum Staatsexamen nun doch um ein Jahr verschoben werden muss und für zahlreiche Studierende bei der Rückkehr in das Staatsexamen genau die Probleme beim BAföG auftreten werden, die Sie vor zwei Wochen im Wissenschaftsausschuss noch vehement abgestritten haben. Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Kommen wir zu den Herausforderungen und den damit verbundenen Fragen an ein zukünftiges Lehramtsstudium. Werden die Zentren für Lehrerbildung ihrer Rolle entsprechend ausgestattet und verantwortlich wie kompetent für die Lehrerbildung innerhalb der Universitäten gemacht? Wie genau erfolgt die Verzahnung zwischen Theorie und Praxis, also faktisch der Schulen, Universitäten und Seminare? Werden frühzeitige Berufsorientierung und Eignungsfeststellung sowie die Berufspraxis Eingang in das Studium finden? Wird die Staatsregierung vor allem das Thema Inklusion und förderpädagogische Kompetenzen in alle Zweige der Lehrerbildung integrieren, wie es zum Beispiel SPD und CDU gemeinsam in Mecklenburg-Vorpommern durch Aufnahme eines ganzen Semesters gerade tun?
Es gibt noch weitere Fragen, die sich daran logisch anschließen: Wird es ein Lehrerbildungsgesetz geben, das
Planungssicherheit gibt? Wird die Notwendigkeit, alle zwei Jahre eine aktualisierte Bedarfsprognose vorzulegen, erkannt und werden, darauf aufbauend, die Kapazitäten an den Hochschulen vorgehalten? Werden die Öffnung des Lehramtsstudiums für Quereinsteiger und im Ausland Qualifizierte betrieben und die Zusammenführung von Aus- und Weiterbildung geleistet?
Alle diese Fragen bleiben bislang aus unserer Sicht unbeantwortet und kosten uns Sachsen und das Land Zukunftschancen. Deshalb bin ich gespannt, was die Staatsregierung zum Antrag gleich ausführen wird und ob man das vergangene halbe Jahr genutzt hat. Falls nicht, können Sie zu der ohnehin schon jetzt notwendigen Verdoppelung der Lehramtsstudienplätze und der Referendariate auf 1 700 Plätze nochmals 100 notwendige Pädagogen ab 2015 zusätzlich hinzurechnen.
Die Zinsen für diese Hypothek haben wir dann genauso zu zahlen, auch wenn sie nicht im Haushalt auftauchen; denn die von Ihnen zu verantwortende Realität ist derzeit, dass Lehramtsabsolventen abwandern, obwohl wir den Bedarf ab 2015 schon heute absehbar nicht mehr decken können.