Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Die Zinsen für diese Hypothek haben wir dann genauso zu zahlen, auch wenn sie nicht im Haushalt auftauchen; denn die von Ihnen zu verantwortende Realität ist derzeit, dass Lehramtsabsolventen abwandern, obwohl wir den Bedarf ab 2015 schon heute absehbar nicht mehr decken können.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Mann. – Für die FDP spricht Herr Abg. Tippelt; bitte.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir wissen, dass in den kommenden Jahren ein erheblicher Lehrerbedarf gerade an den Grund- und Mittelschulen auf uns zukommt. Aus diesem Grund brauchen wir jeden jungen, engagierten Lehrer. Eine gute Lehrerausbildung an den sächsischen Universitäten ist dafür eine wichtige Grundvoraussetzung. Es ist jedoch notwendig, die Lehrerausbildung im Freistaat Sachsen umzubauen. Der Versuch, auf die gestuften Bachelor- und Masterabschlüsse in der Lehrerausbildung überzugehen, erwies sich dafür leider als nicht geeignet. Für Absolventen des polyvalenten Bachelorabschlusses gibt es faktisch kein schulisches Tätigkeitsfeld. Deshalb war es nur folgerichtig, dass die meisten Studenten unmittelbar im Anschluss ein Masterstudium aufgenommen haben.

Die Zahl der Studenten für das Lehramt an Grund- und Mittelschulen ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Im gymnasialen Lehramt gibt es dagegen einen Überhang. Allein die im Vergleich hohen Abbrecherquoten in den umgestellten Lehramtsstudiengängen machen deutlich, dass Handlungsbedarf besteht. Die 2006 vom SPD-geführten Wissenschaftsministerium durchgeführte Umstellung der Abschlüsse in der Lehrerausbildung erweist sich heute leider als Rohrkrepierer.

Der jetzt von der Staatsregierung eingeschlagene Weg, die Lehramtausbildung wieder auf Staatsexamensabschlüsse umzustellen, findet die volle Unterstützung der FDPFraktion.

(Beifall bei der FDP)

Damit wird das Lehramtsstudium kürzer, praxisorientierter, bedarfsgerechter und somit deutlich attraktiver.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der LINKEN! Seit 18. November vergangenen Jahres liegt Ihnen die Stellungnahme der Staatsregierung zu dem von Ihnen im Antrag aufgeführten Aspekten vor. Wenige Tage zuvor gab es eine Aktuelle Debatte zu genau dem gleichen Thema. Aus diesem Grund kann ich nicht verstehen, welche darüber hinausgehenden Informationen Sie nur wenige Monate später noch zusätzlich benötigen.

Aus meiner Sicht sind die wesentlichen Aspekte Ihres Antrages beantwortet. Herr Staatsminister Prof. Wöller und Frau Staatsministerin Prof. von Schorlemer werden ganz gewiss noch darüber berichten, wie der aktuelle Stand der Erarbeitung eines Maßnahmenplanes der staatlichen Kommission Lehrerbildung ist. An der Erarbeitung sind all jene beteiligt, die für die sächsische Lehrerausbildung zuständig sind. Wir sollten dem SMK und auch dem SMWK jedoch auch die Zeit geben, die ihnen vom Kabinett vorgegebenen Eckpunkte umsetzen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der Neuausrichtung der Lehrerausbildung und der Notwendigkeit, Lösungen zu präsentieren, wie wir den Lehrerbedarf der kommenden Jahre decken können, sollten wir auch intensiv über einen dritten Standort der Lehrerausbildung in Chemnitz nachdenken. Diesen Vorschlag haben wir bereits mehrfach in die politische Debatte eingebracht. Auch Rektor Prof. Matthes von der Technischen Universität Chemnitz hat dafür bereits in einer Anhörung im Sächsischen Landtag die Bereitschaft seiner Hochschule signalisiert.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD, steht am Mikrofon.)

Herr Tippelt, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht.

Sie geben mir dann ein Zeichen.

Gern, damit Frau Dr. Stange nicht so lange stehen muss.

Wir brauchen neue, gut ausgebildete Lehrkräfte. Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass der Lehrerberuf in Sachsen attraktiver wird. Dafür brauchen wir eine verlässliche Bedarfsprognose für die kommenden Jahre. Sie ist die Grundlage, um bedarfsgerecht ausbilden und neue junge Lehrer an den Schulen des Freistaates einstellen zu können.

Sehr geehrte Damen und Herren der Linksfraktion! Leider ging aus der Begründung Ihres Berichtsantrages kein Grund hervor, diesem zuzustimmen. Die FDP-Fraktion wird Ihren Antrag deshalb ablehnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/GRÜNE Herr Abg. Dr. Gerstenberg. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Abwendung des drohenden Lehrermangels ist mittlerweile wohl zum brennendsten Thema der sächsischen Bildungspolitik geworden. Meine Damen und Herren von der Koalition! Sie laufen seit Jahren sehenden Auges in ein Fiasko, und jetzt merken Sie es langsam. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Herrn Colditz an dieser Stelle einmal für seinen Einsatz und auch für seine sachlichen Worte heute zu danken.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Diese Rede kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die bisherige Politik der Staatsregierung bei der Lehrerbildung ein blankes Management by Chaos ist. Erst zieht das Wissenschaftsministerium die Konzentration der Lehrerbildung in Leipzig durch, als längst alles dagegen spricht. Viel zu spät kommt die Rolle rückwärts. Dann verkünden Frau von Schorlemer und Herr Wöller eine überhastete Reform der Lehrerbildung zum Wintersemester 2011/12, um später kleinlaut einzuräumen, dass das gar nicht so schnell geht.

Der Kultusminister lehnte noch im letzten Herbst jede weitere Aufstockung der Referendariatsstellen ab, um sich jetzt richtigerweise mit dem Finanzminister um eine Verdoppelung zu streiten. Weitere Überraschungen sind offensichtlich zu erwarten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie doch zugestehen, dass die sogenannte Lehramtsreform, deren Eckpunkte im Oktober 2010 vorgestellt wurden, aus blanker Panik geboren ist. Ihre simple Logik lautet: In Grund- und Mittelschulen haben wir den größten Lehrerbedarf. Also verkürzen wir dort die Studienzeiten und das Referendariat und beginnen die Reform zum Wintersemester 2011, dann sind die Lehrer pünktlich zum angezeigten Bedarf in den Schulen. Gänzlich außer Betracht gelassen wird dabei, dass eine solche Schnell- und Billigausbildung weder den sächsischen Schülern noch den künftigen Lehrern nützt.

Was vielleicht ein schlauer Plan sein sollte, entpuppt sich zudem in Wirklichkeit als Milchmädchenrechnung mit zwei Unbekannten; denn wären Studierende und Hochschulen keine Unbekannten für das Kultus- und das Wissenschaftsministerium, dann hätten sie wissen können, dass eine Neustrukturierung der Lehrerbildung zu komplex ist, um im Wintersemester 2011/2012 starten zu können. Sie hätten wissen können, dass sich Studierende nicht so einfach in Studiengänge lenken lassen wie einstmals in der DDR; denn Studierende wollen Abschlüsse, mit denen sie etwas anfangen können und die

ihnen attraktive Berufsperspektiven bieten. Beides ist nicht gegeben.

Im Ergebnis schütteln alle nur noch den Kopf. Diejenigen, die mit der Erarbeitung der Studiengänge befasst sind, arbeiten an einer Reform, von der sie selbst nicht überzeugt sind. Die Anhörung zu unserem Antrag für Lehramtsreform im Januar war eine einzige Ohrfeige für die Pläne der Staatsregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Die Kritik der Sachverständigen lautete in Kurzform: Die Mängel der bisherigen Studiengänge werden wieder in die neuen hineingepresst. Die Verkürzung der Studienzeit wertet Grundschule und Mittelschule ab und widerspricht klar den Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz. Sachsen geht einen Sonderweg, der zukünftige Studierende abschreckt. Die geplante stärkere Orientierung auf Schularten verschärft die derzeitigen Probleme beim Lehrernachwuchs, statt sie zu lösen.

Im Gegensatz zum heutigen Berichtsantrag hatte unsere Fraktion damals in der Anhörung ein Paket von Vorschlägen auf den Tisch gelegt, das von der Mehrheit der Fachleute aus Praxis und Wissenschaft unterstützt wurde. Statt einer Abschaffung wollen wir die Bachelor- und Masterstruktur konsequent weiterentwickeln. Im Mittelpunkt muss eine Ausbildung nach Altersstufen statt nach Schularten stehen. Das ist nach unserer Überzeugung die einzige Möglichkeit, auch zukünftig den Lehrernachwuchs für die Mittelschulen zu sichern. Die Voraussetzungen dafür sind gut, weil schon jetzt die Studieninhalte von Mittelschule und Gymnasium faktisch deckungsgleich sind.

Einigkeit besteht auch darin, sowohl ein orientierendes Praktikum zum Studienbeginn als auch größere Praxisanteile im Studienverlauf einzuführen. Zudem müssen in den neuen Studiengängen inklusive Pädagogik verankert und Seiteneinstiege ermöglicht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Punkte sind keine grünen Träume, wie man jetzt gleich wieder erklären wird, sondern sie entsprechen im Wesentlichen einer Lehrerbildungsreform, die von dem renommierten Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers als das modernste Lehrerbildungsmodell Deutschlands bewertet wird. Auf den Weg gebracht wurde sie vor zwei Jahren in Nordrhein-Westfalen von einer schwarz-gelben Landesregierung. Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, Sie sehen, es geht, wenn man will.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben einer inhaltlichen Ausrichtung auf den neuesten Stand fehlt auch eine angemessene Ausstattung der Lehrerbildung. Die Lehramtsausbildung ist seit Jahren chronisch unterfinanziert. Das ist eine der Hauptursachen für die hohen Studienabbruchquoten von bis zu 50 %.

Wer mehr Absolventen will, der muss hier ansetzen. Sehen Sie sich die Zahlen an: Für die Jahre ab 2015 wird ein Einstellungsbedarf von bis zu 1 300 Lehrerinnen und

Lehrern jährlich prognostiziert. Dem stehen derzeit etwa 900 Studienanfängerinnen und -anfänger gegenüber.

Mit der laufenden Hochschulentwicklungsplanung und den Zielvereinbarungen mit den Hochschulen hat der Freistaat jetzt die Instrumente in der Hand, um diese Lücke zu schließen. Aber was findet sich dazu in der Hochschulplanung? Der Entwurf der Staatsregierung sieht allen Ernstes ganze 950 Studienplätze in den Lehramtsstudiengängen vor. Das heißt, dass faktisch jeder Studienanfänger nicht nur sein Studium abschließen, sondern auch noch die richtige Fächerkombination aufweisen und im Lande bleiben müsste. Selbst dann hätten wir noch einen Fehlbedarf. Realistisch heißt diese Studienanfängerzahl jedoch, dass gerade einmal die Hälfte des Bedarfs ausgebildet wird.

Sehr geehrte Frau von Schorlemer, Sie machen damit den absehbaren Lehrermangel ganz offiziell zum Planziel. Das halte ich für verantwortungslos.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Ich fordere Sie auf: Nutzen Sie doch die Ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente und vereinbaren Sie mit den beteiligten Hochschulen eine Verdoppelung der Kapazitäten. Das wird nicht ohne zusätzliche und gut ausgestattete Stellen für Professoren und Mitarbeiter funktionieren. Die Hochschulen haben jedoch in den kommenden Jahren genügend Flexibilität, um Professoren und Stellen in diesen Bereich zu verlagern. Den Freistaat kostet das in der Summe keinen zusätzlichen Cent.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Weiterentwicklung in der Lehrerbildung braucht einen Neustart. Ich appelliere deshalb an Wissenschaftsministerin von Schorlemer und Kultusminister Wöller: Lassen Sie in Sachen Bildung Vernunft walten – überarbeiten Sie Ihre Pläne!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Gerstenberg. – Meine Damen und Herren, die NPDFraktion möchte nicht Stellung nehmen – es bleibt dabei. Damit ist die erste Runde vonseiten der Fraktionen beendet. Gibt es weiteren Redebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Wer möchte zuerst sprechen? – Frau Staatsministerin Prof. von Schorlemer, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Seit der Stellungnahme der Staatsregierung zu dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE ist mittlerweile ein halbes Jahr vergangen. Dieses halbe Jahr haben wir – das heißt, die beiden Häuser: das SMK und das SMWK – intensiv genutzt, um die am 19. Oktober 2010 beschlossene Reform der Lehrerbildung ein großes Stück voranzubringen.

Lassen Sie mich daher zunächst noch einmal darstellen, was uns letztlich bewogen hat, die Lehrerausbildung im Freistaat Sachsen auf den Prüfstand zu stellen. Die Lehrerausbildung in Sachsen wurde im Jahre 2006 als zweistufige Lehramtsausbildung mit den Abschlüssen Bachelor und Master ausgestaltet. Die Grund-, Mittel- und Förderschullehramtsstudierenden sollten demzufolge einen vollwertigen, dem bisherigen Ersten Staatsexamen gleichgestellten Masterabschluss genau wie die Gymnasiallehramtsstudierenden erhalten.

Das Besondere war die Polyvalenz des Bachelorstudienganges. Diese hat ein allgemein auf die Schulen ausgerichtetes Profil und bietet verschiedene Anschlussmöglichkeiten. Der polyvalente Bachelorabschluss sollte neben dem schulformspezifischen Master auch die Möglichkeit einer Tätigkeit in anderen pädagogischen Arbeitsbereichen bieten.

Der polyvalente Bachelorstudiengang, meine Damen und Herren, war gut gemeint. Aber da ist es manchmal wie so oft im Leben: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Die Studierenden folgten nämlich den Intentionen des polyvalenten Bachelorstudienganges nur sehr begrenzt. In der Praxis hat sich aufgrund von durchgeführten Evaluierungen gezeigt, dass die Studierenden von der Polyvalenz gerade keinen Gebrauch gemacht haben, und so folgten insbesondere die Studierenden, die sich für das Lehramt im Grundschulbereich interessierten, den mit der Polyvalenz verfolgten Intentionen nicht.

Es ist ein deutlicher Überhang an Studierenden im Lehramt Gymnasium zu konstatieren. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der zukünftigen Lehrer im Grund- und Mittelschulbereich – im Master, wohlgemerkt – deutlich ab. Da es kein schulisches Tätigkeitsfeld für den Bachelor gibt, streben die meisten Studierenden den unmittelbaren Anschluss des Masterstudiums an.

Auch nach Umstellung auf die gestufte Studienzeit 2006 sind die Abbrecherquoten hoch geblieben. Und schließlich: Die Ausbildungszeit insbesondere für die Grundschule ist hoch, ohne dass qualitative oder auch tarifliche Konsequenzen absehbar sind.