Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Wir haben das für die allgemeinbildenden Schulen ausgerechnet, also ohne Berufsschulen. Wir haben ausgerechnet, wie sich die Relation von Schulsozialarbeitern und Schülerzahlen pro Landkreis gestaltet. Schauen wir einmal nach Leipzig. Im Landkreis Leipzig muss eine Vollzeitstelle immerhin Ansprechpartner für 1 227 Schülerinnen und Schüler sein, in der Stadt Leipzig für 1 246 Schülerinnen und Schüler. Das klingt jetzt vielleicht viel, doch sind die Leipziger damit immerhin Vorbild in Sachsen, im Unterschied zu anderen Landkreisen wie Görlitz, wo wir von einem Verhältnis von 2 526 Schülerinnen und Schülern auf eine Vollzeitstelle sprechen und in Nordsachsen von 3 597 auf eine Vollzeitstelle Schulsozialarbeit. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist noch nicht einmal das Ende. Im Erzgebirgskreis – er trägt die rote Laterne – müssen sich rechnerisch betrachtet sogar 5 800 Schülerinnen und Schüler eine Vollzeitstelle Schulsozialarbeit teilen.

Der Handlungsbedarf ist also dringend, auch im Hinblick auf die gleichwertigen Lebensbedingungen für alle Schülerinnen und Schüler in Sachsen. Die Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit formuliert in ihrer Stellungnahme im letzten Herbst wie folgt: „Um die Entwicklung der Schulen als zentralen Aufenthaltsort von Kindern und Jugendlichen leisten zu können, braucht Schulsozialarbeit eine dauerhafte personelle und finanzielle Mindestausstattung, die gewährleistet, dass Schulsozialarbeit zu einem kontinuierlichen und verlässlichen Angebot für Schüler, Eltern und Lehrer werden kann. Eine Reduzierung der Stellen auf weniger als 0,75 VZE pro Schule reduziert die Wirkung von Projekten überproportional stärker als die Kosten.“

Wenn Sie in die Antwort auf die Kleine Anfrage meiner Kollegin Cornelia Falken schauen, sehen Sie, dass ein Großteil der Schulen nur 0,5 VZE hat. Es ist also ein Tropfen auf den berühmten heißen Stein.

Ich komme zum Schluss. Im Punkt 3 des Antrages der SPD wird die Staatsregierung nun aufgefordert, die Kommunen zusätzlich über ein Sonderprogramm beim Ausbau der Schulsozialarbeit zu unterstützen. Dieser Punkt ist in der Zielstellung aus unserer Sicht richtig, jedoch zu ungenau. Wir haben deshalb einen Änderungsantrag eingebracht, der das Kultusministerium stärker in

die Pflicht nehmen soll, den ich später noch begründen werde.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Klepsch. – Nun die FDP; Herr Abg. Bläsner, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schulsozialarbeit ist die intensivste Form der Kooperation von Jugendhilfe und Schule. Sie ist ein wichtiges und ich denke einmal auch nicht wegzudenkendes Unterstützungsinstrument für Lehrer, Schüler und Eltern geworden. Klar ist eines: Schulsozialarbeit kann zielgerichtet und schnell eingreifen, bevor es zu spät ist, bevor es zum Schulabbruch oder zur Schulverweigerung kommt. Ich sage ganz klar: Die Bedeutung für diese Unterstützungssysteme muss auch weiter steigen. Ich denke, darin sind wir auch mit dem Antragsteller einer Meinung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema steht aber nicht erst mit dem Bildungs- und Teilhabepaket auf der Agenda von Kommunen und Freistaat. Das haben wir auch bereits in den Koalitionsvertrag integriert und es wird von uns entsprechend bearbeitet.

Bevor ich zum Bildungs- und Teilhabepaket komme, vielleicht noch einmal kurz etwas zur Situation in Sachsen. Es wurde schon von Patrick Schreiber und anderen Vorrednern gesagt, es gibt die Jugendpauschale, aus der Schulsozialarbeit finanziert werden kann, und es gibt Möglichkeiten, Mittel für konkrete Projekte der Schulsozialarbeit abzurufen. Es ist auch richtig, dass das in die Hände der Kommunen gelegt wurde; denn die Kommunen wissen am besten, was bei Ihnen vor Ort gebraucht wird, wie der Bedarf ist und wo genau Schulsozialarbeit Sinn macht, ob das ganz konkret ein Brennpunktbezirk in der Stadt oder ob es die Grundschule in einem ganz speziellen Dorf im ländlichen Raum ist. Es ist die Verantwortung der Kommunen, die sie wahrnehmen müssen. Das haben die Anfragen von vielen gezeigt, auch von der antragstellenden Fraktion, dass die Kommunen diese Verantwortung auch wahrnehmen. Wir sollten den sächsischen Kommunen diese Freiheiten lassen und sie nicht bevormunden.

(Beifall bei der FDP)

Im Rahmen des Kompromisses zum Bildungs- und Teilhabepaket war die Schulsozialarbeit auch Teil der Einigung. Man kann über das Bildungs- und Teilhabepaket denken, was man will und unterschiedlicher Meinung sein, aber weil sich der Bund jetzt stärker an den Kosten der Unterkunft beteiligt, können die Kommunen den Ausbau der Schulsozialarbeit vorantreiben. Das ist ein durchaus erfreuliches Ergebnis des Bildungs- und Teilhabepaketes.

Nach Abzug aller Kosten aus dem Bildungspaket selbst, dem Verwaltungsaufwand und dem Mittagessen verblei

ben den Kommunen bundesweit etwa 400 Millionen Euro, zumindest bis 2014.

Herr Bläsner, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Bläsner, ist Ihnen bekannt, dass die Menge des Geldes für die Schulsozialarbeit, die übrig bleibt, davon abhängig ist, wie viele Anträge auf Zuschuss für das Mittagessen für die Kinder gestellt werden, die den Hort bzw. die Grundschule besuchen?

Das ist mir bekannt. Ich sage es aber noch einmal: Es liegt auch in der Verantwortung der Kommunen, wofür sie das Geld letztendlich – nach dem Abzug des Bildungspakets und der Verwaltungskosten für Schulsozialarbeit –ausgeben wollen. Das liegt in der Verantwortung der Kommunen. Sie müssen darüber entscheiden. Ihre Aussage kann ich trotzdem bestätigen.

Die 400 Millionen Euro können die Kommunen für die Schulsozialarbeit verwenden. Wir müssen alle vor Ort – ich selbst bin Kreistagsmitglied und Herr Schreiber war in Dresden Stadtrat – darüber entscheiden, wofür das Geld ausgegeben werden soll. Man kann durchaus in den Kreisräten, aber auch in den Stadträten wie Leipzig, Chemnitz und Dresden noch mehr für diesen Bereich tun. Deswegen müssen wir uns – sowohl das Land als auch die Kommune – zukünftig dafür einsetzen, wie langfristig das Thema Schulsozialarbeit anzugehen ist. Es hat weit mehr Priorität verdient, als es derzeit der Fall ist.

Frau Dr. Stange, Ihrem Antrag können wir, obwohl wir die Intention durchaus teilen, nicht zustimmen. Wir können die Kommunen an dieser Stelle nicht bevormunden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nun ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an der Reihe.

(Patrick Schreiber, CDU: Moment!)

Entschuldigung. Herr Schreiber, Sie sind so groß und trotzdem habe ich Sie übersehen. Bitte schön.

Herr Präsident, vielen Dank! – Ich möchte eine Kurzintervention anbringen.

Herr Bläsner hat auf die Anfrage von Frau Klepsch bezüglich des Einsatzes der finanziellen Mittel für das Mittagessen geantwortet. Ich möchte dazu Folgendes sagen: Viele Kommunen hatten – Gott sei Dank –bereits vor dem Bildungs- und Teilhabepaket Leistungen in ihren Haushalt eingestellt. Das waren materielle und finanzielle Leistungen zur Unterstützung des Mittagessens. Man muss, wenn man die Diskussion führt, so ehrlich sein zu sagen, dass sie diese Leistungen in den nächsten Jahren

aus ihren kommunalen Haushalten nicht mehr finanzieren müssen. Sie bekommen diese Leistungen vom Bundesgesetzgeber bezahlt. Theoretisch könnten sie diese Mittel, die sie nicht mehr für das Mittagessen einsetzen müssen, für die Finanzierung der Schulsozialarbeit verwenden. Ich möchte nicht, dass es hier falsch dargestellt wird.

(Beifall bei der CDU)

Herr Bläsner, möchten Sie erwidern?

Mein Kollege hat natürlich völlig recht. Dresden macht das. Mein Landkreis macht es beispielsweise nicht. Deswegen sind die Effekte unterschiedlich.

Frau Klepsch, Sie möchten auf den Redebeitrag von Herrn Bläsner eingehen?

Ich möchte eine Kurzintervention zu Herrn Schreibers Beitrag machen.

Nein, das geht nicht. Ich bitte Sie, in der Geschäftsordnung noch einmal nachzulesen. – Nun ist die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN an der Reihe. Frau Giegengack, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bereits in der gestrigen Debatte viel zum Thema gesagt worden und heute auch. Deswegen fasse ich mich kurz.

Es ist ganz klar, dass es keine verbindliche Summe für die Schulsozialarbeit gibt, die aus dem Bildungspaket ableitbar ist. Das Bildungspaket sieht keine verbindliche Einstellung von Schulsozialarbeitern vor. In diesem Sinne ist die Stellungnahme der Staatsregierung zu dem Antrag der SPD-Fraktion durchaus korrekt. Der Freistaat hat in Bezug auf das Bildungspaket keinerlei Handhabe, den Kommunen die Mittelverwendung für die Schulsozialarbeit vorzuschreiben. Für eine verbindliche Regelung hätte es einer gesetzlichen Verankerung bedurft, mit der die Schulsozialarbeit als Pflichtaufgabe festzuschreiben gewesen wäre.

Die SPD hat dieses Bildungspaket mit verhandelt. Man hätte die Weichen durchaus anders stellen können.

(Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Es ist unverbindlich enthalten.

Wir haben das Gespräch mit dem Landkreistag gesucht, um zu erfahren, wie die Umsetzung in den Kommunen geplant ist. Es wurde klar gesagt, dass die Schulsozialarbeit aufgrund mangelnder Bindewirkung des Bildungspakets und der zu erwartenden hohen Kosten für die Mittagsversorgung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausgebaut wird.

Hierzu möchte ich eine grundsätzliche Kritik anbringen. Ich bin vom Grundberuf Sozialarbeiterin. Ich finde den

Ansatz, das Mittagessen zu bezahlen, fachlich nicht besonders professionell. Doch es ist nun einmal so.

Bisher hat wohl nur der Landkreis Sächsische Schweiz vage angedeutet, etwas bei der Schulsozialarbeit machen zu wollen. Es ist davon auszugehen, dass ein Ausbau der Schulsozialarbeit nur erfolgen wird, wenn die Schulsozialarbeit als Pflichtaufgabe definiert und entsprechende Gelder zur Verfügung gestellt werden.

Es wurde deutlich, dass es die Kommunen nutzen würden, wenn die Fördersumme des Landes entsprechend hoch und die Eigenbeteiligung entsprechend niedrig ist. Das hat mit der Finanzsituation der Kommunen zu tun.

Deshalb ist damit zu rechnen, dass sich aufgrund der Finanzlage über kurz oder lang nichts ändern wird. Das Land muss hier sicher mehr Verantwortung übernehmen.

Ich teile die Auffassung, dass die Schulsozialarbeit auch im Sinne des Subsidiaritätsprinzips eine Aufgabe der Kommunen bleiben muss. Sie können es am besten einschätzen. Nichtsdestotrotz ist es aber auch möglich, dass sich das Land an den Kosten beteiligt. In BadenWürttemberg ist das geschehen. Man hat im Jahr 1999 ein Programm eingerichtet und Schulsozialarbeit mit 3,3 Millionen Euro jährlich gefördert. Es ist leider ausgelaufen.

(Patrick Schreiber, CDU: Da hat die CDU noch regiert!)

Es ist 2005 ausgelaufen. Die neue Regierung möchte es wieder aufleben lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Patrick Schreiber, CDU: Ah!)

Wir sollten diesem Beispiel folgen.