Nun kommen wir zu einem weiteren Punkt: dem Zeitpunkt. Frau Klepsch hatte es angedeutet. Als der Antrag im Plenum eingereicht wurde – wir haben die Tagesordnung in Finnland zur Kenntnis genommen –, waren wir außerordentlich verwundert. Wir hatten uns am Freitag im Ausschuss darauf verständigt, eine Anhörung im Ausschuss zur Schulsozialarbeit durchzuführen. Wir von den GRÜNEN sind durchaus der Meinung, dass ein Landesprogramm aufgelegt werden sollte. Wir sollten uns allerdings ganz genau überlegen, wie es ausgestaltet sein soll. Deshalb halten wir eine Anhörung für dringend erforderlich. Deshalb können wir nicht nachvollziehen, weshalb der Antrag heute im Plenum gestellt wird.
Wir werden uns deswegen heute auch beim dritten Punkt enthalten. Wir wollen kein Landesförderprogramm pauschal losschießen. Außerdem haben wir im September die Gelegenheit, Experten ganz genau zu befragen, was konkret notwendig ist und wie es ausgestaltet sein sollte. Wir sollten uns bis dahin Zeit lassen. In diesem Sinne werden wir uns enthalten.
Vielen Dank, Frau Giegengack. – Für die NPD-Fraktion spricht nun Frau Abg. Schüßler. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Das Bildungspaket gibt 2,5 Millionen bedürftigen Kindern aus gering verdienenden Familien mehr Zukunftschancen. Ab sofort können sie bei Sport, Musik oder Kultur dabei sein. Sie können an Schulausflügen und am gemeinsamen Mittagessen in der Schule, im Hort oder der Kita teilnehmen. Sie bekommen das Schulmaterial, welches sie brauchen, und die notwendige Lernförderung, wenn ihre Versetzung gefährdet ist.“
Ich zitiere Frau von der Leyens Worte von der Internetseite ihres Ministeriums, um klarzumachen, dass hier nirgendwo die Rede von Schulsozialarbeitern ist – von einer Verantwortung der Bundesländer übrigens auch nicht. Das ist also nicht der Schwerpunkt des Bildungspakets. Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Bildungspakets waren bereits im Vorfeld zu erwarten und sind nun auch eingetreten. Es sind nicht nur die üblichen bürokratischen Hemmnisse, die es der Zielgruppe – also den sozial schwachen Bürgern – so schwer machen, die erhoffte Unterstützung zu erlangen. Die schwache Inanspruchnahme wurde bereits ausführlich beklagt.
Nun wird der im Kleingedruckten – bei den 5,9 % aus der erhöhten KdU – angekündigte Posten für die Schulsozialarbeit von interessierten Kreisen als eine Art Füllhorn angesehen, aus dem man sich wie bei einem aufgerissenen Westpaket bedienen kann. Wir haben fast den Verdacht, dass die SPD das Bildungspaket nur als Aufhänger nutzt, um wieder einmal mit den Sozialarbeitern lupenreine Klientelpolitik zu betreiben.
So dreht sich deshalb der vorliegende Antrag auch nur darum, wie viele Bundesmittel die Staatsregierung für die Schulsozialarbeiter zur Verfügung stellen wird, dass Mittel des Bundes tatsächlich für die Schulsozialarbeit zur Verfügung stehen und eingesetzt werden und die Kommunen zusätzlich – über ein Sonderprogramm – beim Ausbau der Schulsozialarbeit zu unterstützen sind.
Übrigens muss ich außerdem zugeben, dass ich mich zuerst beim Lesen der Antragsüberschrift gefragt habe, für wen es bedarfsgerecht sein soll: für die Bedürfnisse der Sozialarbeiter? Die Frage nach der Notwendigkeit solcher Schulsozialarbeiter wird wie immer nicht gestellt. Natürlich gibt es in zunehmendem Maße soziale Brennpunkte, die offenbar ohne derartige Unterstützung nicht mehr auskommen. Es ist traurig genug. Es muss deshalb die Frage gestattet sein, welche Ursachen die Entstehung dieser Brennpunkte haben und ob man nicht besser hier ansetzen sollte, anstatt Schulsozialarbeiter als Reparaturinstanz zu etablieren.
Ist Ihnen eigentlich schon einmal aufgefallen, dass die Zahl der an deutsche Wissenschaftler verliehenen Nobelpreise in den letzten Jahrzehnten dramatisch gesunken ist? Die wenigen Auszeichnungen, die noch vergeben werden, gehen regelmäßig an Senioren, deren wissenschaftliche
Hauptleistungen lange zurückliegen und die in einem Bildungssystem reifen konnten, das ohne Schulsozialarbeit auskam.
Ich möchte an dieser Stelle kein Loblied auf vergangene Zeiten anstimmen. Es ist aber eine Tatsache, dass es der Menschenwürde wesentlich dienlicher ist, wenn Kinder in intakten Familien aufwachsen. Wenn Eltern den Lebensunterhalt aus eigener Kraft verdienen, sind staatliche Almosen überflüssig. Geldzuwendungen sollten direkt an die Schulen gehen, wo sie allen Schülern gleichermaßen zugute kommen. Wie es in der Stellungnahme der Staatsregierung so schön heißt, eine Verpflichtung oder eine Zweckbindung für den Einsatz konkreter Mittel für den Bereich Schulsozialarbeit ist in dem beschlossenen Gesetzespaket nicht enthalten. Das ist auch gut so – möchte ich ergänzen.
Ansonsten verweise ich auf die Ausführungen, die mein Kollege Gansel gestern gemacht hat. Den Antrag lehnen wir ab.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde der Stellungnahmen. Wird noch eine zweite gewünscht? – Das sehe ich nicht. Dann frage ich die Staatsregierung. Frau Staatsministerin Clauß, bitte; Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Forderung nach finanzieller Unterstützung der Schulsozialarbeit wurde von der SPD-Fraktion in die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss eingebracht. Dies wurde aufgenommen, und der Bund hat die Beteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung um 5,9 % erhöht. Damit kann Schulsozialarbeit finanziert werden, gleichwohl müssen aber die Warmwasserkosten der Leistungsberechtigten daraus finanziert werden, die bislang der Bund zahlte. Außerdem müssen die Mittagessen im Hort finanziert werden. Das heißt, den Kommunen stehen im Sinne eines zweckgebundenen Budgets keine Mittel für die Schulsozialarbeit zur Verfügung. Das Angebot aus dem hier zur Debatte stehenden Bildungs- und Teilhabepaket sollte vor Ort deshalb zusätzlich und nicht als Ersatz für Bestehendes genutzt werden.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Schulsozialarbeit ist ein klassisches Aufgabenfeld der Kinder- und Jugendhilfe, das auch in Sachsen konzeptionell und praktisch erschlossen ist. Dies unterstreichen sowohl der Koalitionsvertrag als auch der 3. Sächsische Kinder- und Jugendbericht.
Zahlenmäßig gibt es in Sachsen laut einer Abfrage bei den Jugendämtern mit Stand 2010 mindestens 176 Schulsozialarbeiter an 192 Schulen. Die Finanzierung aus den Mitteln des Bildungs- und Teilhabepakets ist nicht die
einzige Möglichkeit, die die Kommunen haben. Fördertechnisch können sehr wohl auch die Mittel aus der Jugendpauschale eingesetzt werden.
Ich möchte deutlich sagen, dass ich die Konsolidierung, gegebenenfalls den Ausbau sowie die qualitative Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit befürworte. Mein Haus hat dazu auch ein Rahmenkonzept erstellt. Dieses Rahmenkonzept ist eine fachliche Empfehlung und eine Orientierungshilfe zur Umsetzung von konkreten Maßnahmen bzw. Projekten der Schulsozialarbeit vor Ort. Eine ergänzende Landesförderung ist zudem über die Richtlinie Weiterentwicklung möglich. Wesentlich hierbei ist, dass die Projekte der kommunalen Verantwortung in der Jugendhilfeplanung vor Ort verankert sind.
Ich freue mich zu hören, dass es ein Rahmenkonzept seitens des SMSV für die Schulsozialarbeit gibt. Ich möchte gern nachfragen, was Sie mit Rahmenkonzept meinen. Meinen Sie die Empfehlung des Landesjugendamtes zur Schulsozialarbeit oder gibt es ein neues Konzept, das Sie uns irgendwann in nächster Zeit vorstellen werden?
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist beendet. Wir kommen zum Schlusswort. Frau Dr. Stange, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank, Frau Clauß, für die offenbar vorhandene Rahmenkonzeption. Darauf sind wir gespannt.
Sie sagten, dass es nicht zu einer Kompensation kommen soll. Tatsächlich ist es aber vor Ort dazu gekommen. Zumindest ist es mir in der Stadt Dresden bekannt. Ich
denke, dass das auch in anderen Regionen der Fall ist. Es werden in der Stadt Dresden vermutlich sechs Schulsozialarbeiterstellen, die bisher aus den Mitteln der Kommune und aus der Jugendpauschale finanziert wurden, aus dem Bildungs- und Teilhabepaket finanziert. Das ist eine Art Kompensation.
Das ist eine Kompensation, die ich sehr bedaure und die hoffentlich nicht auch noch an anderen Stellen eingetreten ist.
Warum haben wir den Antrag jetzt eingebracht? Das Bildungs- und Teilhabepaket wird jetzt in den Kommunen umgesetzt. Die Entscheidung, ob die Kommunen jetzt Schulsozialarbeiterstellen aus diesen Geldern finanzieren, muss jetzt getroffen werden. Wir sind der Meinung, dass es durchaus möglich ist, zum Beispiel durch die Steuermehreinnahmen – die GRÜNEN haben dazu einen Vorschlag gemacht –, auch während einer Haushaltsperiode die Entscheidung zu treffen, die vorhandenen Programme – eine Weiterentwicklung ist hier angesprochen worden –, wie zum Beispiel das Programm des Kultusministeriums, aufzustocken, um daraus die Schulsozialarbeit zu bezuschussen.
An keiner einzigen Stelle steht – Herr Schreiber und auch Herr Bläsner, darüber sind wir uns vollkommen einig –, dass das Kultusministerium oder zukünftig die Landesregierung die Schulsozialarbeit bestimmen sollen. Ich habe meine Zweifel, ob es tatsächlich im Sozialministerium richtig angesiedelt ist. Es ist eine Aufgabe vor Ort. Es ist eine kommunale Aufgabe, aber eine Aufgabe, die in der Kooperation zwischen Schule und Kommune erfüllt werden muss.
Schulsozialarbeit ist aus unserer Sicht ein fester Bestandteil der Schule. Deswegen muss man künftig stärker darüber nachdenken, ob Schulen nicht grundsätzlich so wie mit Lehrern auch mit Schulsozialarbeitern ausgestattet werden.
Im Übrigen finanziert das Kultusministerium Zuschüsse für Schulsozialarbeiter im BVJ. Warum soll es nicht auch für allgemein bildende Schulen möglich sein?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, die große Einigkeit, die auch mit der Koalition an dieser Stelle herrschte, führt vielleicht dazu, dass man noch einmal darüber nachdenkt, auch in der laufenden Haushaltsperiode den Kommunen unter die Arme zu greifen und Anreize zu schaffen, wie es gesagt wurde. Auf alle Fälle sollte im neuen Haushalt die entsprechende Rahmenkonzeption, wenn sie denn da ist, so finanziell untersetzt werden, dass Schulsozialarbeit in den Kommunen tatsächlich durchgeführt werden kann.
Meine Damen und Herren! Zur Drucksache 5/5363 liegt als Drucksache 5/5918 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vor. Frau Klepsch, Sie haben vorhin darauf hingewiesen, dass Sie diesen jetzt einbringen möchten. Dazu haben Sie die Gelegenheit.
Im Ursprungsantrag heißt es unter Punkt 3 nur, dass die Kommunen zusätzlich über ein Sonderprogramm beim Ausbau der Schulsozialarbeit unterstützt werden sollen. Ich hatte schon darauf hingewiesen, dass uns dies etwas zu unkonkret ist. Wir sehen das Kultusministerium als Schulbehörde und als Teil der obersten Landesjugendbehörde in der Verantwortung. Wir denken, dass die Mittel im Ressort des Sozialministeriums im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe so stark eingekürzt sind, dass daraus keine Schulsozialarbeit flächendeckend finanziert werden kann. Wir wollen deshalb gern ein Sonderprogramm in der Verantwortung des SMK installiert wissen, das dann durch die Kommunen entsprechend ihrem Bedarf abgerufen werden kann.
Noch eine kurze Anmerkung zu Frau Schüßler: Frau Schüßler, mir scheint, Sie haben die Schulsozialarbeit als Methode überhaupt nicht verstanden. Dazu verweise ich Sie auf die Empfehlungen des Landesjugendamtes zum Thema und auf die Stellungnahmen der Landesarbeitsgemeinschaft.
Darin können Sie nachlesen, dass Schulsozialarbeit nicht nur als defizitorientierter Ansatz gedacht ist, sondern für alle Schülerinnen und Schüler.