Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

tung der Staatsregierung zu erledigen. Das kann man nicht auf die Kommunen oder den KSV abwälzen.

(Beifall bei den LINKEN)

Drittens. Wir brauchen ein neues Landespflegegesetz. Das ist nicht nur mit dem ausstehenden Heimgesetz zu leisten. In der Anhörung haben die Experten die Notwendigkeit bestätigt. Die Staatsregierung sollte uns dieses Gesetz endlich vorlegen, anstatt seit 2002 nach einem bestimmten retardierenden Moment, als sie es erst wollte, immer stoisch zu behaupten, wir brauchten es nicht. Wir brauchen es dringend.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Es nützt auch nichts, immer nur an das Ehrenamt, die Ehre oder woran auch immer zu appellieren. Wir brauchen endlich eine Lohnangleichung für die Pflegekräfte Ost an West. Sonst wird es überhaupt nicht funktionieren. Es ist nicht alles nur mit guten Worten zu machen, obwohl diese nötig und sinnvoll sind.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich sage es eindeutig und auch radikaler als Frau Neukirch, die jetzt einen kleinen Rückzieher gemacht hat: Die Fraktion DIE LINKE ist prinzipiell der Auffassung, dass wir flächendeckend neutrale und unabhängige Pflegestützpunkte in Sachsen brauchen und kein Pflegenetz, das nicht funktioniert.

(Hannelore Dietzschold, CDU: Quatsch!)

Wir sollten uns doch in Sachsen nicht hinstellen und behaupten, wir hätten als Einzige einen Königsweg. Alle machen etwas anderes.

Im Übrigen sind überhaupt nicht die Wohlfahrtsverbände gefragt worden. Auch die eigentlich Betroffenen wurden nicht gefragt, wenn hier dargestellt wird, dass alle für ein Pflegenetz waren.

(Staatsministerin Christine Clauß: Sie waren doch mit am Tisch!)

Aber nicht die Patientenvertreter, Frau Clauß. Das wissen Sie doch auch.

Wir brauchen – auch das sage ich noch einmal deutlich – den Ausbau der staatlichen Kontrolle. Natürlich haben die Medizinischen Dienste laut Gesetz auch Kontrollpflichten. Aber ich will eine neutrale Kontrolle und nicht eine Kontrolle durch Institutionen, die befangen sind, weil sie Leistungsträger oder Kostenträger sind. Das steckt doch dahinter.

Wir brauchen einen Soziallastenausgleich in den künftigen Haushalten, damit wir jenen benachteiligten Gebieten, über die Frau Herrmann in ihrem Beispiel gesprochen hat, helfen können. Ansonsten werden wir Gebiete mit hohem Pflegeniveau und solche mit niedrigem haben.

Wir werden auch dazu kommen, dass wir den Gebieten in den sächsischen Randlagen helfen müssen.

Die Redezeit, Herr Kollege!

Das ist mein letzter Satz, Herr Präsident!

Ich rufe dazu auf, einen Runden Tisch Pflege einzusetzen, bei dem alle Beteiligten ans Werk gehen, weil es die Staatsregierung allein nicht schafft.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Dagmar Neukirch, SPD, und Elke Herrmann, GRÜNE)

Für die Fraktion DIE LINKE war das der Abg. Pellmann. – Für die FDPFraktion könnte jetzt erneut Frau Schütz sprechen. – Kein Redebedarf. GRÜNE, Frau Herrmann? – NPD, Herr Müller? – Nein. Damit könnten wir eine dritte Runde eröffnen. – Kein Redebedarf. Damit hat jetzt die Staatsregierung das Wort. Ich bitte Sie ans Mikrofon, Frau Staatsministerin Clauß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Pflege pflegen – ja, das stimmt, aber nicht nur im Freistaat Sachsen. Das ist die Herausforderung in Deutschland und generell auch in Europa.

„Pflege pflegen“ – ja, das stimmt; aber nicht nur im Freistaat Sachsen. Das ist die Herausforderung in Deutschland und generell in Europa. Wenn man unser „PflegeN“ einmal geschrieben anschaut, dann kann man es sehr wohl lesen. Das ist kein Zufall, das haben wir sehr wohl so gewählt: „PflegeN“ heißt „Pflege pflegen“. Wir haben in unseren Entscheidungsprozess sowie in den Diskussionsprozess, wie wir unsere Pflege organisieren wollen, selbstverständlich viele Partner einbezogen. Es waren die Wohlfahrtsverbände, die Krankenkassen sowie die Kommunen, und letztendlich war es die Entscheidung, dass wir unseren sächsischen Weg gehen wollen.

Selbstverständlich haben wir auch Erfahrungen aus anderen Bundesländern einfließen lassen. Aber um es gleich vorwegzunehmen: Vergleiche mit anderen Bundesländern hinken, und wenn Sie hier einen Experten aus Freiburg zitieren, dann sage ich: Er soll sich doch einmal in seinem Bundesland umschauen. Ich könnte dort auch eine Menge dazu sagen. Mir geht es nicht gegen etwas, mir geht es für etwas: für unsere Pflege in Sachsen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Norbert Bläsner, FDP)

Um noch einmal kurz auf die Stützpunkte zurückzukommen: Wenn sie existieren, dann ist das eine Möglichkeit; aber ich betone nochmals: Der Begriff „Pflegestützpunkt“ ist nicht geschützt. Alle möglichen Leistungen können darunter subsumiert werden. Außerdem sind dabei die Anforderungen an die Qualifikation der Beraterinnen und Berater und die Beratungsqualität nicht definiert. Es gibt also keine Rechtsgrundlage. Wenn ich einmal durch das

Land fahre, so haben auch andere ambulante Pflegedienste schon "Pflegestützpunkt" darübergeschrieben. Das sind Dinge, die wir den Menschen zugestehen, aber ich würde Ihnen unseren Weg jetzt noch einmal deutlich aufzeigen wollen.

Ich will Pflegeberatung für pflegebedürftige Menschen dort, wo die Menschen sind; denn es ist ihr Wunsch – das hat eine eindeutige Befragung ergeben –, dass sie Pflegeberatung in ihrem häuslichen Umfeld erwarten: wohnungsnah, passgenau, ganz individuell entsprechend ihrem persönlichen Hilfebedarf und ihrem Krankheitsbild; denn es ist ein Unterschied, ob Sie einen Menschen beraten, der dement ist, oder einen Hilfebedürftigen, der einen Apoplex hat, oder deren Angehörige. Die Würde des Einzelnen muss hierbei Maß aller Dinge sein.

Wichtig ist auch – dies wurde gerade nochmals angesprochen –, dass das Wohnumfeld in den Kontext der Beratung einbezogen wird; denn es wird für den weiteren Weg entscheidend sein, wo Pflege stattfinden kann.

Deshalb war es richtig und wichtig, dass wir in allen Landkreisen die vernetzte Pflegeberatung auf den Weg gebracht haben; denn in diesen Netzwerken arbeiten nicht nur die Pflegeberater der Pflegekassen und die Sozialarbeiter der Kommunen zusammen, sondern auch die Hausärzte, Mitarbeiter der Hospizdienste und viele andere mehr. Die Geriatriezentren, die derzeit als Modellprojekte laufen, werden jetzt einbezogen, sich um pflegebedürftige Menschen zu kümmern, das Ehrenamt und vieles andere mehr. Dieser ganzheitliche Ansatz wird gebraucht.

Nun gilt es, mit unseren Netzwerkkonferenzen das Netz so zu knüpfen, dass es hält, und die Vernetzung vor allem vor Ort zu stärken. In Dresden und Chemnitz gab es bereits eine Netzwerkkonferenz, die sehr erfolgreich war. Einige unserer Kolleginnen und Kollegen waren anwesend. Die Nächste wird in Leipzig sein. In diesen regionalen Netzwerken werden Themen behandelt. Es werden Qualitätsfragen bewusst diskutiert und Schnittstellen auf die Tagesordnung gesetzt.

(Martin Dulig, SPD: Die wollen vernünftige Rahmenbedingungen von uns haben!)

Das sind die Rahmenbedingungen, und diese funktionieren auch.

(Martin Dulig, SPD: Sie verstecken sich!)

Wir verstecken uns hinter nichts. – Bei uns in Sachsen ist die Hilfe eine Bringleistung, und das ist mir ein Herzensanliegen. Bei uns in Sachsen ziehen alle an einem Strang.

(Elke Herrmann, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich lasse jetzt keine Fragen zu. Ich

habe vieles angehört, und jetzt möchte ich meine Diskussion weiterführen.

(Stefan Brangs, SPD: Diskussion? Wir diskutieren doch gar nicht, wir hören doch nur zu! – Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN)

Dann ist es in Ordnung, dann hören Sie zu. – Bei uns in Sachsen ziehen viele an einem Strang, und wir werden auch andere noch einbeziehen.

(Stefan Brangs, SPD: Dann müsste die Sozialministerin auch dabei sein!)

Wir sind dabei. – Lassen Sie mich jetzt bitte nochmals zu den Netzwerkstrukturen kommen; denn das sind die Strukturen der Zukunft, besonders auch in einem Flächenstaat. Deklaratorische Gesetze werden uns hier nicht weiterbringen; denn wir sind vom Altersdurchschnitt her das älteste Bundesland, und wir stehen beim demografischen Wandel nicht vor der Tür, sondern schon in der Tür.

(Stefan Brangs, SPD: Hinter der Tür!)

Ich sage nochmals deutlich, meine Damen und Herren: Ich habe das Thema Pflege zum Thema des Jahres 2011 erklärt. Das wird aber nicht reichen. Pflege ist das Zukunftsthema für eine solidarische Gesellschaft, die immer älter wird, und wer glaubt, in einem Jahr alle Herausforderungen und Aufgaben der Pflege zu lösen, der irrt. Natürlich werden wir auf diesem Weg ständig dazulernen müssen, und das ist auch gut so. Zurzeit befindet sich eine Förderrichtlinie in der Anhörung. Konkret geht es darum, durch altersgerechte Assistenzsysteme in der eigenen Wohnung die Pflegedienste zu entlasten und den Pflegebedürftigen Sicherheit zu geben.

Genauso wichtig ist mir aber auch eine menschliche Nähe und Zuwendung. Deshalb fördern wir niedrigschwellige Betreuungsangebote. Dieses Geld soll vor allem demenziell Erkrankten und Pflegebedürftigen, die zu Hause gepflegt werden wollen, zugutekommen. Dort wird es auch dringend gebraucht, und das entlastet die pflegenden Angehörigen.

(Beifall der Abg. Hannelore Dietzschold und Steffen Flath, CDU)

Gerade beim Thema Pflege ist die Trias so wichtig, das heißt, die Pflegebedürftigen, die pflegenden Angehörigen sowie die Pflegefachkräfte. Wenn man sich das, gerade wie im Jahr 2011, jetzt alles anschaut, werden wir sehr wohl daraus noch Dinge weiterentwickeln, und wir werden uns nicht auf dem, was ich sagte, ausruhen.

Nicht minder wichtig ist es mir, dass auch diejenigen, die noch nicht pflegebedürftig sind, vor Ort in ein enges Netz von Nachbarschaft eingebunden sind. Deswegen finanzieren wir unsere sächsischen Alltagsbegleiter. Wenn der Computer nicht mehr funktioniert oder andere Hilfen anstehen – Wochenendeinkauf, Bibliotheksbesuch und vieles andere –, kann Unterstützung erfahren werden. Wir werden dieses Programm fortführen, weil menschliche

Nähe in unserer Gesellschaft immer wichtiger wird, vor allem für unsere Hochbetagten.

Ich betone nochmals: Auch alte Menschen sind, wie wir alle, Verbraucher. Gerade dann, wenn stationäre Unterbringung notwendig wird, ist Verbraucherschutz ein Muss. In unserem Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz, das sich im Kabinettsverfahren befindet, haben wir darauf besonderen Wert gelegt. Wir haben auch Wert darauf gelegt, dass alte Menschen wählen können, wo und wie sie gepflegt werden. Eine Experimentierklausel soll neue Pflegemodelle eröffnen.

Zu all dem gehört aber auch eine umfassende Beratung, die von der Verbraucherzentrale Sachsen angeboten wird: was zum Beispiel beim Abschluss eines Pflegevertrages beachtet werden muss, welche Leistungspflichten der Unternehmer hat, welche der Verbraucher, und was eigentlich geschieht, wenn ein Vertrag weiterläuft, aber der Pflegebedürftige nicht mehr lebt. Das sind wichtige Fragen – bis hin zu Leistungen der Pflegeversicherung –, und wir haben in der Verbraucherzentrale einen guten Partner gefunden.