Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Für die Opfer von Sexual- und Gewaltdelikten ist die Straftat nicht mit dem Ende der eigentlichen Handlung oder der Verurteilung des Täters abgeschlossen. Vielmehr verbleiben in der Regel langjährige Traumatisierungen. In der Praxis kommt es dabei immer wieder vor, dass das Opfer solcher Straftaten weiterhin permanent dem Täter ausgesetzt ist, weil dieser im unmittelbaren Umfeld des Opfers wohnt, arbeitet oder sich sonst dort aufhält. Der unvermeidbare Umgang mit einem Täter führt bei dem Opfer regelmäßig zu einer fortdauernden psychischen Belastung, gegen deren Ursache es sich nicht in allen Fällen allein zur Wehr wird setzen können. Dies gilt insbesondere für missbrauchte Kinder und Jugendliche. Ein räumliches Distanzgebot schafft auch den notwendigen Freiraum, um die Wirksamkeit von Maßnahmen der Jugendfürsorge oder einer psychologischen bzw. psychiatrischen Betreuung wesentlich zu erhöhen.

Zum Schutz des Opfers einer Straftat gegen höchstpersönliche Rechtsgüter erscheint daher die Aufnahme von Regelungen in das Strafrecht als Annex zu einer strafgerichtlichen Verurteilung notwendig, die einen von Amts wegen Platz greifenden Schutzmechanismus schaffen. Die gegenwärtigen Regelungen (vgl. Gewaltschutzgesetz, Bewährungs- bzw. Führungsaufsicht) bieten keinen ausreichenden Schutz. Dies ist insbesondere bei besonders schutzwürdigen, traumatisierten Opfergruppen nicht hinnehmbar.

Die 82. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat folgenden, nicht mehr allein auf das Strafrecht bezogenen Beschluss gefasst: „Die Justizministerinnen

und Justizminister sprechen sich dafür aus zu prüfen, wie weitere rechtliche Möglichkeiten zur Anordnung eines Distanzgebotes gegen den Täter zum Schutz der Opfer von Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter geschaffen werden können. Sie beauftragen eine Länderarbeitsgruppe unter der Federführung von Sachsen mit der Prüfung, ob eine Erweiterung des rechtlichen Instrumentariums möglich ist und bitten, der Justizministerkonferenz zu berichten.“

Zu Frage 2: Zum 1. Januar 2011 ist das Gesetz zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung in Kraft getreten. Das Gesetz eröffnet in § 68b Abs. 1 Ziffer 12 Strafgesetzbuch (StGB) die rechtliche Möglichkeit einer Weisung, die die elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) eines Führungsaufsichtsprobanden erlaubt. Die Weisung ist nicht auf ehemalige Sicherungsverwahrte beschränkt. Sie ist bei Führungsaufsichtsprobanden zulässig, die wegen eines Verbrechens oder einer Sexualstraftat Freiheitsstrafen von mindestens drei Jahren voll verbüßt haben oder aus einer Maßregel der Besserung und Sicherung entlassen wurden und bei denen die Befürchtung besteht, sie würden ähnlich schwere Straftaten erneut begehen.

Nach § 463a Abs. 4 Strafprozessordnung (StPO) dürfen die Daten im Rahmen der Führungsaufsicht sowie zur Abwehr erheblicher gegenwärtiger Gefahren für Leib, körperliche Unversehrtheit, persönliche Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung Dritter oder zur Verfolgung einer schweren Straftat verwendet werden. Das Gesetz enthält weitere Bestimmungen zum Umgang mit den gewonnenen Daten.

Es besteht bundesweit dahin gehend Einvernehmen, dass zur Bewältigung der vielschichtigen Problemkreise eine ressort- und länderübergreifende Zusammenarbeit notwendig ist, wobei die grundsätzliche Zuständigkeit im Bereich der Justiz liegt. Für Sachsen stellt sich die Beteiligung an den bundesweiten Projekten aus inhaltlichen aber insbesondere auch Kostengesichtspunkten als alternativlos dar. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa unterstützt daher die bundesweit angelegten Initiativen sowohl im Hinblick auf den Abschluss eines Staatsvertrages über die Einrichtung einer Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder als auch auf Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung zur Gründung eines Betriebs- und Nutzungsverbundes eines Systems der elektronischen Aufenthaltsüberwachung. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa war im Rahmen einer Arbeitsgruppe an der Erarbeitung der Leistungsbeschreibung für das System involviert und hat sich an der rechtlichen Diskussion über die Verwaltungsvereinbarung und den Staatsvertrag beteiligt.

Der Einsatz der elektronischen Aufenthaltsüberwachung für andere Zwecke bedarf eingehender rechtlicher Prüfung. Derzeit ist ein Einsatz außerhalb der Führungsaufsicht nicht beabsichtigt.

Förderung der Betreuungsvereine in Sachsen (Frage Nr. 12)

In den Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2011/2012 wurde der GRÜNE Änderungsantrag zu Kapitel 0803 „Allgemeine Bewilligungen“ Titel 684 02 „Zuschüsse zur Förderung von Betreuungsvereinen“ angenommen. Demnach stehen für die Betreuungsvereine jeweils 200 000 Euro mehr, das heißt im Haushaltsjahr 2011 343 500 Euro und 2012 360 000 Euro, zur Verfügung.

Zeitgleich mit der Erstellung des Doppelhaushaltsentwurfes wurde im Sozialministerium die Richtlinie zur Förderung von Betreuungsvereinen geändert. Die neue Förderrichtlinie ist seit 1. Januar 2011 in Kraft. Derzeit gibt es in Sachsen 31 Betreuungsvereine. Die Betreuungsvereine berichten, dass aufgrund der veränderten Förderrichtlinie allein 17 Betreuungsvereine in diesem Jahr keine Förderung mehr beantragen können, weil eine kommunale Kofinanzierung nicht erfolgt. Von den verbleibenden 14 Vereinen werden bzw. haben nur noch 10 eine Förderung beantragt. Auch dies ist auf die in der neuen Förderrichtlinie veränderten Zuwendungsvoraussetzungen zurückzuführen. Dies hat zur Folge, dass tatsächlich nur noch etwa ein Drittel der Betreuungsvereine in Sachsen überhaupt in den Genuss der Landesförderung kommen kann. Letztlich bedeutet das, dass die von der Staatsregierung neu gestaltete Förderrichtlinie der vom Parlament mit dem Haushaltsgesetz zum Ausdruck gebrachten Intention widerspricht.

Fragen an die Staatsregierung:

1. Wie positioniert sich die Staatsregierung zu dem Sachverhalt, dass das Parlament für den Landeshaushalt einen Haushaltsansatz bestimmt hat, der aufgrund der neu gefassten Förderrichtlinie in der Praxis nur ansatzweise ausgeschöpft werden kann, und zu welchen Konsequenzen ist die dazu bereits seitens des Sozialministeriums angekündigte Prüfung gekommen?

2. Welche fachlichen Gründe haben die Staatsregierung dazu bewogen, die Fördervoraussetzungen so abzuändern, dass die meisten Betreuungsvereine aufgrund ihrer regionalen Besonderheiten (zum Beispiel fehlende kommunale Kofinanzierung bzw. kommunale Kofinanzierung in Form von Sachleistungen, Koppelung der Förderhöhen von Land und Kommune, Ausweis definierter gegebenenfalls bedarfsunabhängiger Öffnungszeiten von mindestens 20 Stunden pro Woche) keine Förderung mehr beantragen können?

Zur Frage 1 nehme ich wie folgt Stellung: 2011 haben von 31 anerkannten Betreuungsvereinen zehn einen Antrag auf Förderung beim Kommunalen Sozialverband Sachsen gestellt. Das sind neun weniger als im Vorjahr. Auf Basis der Anträge für das Jahr 2011 stellte der Kommunale Sozialverband Sachsen einen Mittelbedarf von nur 58 100,00 EUR fest.

Eine Erhöhung der Förderung und eine Anpassung der Förderrichtlinie wären nur dann gerechtfertigt, wenn die Betreuungsvereine einen erhöhten finanziellen Bedarf

hätten, den sie nicht durch Einnahmen kompensieren könnten. Dies konnte der KSV jedoch nicht feststellen.

Vielmehr hat er mitgeteilt, dass es keine Anträge gibt, die abgelehnt werden müssen, weil die Finanzierung nicht gesichert ist. Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte, die auf eine schwierige finanzielle Situation bei den Betreuungsvereinen schließen lassen. Vielmehr spricht die Rücknahme von Förderanträgen, die unter anderem mit der Begründung erfolgt ist, dass man nicht die Zeit zur Erstellung von Förderanträgen hat, dafür, dass der Auftrag auch ohne staatliche Unterstützung erfüllt werden kann.

Zu Ihrer Anmerkung der mangelnden Kofinanzierung durch die Kommunen ist Folgendes zu sagen: § 6 des Gesetzes über die Wahrnehmung behördlicher Aufgaben bei der Betreuung Volljähriger (BtBG) enthält eine eindeutige Verpflichtung der Landkreise und Kommunen in finanzieller Hinsicht. Die Kommunen haben die Pflichtaufgabe, Tätigkeiten von Betreuungsvereinen anzuregen. Zwar ist keine Summe festgelegt, aber die Pflicht, die bereitgestellten Mittel ermessensfehlerfrei zu verteilen.

Ich sage deshalb ganz deutlich: Die fehlende Kofinanzierung dokumentiert, dass die betroffenen Landkreise und kreisfreien Städte ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen! Das können aber nur die Kommunen ändern. Im Übrigen enthielt die alte Richtlinie, die bis zum 31.12.2010 gültig war, den gleichen Passus der Kofinanzierung. Nur war der nicht mit Sanktionen belegt. Die neue Förderrichtlinie ermöglicht es uns lediglich, die Pflicht der Kommunen einzufordern.

Zur zweiten Frage: Die Anzahl der ehrenamtlich geführten Betreuungen ist trotz der intensiven Förderung in den letzten Jahren gesunken. Die Zahl der (hauptamtlichen) Berufsbetreuungen ist dagegen deutlich angestiegen.

Maßgeblichen Einfluss auf die Bestellung der ehrenamtlichen oder hauptberuflichen Betreuer haben die kommunalen Betreuungsbehörden, da sie zu jeder Person, für die beim Betreuungsgericht eine Betreuung beantragt wird, einen Sozialbericht erstellen. Dieser beinhaltet auch einen

konkreten Vorschlag für einen hauptberuflichen oder ehrenamtlichen Betreuer.

Mit der neuen Förderrichtlinie sollen die richtigen Anreize für eine Steigerung der ehrenamtlichen Betreuung gesetzt und die kommunale Ebene stärker in die Förderungsverantwortung einbezogen werden. Dies ist auch geboten, weil die kommunale Kofinanzierung bei der Förderung der Betreuungsvereine bisher nicht in angemessenem Umfang realisiert worden ist. Im vergangenen Jahr wurden nur noch elf der vom Freistaat geförderten 19 Betreuungsvereine durch die Kommune kofinanziert.

Die Beweggründe, die Förderrichtlinie an dieser Stelle zu ändern, habe ich nun zweimal genau dargelegt.

Die Konkretisierung der Öffnungszeiten in der aktuellen Förderrichtlinie fußt auf den bisherigen Erfahrungen des Kommunalen Sozialverbandes Sachsen im Fördervollzug. In seinen Sachberichten hat dieser wiederholt dargelegt, dass der persönliche Kontakt der Vereine zu den Interessenten sehr wichtig sei und die Gespräche mit diesen aufgrund der Problemlagen im Einzelfall sehr zeitintensiv wären. 20 Wochenstunden als Öffnungszeiten sollen diesen Bedarf abdecken, damit auch die Qualität entsprechend gesichert werden kann.

Damit ist die Fragestunde beendet.

Auch die Tagesordnung ist abgearbeitet. Der Termin für die nächste Plenarsitzung ist Mittwoch, der 29. Juni, 10 Uhr. Die Einladung geht Ihnen noch zu.

Die 37. Sitzung des Sächsischen Landtages ist geschlossen.

Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Feierabend.