Als Ostdeutschen müsste uns doch bewusst sein, worum es jetzt geht. Der Aufbau Ost hat nicht darin bestanden, die Ostdeutschen mit ihren Alu-Chips zurückzulassen.
(Jürgen Gansel, NPD: Das war eine innerdeutsche Solidarleistung! Das in Europa ist etwas ganz anderes!)
Der Aufbau Ost bestand darin, dass man versuchte, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Die Wettbewerbsfähigkeit muss gesteigert werden – das ist der entscheidende Punkt.
Es ist richtig: Die Ökonomien in der Europäischen Union sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Ich glaube, darüber haben in den Neunzigerjahren und in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends alle gern hinweggesehen, um überhaupt erst einmal zu der Euro-Währung zu kommen. Jetzt muss man diesen Trümmerhaufen politisch verantwortlich beräumen. Dafür ist Ehrlichkeit Voraussetzung. Die „Leidtragenden“ – um die wirklich vermaledeite Diktion der NPD aufzugreifen – des Aufbaus Ost waren die westdeutschen Steuerzahler. Sie haben das bezahlt. Sie haben gemurrt und gemeckert, aber sie haben es gemacht. Das sollte man sich ganz lange durch den Kopf gehen lassen.
(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP – Jürgen Gansel, NPD: Das war innerdeutsche Solidarität!)
Was ich heute von der NPD erlebt habe, war Nationalidiotie. Das hat mit Patriotismus überhaupt nichts zu tun und ist ganz schlimmes politisches Geschwätz.
Die Wettbewerbsfähigkeit muss gesteigert werden. Ich habe heute früh im Radio gehört, dass Bundesfinanzminister Schäuble überlegt, ob man auch damit zur Unterstützung beitragen könne, dass man bestimmte Hilfen, die nach Griechenland fließen, konditioniert. Die Griechen können sich ja gar nicht mehr selbst regieren; sie werden vom IWF und anderen fremdregiert und haben viel
Souveränität verloren. Das ist für die Menschen dort auch nicht leicht zu ertragen. Schäuble schlägt konkret vor, ein massives Solaranlagenprogramm für Griechenland aufzulegen. Dort fällt die „Sonnenernte“ deutlich besser aus als bei uns; das weiß auch jeder.
Das wäre etwas, wovon auch die Menschen in Griechenland langfristig profitieren könnten. Ich halte diese Strategie für richtig.
Das geht aber nicht – jetzt bin ich bei der Frage, ob Griechenland einen Währungsschnitt braucht –, wenn wir nicht vorher die Bedingungen neu konditionieren. Ich teile die Sorge, dass eine unkontrollierte Transferunion nicht funktionieren wird. Ich teile diese Sorge!
Aus diesem Grund muss man sich – bevor man sich über einen möglichen Anteil an Transfers unterhält, die nötig sind, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern – über die Neukonditionierung unterhalten. Ich glaube, dass der Währungsschnitt für Griechenland das erforderliche Instrument ist. Jede Lösung, die auf dem Tisch liegt, ist gefährlich. Nicht jede Konsequenz jeder Lösung ist absehbar. Wir wissen nicht genau, was alles passiert. Die Märkte haben alle bisher ergriffenen Maßnahmen nicht goutiert. Deshalb muss man jetzt verdeutlichen, dass wir es mit Europa und mit dem Euro ernst meinen – zusammen mit den Griechen.
Das möchte ich gern. – Frau Hermenau, die Konstruktion, die in den Neunzigerjahren unter der damaligen CDU/CSU/FDP-Koalition mitbeschlossen wurde, war der Maastricht-Vertrag. Mit diesem wurde gerade keine Haftungsunion begründet. Die damals vereinbarte No-Bail-Out-Klausel hat man später außer Kraft gesetzt. Das ist die neue Entwicklung gewesen. Das geschah während Ihrer Regentschaft. Man hat den Ruf entsprechend ruiniert.
Sie haben die Glaubwürdigkeit der FDP angesprochen. Herr Schäffler hat aus Protest gegen die von der Bundesregierung in dieser Frage betriebene Politik sein Mandat als Obmann der Fraktion im Finanzausschuss zurückgegeben.
Die sächsische FDP wird an den Stellen, wo sie entscheiden kann – wir alle wissen, wo die Kompetenzen liegen –, die Position, die ich hier vertreten habe, mitvertreten. Wir werden auf Bundesebene dafür sorgen, dass entsprechende Mechanismen beschlossen werden, damit das geordnete Insolvenzverfahren innerhalb des Euro-Raums umgesetzt wird.
Danke schön, Herr Präsident! – Frau Hermenau hat mich direkt angesprochen. Ich habe nicht die Exportstrategie gegeißelt, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass Deutschland dazu beigetragen hat, dass sich die Handelsungleichgewichte zwischen den Euro-Ländern derartig verschoben haben, und zwar eindeutig zugunsten Deutschlands. Dieses Thema hat als Erste die Finanzministerin Frau Lagarde im Bundeskabinett angesprochen. Auch Barack Obama und die Staatschefs anderer Länder haben in der letzten G-8Runde zum Ausdruck gebracht, dass es nicht sein könne, dass einige Länder mit ihren Waren die anderen Länder sozusagen überhäufen. Insofern hat das im Kern etwas damit zu tun.
Daraus folgt für mich die Notwendigkeit einer wirtschaftspolitischen Koordinierung. Es gibt Länder wie Griechenland, in denen die Lohnentwicklung an die Inflationsentwicklung gekoppelt ist, und es gibt Länder wie Deutschland, in denen die Lohnentwicklung bekanntlich an die Produktivitätsentwicklung gekoppelt ist. Diese grundlegenden Unterschiede haben großen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der Länder. Insofern ist eine wirtschaftspolitische Koordinierung in der Euro-Zone erforderlich; sonst wird das auf Dauer nicht funktionieren. Das ist der Punkt, auf den ich aufmerksam machen wollte.
Darauf antworte ich doch gern. – Frau Kollegin Runge, wenn Sie die G-8-Interessen als Leitstern für Ihre politischen Entscheidungen hier in Sachsen oder in ganz Deutschland ansehen, sind Sie denen auf den Leim gegangen. Die Franzosen haben natürlich eigene nationale Interessen – das ist ganz eindeutig so –, und die USA haben solche Interessen auch. Die USA werden ihren Protektionismus vergrößern. Die USA wissen, dass sie ihren Dollar als Leitwährung in den nächsten 10 bis 15 Jahren einbüßen werden; das ist völlig
klar. Daher versuchen sie, die Inflation nicht nur nach China, sondern auch in die Europäische Union zu exportieren. Sie von den LINKEN unterstützen diesen Kurs. Ich kann das national und auch europäisch nicht nachempfinden.
Dass die Franzosen Interesse haben, ihre teilstaatliche Industriepolitik auf ganz Europa auszudehnen, hat damit zu tun, dass sie ein solches Verständnis von Wirtschaft haben. Dass das aber funktioniert, wage ich zu bezweifeln. Die Franzosen waren in den vergangenen Jahren selbst im „Ring of Fire“, als es darum ging, dass sie nicht mehr in der Lage sind, alles einzuhalten, was vereinbart worden ist. Die Franzosen haben sich langsam ein bisschen berappelt und sind wieder stabil. Aber auch dort stand die Frage von Umschuldungsprogrammen im Raum.
Was bedeutet das alles? Die LINKE in Sachsen – wahrscheinlich ist das Mainstream in Ihrer Partei in Deutschland insgesamt – ist nicht in der Lage einzuschätzen, was gerade passiert, und das vor dem Hintergrund, dass Sie in Ihrer Programmatik ambitionierte Verteilungsprogramme stehen haben. Ich halte das wirklich für nachlässig, um es ganz freundlich zu formulieren; eigentlich ist es Unfähigkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die Emotionen so hochlaufen, bringt uns aber in der Lösung nicht weiter, insbesondere nicht, wenn wir selbst nicht zuständig sind, sondern nur teilbeteiligt.
Interessant finde ich, wenn wir die Stabilität des Euro an dem Wechselkurs zum Dollar festmachen. Frau Kollegin Hermenau hat das gerade mit Recht hinterfragt; denn es ist die innere Stabilität, wonach wir suchen, und nicht der Vergleich zu einer Abtrittswährung vielleicht, die früher als Referenzwährung für die Welt galt.
Erstens. Wir können zurück zur D-Mark. Das ist technisch machbar. Das ist wohl auch von den meisten gewollt, wenn wir so landauf, landab fragen. Das wäre vielleicht auch ökonomisch vertretbar, aber wir würden uns politisch isolieren, und davor haben wir tüchtige Skrupel.
Die zweite Option ist der Austritt der Südländer oder der Rausschmiss der Südländer. Das würde unzweifelhaft den Euro stärken, aber politisch ist es nicht durchsetzbar. Es gäbe ein gewaltiges Chaos – Bankenrun, Inflationsschub, Wachstumseinbußen. Das ist auch nicht unsere Politik.
Die dritte Möglichkeit ist der Forderungsverzicht. Das würde den Schuldnerländern helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Die Frage, die wir uns dabei stellen müssen,
ist: Ist das Bankensystem schon wieder belastbar oder kommt es zu einem Bankencrash? Da sind nicht nur Banken, sondern auch viele Pensionsfonds enthalten, die solche Staatsanleihen gekauft haben. Die Konsequenzen auf ein Rentensystem und auf Alterseinnahmen müssen wir uns auch klarmachen. Ich stimme Frau Hermenau und auch meinem Kollegen Schowtka zu: Es ist nicht absehbar, was da alles passieren würde.
Die vierte Möglichkeit ist die Transferunion. Daran basteln wir heftig: von einer Währungsunion zu einer Transferunion überzugehen, die für Deutschland verdammt teuer wird und die politisch riskant ist; denn sie befördert solche demagogischen rechten Planken, vielleicht auch von anderer Seite kommend, und beeinflusst die Bevölkerung. Also können wir eine Transferunion, die in Teilen vielleicht auch gerechtfertigt ist, wenn man zusammenwachsen will – besser wäre, eine Transfergemeinschaft und dann eine Währungsgemeinschaft zu gründen und nicht umgekehrt –, politisch durchstehen? Im Augenblick gibt uns das die Chance zur Wettbewerbssteigerung, aber wenn es nicht klappt und wenn das Ganze zu unkalkulierbar wird, weil systematisch in gewissen Ländern vielleicht eine andere Einstellung zur Produktivität herrscht, dann müssen wir getrennte Wege gehen.
Das ist dann die fünfte Option: Eine Trennung vielleicht zwischen Südo und Nordo oder den Euro ohne manche Mitglieder der Europäischen Union.
Die Politik entscheidet sich – das bringt uns allen vielleicht die Faust in die Tasche – für eine Transferunion, was augenblicklich als europäischer Stabilitätsmechanismus auf dem Tisch liegt, also der ESM, der noch nicht zu Ende verhandelt ist. Das empfinde ich als eine Beschwichtigungs- und Beschönigungspolitik. Weitere Rettungsspielchen werden das Währungssystem und die Währungsgemeinschaft endgültig zu einer Umverteilungsmaschine entwickeln.
Da wird dann auch so schön in diesem ESM von der Beteiligung des Privatsektors gesprochen, wonach – Peter Schowtka hat es als Erster gesagt – wir uns sehnen und rufen, weil das die Grundlage unseres Wirtschaftssystems, unserer Verantwortung und unseres Handelns ist; siehe auch Sachsen LB.
Von der Beteiligung des Privatsektors wird gesprochen, aber vorher werden noch einmal bis zu 700 Milliarden Euro eingesetzt und es gibt noch zusätzlich eine Kreditmöglichkeit, ganz kleingedruckt in Artikel 17. Das kommt noch einmal oben drauf.