Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, die Aussprache ist beendet. Wir kommen zum Schlusswort. Für die Fraktion Die LINKE spricht Herr Abg. Kosel. Sie haben das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, Herr Staatsminister, wir haben im Ausschuss durchaus von unserem Fragerecht Gebrauch gemacht. Bei der vorletzten Ausschusssitzung war es so, dass auf zwei Fragen, die aus meiner Fraktion kamen, keine Antwort erteilt werden konnte, sodass die Antwort schriftlich nachgereicht wurde. Aber wir können da auch noch mehr tun. Seien Sie da ohne Sorge.

Meine Damen und Herren, ansonsten hat die Debatte der demokratischen Fraktionen – zumindest mehrheitlich außer der FDP – gezeigt, dass ein breiter – ein breiter, meine Damen und Herren von der FDP! – europapolitischer Handlungsbedarf besteht und dass er vor allen Dingen darin besteht, dass die Staatsregierung von ihrer bisherigen Ausweichstrategie nach dem Motto „Bitte keine Belästigung und Störung durch zu viele Fragen, wir machen das schon!“ abgeht und endlich zu einer umfassenden Information und zu wirklicher Offenheit gegenüber dem Landtag kommt.

Dass ausgerechnet die FDP als sich – so hoffe ich jedenfalls – liberal empfindende Partei dem verschließt, ist schon bemerkenswert. Vielleicht ist Ihnen die Liberalität auch abhanden gekommen. Wenn man allerdings in die Geschichte des Liberalismus schaut, findet man da zumindest noch Ansätze, die unseren Intentionen entsprechen.

Meine Damen und Herren, selektive Darstellungen und vage Informationen zur europapolitischen Position der Staatsregierung, zum Beispiel mit Blick auf Fördermittel – auch das ist angesprochen worden – oder Lobbyarbeit sind unzureichend und müssen von einer systematischen – ich wiederhole es – und kontinuierlichen Darstellung sowohl in Bezug auf die Konzepte der Staatsregierung für kommendes Handeln als auch in Bezug auf die Berichterstattung zu den tatsächlich stattgefunden Aktivitäten abgelöst werden.

Meine Damen und Herren, wir als Landtagsabgeordnete wollen und müssen wissen, welche konkreten Projekte die Staatsregierung mit welchen Absichten in Brüssel aktuell verfolgt bzw. in der Vergangenheit verfolgt hat. Nicht stückchenweise Information, sondern eine Gesamtdarstellung ist nötig, um eine Übersicht zu erhalten, die es dann auch ermöglicht, Teilaktivitäten, wie zum Beispiel EUGesetzgebungsvorhaben. unter Umständen reflektieren und richtig beurteilen zu können.

Es ist an dieser Stelle nochmals darauf zu verweisen, dass in anderen Länderparlamenten durchaus gute Praktiken bestehen, die sich die Sächsische Staatsregierung zum Vorbild nehmen kann. Ein Blick in den Bericht über die Europapolitik der Landesregierung an den Landtag von Baden-Württemberg vom 28. September 2010 wäre wohl ausgesprochen hilfreich und lehrreich.

Meine Damen und Herren, wir fordern die Staatsregierung auf, ihr europapolitisches Konzept, sofern sie eines hat, dem Landtag in einer Regierungserklärung vorzutragen und ihre bisherige scheibchenweise Informationspolitik in europapolitischen Fragen zu ändern.

Wir bitten die demokratischen Fraktionen daher um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Zunächst liegt Ihnen mit der Drucksache 5/6214 ein Änderungsantrag der Fraktion SPD vor. Er soll noch eingebracht werden. Herr Jurk, bitte schön, das können Sie jetzt tun.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es insbesondere aufgrund der aktuellen Debatte über die Einführung eines europäischen Stabilitätsmechanismus für dringend erforderlich, dass sich diese Sächsische Staatsregierung erklärt, und zwar in einer Regierungserklärung.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Deshalb haben wir diesen Änderungsantrag formuliert, der relativ kurz und knapp deutlich machen soll, worum es dabei geht. Es geht darum, dass im Bundesrat derzeit über die Änderung des Artikels 136 AEUV diskutiert wird. Wer nicht weiß, was das ist, dem sage ich: Das ist der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Es geht insbesondere darum, dass wir gern wissen wollen, mit welcher Position die Sächsische Staatsregierung in diese Verhandlungen hineingeht.

Es geht uns darum, dass die Interessen des Freistaates Sachsen auch bei der Ausgestaltung des europäischen Stabilitätsmechanismus berücksichtigt werden, und wir wollen natürlich auch die Position der Sächsischen Staatsregierung hinsichtlich der Frage einer europäischen bzw. globalen Finanztransaktionssteuer erfahren. Und wenn wir ganz konkret über Griechenland reden, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es auch um die Frage, dass wir ein Land nicht bloß mit Sparprogrammen

nach vorne bringen können, sondern auch durch gezielte Wachstumsimpulse. Auch darüber sollte man sich im Bundesrat Gedanken machen.

Ich weiß, dass es viele Länderinitiativen dazu gibt, und es wäre dringend erforderlich, dass sich der Freistaat Sachsen hier einbringt. Die Amtsvorgänger, insbesondere Prof. Biedenkopf, haben sich in Berlin immer wieder Gehör verschafft, teilweise auch sehr europakritisch. Dazu kann man geteilter Meinung sein. Ich vermisse das.

Herr Europaminister Dr. Martens, Ihr Parteifreund, der hessische stellvertretende Ministerpräsident und Europaminister, hat sich kürzlich zu den Fragen der europäischen Hilfen geäußert. Er hat deutlich gemacht: Bundestag und Bundesrat müssen nicht nur bei der einmaligen Einrichtung des ESM durch die europäischen Verträge beteiligt werden. Auch die Entscheidungen der Bundesregierung über konkrete Finanzhilfen bedürfen der vorherigen Kontrolle durch beide Parlamente, also den Bundesrat als zweites Parlament. Hahn forderte gar ein Gesetz, das die parlamentarischen Beteiligungsrechte festschreibt.

Zugleich forderte übrigens dieser hessische FDP-Minister, private Gläubiger weitaus umfangreicher als bisher beabsichtigt an der Sanierung finanzschwacher Staaten zu beteiligen. In den gegenwärtigen Plänen zum ESM sehe Hessen erhebliche finanzielle Risiken für die Haushalte von Bund und Ländern. Genau diese Aussage, deutlich zu machen, wo sie die Risiken sieht, vermisse ich noch von dieser Staatsregierung. Herr Finanzminister – ich habe Sie schon angeschaut, Sie haben interessiert zugehört – und Herr Dr. Martens, ich denke, diese Antwort sind Sie dem Parlament und den Menschen in Sachsen schuldig.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Jurk. – Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Das kann ich nicht feststellen. Dann lasse ich über den Änderungsantrag mit der Drucksachennummer 5/6214 abstimmen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Drucksache 5/5656. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Danke sehr. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Die Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 5 aufrufe, wende ich mich noch einmal an die Schriftführer. Meine Damen und Herren, im Präsidium haben wir uns darauf verständigt, dass die Sitzungszeiten für die Schriftführer verkürzt werden. Hier wartet jemand auf die Ablösung. Ich möchte Sie doch um Disziplin bitten. – Herzlichen Dank.

(Beifall des Abg. Thomas Colditz, CDU) Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Spekulationen zukünftig eindämmen – Einführung einer Finanztransaktionssteuer

Drucksache 5/2532, Antrag der Fraktion der SPD

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: Als Einreicherin zuerst die SPD, sodann CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die SPD Herr Abg. Pecher; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag ist in einer Zeit kurz nach der Krise, vielleicht noch mittendrin, erarbeitet worden – wir haben ihn im Jahr 2010 eingereicht – und das wird man unschwer an der Begründung erkennen. Nichtsdestotrotz entscheiden wir heute über den Inhalt des Antrages.

Ich denke, dass dieser Antrag heute aktueller denn je ist. Warum ist das so? – Erstens wissen wir, dass die Kosten zur Bewältigung der Finanzmarktkrise enorm hoch sind. Im letzten Plenum haben das einige selbst ernannte Konkursverwalter von Griechenland hier ziemlich genau beziffert. Diese Kosten bringen zurzeit die Staaten, das heißt aus Steuermitteln, auf.

Ich denke, der Antrag ist auch aktuell, weil man mittlerweile auch in Brüssel erkannt hat, dass die Einführung einer solchen Transaktionssteuer durchaus Sinn macht. Wenn man sich das „Spiegel“-Zitat von Manuel Barroso vom 28. Juni anschaut, dann sieht man, dass das daraus eindeutig hervorgeht.

Warum macht das also Sinn? – Es macht Sinn, weil diese Steuer Geld in die Kassen spült, Geld in die Kassen der Staatengemeinschaft – man schätzt 200 Milliarden Euro in Europa und bei weltweiter Anwendung fast 500 Milliarden Euro –, und zwar das Geld derjenigen, die durch riskante Geschäfte die Krise verursacht haben und die von den Rettungsmaßnahmen am meisten partizipieren.

Das Prinzip dieser Transaktionsteuer oder Börsensteuer, wie immer man es nennen will, ist nicht neu. Bereits ein Tobin hat diese Steuer im Jahr 1972 ins Gespräch gebracht und sie wird heute angewendet als Stempelsteuer in der Schweiz oder auch in Großbritannien. Es gibt viele Länder, die unterschiedliche punktuelle Facetten dieser Steuer haben, wie Belgien, Irland, Polen, Zypern und Finnland. Die Aufzählung ist nicht vollständig. Diese Beispiele führen ein immer wieder ins Feld geführtes Argument ad absurdum: Diese Steuer würde die Finanzmärkte belasten, würde Liquidität verhindern, kostentreibend wirken und die Wirtschaft belasten. Das ist in all den Ländern, in denen sie angewandt wird, nicht der Fall. Die

Welt bricht dort nicht ein, und das Leben geht dort auch seinen Gang.

Jeder Bürger muss beim Erwerb von Waren und Dienstleistungen Steuern zahlen. Der Handel von Kaffee, Sekt, Bier, Tabak oder auch Energie wird besteuert. Warum nicht der mit Geld oder mit Geldwerten? – Ja, wir wollen diese Steuer. Wir wollen die Belastung des Handels mit Geld, mit Wertpapieren, Derivaten, Zertifikaten, Börsentransaktionen, Swaps oder Obligationen. Ja, wir wollen den finanziellen Beitrag derjenigen, die beim Umgang mit Geldwerten enorme Risiken produzieren und deswegen auch teilweise enorme Gewinne erwirtschaften.

(Beifall bei der SPD)

Wir finden, das ist nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, es ist auch ein Gebot der Wirtschaftlichkeit.

Uns ist bekannt, dass diese Transaktionssteuer nicht alle Probleme zur Eindämmung hoch spekulativer Geschäfte und finanzieller Risiken lösen kann. Aber ich bin, wenn ich mir die Geschäfte des Ormond Quay bei der Landesbank anschaue, wo verbriefte Papiere mit geringen Gewinnmargen mit geliehenem Geld aufgekauft wurden, wieder verkauft wurden, aus dieser enorm geringen Gewinnspanne der Profit gezogen wurde und man deshalb das Volumen gigantisch aufblasen musste, überzeugt: Wenn dort eine solche Steuer aufgeschlagen worden wäre, dann wäre dieses Geschäft wahrscheinlich nicht lukrativ gewesen und wäre uns in Sachsen erspart geblieben.

Wir wissen, dass zur Eindämmung finanzieller Risiken auf den Finanzmärkten eine schlagkräftige, mit gebündelten Kompetenzen ausgestattete nationale, europäische und internationale Finanzaufsicht gehört. Dazu gehört endlich auch eine europäische Ratingagentur. Es kann doch nicht sein, dass genau die Agenturen, die durch Fehleinschätzungen der Finanzkrise Vorschub geleistet haben, heute wieder durch Fingerschnipsen ganze Staaten zum Erzittern bringen und wildeste Devisen- und Finanzspekulationen auslösen. Das kann doch nicht sein. Genau diejenigen, die uns mit ihrem Triple-A immer vorgeblendet haben, dass alles in Ordnung ist, agieren heute wieder genauso, zeigen mit dem Daumen nach oben oder nach unten und entscheiden darüber, ob die Bonität eines Staates gut oder schlecht ist. Ich denke, das ist nicht zielführend.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört selbstverständlich auch der gesamte Komplex Managergehälter, persönliche Haftung der Banker, weltweiter Corporate-Government-Kodex, bilanzielle Verankerungen aller Finanzinstrumente, höhere Liquiditäts- und Eigenkapitalvorsorge, Regulierung von Hedgefonds und einiges mehr. Das gehört auf die internationale Bühne. Wir haben in Deutschland im Bereich der Sparkassen- und Bankenaufsicht einiges getan, wie Eigenkapitalvorsorge usw. All dies ist unter anderem nachzulesen in dem gemeinsamen Papier von Peer Steinbrück und FrankWalter Steinmeier vom Februar 2009.

Nun könnte man meinen, es ist Bewegung in der EU und der Antrag ist überflüssig. Dem ist leider nicht so. Denn außer den verbalen Kraftmeiereien von Ministerpräsident Tillich in der „Morgenpost“, wo er diese Transaktionssteuer fordert, ist aus sächsischer Sicht eben nichts passiert, und es passiert auch von Schwarz-Gelb im Bund nichts. Es gibt kein eindeutiges Bekenntnis der Bundesregierung zu einer Finanztransaktionssteuer. Das hat erst wieder die Bundestagesdebatte am 9. Juni gezeigt. Ganz anders zum Beispiel die Franzosen, wo sich die Partei von Sarkozy eindeutig bekannt und sich einem Antrag der Sozialisten in der EU angeschlossen hat.

Wir wollen das also ändern. Wir wollen, dass etwas passiert, dass endlich ein Schritt in diese Richtung getan wird und endlich wirklich die zur Kasse gebeten werden, die diese Krise verursacht haben, und nicht nur der Steuerzahler. Deswegen bitte ich um Zustimmung.

(Beifall bei der SPD – Arne Schimmer, NPD, steht am Mikrofon.)

Vielen Dank, Herr Pecher. – Moment; Herr Schimmer, bitte.

Danke, Herr Präsident! – Ich würde gern vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen, weil ich mich schon sehr gewundert habe, dass ausgerechnet der Herr Pecher eben die Schadensbilanz der Regierung Schröder aufgelistet hat; denn es ist doch ganz klar, dass der Spekulation in keinem Zeitraum der Geschichte der Bundesrepublik so Tür und Tor geöffnet wurde wie in der Zeit unter der Regierung Schröder/Eichel.

Ich darf nur an zwei ganz entscheidende Schritte erinnern: erst einmal die Zulassung von Hedgefonds im Jahr 2003 und auch das im Jahr 2003 auf Bundesebene erlassene Gesetz zur sogenannten Verbesserung der Unternehmensfinanzierung. Es ging damals aber nur darum, die Verbriefungszweckgesellschaften gewerbesteuerrechtlich den Banken gleichzustellen, und damit wurde diesen Conduits, wie beispielsweise Ormond Quay, erst die Möglichkeit gegeben, profitabel zu arbeiten. Das geschah eben unter der Verantwortung des SPD-Finanzministers Eichel.