Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

barten CO2-Reduktionsziele einhalten und wie wir die Frage der Kostenexplosion beim Strom verhindern können. Das sind die eigentlichen Themen, die jetzt diskutiert werden müssen. Aber genau darum geht es in Ihrem Antrag nicht.

Trotz der sofortigen Abschaltung von etwa 8 000 Megawatt Leistung fordern Sie, dass kein Kraftwerk weiter als Kaltreservesicherheit zur Verfügung steht. Wie wollen Sie denn die Versorgungssicherheit gewährleisten? Wie wollen Sie denn garantieren, dass zu jeder Zeit ausreichend Strom zur Verfügung steht? Bereits vor gut vier Wochen haben die Betreiber der Übertragungsnetze Alarm geschlagen. Besonders mit dem Blick auf das Winterhalbjahr sehen sie die Systemstabilität in Gefahr. Wie ist Ihre Antwort darauf?

Aber anstatt sich ernsthaft Gedanken zu machen, wie unter den gegebenen Umständen richtige energiepolitische Ziele wie diese Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit erreicht werden, geben Sie mit der Forderung nach einem noch schnelleren Ausstieg noch eins oben drauf.

Wir hatten heute Morgen die Diskussion über die Forderung, tatsächlich Forschung und Lehre im Bereich der Kernenergie entgegen anderen Forschungsbereichen nicht weiter aus Landesmitteln zu finanzieren. Wir haben hier in Sachsen eine international renommierte Forschung und Lehre. Auch heute Morgen ist mein Kollege Prof. Schmalfuß intensiv darauf eingegangen. Ich muss Sie aber noch einmal fragen: Wo wollen Sie denn in Zukunft die Experten ausbilden, um zumindest den internationalen Blick zu ermöglichen? – Es mag ja in Ihrem Sinne sein, die fachliche Bewertung künftig allein den grünen Medienunternehmen von Greenpeace zu überlassen. Ich bin jedoch der Ansicht, dass wir uns die Expertise nicht nehmen lassen sollten und auch in Zukunft selbst Kernenergieexperten brauchen, auch nach dem vereinbarten übereilten Ausstieg.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich kann nur noch einmal wiederholen: Ihr Antrag geht am eigentlichen Thema vorbei. Atomausstieg richtig machen heißt nicht, Denkverbote aufzuerlegen, alles zu verteufeln und schnellstmöglich auszusteigen von all dem, wo Kernenergie drauf steht, und abzuschalten. Atomausstieg richtig machen heißt, atompolitische Ziele auch unter veränderten Rahmenbedingungen zu verfolgen, ein Höchstmaß an Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das ist das eigentliche Thema, um den Rahmen für bezahlbaren Strom zu schaffen. Atomenergie richtig machen geht also anders. Die Konsequenzen für Sachsen hingegen sind klar: ideologisch motivierten, quietschgrünen Aktionismus, Wohlfühlaktionismus abzulehnen, und das machen wir mit Ihrem Antrag auch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Dr. Monika Runge, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Frau Dr. Runge, Sie möchten garantiert eine Kurzintervention starten.

Richtig.

Dazu haben Sie Gelegenheit.

Und zwar zur Frage des Themas „Kaltreserve vorhalten“. Das war, wie gesagt, der einzige konstruktive Vorschlag der Bundes-FDP zum Atomausstieg, allerdings eine Kaltreserve eines AKW vorzuhalten. Wie gesagt, wurde dieser Vorschlag heute in der Stellungnahme des Bundesrates ad acta gelegt und kassiert – zu Recht, weil es weder technisch möglich ist, noch haben Sie irgendeinen Vorschlag gemacht, wer dann die beim AKW-Betreiber anfallenden Kosten übernimmt. Vielleicht die FDP? Drittens wurde in der Stellungnahme klar gesagt, dass diese Kaltreserven durch konventionelle Kraftwerke vorgehalten werden können und müssen.

Frau Jonas, möchten Sie auf die Kurzintervention antworten? – Das ist nicht der Fall. – Damit kommen wir zum abschließenden Redner in der ersten Runde. Herr Delle für die NPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der bevorstehenden morgigen Bundestagsdebatte ist dieser Antrag durchaus berechtigt und findet, wenn auch nicht vollinhaltlich, so doch in einigen Punkten unsere Zustimmung. Eine Zustimmung zu der Abschaltung der sieben ältesten AKW plus Krümmel ist das Mindeste, was geboten ist.

Zu Punkt I.2 möchte ich für die NPD-Fraktion feststellen, dass der seitens der Bundesregierung vorgesehene Ausstiegsplan mit der Obergrenze der abzuschaltenden AKWs in den jeweiligen Zeitabschnitten flexibler zu gestalten ist. Die Formulierung im Antrag der GRÜNEN ist vielleicht auch etwas unkonkret. Doch ist klar, dass gerade angesichts einer besonderen Entwicklungsdynamik im Bereich der sogenannten erneuerbaren Energien das Ausstiegsszenario nach heutigem Ermessen als Mindestanforderung zu gelten hat und darüber hinaus ein viel flexiblerer Korridor offenzuhalten ist.

Nicht zuletzt wird im Antrag die Endlagerproblematik genannt, weshalb schon allein aus Gründen des Atomgiftmülls ein ambitionierteres Prozedere offengehalten werden sollte.

Die Anpassung von AKWs an den neuesten Stand von Wissenschaft und Technik sowie Risikopotenzialen ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Deutlich hinzuzufügen wäre, dass die Betreiber hierbei nicht subventioniert werden. Dadurch wie auch durch die Beteiligung an der Sanierung von Atomlagern ließen sich vielleicht für den Verbraucher die wahren Kosten des Atomstroms spürbar transparenter darstellen.

Wir stimmen auch durchaus zu, die weitere Nutzung der Kernenergie aus dem Energieprogramm Sachsens zu streichen, fordern jedoch darüber hinaus die Staatsregierung auf, endlich einen Entwurf einen neues Energieprogramms zur Diskussion zu stellen. Es kann doch nicht sein, dass, obwohl der Energiesektor einer der dynamischsten Bereiche überhaupt ist, Sachsens Energieprogramm aus dem Jahre 2004 stammt. In diesem Hause, meine Damen und Herren, wird geradezu inflationär von Innovation gesprochen, doch man bringt es nicht zustande, dort, wo das wohl größte Innovationspotenzial steckt, ein aktuelles politisches Programm zu formulieren. Das ist nicht innovativ, das ist antiquarisch.

Auf zwei Aspekte, die unter Punkt II angesprochen werden, möchte ich ebenfalls noch kurz eingehen.

Die Forderung, sich gegen den AKW-Betrieb bzw. -Neubau in Polen und Tschechien einzusetzen, findet unsere volle Zustimmung. Jedoch das Ansinnen, die Forschungsfinanzierung komplett auf null zu stellen, lehnen wir im Sinne einer technologieoffenen Forschung und Lehre ab.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Steht doch gar nicht im Antrag, müssen Sie nicht fordern!)

Ohne Zweifel hat aber der Schwerpunkt, vor allem auch finanziell, im Bereich von erneuerbaren Energien, Netz- und Speichertechnologien zu liegen.

Zuletzt möchte ich noch kurz zum Export von Uranoxid im Zuge der Wismut-Sanierung zu sprechen kommen. Der Standpunkt der Antragsteller, aus dem nuklearen Kreislauf auszusteigen, greift zu kurz. Fest steht, dass trotz eines schrittweisen Atomausstiegs zeitweise Uranabbau erfolgt – mit allen verheerenden Folgen, die hinreichend bekannt sein dürften. Die Frage ist doch, ob es nicht besser ist, das im Zuge von Sanierungsmaßnahmen anfallende Uranoxid einer Verwertung zukommen zu lassen, als alternativ praktisch auf indirektem Wege zu einem zusätzlichen regulären Uranabbau beizutragen.

Alles in allem werden wir uns bei dem vorliegenden Antrag enthalten.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Nach dem Abschluss der ersten Runde rufe ich eine zweite Runde der allgemeinen Aussprache auf. Mir liegen keine Wortmeldungen vor – doch eine. Herr Lichdi, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte die mir verbliebene Redezeit gern dazu nutzen, um auf die Anfragen, die von Kollegin Runge und Kollegen Jurk gestellt worden sind, zu antworten. Sie haben jetzt gemerkt, dass unsere Formulierung in Punkt 2.2 mit dem kontinuierlicheren und schnelleren Ausstieg kein genaues Datum nennt. Ich verrate Ihnen jetzt kein Geheimnis, dass der Antrag natürlich vor der Entscheidung der Bundesdelegiertenkonferenz geschrie

ben wurde. Aber die Insinuation oder der Verdacht oder die Vermutung, die Sie damit verknüpft haben, dass wir dort uneinig wären, also die Debatte Sachsen usw., trifft einfach nicht zu.

Ich sage Ihnen auch gern frei heraus, ich habe am letzten Samstag gegen diesen Beschluss gestimmt und ich würde morgen – weil Sie danach auch gefragt haben – mit Nein stimmen. Das sage ich Ihnen auch. Nach meiner Kenntnis wird es aber so sein, dass es drei, vier Neinstimmen und wenige Enthaltungen geben wird und die Bundestagsfraktion sonst zustimmen wird. Worauf ich Sie hinweisen wollte, ist schlicht und ergreifend – weil das auch in den Medien überhaupt nicht so widergespiegelt wurde –, was wir überhaupt am Samstag auf der Bundesdelegiertenkonferenz beschlossen haben.

Dazu will ich Ihnen einfach einmal ein Zitat vorlesen. Zitat unseres Beschlusses: „Wir wissen, der Atomausstieg ist bis 2017 seriös umsetzbar. Wir werden daher die Bundestagswahl 2013 zu einer Abstimmung über eine beschleunigte Energiewende machen. Im Falle einer grünen Regierungsbeteiligung werden wir die Rahmenbedingungen so ändern, dass das letzte AKW noch deutlich vor 2022 abgeschaltet wird.“

Das heißt, die Mehrheit der Partei in der Bundestagsfraktion hat sich dafür entschieden, Merkel zuzustimmen, ganz klar, um diesen gesellschaftlichen Konsens zu befestigen. Wir haben uns aber ausdrücklich offen gelassen, an der Sicherheitsfrage und an anderen Fragen für einen schnelleren Ausstieg zu kämpfen, und Sie können Gift darauf nehmen, dass wir das auch tun werden.

Sie haben die Frage angeschnitten: Majak, wo soll es lagern? Ich erinnere einfach an Ihre Regierungszeit 2005. Dort habe ich die Staatsregierung gefragt – ich glaube, da waren Sie sogar auch Wirtschaftsminister, ich glaube, die Kollegin Stange war zuständig, oder war es noch die Kollegin Ludwig, ich weiß es nicht –; sie hat mir geantwortet: Das bleibt bis 2035 in Ahaus, bis es in ein deutsches Endlager verbracht wird. Das war die damalige Kommunikation und so lange hat der Freistaat Sachsen dort auch gemietet. Dann wurde im Nachhinein an der Öffentlichkeit vorbei –

Herr Lichdi, ich bitte Sie zum Schluss zu kommen.

Ich komme zum Schluss.

gesagt, wir schaffen es jetzt nach Russland. Aus meiner Sicht müssen wir wirklich in eine konsequente Endlagersuche einsteigen und dann kann auch der sächsische Dreck dorthin.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Monika Runge, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wünscht in der zweiten Runde noch ein Abgeordneter das Wort? – Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen für eine dritte Runde liegen mir

nicht vor. Herr Lichdi, Sie haben auch keine Redezeit mehr. Dann würde ich die Staatsregierung fragen. Möchte die Staatsregierung sprechen? – Herr Staatsminister Morlok, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Lichdi! Sie haben in Ihrem ersten Redebeitrag die allgemeine Debatte um den Atomausstieg geführt und ich möchte Ihnen seitens der Staatsregierung unsere Position dazu deutlich machen. Der Ministerpräsident hat im letzten Plenum vor ungefähr vier Wochen im Rahmen einer Regierungserklärung die Position der Staatsregierung zum Thema Energiepolitik insgesamt deutlich gemacht.

Ich möchte heute hier wiederholen, für uns ist doch eines klar: Die Debatte, wie wir sie in Deutschland momentan führen, zeigt, dass der Atomausstieg gesellschaftlich gewünscht ist. Die Staatsregierung hier im Freistaat Sachsen stellt diesen Atomausstieg auch nicht infrage. Wir haben allerdings in unserer Positionierung hinsichtlich des Weges dorthin immer darauf aufmerksam gemacht, dass wir uns bei den Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Atomausstieg von drei Fragestellungen leiten lassen werden. Das ist zum Ersten die Versorgungssicherheit, zum Zweiten die Umweltverträglichkeit und zum Dritten die Bezahlbarkeit.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind in dieser Position, die wir als Staatsregierung vertreten, anlässlich des Besuchs des EU-Kommissars Oettinger von ihm ausdrücklich bestätigt worden. Er hat uns für diese Position, wie wir sie vertreten, ausdrücklich gelobt.

(Beifall bei der FDP)

Schaut man nun den uns hier vorliegenden Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an, dann können wir feststellen, dass sie sehr wohl dem Thema Versorgungssicherheit im Zusammenhang mit dem Atomausstieg eine wichtige Bedeutung beimessen, allerdings – und das vermissen wir – kommt das Thema Umweltverträglichkeit im Zusammenhang mit ihren Vorstellungen zum Atomausstieg überhaupt nicht mehr vor, und das bei einem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Das zeigt, wie ideologisch verblendet die Umweltpartei, die GRÜNEN, diese Debatte hier führt.

(Zuruf des Abg. Michael Weichert, GRÜNE – Beifall bei der FDP und der CDU – Antje Hermenau, GRÜNE: Oh, diese Schmerzen!)

Das Thema Bezahlbarkeit, sehr geehrte Damen und Herren, ist für uns eine wichtige Frage. Hier geht es nämlich darum, was unsere Bürgerinnen und Bürger, unsere Haushalte, die privaten Verbraucher tagtäglich für den Strom bezahlen müssen. Die Position der Staatsregierung ist ganz klar: Strom darf kein Luxusgut werden!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das gilt genauso für die Unternehmen im Freistaat Sachsen. Wir haben erfreuliche Entwicklungen in der sächsischen Wirtschaft. Wir haben erfreuliche Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, diese Entwicklungen werden geprägt von den erfolgreichen Unternehmen gerade auch in der Industrie im Freistaat Sachsen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir als Freistaat Sachsen werden darauf achten, dass dieser Standort nicht durch überhöhte Energiepreise im weltweiten Wettbewerb geschwächt wird.