Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

Gestatten Sie eine Nachfrage?

Ja, gern.

Bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer! Ist Ihnen bekannt, dass Herr Prof. Antonio Hurtado von der TU Dresden, auf den Sie und die CDU insgesamt sich hier beziehen, an einem „inhärent sicheren Kugelhaufenreaktor“ in Polen forscht und dass die entsprechende Technologie in Deutschland überhaupt nicht vorhanden ist? Angesichts dessen stellt sich mir die Frage, die zu beantworten ich Sie bitte, inwieweit die Forschung, die Herr Hurtado betreibt, für die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke wichtig sein kann.

Herr Prof. Hurtado betreibt sicherlich nicht Forschung für ein einzelnes Land, sondern er ist, wie ich schon sagte, im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit für die weltweite Entwicklung von wissenschaftlichen Standards verantwortlich. Ich halte das, was in Dresden–Rossendorf, an der TU, aber auch in Zittau, wo ich herkomme, geleistet wird, für herausragend.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Von daher, Herr Lichdi, ist Ihre Bemerkung völlig unverständlich.

Gerade als Folge der sogenannten Energiewende ist es notwendig, Forschungsarbeit zu betreiben. Die Kernkraftwerke werden nicht deshalb von heute auf morgen sicherer, weil ich sie abschalte. Im Gegenteil, wir werden ganz andere Fragen beantworten müssen, zum Beispiel: Wie halte ich die Betriebsmannschaft eines Kernkraftwerkes auf dem Stand von Wissenschaft und Technik,

wenn das Kraftwerk sich zum überwiegenden Teil im Nicht-Leistungsbetrieb befindet?

(Karl Nolle, SPD: Was hat das mit Gedankenfreiheit zu tun?)

Oder: Was passiert mit Kraftwerken, die sich in der „kalten Reserve“ befinden?

Das sind Fragen, die bisher gar nicht zu stellen waren, die jetzt aber durch unsere Forschung beantwortet werden müssen.

Aus diesem Grunde ist es aus meiner Sicht auch so, dass es weiterhin ein öffentliches Interesse an der Kernsicherheitsforschung gibt. Der Verweis von Herrn Dr. Gerstenberg auf die Möglichkeit privater Drittmittelforschung ist an dieser Stelle völlig fehl am Platz, weil wir ein öffentliches Interesse haben und deswegen diese Forschung auch weiterhin mit öffentlichem Geld unterstützt werden muss.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir werden in diesem Bereich auch in Zukunft Fachkräfte brauchen, die hier in Deutschland ausgebildet werden. Deswegen ist es völlig kurzsichtig und auch ein Zeichen von Unwissen, dass hier einer fordert, dass wir plötzlich die Lehrstühle zur Kernforschung abschaffen sollten.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ich stelle auch fest, dass wir nach Fukushima in Deutschland einen allgemeinen Aktionismus erleben, der sich auf ein paar Worte reduzieren lässt, nämlich: Alles, wo Atom drin ist, ist schlecht und muss weg!

(Zuruf des Abg. Thomas Kind, DIE LINKE)

Das ist aus meiner Sicht völlig zu kurz gedacht und auch ein Beweis dafür, dass wir doch eine Dagegen-Partei in Deutschland und auch hier in diesem Parlament in Form der GRÜNEN haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der Raum der Wissenschaft benötigt Freiheit in Forschung und Lehre, um seine kreativen Potenziale voll entfalten zu können. Wir als CDU-Fraktion werden uns auch weiter dagegen wenden, wenn einzelne Wissenschaftsdisziplinen gegen andere ausgespielt werden, nur um eine ideologische Stimmung zu befriedigen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Kollegen Prof. Schneider und Aline Fiedler werden dann noch etwas intensiver auf die Vielschichtigkeit eingehen.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Mir bleibt an dieser Stelle zu sagen: Die Gedanken sind frei.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Fraktion der CDU sprach Herr Kollege Meyer. Für die miteinbringende Fraktion der FDP spricht Herr Kollege Prof. Schmalfuß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Hier!)

ja, noch sind Sie hier! –

(Beifall bei der FDP – Lachen bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

hat eine neue Zielscheibe gefunden. Diesmal sind es die Lehrstühle an der Technischen Universität Dresden und an der Fachhochschule Görlitz/Zittau. Das zeigt wieder – und es ist bezeichnend für Sie, dass Sie ein ganz ernstes Thema heute Vormittag schon wieder auf die leichte Schulter nehmen – Ihre wissenschaftsfeindliche Weltsicht.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lachen bei den GRÜNEN)

Stellvertretend für alle Kernforschungs-

(Prof. Dr. Andreas Schmalfuß, FDP, stockt. – Antje Hermenau, GRÜNE: Na, was denn?)

professoren und -mitarbeiter möchte ich gern Prof. Hurtado, Direktor des Instituts für Energietechnik, Inhaber der Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik, nennen.

Die Zielscheibe ist diesmal die Wissenschaft, aber das kennen wir ja von den GRÜNEN. Sie sind gegen Brücken, sie sind gegen Bahnhöfe, sie sind gegen Hochspannungsleitungen, sie sind gegen Autobahnprojekte.

(Zuruf des Abg. Thomas Kind, DIE LINKE)

Es war in der Vergangenheit schon immer bekannt, dass Sie gegen Infrastrukturprojekte sind. Das widerspricht dem, was Sie wie auch schon in der letzten Legislaturperiode wie eine Monstranz vor sich her tragen, dass Sie nämlich Hüter der Wissenschaftsfreiheit, der Forschungsfreiheit seien. Mit der Pressemitteilung von Kollegen Dr. Gerstenberg, der die öffentliche Finanzierung für diese Lehrstühle infrage stellt, zeigen Sie, was Sie eigentlich wollen: Sie wollen keine Wissenschaftsfreiheit im Freistaat Sachsen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Prof. Schmalfuß?

Ja, selbstverständlich.

Bitte, Frau Dr. Runge.

Danke schön, Herr Präsident. – Verehrter Herr Kollege Schmalfuß, wäre es Ihnen möglich, zwischen Sicherheitsforschung und Forschung zu einem neuartigen Reaktortyp zu differenzieren?

Ja, das kann ich sehr gern tun. Sie scheinen ja Expertin auf diesem Gebiet zu sein. Das Forschungszentrum Rossendorf, dort stellvertretend Prof. Weiß, beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Konzeption von neuen Kernreaktoren. Man kann im Freistaat Sachsen oder in Deutschland nicht so tun, dass wir, wenn wir den Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Kernreaktoren beschlossen haben, aber wenn wir in einer Entfernung von 200 oder 300 Kilometern einen Zirkel um Dresden ziehen, plötzlich feststellen, dass dort über 100 Kernreaktoren weiter in Betrieb und viele neue geplant sind – – Auf einem der Gebiete, auf denen Sachsen spitze ist, nämlich in der Reaktorsicherheitsforschung, in der Konzeption neuer Kernreaktoren, sollten wir doch nicht aussteigen, sondern sächsisches Knowhow zur Verfügung stellen, um die Kernreaktoren, die nicht in Sachsen, die nicht in Deutschland stehen, sicherer zu machen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das Zweite – ich bin immer noch bei der Beantwortung der Zwischenfrage – ist die Strahlenschutzforschung. Die haben Sie völlig ausgeblendet. Wenn Sie sich neuartige medizinische Anwendungen anschauen, beispielsweise am Deutschen Krebsforschungszentrum in Dresden, stellen Sie fest, dass wir hier eine der wenigen wirklich herausragenden Forschungssäulen im medizinischen Bereich im Freistaat Sachsen haben. Hier werden die neuartigen Bestrahlungsmöglichkeiten erforscht: Protonenbestrahlung, Ionenbestrahlung, aber auch herkömmliche Bestrahlung. Wollen wir das alles infrage stellen? Wollen Sie so weit gehen, dass der erst kürzlich eingeweihte Kernforschungsreaktor an der Technischen Universität in Dresden abgeschaltet werden soll? Wer soll dann die Sicherheitsüberprüfungen durchführen? Also, das scheint mir alles einem grünen Zeitgeist geopfert zu sein. Dass Sie da mitmachen, wundert mich nicht.

Ich denke, dass wir das Gut der Wissenschaftsfreiheit hochhalten sollten. Für das, was ich skizziert habe – ich bin immer noch bei der Beantwortung der Zwischenfrage –, dass sie gegen die Infrastrukturprojekte in Deutschland sind, sind die GRÜNEN bekannt.