Meine Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat namentliche Abstimmung beantragt. Also werden wir so verfahren. Ich übergebe an Frau Roth, die Sie namentlich aufrufen wird.
Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Drucksache 5/4894 bekanntgeben. Für den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben 46 Abgeordnete votiert, gegen den Antrag 64, das heißt mit Nein gestimmt. Enthaltungen gab es keine. Insgesamt 110 Abgeordnete haben an der namentlichen Abstimmung teilgenommen. Damit ist die Drucksache 5/4894 nicht beschlossen, und der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: NPD, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, Staatsregierung, wenn ge
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ein klein wenig ausholen. Die atomare Katastrophe in Fukushima, die am 11. März 2011 durch ein Erdbeben auf dem Meeresboden an der Ostküste der japanischen Hauptinsel Honshu in Verbindung mit dem daraufhin erfolgenden Tsunami ausbrach, machte nicht nur aus der Glücksinsel, so die japanische Übersetzung für Fukushima, einen Ort riesigen Unglücks, sie löste auch weltweit eine Debatte über die Neuausrichtung bzw. Abschaltung der Energiegewinnung durch Atom aus.
Das Epizentrum dieser Debatte lag allerdings nicht in Japan, sondern in Deutschland, in einem Land, in dem nicht nur die Kombination zwischen einem Erdbeben der Größe 9,0 auf der Richterskala sowie einem darauffolgenden Tsunami äußerst gering ist, sondern wo auch die Atomreaktoren deutlich modernere Sicherheitsstandards aufweisen.
Die öffentliche Meinung nahm Fukushima allerdings als Menetekel eines potenziell möglichen GAUs mit all seinen Folgen. In der daraufhin erfolgten Debatte stimmte die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung eindeutig für einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie. Auch an der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien CDU und FDP ging dieses Signal nicht spurlos vorüber.
Es wäre billig, sich heute ironisch mit diesem Gesinnungswechsel auseinanderzusetzen. Fakt ist: Die Bundeskanzlerin hat die deutsche Bevölkerung auf einen Atomausstieg im Jahre 2022 eingeschworen, und die Parteien des Bundestages haben ihr ja heute auch die Zustimmung erteilt.
So begrüßenswert dies zunächst sein mag – auch meine Partei, die NPD, stimmt diesem parteiübergreifenden Konsens weitestgehend zu –, bleibt doch festzustellen, dass die Strom erzeugenden Atomkraftwerke in der Bundesrepublik eben nicht die einzigen atomaren Gefahrenquellen sind.
Direkt an unseren Grenzen – sowohl im Osten als auch in noch stärkerer Weise im Westen – haben unsere Nachbarn Atomkraftwerke errichtet, die technisch erheblich größere Unsicherheitsfaktoren aufweisen als die meisten der bei uns jetzt abzuschaltenden Atommeiler. Vor allem Frankreich, das weiterhin auf die Kernkraft schwört – das zeigt schon das Angebot von Präsident Nicolas Sarkozy, den Deutschen demnächst gerne französischen Atomstrom zu liefern –, schaut mit zunehmender Besorgnis auf die Bundesrepublik; denn auch Frankreich braucht regelmäßig deutschen Strom, zum Beispiel bei großer Kälte, wenn die französischen Elektroheizungen auf vollen Touren laufen, oder während der Sommerhitze, wenn Kühlwasser für die vielen Kernkraftwerke entlang der deutschfranzösischen Grenze nachgefragt wird.
Es soll aber heute nicht darum gehen, dass die europäischen Stromnetze in Zukunft durch die deutsche Politik der erneuerbaren Energien großen Schwankungen ausge
Viel entscheidender ist, dass sich in Deutschland immer noch US-amerikanische Atombomben befinden, die sich jeglicher Kontrolle durch die Bundesregierung entziehen. Während für den verantwortungsbewussten Atomausstieg mehr als eine Dekade zu veranschlagen ist, kann und sollte diese atomare Gefahrenquelle möglichst zügig entsorgt werden.
Der Dringlichkeit dieses Problems waren sich wohl auch die Vertreter von CDU und FDP bewusst, als sie im Herbst 2009 ihren 120 Seiten starken Koalitionsvertrag formulierten und dort im Kapitel „Wertegebundene und interessengeleitete Außenpolitik“ auf Seite 112 beschlossen – ich zitiere –: „Wir werden uns dafür einsetzen, den Abschluss neuer Abrüstungs- und Rüstungskontrollabkommen international zu unterstützen. Die Überprüfungskonferenz zum Nuklearwaffensperrvertrag im Jahre 2010 wollen wir dafür nutzen, um eine neue Dynamik für vertrauensbasierte Regelungen in Kraft zu setzen. In diesem Zusammenhang, so im Zuge der Ausarbeitung eines strategischen Konzepts der NATO, werden wir uns im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten dafür einsetzen, dass die in Deutschland verbliebenen Atomwaffen abgezogen werden.“
Diese Absichtserklärung musste man zunächst durchaus als mutigen Schritt der zukünftigen Bundesregierung betrachten; mutig schon deswegen, weil die amerikanischen Besatzungstruppen – denn als solche verstehen sich diese selbst heute noch – bisher zu keinerlei Konzession an die deutsche Politik bereit waren.
Das beste Beispiel dafür war der Auftritt des frisch gekürten grünen Bundesaußenministers Joschka Fischer bei seiner amerikanischen Amtskollegin Madeleine Albright in Washington, bei dem er eine Stunde vor seinem Besuch auf einer Pressekonferenz noch lauthals verkündete, er würde mit der Forderung aufwarten, die NATO möge von der atomaren First Strike Option, also dem nuklearen Erstschlag, Abstand nehmen. Als er zwei Stunden später wieder vor die Presse trat, musste er zusammengestaucht einräumen, er habe die Notwendigkeit dieser atomaren Drohung durch die westliche Wertegemeinschaft einsehen müssen.
Da überraschte es zunächst nicht, als man 2010 während und nach der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag von der Bundesregierung wenig über die Ergebnisse ihres Einsatzes zum Abzug der amerikanischen Atombomben von deutschem Boden hörte. Stattdessen scheinen die Amerikaner auch dieser Bundesregierung unmissverständlich klargemacht zu haben, dass über den Abzug oder den Umzug amerikanischer Atomwaffen aus Mitteleuropa nicht die Bundesregierung oder andere europäische Nationen zu entscheiden haben, sondern allein und lediglich das Pentagon.
Dies fiel der US-Administration wohl auch deswegen nicht allzu schwer, da der vielerorts glücklos, desinformiert und desorientiert wirkende FDP-Außenminister Guido Westerwelle auch im Inland einer monatelangen Kampagne ausgesetzt war, die ihn schließlich den Parteivorsitz, den Sessel des Vizekanzlers und seine restliche Reputation kostete.
Angesichts der amerikanischen Ankündigung, in Europa allerdings neue Atomwaffen stationieren zu wollen – und die Regierenden in Polen scheinen geradezu danach zu gieren –, scheint es der NPD jedoch unverzichtbar, einen erneuten Anlauf zu unternehmen, um jetzt endlich das letzte Kapitel des Kalten Krieges auf deutschem Boden zu beenden und die verbliebenen amerikanischen Atomwaffen entweder zu verschrotten oder – wenn dies nicht möglich ist – zumindest so schnell wie möglich auf amerikanische Heimatbasen zurückverlegen zu lassen.
Atomfrei ist eine Zone oder ein Land nur dann, wenn sie bzw. es auch atomwaffenfrei ist. Da alle Parteien übereinstimmend den Ausstieg aus der Atomenergie befürworten, kann man sich eigentlich kaum vorstellen, dass es jetzt Gründe gibt, diesen unseren Antrag abzulehnen.
Ich bitte Sie daher im Interesse des Gemeinwohls, diesem unserem Antrag zuzustimmen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der NPD-Fraktion verkennt Ursache und Wirkung. Es geht nicht um Fragen der Energiepolitik, sondern ausschließlich um Fragen der Sicherheitspolitik. Der Hinweis auf den Kalten Krieg macht dies deutlich.
Auch hat die NPD-Fraktion, hat Herr Müller alte Ressentiments bedient. Die Stationierung von Atomwaffen auf europäischem und auf deutschem Boden, meine Damen und Herren, war ein Produkt des Kalten Krieges. Aber nicht mit dem von der NPD geforderten Abzug von Atomwaffen geht der Kalte Krieg zu Ende; nein, er ist vor über 20 Jahren zu Ende gegangen, und zwar auch im Zuge der friedlichen Revolution, die hier auf dem Boden des Freistaates Sachsen ihren Ausgang genommen hat. Daran will ich erinnern und dafür bin ich dankbar.
Das Ende des Kalten Krieges, meine Damen und Herren, konnte nur gelingen, weil Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre Helmut Schmidt gerade auch mithilfe der Union den damaligen NATO-Doppelbeschluss durchgesetzt hat. Auch dafür bin ich zutiefst dankbar.
Meine Damen und Herren, das sind die entscheidenden historischen Stationen, die die Stationierung von Kernwaffen erklären. Seit 1989 ist das Potenzial von Kernwaffen massiv abgerüstet worden – immerhin, auch wenn heute noch Nuklearwaffen existieren. Deren Existenz – so
schlimm dies auch sein mag – liegt im Sicherheitskonzept für Europa begründet, und zwar so lange, wie es überhaupt noch solche Waffen gibt.
Unser gemeinsames Ziel – um nicht missverstanden zu werden, meine Damen und Herren – liegt darin, die Existenz von Kernwaffen so weit wie möglich und so schnell wie möglich zu vermindern. Aber dies geht nicht allein, sondern ausschließlich im Rahmen eines abgestimmten Sicherheitskonzeptes der NATO und unserer Partner, in deren Rahmen wir uns bewegen. Alleingänge auf diesem international im Konsens zu bewältigenden Feld verbieten sich hier.
Lassen Sie mich daran erinnern, dass wir Deutschen aus guten Gründen auf eigene Kernwaffen verzichtet haben und verzichten. Aber so gut dies ist, so muss man zugleich auch sagen: Wir haben von der NATO-Strategie profitiert, insbesondere während der Zeit des Kalten Krieges.
Meine Damen und Herren! Die Verminderung des Kernwaffenbestandes geht nur international im Konsens und abgestimmt mit den Partnern. Dazu sind erste Schritte getan. Auf die Prager Rede des amerikanischen Präsidenten weise ich hin, ebenso auf die Bemühungen der deutschen Bundesregierung. Die Beseitigung von Kernwaffen geht nicht allein, sondern Alleingänge verbieten sich hier.
Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen in der ersten Runde von den Fraktionen? – Mir ist niemand weiter gemeldet; ich kann es nicht erkennen. Mir liegt noch eine Wortmeldung in der zweiten Runde von der NPD-Fraktion vor. Herr Apfel, bitte.