Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Es ist jedenfalls so, dass wir nicht nur Naturflächen schützen sollten, sondern auch das Ackerland, das eine sehr wertvolle Ressource ist. Man muss sich schon fragen, ob bei Ausgleichsmaßnahmen nicht auch viele andere Alternativen möglich sind. Darauf möchte ich mich konzentrieren. Ich werde also meine Rede etwas einkürzen und mich auf Alternativen von Ausgleichsmaßnahmen konzentrieren, die man an dieser Stelle anführen kann.

Wir sind so weit gekommen, dass das Ackerland einen besseren Schutz braucht. Deswegen kommt der Antrag der Koalitionsfraktionen. Es ist eben nicht so, wie viele denken, dass das Land minderwertig und problemlos verfügbar ist. Das ist ein Irrglaube. Mittlerweile sind auch die GRÜNEN der Auffassung, dass Ausgleichsmaßnahmen für Verkehrswege oder für Windkraftanlagen, für Strommasten oder Speicherbecken nicht zulasten des Ackerlandes gehen sollen.

So hat zum Beispiel Carola Behm aus dem Deutschen Bundestag am 15. August 2011 im Deutschlandradio Kultur gesagt – ich zitiere –: „Es ist wichtig, dass eine Flächeninanspruchnahme durch Baumaßnahmen jedweder Art, auch durch Windkraftanlagen, auch im regionalen Umfeld ausgeglichen wird. Daher setzen wir darauf, dass Flächen, die nicht mehr benötigt werden, recycelt werden und dort wieder Grünland- und andere Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden.“

Allerdings sagt das Bundesnaturschutzgesetz nur, dass ein Eingriff ausgeglichen werden muss. Das wird also nicht weiter spezifiziert. Aber wenn wir uns anschauen, wie viele Naturschutzflächen mittlerweile existieren, liegt jetzt das große Problem – das wurde heute auch schon gesagt – in der Pflege dieser Flächen. Deswegen ist es aus meiner Sicht wichtig, gerade produktionsintegrierte Maßnahmen zu unterstützen. Wir sollten uns Gedanken machen, dass auch pflegeintensive Maßnahmen als Ausgleich angesehen werden und nicht immer nur die viel zitierte zusätzliche tausendste Streuobstwiese. Wenn diese Pflegemaßnahmen zu einer Verbesserung des Zustands führen, müssen sie aus meiner Sicht als Ausgleichsmaßnahmen akzeptiert werden.

Angesichts der demografischen Entwicklung in Sachsen und speziell im ländlichen Raum muss auch darüber nachgedacht werden, dass wir die eine oder andere Straße zurückbauen. Ich vertrete durchaus nicht die Ansicht, dass wir nur neue bauen müssen und letztlich ein Straßennetz vorhalten, das auch Unterhaltung erfordert. Da muss man sich schon Gedanken machen, und an vielen Stellen geschieht das mittlerweile auch.

Ich möchte auch auf die vielen Ruinen, die aus der DDRZeit resultieren und sich noch in unserer Landschaft befinden, verweisen. Das sind vielfach auch mit chemischen Altlasten versehene Böden. Deswegen ist es aus meiner Sicht sinnvoll, Maßnahmen zu bündeln und dort einen Ausgleich vorzunehmen, indem man solche Flächen entsiegelt und nicht wertvolles Ackerland umbricht.

Die Flüsse sind an vielen Stellen auch zu entsiegeln, zu renaturieren, weil sie betoniert, versteinert und verbaut sind. Da gibt es auch sehr viel Bedarf als eine weitere Alternative.

Ich denke, es ist auch wichtig, dass auf der Bundesebene Anreize für interkommunale und interregionale Abstimmungen bei Gewerbeansiedlungen geschaffen werden, indem beispielsweise die Grundsteuern auf Altflächen potenziell an die mögliche Nutzung angepasst werden und indem es für die Kommunen einfach wird, Altflächen zu erwerben und dann entsprechende Abschreibungsmöglichkeiten für Sanierungsaufwendungen zu haben.

Ich möchte an dieser Stelle die Sächsische Staatsregierung besonders dahin gehend unterstützen, den Flächen- und Maßnahmenpool im Bereich der Kompensationsflächenkataster voranzubringen und die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung für den Erhalt im Sinne der Biodiversität zielgerichteter zu gestalten. Dazu gibt es auch einen Maßnahmenplan der Staatsregierung, der in die richtige Richtung geht. Ich denke da an die 59 ÖkokontoMaßnahmen, die durch die Sächsische Landsiedlung GmbH verwaltet werden. Das sind mittlerweile über 100 Hektar Fläche und 15 Kompensationsflächen. Es ist aus meiner Sicht sehr sinnvoll, dass man da auch im Sinne einer ökologischen Verzinsung und eines Zuschlags zum Funktionsaufwertungsfaktor für naturschutzfachlich besonders wünschenswerte Maßnahmen bis zu fünf

Wertpunkte vergeben kann und dadurch einen deutlichen Anreiz auch in der Nutzung dieses Ökokontos schafft.

Ich meine aber auch, dass das Ökokonto seine Potenziale noch nicht ausgereizt hat. Hier liegt noch viel Potenzial auch im Hinblick auf ein zentrales Flächenmanagement, das sinnvoll wäre, wobei man wirklich Maßnahmen zusammenführt, bündelt und dann eine größere Entwicklungsmaßnahme auch bei Neubauprojekten im Straßenbereich verwirklichen kann. Ich denke da auch an viele alte militärische Liegenschaften, die belastet sind und die man mit einer größeren Maßnahme im Zuge des Ökokontos endlich anpacken kann.

Sie sehen also, es gibt zahlreiche Alternativen, um notwendige Eingriffe in den Naturhaushalt durch die Flächeninanspruchnahme zu kompensieren, ohne dass wir wertvolle landwirtschaftliche Nutzfläche in Anspruch nehmen müssen.

Wir brauchen aus meiner Sicht aber auch einen größeren Ideenreichtum und mehr Flexibilität, um das anzugehen. Ich weiß auch, dass die sächsischen Landwirte mehrheitlich bereit sind, Flächen für notwendige Straßenbauten zur Verfügung zu stellen und auch Pflegemaßnahmen gegen Entlohnung durchzuführen. Aber die Hauptaufgabe der Landwirte im Freistaat Sachsen ist immer noch die heimische Produktion von wertvollen Lebensmitteln auf guten Böden und dahin gehend müssen wir sie unterstützen. Ich habe viele Maßnahmen angeführt, die als Alternativen gelten können. Deswegen bitte ich um Unterstützung für unseren Antrag, landwirtschaftliche Nutzfläche bei Ausgleichsmaßnahmen weitgehend auszusparen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Meyer. – Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage nun die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Kupfer, bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Wochenende wird in Wurzen das sächsische Landeserntedankfest gefeiert. Wir werden uns in Dankbarkeit an dem erfreuen, was auf den Feldern im Freistaat Sachsen gewachsen ist.

(Beifall der Staatsministerin Christine Clauß)

Um diese Freude richtig genießen zu können, müssen wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass der Boden, auf dem diese Früchte wachsen, endlich ist. Meine Vorredner haben schon viele Zahlen dazu gebracht, wie der Flächenverbrauch in den vergangenen Jahren war. Ich möchte noch eine Zahl hinzufügen: Allein seit dem Jahr 2000 sank die landwirtschaftliche Nutzfläche, die in unserer Agrarförderung erfasst ist, um fast 3 000 Hektar. Das ist, wenn Sie es einmal durch die Tage teilen, fast die Fläche eines ganzen Fußballfeldes, die jeden Tag für

Siedlung, für Verkehr, für Gewerbe, für Industrie und für die Erholung umgewandelt wird. Keine Frage, dass für Siedlung, Verkehr und Erholungszwecke Flächen benötigt werden. Aber es kann und es muss nicht sein, dass immer wieder die Landwirtschaft dafür herhalten muss. Ungefähr drei Viertel dieser Umwandlungen muss allein die Landwirtschaft schultern. Dafür, meine Damen und Herren, sind unsere Böden zu wertvoll.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Abg. Andrea Roth, DIE LINKE, und Michael Weichert, GRÜNE)

Die Staatsregierung hat vor zwei Jahren ein ressortübergreifendes Handlungsprogramm zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme aufgelegt. Eine interministerielle Arbeitsgruppe koordiniert die Umsetzung. Die Strategie dieses Programms ist: Vermeiden, Mobilisieren, Revitalisieren. Also Vermeiden der Inanspruchnahme insbesondere landwirtschaftlicher Flächen, Mobilisieren von Baulücken und Revitalisieren von Brachflächen. Damit soll bis zum Jahr 2020 die tägliche Flächeninanspruchnahme von derzeit circa 5 Hektar auf möglichst unter 2 Hektar gesenkt werden. Ich darf es an dieser Stelle auch noch einmal sagen: Flächeninanspruchnahme heißt nicht automatisch Flächenversiegelung. Unterstützend stehen dafür zahlreiche Fördermöglichkeiten des Innen-, des Wirtschafts- und des Landwirtschaftsministeriums zur Verfügung.

Meine Damen und Herren! Beim Bau auf der grünen Wiese schreibt das Gesetz naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahmen vor. Das will ich auch nicht in Abrede stellen. Aber – und das ist auch eine Wahrheit –, es werden für diese Kompensationsmaßnahmen vorwiegend landwirtschaftliche Nutzflächen verwendet. Die Landwirtschaft muss also oft zweimal herhalten, einmal für die Investition und einmal für die Kompensationsmaßnahmen. Hauptziel muss deshalb ein konsequentes Flächenrecycling sein, das heißt die konsequente Nachnutzung bisher bebauter Flächen. Mit diesem Recycling ist übrigens die Wertstoffwirtschaft in Sachsen schon einen Schritt weiter. Auch meine Intention geht in diese Richtung. So möchte ich erreichen, dass darüber hinaus Brachflächen im Eigentum des Freistaates Sachsen, die nicht mehr für Industrie-, Gewerbe- oder Wohnbebauung verwendet werden, im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen für Bauprojekte des Freistaates Sachsen genutzt werden. Dies betrifft insbesondere die Straßenbauverwaltung, es betrifft aber auch den Hochwasserschutz.

Bereits seit mehreren Jahren müssen in Sachsen vorrangig Entsiegelungsmaßnahmen genutzt werden, um Eingriffe in Natur und Landschaft zu kompensieren. Derzeit prüfen wir im SMUL weitere Möglichkeiten, um diese Regelung zu optimieren. Ziel ist, die landwirtschaftliche Nutzfläche möglichst nicht für Ausgleichsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen.

Auch die Kommunen nehmen wir mit ins Boot. Um Brachen, die sich insbesondere im kommunalen Eigentum befinden, verstärkt der Natur zurückzugeben, sind wir

dabei, die Abrissförderung der Verwaltungsvorschrift Brachflächenrevitalisierung des Innenministeriums und die Nutzung des Ökokontos miteinander zu verzahnen. Diese Verzahnung hilft den Kommunen, zusätzlich zur Sanierung auch ihre Eigenmittel für die Abrissförderung zu erbringen, und hilft damit auch, den Stadtsäckel zu schonen.

Sie wollten wissen, wie weit wir sind, Frau Kagelmann. Wir haben jetzt zwei Pilotprojekte, und zwar in Chemnitz und in Frankenberg. Diese Pilotprojekte werden jetzt begonnen. Wir wollen das im nächsten Jahr abschließen und werden sehen, was das für ein Ergebnis bringt, und wollen es dann – das hat ein Pilotprojekt so an sich – verallgemeinern.

Weitere Hinweise zur Rückführung von baulichen Brachflächen in eine landwirtschaftliche Nutzung erwarte ich von einem derzeit laufenden Projekt unserer Umweltallianz in Sachsen, das „Beton zu Acker“ heißt. Wir wollen dort in Kooperation mit dem Berufsstand weitere Pilotprojekte durchführen, um produktionsintegrierte Maßnahmen, wie blühende Ackerrandstreifen, als Kompensationsmaßnahmen anzurechnen.

Unabhängig davon hat und wird mein Haus sowohl im Vollzug der Eingriffsregelung als auch bei der Novelle des Naturschutzgesetzes die Spielräume ausloten, die die gesetzlichen Regelungen bieten. Dazu gehört das Ausschöpfen von Bonusregelungen ebenso wie die Nutzung der räumlichen Flexibilität für das Finden geeigneter Kompensationsflächen.

Die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme, meine Damen und Herren, insbesondere selbstverständlich der landwirtschaftlichen Nutzfläche, ist eine sehr komplexe Aufgabe. Zahlreiche fachliche, juristische und eigentumsrechtliche Aspekte erschweren manchmal eine schnelle Lösung. Das darf uns aber nicht davon abhalten, uns diesem Thema weiterhin zu stellen. Wir brauchen unseren Ackerboden für unser täglich Brot – und nicht nur wir, meine Damen und Herren. Wir wissen, dass sich die Weltbevölkerung in einem rasenden Tempo entwickelt. Die Weltbevölkerung braucht auch eine Nahrungsgrundlage und diese besteht in unseren Böden.

Meine Damen und Herren! Gemeinsam müssen wir uns daher weiter bemühen und gemeinsam muss es uns auch gelingen, unser wirtschaftliches Wachstum und den wachsenden sozialen Wohlstand von einer zunehmenden Flächeninanspruchnahme abzukoppeln. Das ist eine der wichtigen Aufgaben für die Zukunft. Dieser Aufgabe stellt sich die Staatsregierung und ich freue mich über die Unterstützung aus diesem Hause.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist beendet. Das Schlusswort haben die Fraktionen der

CDU und der FDP. Wer spricht? – Es ist nicht erforderlich.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Ich stelle nun die Drucksache 5/5526 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Wer möchte dagegen stimmen? – Danke sehr. Wer enthält

sich? – Vielen Dank. Bei zahlreichen Stimmenthaltungen ist dem Antrag zugestimmt worden. Damit ist die Drucksache beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Kosten der Unterkunft und Heizung bedarfsgerecht sichern – Keine Pauschalierung der KdU in Sachsen!

Drucksache 5/6304, Antrag der Fraktion DIE LINKE, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen können wie folgt Stellung nehmen: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.

Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Aussprache. Zunächst die Fraktion DIE LINKE. Herr Abg. Stange, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass die zukünftige Ausgestaltung des Rechtsrahmens für die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft für Bedürftige die Gemüter bewegt, dürfte verständlich sein. Sie bewegt aber auch die Wohnungswirtschaft, Stadtplaner, Sozialverbände, die Kirchen usw. Die Evangelische Akademie Hofgeismar lädt für den kommenden Samstag, unterstützt durch die Bundeszentrale für politische Bildung, zu einer Veranstaltung unter der Überschrift „Die kommunale Satzung zur Festlegung von Unterkunftskosten, methodische und inhaltliche Anforderungen“ und leitet in ihrer Einladung folgendermaßen ein:

„Die Novelle des SGB II erlaubt den Ländern, die Kommunen zu ermächtigen, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind. Diese Ermächtigung institutionalisiert eine lang geübte, aber ebenso umstrittene Praxis in den Kommunen. Die Frage nach richtigen oder adäquaten Methoden für die inhaltliche Gestaltung der Satzung, das heißt der richtigen Berechnung, führte in der Vergangenheit zu Kontroversen zwischen Kommunen und Sozialgerichten.

Das methodische Vorgehen der Verwaltungen wurde dabei häufig als unzureichend verworfen. Dies gilt insbesondere für die nun auch im Hinblick auf die nunmehr im § 22a Abs. 2 SGB II verankerte Pauschalierung von KdU. Die Bundesregelung zur Satzungsermächtigung enthält hier kaum konkrete Vorgaben und es ist unwahrscheinlich, dass die Ländergesetzgebung hier substanziell weitergehen wird.“

Weil wir diese Befürchtung im Allgemeinen teilen, weil wir aber vor allem frühzeitig sowohl für die Betroffenen,

aber auch für die Kommunen Rechtssicherheit brauchen, wollen wir, dass der Sächsische Landtag als Gesetzgeber im Freistaat der Staatsregierung Orientierung gibt, wie er sich Rahmenbedingungen für die relevanten Regelungen eines SGB-II-Ausführungsgesetzes in Bezug auf die KdU vorstellt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Staatsministerin Clauß! Leider ist der Herr Staatsminister Beermann wohl schon geflohen. Bei allem Respekt vor Urlaubszeit und Vertretung – –

(Zuruf von der CDU: Im Gegensatz zu uns hat er was zu tun!)