Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Das kann beispielsweise – Herr Wöller hatte das schon einmal angesprochen – über Bildungsverträge oder Bildungsstaatsverträge erfolgen.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Auf welcher Grundlage? – Cornelia Falken, DIE LINKE: Da brauchen wir keine, das machen wir einfach so!)

Auf der Grundlage der gemeinsamen Zusammenarbeit. Das ist unproblematisch. Ich weiß nicht, wo Sie das Problem sehen.

Dies würde einen gemeinsamen Rahmen für die Schulbildung in allen Ländern schaffen, ob bei der Gleichwertigkeit von Abschlüssen, bei qualitativen Leistungsstandards oder auch bei einer vergleichbaren Lehrerausbildung. Die Bundesländer müssen es aber selbst in der Hand halten, über die Qualität ihres Bildungssystems in eigener Verantwortung zu bestimmen.

Wir haben den Anspruch, das sächsische Bildungssystem weiterzuentwickeln und zu stärken. Wir wollen uns nicht von faulen Kompromissen auf Bundesebene vorgeben lassen, was gut für Sachsen ist und was nicht. Wir nehmen unser Schicksal selbst in die Hand.

Wie eine solide Haushaltspolitik mit qualitativ hochwertiger Schulpolitik kombiniert werden kann, zeigt der bisher eingeschlagene Weg im Freistaat Sachsen. Aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nun die NPD-Fraktion. Herr Abg. Gansel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal klingt es vernünftig, in Zeiten knapper Kassen den Bund stärker an den Investitionen für Schulen, Hochschulen und die frühkindliche Bildung zu beteiligen. Dem steht allerdings die momentane Fassung des Artikels 104b des Grundgesetzes entgegen, die gerade einmal vor fünf Jahren im Rahmen der Föderalismuskommission I beschlossen wurde. Durchgesetzt wurde dieses bildungspolitische Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern von der Großen Koalition aus CDU und SPD. Das zeigt die geringe Halbwertszeit von politischen Entscheidungen, insbesondere, wenn man jetzt die SPD hier agieren hört, die so tut, als sei das vor fünf Jahren ohne ihre Beteiligung beschlossen worden.

Es zeigt aber auch, wie unbedacht die Blockparteien das sonst immer so geheiligte Grundgesetz als Knetmasse für schnöde Parteipolitik missbrauchen. Mit der Abschaffung des Kooperationsverbotes soll nun wieder Bewegung in die Bund-Länder-Beziehungen in der Bildungspolitik kommen und eine finanzielle Bundesbeteiligung an übergeordneten Bildungsanliegen ermöglicht werden. Letztlich geht es also um die Frage eines eingeschränkten Bildungsföderalismus. Glaubt man den Meinungsumfragen, dann ist die Mehrheit der Deutschen für einheitlichere Vorgaben zur Bildungspolitik und gegen die Zersplitterung der Bildungslandschaft.

Die Alltagsprobleme mit dem Bildungsföderalismus zeigen sich ja immer wieder bei den Schulwechseln von Kindern in andere Bundesländer und der fehlenden Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen. Wenn die Aufhebung des Kooperationsverbotes hier Erleichterungen mit sich bringen und wirklich zu einer Erhöhung der Bildungsausgaben führen sollte, würde dies die NPD natürlich begrüßen. Eine Erhöhung der Bildungsausgaben ist auch bitter nötig, aber ohne die finanzielle Einbeziehung des Bundes kaum möglich.

Nur ein Beispiel: In der jährlich erscheinenden Sammlung „Bildung auf einen Blick“ werden grundlegende Daten zu den Bildungssystemen der OECD-Länder veröffentlicht. In der Ausgabe 2011 wird beklagt, dass Deutschlands Beitrag zum weltweiten Pool an Talenten rapide schrumpft. Ich zitiere aus eben genannter Studie: „In der älteren Altersgruppe, die jetzt aus dem Erwerbsleben ausscheidet, stellt Deutschland noch 6,3 % des Angebotes an hoch qualifizierten Kräften in den Industrieländern insgesamt. In der jüngeren Altersgruppe (25- bis 34- Jährige), die jetzt in den Arbeitsmarkt eintritt, stellt Deutschland lediglich 3,1 %.“

Eine Bundesbeteiligung an der Bildungsfinanzierung der Länder kann also sehr wohl einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung hoch qualifizierten Nachwuchses leisten. So weit, so gut. Die Aufhebung des Kooperationsverbotes kann aber auch – Vorredner haben es bereits angedeutet – ein Einfallstor für ideologiegeleitete Eingriffe in die bildungspolitische Länderhoheit sein. Hellhörig machen da Formulierungen des SPD-Antrages wie die von den „dringend notwendigen gemeinsamen Anstrengungen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“. Wenn es hierbei nur um die Mittel zur Herstellung von Barrierefreiheit an den Schulen ginge, wäre dagegen selbstverständlich überhaupt nichts zu sagen. Es ist jedoch zu befürchten, dass hier finanzielle Hebel eingesetzt werden sollen, um bundesweit Inklusionsanteile von 40 %, wie etwa in Schleswig-Holstein, zu erzwingen oder noch schärfere Inklusionsmaßnahmen durchzusetzen, unabhängig davon, was die Schulpolitik in den einzelnen Ländern eigentlich präferiert.

Wenn den Bildungsbürokraten durch die Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern hier neue Einsatzmöglichkeiten gegeben werden, würde auch in Sachsen von bewährten Strukturen im Förderschulbereich und von Elternwillen nicht viel übrig bleiben. Auch andere Vorstellungen linker Bildungsideologen könnten dann über die finanziellen Hebel des Bundes bestimmend werden und bewährte Schullandschaften umpflügen. Man denke hierbei etwa an die linken Dauerforderungen nach der Einführung von Gemeinschaftsschulen und andere Wünsche nach bildungspolitischer Gleichschaltung und pädagogischer Gleichmacherei.

Weil es sowohl Gründe für als auch gegen die Aufhebung des Kooperationsverbotes gibt, wird sich die NPDFraktion bei der Abstimmung enthalten.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es weiteren Redebedarf bei der Fraktion der SPD? – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? – CDU? – Herr Abg. Mackenroth, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum Kooperationsverbot im Schulbereich hat mein Kollege Thomas Colditz das Notwendige gesagt: Erstens. Die starren Strukturen eines zentralistisch organisierten Bildungssystems sind bei unbestrittenem Reformbedarf kein Allheilmittel.

Zweitens. Wir lassen uns unsere guten sächsischen Standards nicht abkaufen oder auf mittleres Niveau herabregulieren – im Interesse unserer Kinder, die einen Anspruch auf die beste und nicht auf eine durchschnittliche Ausbildung haben.

Im Hochschulbereich, für den ich spreche, stehen wir für Wettbewerbsföderalismus. Unsere Hochschulen müssen sich fortwährend an einen sich rasant ändernden Wissenschaftsbereich anpassen. Dies geht nur mit Hochschulautonomie einerseits und einer flexiblen und gut durchdachten Landesgesetzgebung andererseits. Lassen wir die Länder weiterhin einen Wettbewerb der besten Bildungs- und Hochschulsysteme führen! Best Practice sichert die notwendige Kritikfähigkeit und die notwendige Erneuerung.

Wir stehen im Hochschulbereich weiterhin für internationale Konkurrenzfähigkeit. Um als Wissensstandort Bestand zu haben, brauchen wir in Deutschland und in Sachsen Spitzenuniversitäten, die sich mit den besten der Welt messen können. Diese Notwendigkeit haben wir erkannt. Die Exzellenzinitiative geht bereits in ihre zweite Phase. Nun suchen wir nach Wegen, wie wir diese Entwicklung danach, also ab 2017, verstetigen können.

Herr Mackenroth, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte, Frau Kollegin.

Frau Dr. Stange, bitte.

Vielen Dank. – Herr Mackenroth, ist Ihnen bekannt, wer die Exzellenzinitiative finanziert?

Ja, das ist mir bekannt.

Könnten Sie das vielleicht auch dem Hohen Hause mitteilen?

Wissen Sie, darüber müssen wir jetzt hier nicht sprechen. Mir ist bekannt, wer die Exzellenzinitiative finanziert, genau wie Ihnen. Was hat das mit unserem Thema Aufhebung des Kooperationsverbotes zu tun?

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Ganz viel!)

Ich möchte nicht mit Ihnen in einen Dialog eintreten, sondern worum es jetzt geht, ist die Frage: Wie können wir diese Entwicklung der Exzellenzinitiative nach 2017 verstetigen?

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Eine pauschale Zuständigkeit des Bundes ist dafür kein Allheilmittel, aber ein innovativer Ansatz, ein Modell für diese notwendige Verstetigung kann eine Bundesförderung für einzelne Hochschulen durchaus sein. Das Wort „Bundesuniversitäten“ mag ich dabei allerdings nicht. Diese Debatte würde sofort zu einer Standortfrage führen, also: Welche Universitäten können zu Bundesuniversitäten werden und welche nicht? Zudem ist das Konzept der Bundesuniversität ein Top-down-Ansatz, der mir zu tief in den Föderalismus eingreift.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Aber als erster Vorstoß, der noch nicht abschließend ausformuliert worden ist, ist der Begriff akzeptabel, er muss jedoch weiter ausgefüllt werden. Soweit der Begriff suggeriert, dass unsere Hochschulen aus der Länder- in Bundesverantwortung übergehen, fällt die Klappe, ist dieser Begriff falsch. Perspektiven für die notwendige Verstetigung unserer deutschen Hochschullandschaft zu entwickeln ist in der Tat vorrangig eine Aufgabe der Bundesebene. Eine finanzielle Beteiligung des Bundes zur Einrichtung dieser Spitzenuniversitäten ist daher richtig und sollte weitergeführt werden. Pecunia non olet – Geld stinkt nicht, aber eine Änderung der grundgesetzlichen Kompetenzen rechtfertigt dies nicht.

(Beifall bei der CDU – Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Aha!)

Eine weitere Aufweichung des Kooperationsverbotes ist auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Hochschulen nicht nötig. Die bisherigen Ausnahmetatbestände, Artikel 91b und 104b, der sogenannte goldene Zügel des Bundes, sind ausreichend. Außerhalb der strategischen Kooperation, etwa im Konjunkturpaket II oder im Hochschulpakt, werden wir derzeit an der Kulturhoheit der Länder nicht rütteln. Nur auf der Ebene des Freistaates können wir am besten entscheiden, welche Rahmenbedingungen unsere Hochschuleinrichtungen benötigen, um sich frei entfalten, wachsen und flexibel weiterentwickeln zu können.

Auch die SPD, Frau Dr. Stange, geht offensichtlich davon aus. Ich zitiere aus dem Leitantrag zu Ihrem letzten Bundesparteitag: „Die bestehende Bildungshoheit ist und bleibt Kern der Eigenstaatlichkeit der Bundesländer. Dazu bekennen wir uns ausdrücklich. Wir sprechen uns für einen neuen Grundgesetzartikel 104c aus, in dem dauerhafte Finanzhilfen des Bundes für Bildung ermöglicht werden, ohne die Bildungshoheit der Länder einzuschränken.“

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: 104 steht drin!)

Darüber kann man reden, aber warum dafür, Frau Dr. Stange, das bestehende Kooperationsverbot in der Verfassung jetzt vorschnell aufgehoben und damit föderales Tafelsilber verschleudert werden soll, kann ich nicht verstehen. Warten wir doch das Ergebnis der Gespräche und das Angebot des Bundes erst einmal ab. Eine Änderung des Grundgesetzes kann am Ende eines solchen Prozesses vielleicht durchaus stehen, für den Hochschulbereich gehört es jedenfalls nicht an den Anfang.

Noch ein Aspekt zu Ihrem etwas widersprüchlichen Antrag. Die in Ihrem Antrag, Frau Dr. Stange, genannte Studie der Ebert-Stiftung zeigt eben keine negative Auswirkung des Kooperationsverbots. Entgegen Ihren Behauptungen ist der Anteil des Bundes an der Bildungsfinanzierung nach der Föderalismusreform zwischen 2005 und 2008 signifikant gestiegen, die Mehrausgaben im Schulbereich genauso wie im Hochschulbereich. Die Studie der Ebert-Stiftung kommt zu dem Ergebnis – ich zitiere –, „... dass der Bund eher zwischen den Jahren 2000 und 2005 unter Rot-Grün an Bedeutung für die staatliche Bildungsfinanzierung in Deutschland verloren hat als in den nachfolgenden Jahren, in die auch die Föderalismusreform fällt. Stattdessen muss für die zweite Hälfte des vergangenen Jahrzehnts konstatiert werden, dass der Bund in der Bildungsfinanzierung trotz Kooperationsverbot nach 2005 wieder deutlich an Bedeutung gewonnen hat.“

Zusammenfassend möchte ich sagen: Allen Beteiligten ist klar, dass unsere Exzellenzstrukturen verstetigt werden müssen, um Erreichtes nicht zu gefährden. Über mehr Kooperation zwischen Bund und Ländern kann man reden. Dies sollte im Ausgangspunkt aber nur unter Wahrung der Länderhoheit geschehen. Ihre Anträge werden wir daher ablehnen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Ich frage die Fraktion DIE LINKE, ob noch Redebedarf besteht. – Herr Abg. Prof. Besier, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Inzwischen haben alle Beteiligten einsehen müssen, dass bei der neuen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern Fehler passiert sind, die wir korrigieren müssen.

Im Vergleich zu der bis 2005 geltenden Praxis des kooperativen Föderalismus von Bund und Ländern wurde eine Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf die Länder vereinbart. Die Gemeinschaftsaufgaben Hochschulbau und Bildungsplanung wurden abgeschafft, allerdings kann der Bund im Umfang von circa 30 % der bisherigen Gemeinschaftsaufgaben im Rahmen der sogenannten Exzellenzcluster Forschungsbauten an Hochschulen und die Anschaffung von Großgeräten fördern.

Zum Ausgleich der finanziellen Mehrbelastung muss der Bund den Ländern die für den Hochschulbau vorgesehe

nen Finanzanteile zur Verfügung stellen, und zwar bis 2013 zweckgebunden. Die Rahmengesetzgebung des Bundes im Bereich der Hochschulpolitik entfiel. Sämtliche Regelungsbereiche der Hochschulpolitik gehören in die konkurrierende Gesetzgebung der Länder, mit Ausnahme von Hochschulzugang und Hochschulabschlüssen. Auch mit Blick auf den Hochschulzugang muss man deutlich unterstreichen: formal. Herr Kollege Mackenroth, es ist sehr viel leichter, in Schleswig-Holstein ein gutes Abitur zu machen als in Dresden. Insofern ist der Hochschulzugang durchaus nur formal gleichwertig. Eine gewisse Aufweichung des Kooperationsverbots – –

(Geert Mackenroth, CDU, zeigt mit dem Finger auf seine Person.)

Nicht, dass Sie denken, es ginge jetzt nur um Schleswig-Holstein oder gar um Sie, Herr Mackenroth.

(Christian Piwarz, CDU: Sie müssen sich nicht entschuldigen!)