Ich gehe einmal davon aus, dass auch die SPD in der Lage ist, sich kurzzufassen und das bei dem Gesetzentwurf getan hat.
Je länger Sie ein Gesetz machen, desto komplizierter wird es. Das ist normal. Wenn Sie 16 Seiten oder 35 Seiten lesen müssen, macht das einen relativ großen Unterschied.
Ich gehe noch einmal kurz auf ein paar Punkte ein. Mir fehlt ein wenig die Zeit. Zwei Punkte möchte ich aus dem Gesetzentwurf herausgreifen. Sie wollen, dass die ambulanten Pflegedienste von der Heimaufsicht kontrolliert werden. Das ist derzeit nicht der Fall. Das hätten Sie draußen vor dem Gebäude jemandem erzählen sollen. Gehen Sie einmal zu den Pflegediensten und sagen Sie denen, dass Sie sie zusätzlich kontrollieren wollen. Der MDK und sonst wer kommen bereits ins Haus. Das
Zweitens. Wer bei Ihnen Betreuungsangebote vorhält, soll rund um die Uhr außerdem eine Fachkraft vorhalten. Das sollten Sie einmal jemandem erklären, der so etwas macht. Jemandem, der beispielsweise ein Seniorencafé organisiert, sagen Sie: Du kannst nicht nur einmal im Monat dein Seniorencafé organisieren, sondern wir erwarten von dir, dass du 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche eine Fachkraft vorhältst, die sich um das Seniorencafé kümmert. Dadurch macht man das Engagement von Betroffenen kaputt. Deswegen werden wir das nicht mitmachen.
Wir haben das Problem der Unterjüngung. Ich bin dankbar dafür, dass der Begriff heute Morgen gefallen ist. Wir haben nicht das Problem, dass wir zu viele alte Menschen haben. Unser Problem ist, dass wir zu wenig junge Menschen haben. Deswegen schaue ich gern zu Martin Dulig mit seinen vielen Kindern. Er ist ein positiv leuchtendes Beispiel. Leider hat das gesamtgesellschaftlich keine Vorreiterrolle. Deshalb haben wir das Problem der Unterjüngung.
Wir brauchen Veränderungen – auch bei der Pflegeversicherung. Wir wollen, dass die Menschen so lange wie möglich zu Hause bleiben können. Der Bund muss Vorschläge machen. Das Land unternimmt schon eine ganze Menge. Das wollen wir weiterhin tun. Deshalb sage ich: vielen Dank an die Staatsregierung, an die, die das unterstützen und die vor Ort pflegen.
Wir brauchen Ihren Antrag nicht. Viele Punkte sind von uns nicht mitzutragen. In vielen anderen Punkten stimmen wir überein. Dies wird allerdings schon umgesetzt. Wir werden deshalb Ihren Antrag ablehnen.
Danke, Herr Präsident! Wir brauchen diesen Antrag dennoch. Er gibt uns die Gelegenheit, im Plenum über dieses Thema zu reden. Das halte ich für wesentlich. Es zeigt, wie wichtig uns allen das Thema Pflege ist. Wir machen genau das, was Sie forderten: dieses Thema mehr in die Gesellschaft zu tragen.
Sie haben die Pflegestützpunkte genannt. Wir haben gesagt, wie wir die Beratung nennen. Das kann sehr unterschiedlich sein. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass es nicht darum geht, neue Stellen einzurichten. Im § 92c des SGB XI steht: Auf die vorhandene vernetzte Beratungsstruktur sollte zurückgegriffen werden: auf das, was wir im Bereich bereits aufgebaut haben, oder Mehrgenerationenhäuser. Es geht nicht um mehr Bürokratie oder darum, irgendwelche Sondereinrichtungen zu schaffen.
Sie haben etwas nicht erwähnt. Es gibt in Sachsen nicht nur eine Alltagsbegleitung, sondern auch eine Pflegebegleitung. Diese Pflegebegleiterausbildung ist vor allen Dingen in den Mehrgenerationenhäusern angesiedelt. Ich möchte Frau Clauß das besonders ans Herz legen. Das ist ein Modellprojekt, welches zum Jahresende ausläuft. Pflegebegleitung heißt: Die pflegenden Angehörigen werden dort begleitet. Diese Pflegebegleiter werden besonders in Mehrgenerationen ausgebildet. Das ist ein Punkt, bei dem man sich fragen kann, warum man keine Beratung daran anbinden kann. Sie sagen, diese Beratung tritt erst dann in Kraft, wenn ich unmittelbar von der Pflege betroffen bin. Wenn ich mich aber im Vorfeld darüber informieren möchte, wie ich im Alter leben soll, habe ich fast nichts, woran ich mich orientieren kann.
Ich halte es im Übrigen außerdem für problematisch – Sie haben recht –, dass es sich um eine Teilkasko handelt. Es passiert aber auch etwas dadurch, dass wir eine Teilkasko haben. Wir haben auch Menschen, die sich die teurere Pflege leisten können – warum auch immer teurer. Es gibt aber auch Menschen, die sich das nicht leisten können.
Herr Krauß, möchten Sie erwidern? – Das kann ich nicht feststellen. Wir setzen die Aussprache fort. Für die FDP-Fraktion spricht Frau Abg. Schütz. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Pflege ist darauf angewiesen, dass sich viele Menschen auf unterschiedliche Art und Weise engagieren, sei es durch die Familie, Freunde, Nachbarn, durch Ehrenamtliche, aber auch durch die vielen Mitarbeiter in stationärer und ambulanter Pflege. Frau Herrmann, wenn Sie hier anregen, über Pflege zu beraten und zu informieren – ich denke, genau das tun wir in dieser Diskussion; denn es geht immer um gesamtgesellschaftliche Verantwortung, die wir allein durch staatliche Pflichten und Regulierun
gen niemals werden erzwingen können. Pflege geht uns alle an, Pflege kann, Pflege wird uns alle treffen.
Die Pflegeversicherung ist eine Versicherung im Teilkasko-Prinzip, das ist bereits angesprochen worden. Pflege wird uns auch in Zukunft mehr kosten, aber die Pflegeversicherung darf nicht mit mehr zusätzlichen Leistungen belastet werden. Es gilt, eigene Vorsorge zu treffen, sei es im Privaten, in der Familie, sei es auch im eigenen finanziellen Rahmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nichtsdestotrotz muss der Staat einen Rahmen vorgeben. Nur stellen wir uns diesen anders vor, als er in dem Antrag des linken Flügels aus GRÜNEN, SPD und LINKEN steht. Grundsätzlich ist die Beratung eine gesetzliche Pflichtleistung der Pflegekassen. Hilfen für Pflegebedürftige sowie deren Angehörige sind dort qualifiziert zu beraten. Darauf haben sie einen Anspruch. Der Pflegebedürftige hat dabei immer im Mittelpunkt unserer Entscheidungen zu stehen. Diejenigen, die Hilfe brauchen, sollen sie möglichst direkt und zeitnah erhalten.
Das funktioniert aber nur, wenn die Pflegekassen, die Kommunen, die Leistungserbringer, insbesondere die Pflegedienste, eng zusammenarbeiten. Diese Strukturen gibt es bereits. Sie können genutzt werden. Ich nenne es Pflegenetz; aber ich nenne auch ein Beispiel, wie es die Stadt Rochlitz macht. Dabei widerspreche ich Ihnen, Frau Neukirch, ausdrücklich. Dort ist es eben nicht die Neuschaffung einer zusätzlichen Struktur, sondern dort haben sich die bestehenden Träger in ihrer Aufgabe, die sie sonst in einzelnen Punkten erfüllen, an einem Ort zusammengefunden, den sie anbieten. Daher ist ein paralleler Aufbau von Pflegestützpunkten – Frau Herrmann, egal, wie wir sie nennen – mit neuen verwaltungs- und kostenintensiven Strukturen von uns ganz klar abzulehnen.
Dafür zusätzliche Gelder von Bürgern und Beitragszahlern abzuverlangen und die Kommunen mit der Unterhaltung neuer Einrichtungen zu belasten ist unserer Meinung nach nicht vertretbar. Aus unserer Sicht ist eine Vernetzung der bestehenden Strukturen und der Beteiligten die Voraussetzung für eine einfache, schnelle und unbürokratische Leistungsdarbietung. Wenn wir in die Realität schauen, so ist es eben nicht mehr so, dass sie nur im Falle des sofortigen Eintretens der Pflege einbezogen werden, sondern es wird breit diskutiert, und auch dafür stehen die Pflegekassen in ihren Beratungsleistungen zur Verfügung, genauso wie diejenigen, die Angebote im ambulanten oder stationären Bereich vorhalten.
Im Übrigen, da wir gerade bei unbürokratischen Lösungen sind: Ich halte von immer neuen Gesetzen sehr wenig. Unser Ziel ist es, Bürokratie abzubauen und den Staat angesichts der kommenden Herausforderungen zu verschlanken. Ein Landespflegegesetz mit Inhalten, die heute schon geregelt sind, hilft den Pflegebedürftigen mit
Sicherheit nicht und wird es auch mit uns in der im Antrag vorliegenden Form mit Sicherheit nicht geben.
Ähnlich unüberlegt scheint mir auch der Vorstoß zum Thema der Ausbildung; Frau Lauterbach ist davon ausgegangen. Sie fordern die Einführung einer Ausbildungsumlage. Aber was ist denn der eigentliche Sinn einer Ausbildungsumlage? Es geht darum, Ausbildungsplätze in der Altenpflege zu subventionieren. Kommen die Unternehmen der Ausbildung von Personal im Bereich der Altenpflege nicht nach, wird eine Abgabe fällig. Das heißt, die einzige Motivation können fehlende Lehrstellen und damit ein Mangel an Altenpflegern sein. Aber diesen Ausbildungsplatzmangel gibt es ja nicht. Das haben Sie von der SPD doch erst Anfang des Jahres von der Staatsregierung erfragt und darauf eine eindeutige Antwort bekommen. Diesen Mangel an Ausbildungsplätzen gibt es nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In welche Richtung sich die Pflegerahmenbedingungen weiterentwickeln sollen, dazu gibt es eine ganz klare Vereinbarung im Koalitionsvertrag des Bundes, und daran halten wir uns. Darin wird die neue, differenzierte Definition von Pflegebedürftigkeit ausgeführt, und dazu gehört, dafür zu sorgen, dass Pflege auch in Zukunft noch bezahlbar bleibt. Ihre Vorschläge im Antrag brauchen wir dazu allerdings nicht. Das ist Bundesebenenarbeit – dies sei immer wieder gesagt, dass es letzten Endes ein Bundesthema ist –, und im Bund ist auch die Korrektur des Pflege-TÜVs vorgesehen.
Pflege wird in Sachsen verantwortungsvoll von unseren Kommunen mitgeplant. Viele Kommunen haben Altenhilfepläne erstellt, oder diese sind in Arbeit.
Vier haben erstellt, andere sind in Arbeit, und das macht auch Sinn; denn nur vor Ort weiß man um den Bedarf, welche Ressourcen vorhanden sind, oder auch, wo Probleme bestehen. Das Gutachten von Herrn Prof. Raffelhüschen, auf welches heute bereits mehrfach eingegangen wurde, gibt uns dazu ganz klare Zahlen; denn er sagte: Die Zukunft ist jetzt, oder anders gesagt: Wir kennen jeden, der im Jahr 2050 in dem entsprechenden Alter ist, schon heute mit Namen und Anschrift. Denn es sind wir, unsere Altersgruppen, es sind die etwas Älteren, die dann in dieser Situation sein werden; und die Zahlen dazu sind vorhanden. Wenn man dem Gutachten an den verschiedenen Stellen folgt, so muss es unsere Aufgabe sein zu schauen, dass wir Pflege nicht stationär organisieren, sondern ambulant halten können und dazu auch mit neuen Wohnformen einen wesentlichen Anreiz geben, dass wir jedoch auch ehrlich darüber sprechen und es nicht als Gespenst an die Wand malen, sondern die Diskussion miteinander führen.
In Sachsen gibt es bereits eine Vielzahl von Ansätzen, die eine gute Grundlage für eine zukunftsgerechte Weiterentwicklung der pflegerischen Infrastruktur sind. Die Unter
stützung Demenzerkrankter ohne Pflegestufe ist dafür nur ein Beispiel. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir nicht auch weiterhin daran arbeiten müssen. Unsere Verantwortung als FDP nehmen wir dabei sehr ernst. Viele Wege sind bereits beschritten, und einige Punkte in Ihrem Antrag sind nun einmal überholt. Bei anderen Themen werden wir ganz andere Wege gehen. Wir sehen die drei Ziele, die auch von vielen anderen Verbänden geteilt werden: die gesellschaftliche Wahrnehmung, die Problematik darzustellen, Zahlen zu nennen und die gesellschaftliche Diskussion zu führen. Wir brauchen eine ausreichende finanzielle Sicherstellung der Pflege, das ist ebenfalls klar, aber wir brauchen auch die Anerkennung der Mitarbeiter und die Motivation dafür. Damit schließt sich wieder der Kreis zu Punkt 1, der gesellschaftlichen Wahrnehmung dieser Aufgabe.
Ich denke, meine Ausführungen haben klargemacht, dass wir einen anderen Weg als den im Antrag vorgeschlagenen gehen wollen, und wir werden daher Ihren Antrag ablehnen.