Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

Meine Damen und Herren! Wir sind noch in der zweiten Runde der allgemeinen Aussprache. Hat die SPD-Fraktion noch Redebedarf? – Nein. FDP? – Auch nicht. GRÜNE? – Ebenso nicht. NPD? – Nein. Ich frage nach einer dritten Runde. Möchte ein Abgeordneter das Wort ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Für die Staatsregierung spricht Frau Staatsministerin Clauß; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst muss ich ein kleines, aber feines Missverständnis zurechtrücken – ein Missverständnis, das von der Opposition gern wiederkehrend vorgebracht wird, was in der Begründung steht und jetzt auch wieder in der zweiten Runde angesprochen wurde, ohne dass es dadurch richtiger wird.

Klar und eindeutig ist, dass von der rechtlichen Wirkung bzw. auch Findung her die Beschlüsse des Landesjugendhilfeausschusses keine direkten fiskalischen Folgen für den Freistaat Sachsen nach sich ziehen können. Der Ausschuss ist kein beschließender Ausschuss im Sinne der Gemeinde- und Landkreisordnung. Gleichwohl ist der Landesjugendhilfeausschuss ein wichtiges Fachgremium, das mit seinen Empfehlungen, Stellungnahmen oder Beschlüssen zum Beispiel zur Jugendhilfeplanung eine nachhaltige Wirkung entfaltet und jugendpolitisch außerordentlich bedeutsam ist.

Die Beschlüsse sind nicht fiskalisch eins zu eins umzusetzen und von daher geht die Argumentationslinie aus der Begründung der Großen Anfrage finanzpolitisch ins Leere. Der Souverän ist und bleibt dieses Haus.

Das Jugendpolitische Programm, wie es genannt wurde, war in der Tat ein wichtiger Baustein bei der Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe im Freistaat Sachsen. Es war und ist eine fachliche Aufgabenbeschreibung und Darstellung von Leistungsfeldern im weiteren Sinn und die Darlegungen haben auch heute noch ihre Berechtigung.

Eine Außerkraftsetzung ist weder gewollt noch sachgerecht. Es ist in seinen Grundaussagen nach wie vor aktuell. Allerdings – das haben wir sehr deutlich gehört – haben sich inhaltliche Schwerpunkte verändert und aufgrund der jugendhilfeimmanenten Dynamik und gesellschaftlichen Entwicklung neue und veränderte Handlungsfelder herauskristallisiert.

Dies ist in der Antwort der Staatsregierung herausgearbeitet worden; auch perspektivische Herausforderungen sind benannt. Zwar gibt es eine öffentliche Verantwortung für das gesunde und gelingende Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen – eine solche wird auch vom Freistaat

Sachsen wahrgenommen; ich erinnere beispielsweise an unser umfassendes Handlungskonzept für präventiven Kinderschutz und an unseren interdisziplinären Kinderschutzkongress mit unserem Ministerpräsidenten und ressortübergreifend –; aber diese Verantwortung kann nicht allumfassend nur staatliche Aufgabe sein. Der öffentliche und private Bereich, insbesondere die Familien oder auch das soziale Umfeld, sind genauso oder eher noch mehr gefordert, das Aufwachsen unserer nachwachsenden Generation zu begleiten.

Die These der fragestellenden Fraktion, es fehle derzeit eine jugendpolitische Programmatik, ist daher eher plakativer Ausdruck mangelnder eigener Vorstellungen. Der Hinweis, dass Ausgaben den Aufgaben folgen müssten, ist ganz wohlklingend, aber es gilt dabei die alte Feststellung, dass nur das ausgegeben werden kann, was tatsächlich zur Verfügung steht. Dass es immer noch etwas mehr sein könnte, ist ebenfalls eine alltägliche Erkenntnis. Immerhin fördern wir die überörtlichen verbandlichen Strukturen mit 2,8 Millionen Euro.

Insofern ist der Verweis auf diese Feststellung der Berichtskommission des 11. Kinder- und Jugendberichts begrenzt nachvollziehbar. Sie war im Übrigen nicht die Haltung der damaligen Bundesregierung. Ich erinnere nur daran, dass der Freistaat derzeit bundesweit eine hohe Anerkennung wegen seiner Haushaltsführung genießt.

Auch wenn man es nicht so gern hört: Die geringe Neuverschuldung schlägt mittelfristig auf die Lebensverhältnisse der jungen Generation zurück. Das ist eine einfache volkswirtschaftliche Tatsache. Gleichwohl haben die Veränderungen im Haushalt der Kinder- und Jugendhilfe außerhalb des Kita-Bereiches in Sachsen nirgends zu Nullstellungen geführt. Insbesondere im verbandlichen Bereich war man bestrebt, deren Aufgabenstellung zu berücksichtigen. Gleichwohl sind dann die Verbände gefordert, nachhaltig und fachlich wirksam mit Kindern und Jugendlichen zu agieren. Dies scheint mir aus dem Blickfeld geraten zu sein, wie es in der Diskussion wieder deutlich wurde.

Unter fachlich-inhaltlichen Gesichtspunkten ist die Kinder- und Jugendhilfe in Sachsen nicht mit dem Jugendpolitischen Programm im Jahr 1996 stehen geblieben. Sie hat sich weiterentwickelt und verändert; es sind neue Herausforderungen hinzugekommen: die Schulsozialarbeit, die Medienkompetenz – wir werden dafür in Kürze ein Handlungskonzept für die entsprechende Förderung vorstellen –, Inklusion, demografische Entwicklung und vor allem auch unsere Unterstützung benachteiligter Jugendlicher. Auf dieses ist insbesondere in den letzten Jahren in den Kinder- und Jugendberichten sowohl auf Landes- als auch auf Bundes- und kommunaler Ebene vielfältig eingegangen worden.

Dazu gab es begleitende gesetzliche Regelungen, Empfehlungen, Handlungskonzepte, Vereinbarungen und die Ausbildung von Netzwerken und Ähnlichem. Dies ist ein laufender Prozess und symptomatisch für die Dynamik der Kinder- und Jugendhilfe. Wir brauchen deshalb nicht

primär ein abgehobenes und theoretisches Grundsatzpapier, sondern vielmehr praktische Ansätze, und da sind wir gut dabei.

Der vorgesehene 4. Kinder- und Jugendbericht, die in der Antwort zur Großen Anfrage aufgeführten Hinweise und Handlungsschwerpunkte verweisen auf die konkrete jugendpolitische Zielstellung und sind nach vorn gerichtet. Eine nur oberflächliche Verknüpfung von Programmatik und Geld ist zwar in einfacher Sprache sozialpolitisch leicht verkäuflich, hilft uns aber wirklich nicht weiter. Nicht die Strukturen sind letztlich entscheidend, sondern die konkreten Lebensverhältnisse, die Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen. Daran ist primär zu arbeiten; in diese Richtung zeigen auch die hier zur Debatte stehenden Antworten.

Ich möchte die entsprechenden Kürzungen, die hier noch einmal angegangen worden sind, aufgreifen, und zwar die Einzelfallentscheidungen, die sehr wohl getroffen wurden, was die Kommunen und den laufenden Haushalt betrifft. Gerade auch die Zusammenarbeit in dem Positionspapier Schule, Jugendhilfe, kommunale Spitzenverbände, SMK und SMS – das sind Dinge, die wir gemeinsam tun.

Was die Erfassung betrifft, so sage ich immer: Einmal erfasst ist wie Zeitung von gestern gelesen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Mir liegen noch zwei Entschließungsanträge vor; ich komme zum ersten Entschließungsantrag der NPD-Fraktion. Herr Dr. Müller, Sie möchten den Entschließungsantrag noch einbringen; bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Entschließungsantrag kurz einbringen. Wir als NPD-Fraktion erwarten von einer Staatsregierung, dass diese agiert, und nicht, dass sie nur analysiert oder bestenfalls reagiert. Am Ende dreht sich ja immer wieder alles ums Geld und deshalb brauchen Sie diesen Hinweis auch ständig wieder.

Die Demografie ist der Schlüssel für die künftige Finanzierung auch in der Kinder- und Jugendhilfe. Unsere Probleme werden mittel- und langfristig nur dann lösbar, wenn wieder mehr Kinder in Sachsen geboren werden. Es ist ein Teufelskreis: Weniger Kinder bedeuten aktuell bereits weniger Konsumenten und künftig zusätzlich auch weniger Steuerzahler. Sie bedeuten weiterhin weniger zur Verfügung gestellte Finanzmittel und sie bedeuten im Einzelfall auch eine teurere Hilfe.

Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir einen klaren Handlungsauftrag geben, bevölkerungspolitisch wirksam zu werden; und deshalb unser Entschließungsantrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es Wortmeldungen zu dem Entschließungsantrag? – Frau Klepsch gleich vom Mikrofon 1.

Herr Müller, ich finde Sie ein wenig anmaßend, dass Ihre Fraktion hier als Trittbrettfahrer zu unserer Großen Anfrage noch einen Entschließungsantrag einbringt. Vor allen Dingen, wenn man sich den zweiten Teil, Teil b, anschaut: Dort geht es Ihnen ja nur darum, dass Sie ohne forcierte Zuwanderung den Bestand des deutschen Volkes sichern wollen. Das ist Ihre typische Rassenprogrammatik und Sie werden sich nicht wundern, wenn wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall des Abg. Heiko Kosel, DIE LINKE)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das kann ich nicht erkennen. Somit kommen wir gleich zur Abstimmung. Ich rufe den Entschließungsantrag der NPD-Fraktion auf, Drucksache 5/7220 zur Drucksache 5/5612, 15 Jahre Jugendpolitisches Programm der Sächsischen Staatsregierung – Bilanzierung und Evaluierung. Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist der Entschließungsantrag mehrheitlich abgelehnt.

Meine Damen und Herren, mir liegt ein zweiter Entschließungsantrag von der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/7221 vor. Frau Klepsch möchte dazu sprechen; bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Selbstverständlich will ich die Gelegenheit nutzen, den Entschließungsantrag noch einzubringen. Ich möchte auch gleich beantragen, dass wir einzeln über die Punkte I und II abstimmen. Ich denke, man kann zu Punkt I verschiedener Meinung sein – ich vermute, dass auch die Regierungskoalition die Sicht auf die Dinge, wie wir sie formuliert haben, nicht ganz so teilt.

Zu Punkt II habe ich aber bei Herrn Schreiber gehört, dass die Jugendpolitischen Sprecher inhaltlich relativ nah beieinander sind. Das will ich gern aufgreifen. In Punkt II haben wir konkrete Handlungsvorschläge formuliert, bei denen FDP, CDU und alle anderen Kolleginnen und Kollegen sicher mitgehen können. Ich will sie noch einmal kurz aufzählen.

Wir schlagen vor, eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation vorzunehmen. Das Jugendpolitische Programm soll unter Einbeziehung aller Ressorts fortgeschrieben werden.

Frau Clauß, an dieser Stelle ein Rekurs auf Sie: Es geht hier nicht um ein abgehobenes Grundsatzpapier, sondern um die Fortschreibung eines Papiers aus Ihrem Haus, auch wenn es schon ein paar Jahre alt ist. An bestimmten Stellen muss man durch Bestandsaufnahme und Fortschreibung das Geld und die Programmatik verknüpfen. Das können Sie anders sehen; ich glaube aber, das ist

notwendig, um zu einer erfolgreichen Kinder- und Jugendpolitik zu kommen.

Wir wollen außerdem, dass sich der Freistaat explizit um das Problem des Fachkräftemangels in diesem Bereich kümmert.

Die Modellprojekte wollen wir dorthin verlagern, wo sie hingehören: Es geht darum, neue Wege zu erproben, nicht darum, Infrastruktur zu ersetzen, die eigentlich grundsätzlich finanziert werden müsste.

Die gültige Jugendhilfeplanung soll haushalterisch untersetzt werden. Diese Forderung bezieht sich vor allen Dingen auf den nächsten Doppelhaushalt.

Auch über Punkt III bitten wir einzeln abstimmen zu lassen.

Gibt es eine Fraktion, die sich zu dem Änderungsantrag äußern will? – Herr Schreiber am Mikrofon 6.

Wir werden diesen Entschließungsantrag ablehnen. Ich denke, in der Debatte sind alle Argumente deutlich geworden.

Noch eine Ergänzung: Wir werden uns in dieser Legislatur noch mit dem 4. Kinder- und Jugendbericht der Staatsregierung auseinandersetzen. Dieser wird Gelegenheit geben, auf die einzelnen Punkte noch einmal einzugehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Herrmann, Sie möchten sich auch noch dazu äußern? – Bitte.

Danke, Herr Präsident! – Wir werden dem Entschließungsantrag zustimmen. Ich möchte auf zwei Punkte unter II. noch einmal eingehen.

Ich beginne mit Punkt II.4. In meiner Rede habe ich schon deutlich zu machen versucht, dass wir auch in der Jugendhilfe ein partnerschaftliches Verhältnis brauchen. Auf dieser Grundlage ist das jugendpolitische Grundsatzprogramm damals entstanden. Wir sollten an diese Herangehensweise anknüpfen, auch im Sinne der Fortschreibung des Programms.

Zu Punkt II.7 hat die Frau Ministerin ausgeführt, dass der Landesjugendhilfeplan nicht eins zu eins fiskalisch umzusetzen ist. Er ist allerdings – damit bin ich bei dem, was wir vermissen – Richtschnur für das, was wir umsetzen wollen. Insofern dient er als Grundlage. Es muss eine Auseinandersetzung auch darüber geführt werden, wie die einzelnen Punkte des Landesjugendhilfeplans aufgegriffen und fiskalisch untersetzt werden. Es darf nicht so sein, wie wir es in der Vergangenheit immer wieder erleben mussten: Förderrichtlinien, die einzelne Punkte aufgriffen, wurden aufgelegt, und über andere wurde nie mehr geredet. Deshalb finde ich Punkt II.7 besonders wichtig.

Wir stimmen dem Entschließungsantrag zu.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Herr Karabinski spricht für die FDP-Fraktion zum Entschließungsantrag.