Ich bitte Sie herzlich um Zustimmung zu diesem Staatsvertrag und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Glaubt man dem Bohei, der um diesen Staatsvertrag gemacht wird, dann beginnt heute eine neue Epoche der Rundfunkfinanzierung. Ich persönlich teile diese Auffassung nicht. Vielleicht endet heute eine Epoche der Rundfunkfinanzierung, nämlich die Epoche von der Einführung des ersten Radios als Massenkonsumgut bis zur Zulassung des privaten Rundfunks in der alten Bundesrepublik Anfang der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts.
Schon mit der gesamtdeutschen Einführung 1990 wäre dieses System dringend reformbedürftig gewesen. Mit der technischen Entwicklung der letzten 20 Jahre, mit dem Siegeszug des Internets, mit der zunehmenden technischen Konvergenz der Empfangsgeräte – Fernseher, Radio, Computer, Handy, iPad usw. – ist ein System, welches davon ausgeht, dass ich meine Empfangsgeräte
Wenn man kein durchgehendes Pay-TV oder kostenpflichtige Programmangebote im Internet haben will – und das wollen wir nicht –, muss man sich von der Idee verabschieden, man könnte öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch die tatsächlichen Nutzer und dann am besten auch noch nach dem Umfang der tatsächlichen Nutzung finanzieren.
Genauso wie staatliche und kommunale Theater, Museen, Orchester und Zoologische Gärten sind öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten Kulturinstitutionen, die der Allgemeinheit zur Verfügung stehen sollen und dann eben auch durch die Allgemeinheit – also durch uns alle – finanziert werden müssen.
Daraus folgt natürlich auch, dass die Rundfunkanstalten der Allgemeinheit rechenschaftspflichtig sind, und zwar sowohl hinsichtlich der Qualität ihrer Angebote als auch hinsichtlich des Umgangs mit den finanziellen Mitteln. Was Letzteres betrifft, so hat der MDR einiges nachzuholen und aufzuarbeiten. Das sollte die Öffentlichkeit, die Zuschauerinnen und Zuschauer, immer wieder und nachdrücklich einfordern.
Aber es ist natürlich wie bei allen anderen öffentlichen Einrichtungen egal, ob sie der unmittelbaren wirtschaftlichen und sozialen Daseinsvorsorge oder der Kultur und Bildung dienen. Man muss sie auch wollen und darf sie sich nicht kleinmachen und schlechtreden lassen, wie dies im Moment eine unheilige Allianz aus privaten Rundfunkanstalten, „Bild“-Zeitung und Sächsischer Staatskanzlei tut. Deren Interesse ist nicht das Interesse der Allgemeinheit.
Aber zurück zur Rundfunkfinanzierung. Was heute – oder, besser gesagt, am 01.01.2013 – an die Stelle des alten, überholten, gerätebezogenen Systems treten soll, ist nicht etwa etwas Neues, Zeitgemäßes, sondern es ist etwas Undurchdachtes, Nachgebessertes, was zugegebenermaßen ein paar Probleme löst und zugleich auch eine Reihe neuer Probleme schafft. Es beginnt keine neue Epoche, sondern höchstens ein Provisorium, eine Übergangslösung.
Das beginnt mit der Erhebungsgrundlage. An die Stelle der Radio- und Fernsehgeräte treten nicht etwa die Radionutzer, also die Zuhörer, Zuschauer und Internetuser – was zeitgemäß wäre –, sondern die Räume, in denen sich vermutlich meistens – oder auch nur unterstellt – Rundfunk- und Fernsehgeräte befinden. Aus der Gebühr für den Fernseher und den Computer zu Hause wird der Rundfunkbeitrag für die Wohnung. Aus der Gebühr für das Autoradio wird der Rundfunkbeitrag für Betriebsfahrzeuge. Aus der Gebühr für die Fernseher in Hotelzimmern wird der Rundfunkbeitrag für das Hotelzimmer, und an die Stelle der Gebühr für Radio und Computer in Werkstatt, Büro und Ladenlokal tritt die Betriebsstelle. Dies führt zu absurden Ergebnissen, wie jeder weiß, der sich zu diesem Thema mit der Bürgerpost beschäftigt.
Wer wegen seines Jobs eine kleine Zweitwohnung am Arbeitsort braucht, zahlt doppelt, obwohl er weder finanziell besonders leistungsfähig ist noch besonders oft Radio und Fernsehen hören und sehen kann. Demgegenüber zahlt die einkommensstarke Großfamilie, die mit mehreren Generationen in einer großen Villa oder gar in einem Schloss wohnt – ich denke dabei zum Beispiel an die Wettiner in Moritzburg –, nur einen einzigen Rundfunkbeitrag.
Auf jeden Fall ein Phänomen. Sozial ungerecht ist da noch mild ausgedrückt. Wir können es auch kleiner ansiedeln –
und sagen: Die Familie mit mehreren Generationen in einer großen Wohnung ist genauso eine Disparität zu einem Einpersonenhaushalt in einer kleinen Wohnung. Diese Disparität existiert. Das war die Überzeichnung, Herr Piwarz.
Der Gipfel der Ungerechtigkeit war jedoch die Idee, für ostdeutsche Gartenlauben einen Rundfunkbeitrag zu kassieren, obwohl diese Lauben laut Kleingartengesetz überhaupt nicht als Wohnungen genutzt werden dürfen. Daran sind übrigens weder die Rundfunkanstalten noch die viel gescholtene GEZ schuld. Sie haben den Staatsvertrag samt der Begründung nicht geschrieben. Für diese Ungerechtigkeiten tragen die Staatskanzleien die Verantwortung, insbesondere auch die Sächsische Staatskanzlei. Man ist in der vergangenen Woche zurückgerudert, aber bisher leider nur ganz unverbindlich. Wir hätten diese Klarstellung gern schwarz auf weiß.
Weitere Absurditäten ergeben sich bei der künftigen Beitragsbelastung von Unternehmen. Insgesamt sind die Unternehmen mit weniger als 10 % des Finanzaufkommens zur Rundfunkfinanzierung keineswegs zu hoch belastet – eher im Gegenteil. Aber kleine Handwerksbetriebe – dazu habe ich eine völlig konträre Einschätzung als Sie, Herr Gemkow – mit mehreren Verkaufsfilialen bzw. mehreren Betriebsfahrzeugen werden sehr hoch belastet, große Unternehmen mit einem einzigen Standort hingegen praktisch überhaupt nicht. Auch das ist ungerecht.
Befreiungstatbestände aus sozialen Gründen fallen weg, vor allem der Nachteilsausgleich für die meisten Menschen mit Behinderungen. Dies wird nirgends kompensiert. Auch das empfinden wir als ungerecht und vor allem als unnötig, genauso wie wir es als unnötig und unsozial empfinden, dass sich Menschen mit Hartz IV noch einem zusätzlichen bürokratischen Befreiungsverfahren unterwerfen müssen, welches auch datenschutzrechtlich nicht unproblematisch ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, damit bin ich auch schon bei den erheblichen Datenschutzproblemen. Die
GEZ wird zur Supermeldebehörde. Warum? Mir scheint, die meisten haben das Problem nicht verstanden. Am 01.01.2013 werden natürlich die Bestandsdaten übernommen, und dann wird so getan, als hätten die Leute nicht Rundfunkgeräte angemeldet, sondern eine Wohnung. Das ist zunächst einmal pragmatisch handhabbar. Allerdings ziehen jährlich circa zehn Millionen Menschen um, im Schnitt alle acht Jahre einmal; die Jüngeren etwas öfter, die Älteren etwas seltener. Dabei muss künftig bei der GEZ nicht mehr ein Rundfunkgerät angemeldet werden, sondern die neue Wohnung – entweder durch den Betroffenen selbst oder durch den Vermieter. Letzteres ist an sich schon bedenklich. Was heißt das nun?
Erstens. Die GEZ wird zur zentralen Meldebehörde. Von den dezentralen Einwohnermeldeämtern unterscheidet sie sich insofern, als in den kommunalen Ämtern nur die Adressen gespeichert werden, bei der GEZ künftig jedoch die konkrete Wohnung.
Zweitens. Nach und nach entsteht so ein zentralisiertes Wohnungsregister, in welchem erfasst wird, wer mit wem zusammen in einer Wohnung wohnt, wer mit wem zusammenzieht und wer aus welcher Wohnung auszieht; und mit Verlaub, meine Damen und Herren: Dies ist datenschutzrechtlich alles andere als banal. So etwas gab es bisher einfach nicht.
Wir als LINKE sind den Bürgerrechten verpflichtet und sehen hierbei dringenden Korrekturbedarf. Das geht nicht nur uns so, deshalb haben wir heute eine Premiere. Wir schlagen Ihnen als Entschließungsantrag das vor, was diesbezüglich die Parteien im Landtag Baden-Württemberg einstimmig beschlossen haben. An unseren beiden Entschließungsanträgen erkennen Sie unsere konstruktive Haltung. Ihre Annahme würde die Sache deutlich verbessern.
Den vorliegenden Staatsvertrag selbst werden wir als LINKE ablehnen. Die Gründe dafür habe ich ausgeführt. Gleichwohl werden wir immer für den Erhalt und die solide Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eintreten.
Sehr geehrter Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte heute für die SPD-Fraktion sagen, dass wir diesen Systemwechsel – weg von der gerätebezogenen Gebühr, hin zu einer geräteunabhängigen Haushalts- bzw. Wohnungs- und Betriebsstättenabgabe – grundsätzlich begrüßen. Die Zustimmung, die wir dieser Änderung, diesem Systemwechsel geben werden, soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir Schwächen im Detail sehen, auf die ich gern eingehen möchte. Das heißt, obwohl die neue Regelung zeitgemäß und aus unserer Sicht unbürokratisch
Dies beginnt ganz speziell im Bereich des Datenschutzes bei Stichworten wie Adresshandel, Drittbescheinigungen und Direkterhebungen. Dies sind Punkte, über die bereits hier im Plenum intensiv diskutiert wurde. Außerdem ist für uns auch die Beteiligung der Wirtschaft logisch inkonsistent. Es wurde eben vom Kollegen Neubert angesprochen, dass gerade die überproportional starke Belastung von Klein- und mittleren Unternehmen speziell für die sächsische bzw. die Wirtschaft in Mitteldeutschland im Vergleich zu Großunternehmen eher nachteilig ist, und was wirklich sehr unverständlich ist: Die Nutzung bzw. Hinzuziehung von Kraftfahrzeugen in die Betriebsstättenabgabe verstehen wir nicht. Entsprechend werden wir gemeinsam mit der Fraktion BÜNDNIS 90/
Es ist nun schon sehr viel zu den Details gesagt worden. Gestatten Sie mir dennoch zwei Punkte, die am Rande auch mit diesem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu tun haben. Ich würde mich zum einen gern auf die Diskussion der letzten Tage beziehen. Es geht um die Problematik der Kleingärtner, die zum Glück einer Lösung zugeführt wurde.
Man muss sich nun genau anschauen, wie der Freistaat Sachsen und hierzu speziell Herr Staatsminister
Dr. Beermann an dieser Stelle agiert hat. Wir haben vergangene Woche im Ausschuss darüber diskutiert. Wie Sie Seite 9 der Beschlussempfehlung entnehmen können, wurde die Diskussion vom Herrn Staatsminister mit der Bemerkung abgebügelt: Das sollen dann die Gerichte klären.
Ich denke, das steht einem Medienkoordinator der Bundes-CDU nicht gut zu Gesicht. Ich finde, ein Medienkoordinator, dem die richtigen Koordinaten fehlen, der sich um Dinge kümmert, die ihn nichts angehen – wie wir zum Beispiel beim Thema MDR der Presse entnehmen konnten –, und sich nicht um das kümmert, was die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen angeht, ist kein Medienkoordinator. Das finde ich schade.
Insofern bin ich froh, dass die Ministerpräsidentin des Landes Thüringen, Frau Lieberknecht, für den Medienkoordinator der CDU die Kohlen aus dem Feuer geholt hat und wir für die Zukunft eine Regelung haben werden, die der Situation der ostdeutschen Kleingärtner angemessen ist.
Ein zweiter Punkt zur Haltung der Fraktion DIE LINKE. Mir ist es unverständlich, wie hier argumentiert wird, und zwar grundsätzlich einen Systemwechsel zu begrüßen, dann aber Beispiele zu bringen, die mit der Realität in Sachsen nichts zu tun haben oder höchstens aus dem Slogan „Reichtum für alle!“ abgeleitet sind. Dann doch einen Bezug zu finden ist schwierig.
Es ist bekannt, dass die Erhebung einer Haushaltsabgabe oder einer Pro-Kopf-Abgabe durch die Finanzämter
Es ist bedauerlich, dass die Fraktion DIE LINKE diesem Systemwechsel, der in der Tat in Deutschland ein Novum darstellt, nicht zustimmen kann. Selbst die FDP-Fraktion, die an dieser Stelle auch andere Vorstellungen hatte, konnte sich dazu durchringen.
Lassen Sie mich abschließend noch sagen, dass wir dem Systemwechsel trotz der Detailprobleme zustimmen und auch in Zukunft wachsam sein werden, was den Bereich des Datenschutzes angeht. Wir werden die Entwicklung der nächsten Jahre nicht unkommentiert lassen, wenn es nötig sein sollte.
Zum Abschluss noch eines: Herr Beermann, wenn Sie sich in Zukunft stärker auf den Medienbereich konzentrieren, dann könnte Sachsen in diesem wichtigen Bereich in der Bundesrepublik wieder mehr Einfluss gewinnen. Das wäre schön für uns alle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Normalerweise schlagen die Wogen immer ziemlich hoch, wenn im Plenum über einen Rundfunkänderungsstaatsvertrag diskutiert wird. Das ist heute nicht der Fall und liegt vielleicht daran, dass wir uns in diesem Plenum schon häufiger mit dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag beschäftigt haben.