Protokoll der Sitzung vom 23.11.2011

Da Herr Heidan keine Zwischenfrage zugelassen hat, mache ich es auf diese Art und Weise.

(Christian Piwarz, CDU: Unzulässig!)

Zum einen, Herr Heidan: Die Berufsakademie ist keine Weiterbildungsstätte, sondern eine grundständige Studieneinrichtung; das dürfte Ihnen bekannt sein. Sie haben damit nichts zur Weiterbildung gesagt.

Zweitens: Ich bitte Sie und Ihre Kollegen von der FDP dringend zu prüfen, was vollzeitschulische Ausbildungen sind. Die Erzieherinnenausbildung und die Ausbildung zur Pflegefachkraft sind vollzeitschulische Ausbildungen.

(Christian Piwarz, CDU: Das Schlusswort hatte Herr Heidan!)

Es sind staatlich anerkannte Ausbildungen, die bereits zu 75 % in privaten Einrichtungen stattfinden; das habe ich in diesem Hause mehrfach gesagt. Erkennen Sie endlich die vollzeitschulischen Ausbildungen als vollqualifizierende Ausbildungen an! Diffamieren Sie nicht die Jugendlichen, die dort ausgebildet werden!

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich habe einen Fehler gemacht. Normalerweise ist es nicht möglich, nach dem Schlusswort einer Debatte noch einmal zu sprechen. Da es jetzt aber passiert ist, gebe ich Herrn Heidan die Gelegenheit, darauf zu antworten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Dr. Stange, wenn ich mich recht erinnere, waren Sie bis 2009 verantwortliche Ministerin. Sie hätten genau diesen Punkt erreichen können, wenn Sie damals bezüglich der Berufsakademien zu dieser Erkenntnis gekommen wären. Genau das ist doch der Punkt: dass dort das Potenzial für die duale Ausbildung steht – auch im studentischen Bereich. Von daher kann ich Ihre Ausführungen nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich lasse jetzt über die Drucksache 5/7467 abstimmen. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und keinen Gegenstimmen ist der Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

Meine Damen und Herren, dieser Tagesordnung ist damit beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Niedriglöhne bekämpfen – Bundesratsinitiative

für gesetzlichen Mindestlohn ergreifen

Drucksache 5/7429, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Auch hier können Sie wieder Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion. Danach folgen CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun der Linksfraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu unserem Antrag zum Mindestlohn – Herrn Krauß wird es freuen, dass wir noch einmal darüber diskutieren dürfen, mich freut es genauso, mein Gruß zurück –: Die CDU hat verstanden. Die CDU hat

sich zumindest über Mindestlohn unterhalten, auch wenn sie es noch klammheimlich „Lohnuntergrenze“ nennt, aber: Das kommt noch; Herr Sommer vom DGB ist ganz zuversichtlich, dass es gelingen wird.

Warum wollen wir uns hier noch einmal zum Mindestlohn unterhalten? Ich denke, Mindestlohn ist kein Thema, das man kurz vor dem Bundesparteitag so lax zum Thema machen kann, wenn man jahrelang die politische Diskussion darum gescheut oder es bekämpft hat. Deshalb muss

hier noch einmal klar gesagt werden: Die Mindestlohndebatte ist eine urlinke Debatte. DIE LINKE hat die Debatte in die gesellschaftliche Diskussion gebracht.

(Zuruf von der CDU)

Das war im Zusammenwirken – als europäisches Thema sozusagen. Viele europäische Länder haben im Verlauf der letzten zehn bis 15 Jahre Mindestlöhne eingeführt. In diese Diskussion sind seit vielen Jahren die Gewerkschaften involviert. Die SPD und die GRÜNEN sind seit Jahren dabei, das Thema zu diskutieren und es im gesellschaftlichen Kontext zu unterstützen.

(Christian Piwarz, CDU: Haben Sie etwa Angst, dass wir Ihnen das Thema wegnehmen? – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Herr Piwarz, es nimmt keiner jemandem ein Thema weg. Es ist toll, dass es im politischen Leben kein Copyright gibt. Das ist vollkommen in Ordnung. Deswegen werbe ich für die Unterstützung unseres Antrages. Wir sind dem Ansinnen von Herrn Heidan entgegengekommen, Ihren Antrag zu unterstützen. Wir wollen Folgendes zur guten Tradition werden lassen: wenn sinnvolle politische Vorschläge gemacht werden, diese in diesem Hohen Hause gemeinsam zu verabschieden.

(Torsten Herbst, FDP: Sinnvoll! – Christian Piwarz, CDU: Oder haben Sie sich etwa das falsche Thema ausgesucht?)

Es ist das richtige Thema.

Der Mindestlohn ist nicht nur ein Wahlkampfthema, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit in veränderten gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen. Es ist eine soziale Frage. In Sachsen erhalten 31 000 Vollzeitbeschäftigte – bei 40 Stunden Arbeit pro Woche – aufstockende, ergänzende SGB-II-Leistungen. Es sind 118 000 insgesamt, von denen 31 000 in Vollzeit und die anderen in Teilzeit beschäftigt sind.

Das ist eine soziale Frage. Dieser muss man sich nähern. Sie müssen einfach einmal springen. Sie haben versucht, dies zu tun, auch wenn das Ergebnis noch ein wenig kläglich ist.

In Sachsen arbeiten 20 % für ein Einkommen unter 7,50 Euro pro Stunde. Das bedeutet: trotz Arbeit arm zu sein. Das ist sozial nicht hinnehmbar. Es ist außerdem für den sozialen Frieden nicht sinnvoll, das weiter in dieser Weise zu ertragen.

Es werden vor allen Dingen gesellschaftliche Kosten ungerecht in der Gesellschaft verteilt. Das ist die andere Seite. Hier gibt es Bestrebungen. Das hat die innerdeutsche Diskussion mit ausgelöst. Beispielsweise wird der Callcenter-Verband nun selbst aktiv. Er will als Arbeitgeberverband mit den Gewerkschaften in Verhandlungen treten.

Das hat Auswirkungen; das sehen die bayerischen Unternehmer. Deswegen ist Herr Seehofer der ganzen Diskussion auch nicht mehr so abgeneigt. Es schützt die Bran

chen vor Dumpinglöhnen, wenn man eine Lohnuntergrenze einführt. Ich kann die Qualität der Branchen erhalten und die gesamte Branche nicht durch Dumpinganbieter und Qualitätsvermieser in Misskredit bringen. Für die Arbeitgeber hat es außerdem eine sinnvolle Seite.

Das haben Sie erkannt. Deswegen haben Sie auf bundesweiter Ebene darüber diskutiert. Deshalb wollen wir Sie auffordern, mit dieser Diskussion eine sächsische Initiative zu initiieren, um das Thema weiter voran- und zu einem guten Abschluss zu bringen.

Was steckt dahinter? Die CDU muss umlernen und umdenken. Sie muss die Erkenntnisse anerkennen, die besagen, dass die jahrelang in Sachsen gefahrene Strategie, der Niedriglohn würde einen Standortvorteil bedeuten, eben nicht richtig ist. Niedriglohn ist vielmehr ein Standortnachteil. Er war und ist falsch.

Andere Instrumente wie Leerverkäufe, sinnlose Spekulationen, Spekulationen gegen Währungen und CrossBorder-Leasing-Geschäfte sind falsche Modelle. Sie sind als falsch anerkannt. In dieser Welt diskutiert sie keiner mehr als positiv.

Sie haben mit dem Verweis auf den Niedriglohn als Standortvorteil denselben geistigen Vater: den Neoliberalismus. Deswegen gehören sie als Verfehlung in der gesellschaftlichen Analyse auf den Müllhaufen der Geschichte. Dem werden Sie sich nicht mehr verschließen können.

Unsere Forderung lautet: Unterstützen Sie unseren Antrag für eine Bundesratsinitiative durch Sachsen. Die Regierung soll sich auf Bundesebene dafür einsetzen, Länder wie Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern zu unterstützen. Von der Thüringischen Ministerpräsidentin gibt es eine Aussage, dass sie die Mindestlohndebatte als eine notwendige Debatte ansieht. Die große Koalition aus CDU und SPD in Mecklenburg-Vorpommern hat sich – frisch unterschrieben – dafür ausgesprochen, sich für den Mindestlohn einzusetzen. Unsere Initiative soll sie nur darin bestärken, ihr Initiativrecht im Bundesrat zu ergreifen und für den Mindestlohn einzutreten und diesen umzusetzen.

Nun komme ich zu Ihrer getroffenen Entscheidung, die Sie in der CDU diskutieren: Ihr Vorschlag ist nur ein Angebot an die Verpflichtung der Unwilligen. Wenn ich nicht alle Branchen in das Modell einbeziehen und Tarifverträge außen vor lassen will, die unter einem sinnvollen Mindestlohn liegen, sowie Tarifpartner, die Tarifverträge jenseits eines diskutierten Mindestlohnes abgeschlossen haben, ausschließe, bleibt nur ein Rest von denen übrig, die bis jetzt unwillig waren, Verträge zu schließen. Wie will die Kanzlerin und Sie als CDU die Unwilligen an den Tisch bekommen, um zu verhandeln? Die Macht haben Sie nicht, sie zu zwingen zu verhandeln.

Es ist ein Placebo, welches Sie versucht haben, auf den Weg zu bringen. Davon müssen Sie ein Stück abrücken. Dann werden wir uns zum Mindestlohn noch einmal

vernünftig unterhalten. Versuchen Sie es über eine Bundesratsinitiative, dann können Sie etwas dazu beitragen!

Es ist ein uraltes Thema. Erinnern wir uns an das Jahr 1964. In diesem Jahr hat Deutschland die Europäische Sozialcharta unterschrieben. Deutschland hat sich darin verpflichtet und anerkannt, dass 60 % des durchschnittlichen Nettoverdienstes eine Lohnuntergrenze darstellen sollen. Das ist bis heute in Deutschland nicht umgesetzt worden.

Tun Sie etwas dafür! Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach der Abg. Kind. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Abg. Krauß.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer den ganzen Tag arbeitet, muss davon leben können. Das ist für uns ein wichtiges Thema. Im Freistaat Sachsen gibt es 31 000 Menschen, die in Vollzeit arbeiten – ich meine nicht Alleinerziehende mit drei Kindern, die wegen der Kinder kein auskömmliches Geld haben. Es ist wichtig, dass sie das Geld nicht vom Amt abholen müssen, sondern dass sie von ihrer Arbeit leben können.

Wir wissen, dass manche Löhne bei uns zu niedrig sind. Das hat nichts mit der Produktivität zu tun. Eine Friseurin, die in Sachsen arbeitet, kann genauso viele Köpfe schneiden wie eine Friseurin, die meinetwegen in Schleswig-Holstein arbeitet. Das ist keine Frage der Produktivität, sondern mitunter einer miesen Bezahlung.

Es gibt Arbeitgeber, die besser bezahlen könnten. Wir haben insgesamt mehr als eine Million Arbeitsverhältnisse in Deutschland, in denen die Menschen weniger als fünf Euro die Stunde verdienen. Dieser Lohn macht es schwer, über die Runden zu kommen. Solche Armutslöhne sind nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN)