Protokoll der Sitzung vom 23.11.2011

(Beifall des Abg. Martin Dulig, SPD)

Aber das, was Sie als CDU getan haben, ist, den Menschen zu verkaufen, Sie würden einen Mindestlohn einführen – der aber faktisch keiner ist. Das, was Sie auf Ihrem Parteitag beschlossen haben, ist nichts anderes als das, was es jetzt schon gesetzlich gibt. Sie können bereits jetzt diese Möglichkeit im Rahmen des Mindestarbeitsentgeltes in den Branchen regeln, nämlich im Rahmen des Mindestarbeitsbedingungengesetzes.

(Alexander Krauß, CDU: Wir haben uns auch für einen einheitlichen Mindestlohn ausgesprochen!)

Diese Möglichkeit gibt es bereits. Tun Sie doch nicht so, als ob Sie, wenn Sie von Mindestlohn reden, den Mindestlohn meinen, den LINKE, GRÜNE, SPD und die Gewerkschaften darunter verstehen. Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge.

Vor allem sollten Sie einmal über ein, zwei Dinge nachdenken: Wenn Sie schon einen Mindestlohn einführen wollen, der – das habe ich Ihnen gerade erläutert – kein tatsächlicher Mindestlohn ist, und sagen, Sie brauchen eine Untergrenze und wollen, wie Kollege Krauß ausgeführt hat, den Menschen ein Signal geben, damit sie von ihrer Arbeit leben können, dann müssen Sie mir einmal erklären, warum Sie nicht zum Beispiel die Löhne in der Leiharbeits- bzw. Zeitarbeitsbranche zum Maßstab genommen haben und warum Sie unterhalb dieses Niveaus gehen wollen; denn wenn es so ist, dass Sie die Würde für die Menschen entdeckt haben, die von ihrer Arbeit leben müssen, dann würde mich einmal interessieren, wieso Sie mit Ihrem jetzigen Beschluss unter das Existenzminimum gehen. Das, was bei Ihnen rechnerisch herauskommt, ist weniger als 940 Euro im Monat und damit unterhalb des Existenzminimums. Ist das Ihre Vorstellung von menschenwürdigem Arbeiten und Leben?

Ich denke, dass es notwendig ist, auch von dieser Stelle den Menschen im Lande zu sagen, was Sie im Moment eigentlich wirklich tun. Sie mogeln sich um einen notwendigen gesellschaftspolitischen Schritt herum, und die Mehrheit der Menschen – 82 % der Befragten – sagt: Wir wollen einen flächendeckenden, einheitlichen Mindestlohn, von dem man auch leben kann, und verweist auch auf Mindestlöhne europäischer Nachbarstaaten. Frankreich hat gerade den Mindestlohn auf 9,19 Euro angehoben.

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Sie versuchen nun, ein Thema zu besetzen, das die SPD aber bereits seit Jahren fordert, und es gibt immer wieder schöne Zitate, die ganz gut passen. Damit möchte ich Sie jetzt allerdings mit Blick auf meine Redezeit verschonen;

(Torsten Herbst, FDP: Uiuiui!)

denn wenn man sich anschaut, wie Sie seit 2000 mit dem Thema Mindestlohn umgegangen sind, dann wird einem schon angst und bange. Was ich Ihnen aber nicht vorenthalten will, ist ein Zitat Ihres Generalsekretärs in Sachsen. Dieser hat sich nämlich noch im November dieses Jahres vehement gegen den Mindestlohn ausgesprochen.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Die Diskussion kommt zur Unzeit. Die Demografie und der Fachkräftemangel werden die Arbeitnehmerseite stärken. Außerdem gibt es in Deutschland die niedrigste Arbeitslosigkeit seit Jahren. Warum sollen diese Instrumente jetzt eingeführt werden? Andere Länder haben viel schlechtere Situationen. Wir brauchen keinen Mindestlohn.

(Torsten Herbst, FDP: Recht hat er!)

Einige Tage darauf ist er der Kanzlerin hinterhergedackelt, und dann war es alles anders. – Ich habe ein Zeichen bekommen. – Deshalb ist es wichtig – allein mit dem Blick auf unsere Redezeit; aber wir arbeiten daran –, dass wir in der nächsten Legislaturperiode ähnliche Redezeiten wie die CDU haben und uns solchen Themen länger nähern können.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei den Fraktionen)

Daher will ich Ihnen sagen: Die Menschen sind nicht so dumm, wie Sie sie verkaufen wollen, und ich denke auch, dass es vielen klar wird, wo der Unterschied zwischen dem liegt, was wir als SPD fordern, und dem, was Sie anbieten. Wir wollen kein Plagiat, kein Placebo, sondern wir wollen einen Mindestlohn, von dem die Menschen leben können. Deshalb brauchen wir eine Bundesratsinitiative, und deshalb ist der Antrag richtig und wir stimmen ihm zu.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Herr Brangs sprach gerade für die SPD-Fraktion. – Als Nächstes spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Herbst.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun kommt ja doch noch etwas Spannung zu so später Stunde ins Plenum.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Lieber Herr Brangs, bezüglich der Redezeiten möchte ich einmal Folgendes feststellen: Träumen darf jeder. Das tun

Sie ja schon seit Jahren in Sachsen; aber Ihre Träume werden nie Realität.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Wenn ich die Debatte, die wir hier geführt haben, betrachte, dann bin ich richtig froh, und zwar darüber, dass ich Mitglied der FDP bin, die sich über eines klar ist: Lohnfindung darf nicht zum Spielball der Politik werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Es mag ja sein, dass sich der eine oder andere dabei etwas im Unklaren ist. Manchmal passiert das auch den Berliner Kollegen. Wir haben auf unserem Landesparteitag dagegen einen ganz klaren Beschluss gefällt, der feststellt: Wir sind gegen gesetzliche Mindestlöhne – ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Wissen Sie, wenn man sich den sächsischen Arbeitsmarkt anschaut, der bisher nicht mit einem gesetzlichen Mindestlohn versehen ist, dann wird man einige Aspekte feststellen. Man wird feststellen, dass in Sachsen die Arbeitslosenquote im bundesweiten Vergleich im fünften Monat in Folge am stärksten gesunken ist. Man wird feststellen, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr um 25 000 Menschen angestiegen ist. Man wird feststellen, dass die Zahl der offenen Stellen – nur jene, die bei der Arbeitsagentur gemeldet sind – um 23 % gegenüber dem Vorjahr zugenommen hat. Das alles, meine Damen und Herren, ist keiner staatlichen Lohnfestsetzung zu verdanken, sondern dem Erfolg der sozialen Marktwirtschaft, und diese wollen wir mit Mindestlöhnen nicht gefährden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Zurufe von den LINKEN)

Insbesondere, da ich gerade die Zwischenrufe von den LINKEN höre: Können Sie sich vorstellen, wie Löhne am Markt eigentlich entstehen?

(Zurufe von den LINKEN)

Wenn ich mir einige Biografien von Ihnen anschaue, dann können Sie das natürlich nicht wissen. Dafür muss man erst einmal in der Wirtschaft arbeiten. Aber um es Ihnen zu erklären: Ein Unternehmer schafft dann einen Arbeitsplatz, wenn er damit nicht nur seine Kosten decken will, sondern auch einen Gewinn erzielen möchte.

(Zurufe der Abg. Christian Piwarz, CDU, und Thomas Kind, DIE LINKE)

Klar, bei Ihnen, bei den LINKEN, muss man sich dafür entschuldigen, wenn man einen Gewinn erzielt, und schon der Bäcker an der Ecke ist für Sie wahrscheinlich ein Kasino-Kapitalist. Aber genau dieser Bäcker sorgt dafür, dass der Sozialstaat überhaupt funktionieren kann, meine

Damen und Herren. Das haben Sie bis heute nicht begriffen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Wie entsteht ein Lohn am Arbeitsmarkt? Natürlich durch Angebot und Nachfrage, und es gibt so etwas wie Vertragsfreiheit, einer der Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft. Nun können wir uns einmal die Frage stellen: Was passiert, wenn wir einen staatlichen gesetzlichen Mindestlohn einführen, der von Rügen bis – sagen wir – Konstanz gilt? Es gibt zwei Möglichkeiten: Wenn dieser Mindestlohn über der Rentabilität eines Arbeitsplatzes liegt, dann wird dieser Arbeitsplatz verschwinden, oder er wandert in die Schwarzarbeit. Nun frage ich Sie: Was ist daran sozial, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der FDP)

Dann gibt es die andere Möglichkeit – auch darauf hat der CDU-Generalsekretär hier in Sachsen hingewiesen: Wenn der Mindestlohn unter dem Marktlohn liegt, dann ist er wirkungslos.

Einige schauen immer nach England, den USA und sagen: Mensch, das sind ja kapitalistische Länder, und die haben ja auch einen Mindestlohn. Schauen Sie sich doch einmal in Europa um. Ich denke dabei an Länder wie Finnland, die Schweiz, Österreich, Dänemark und Schweden. Haben diese Länder einen Mindestlohn? Nein, haben sie nicht, und sie sind deshalb keine asozialen Länder, meine Damen und Herren. Ich glaube, den Arbeitnehmern geht es in diesen Ländern gar nicht so schlecht.

(Beifall bei der FDP)

Wenn man mit den Mindestlöhnen in den USA und in England argumentiert, dann darf man sich natürlich nicht nur die Rosinen aus dem Arbeitsmarkt und dem Sozialsystem herauspicken.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Mindestlöhne sind keine Rosinen!)

Ich möchte einmal sehen, welche Meinung Sie vertreten, wenn wir in Deutschland beispielsweise das englische Sozialsystem einführen würden. Ich habe in England gelebt und weiß, was das bedeutet. Ich sage Ihnen ganz klar: Ich will das nicht!

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Oder, meine Damen und Herren, weil Frankreich als tolles Beispiel bemüht wurde: Ist die französische Wirtschaft ein Paradebeispiel dafür, wie gut es den Menschen geht? Wenn ich mir die Jugendarbeitslosigkeit anschaue, stelle ich fest: Sie beträgt 23,5 %. Und wenn Sie Mindestlöhne und 23,5 % Jugendarbeitslosigkeit wollen, dann können Sie damit gern in den Wahlkampf ziehen. Wir wollen das nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Enrico Stange, DIE LINKE: Das ist volkswirtschaftliche Klippschule, was Sie hier machen!)

Na ja, ich habe ja wenigstens etwas studiert, was mit Wirtschaft zu tun hat. Das haben nicht alle.

(Thomas Kind, DIE LINKE: Ohne Erfolg, Herr Herbst! – Lachen bei den LINKEN)