Protokoll der Sitzung vom 23.11.2011

Ein zweiter Punkt: Seit Jahren fordern wir als LINKE die Wiedereinführung der staatlichen Preisgenehmigungspflicht, die mit der Schröder-Regierung 2005 abgeschafft worden ist.

(Frank Heidan, CDU, tritt an ein Saalmikrofon.)

Frau Dr. Runge, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke. – Ich beharre darauf, dass in einer Übergangsphase, in der aufgrund der großen Investitionen in den Netzausbau und in Speichermöglichkeiten in den nächsten zehn Jahren weitere Preissteigerungen anfallen werden, die staatliche Preisgenehmigungspflicht wieder eingeführt wird.

(Thomas Jurk, SPD, tritt an ein Saalmikrofon.)

Frau Dr. Runge, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Jurk?

Nein. – Ich weiß, dass Herr Jurk damals im Bundesrat nicht unbedingt dafür war, diese staatliche Preisgenehmigungspflicht abzuschaffen.

(Thomas Jurk, SPD: Das war nicht die Antwort auf meine Frage.)

Ein dritter Punkt: Ich sehe es durchaus positiv, dass im Energie- und Klimaprogramm steht, dass vonseiten der Sächsischen Staatsregierung eine Initiative auf den Weg gebracht werden sollte, um tatsächlich die höheren Netzentgelte, die im Osten Deutschlands anfallen,

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

nicht nur regional auf die Preise umzuschlagen, sondern einen bundesweiten Ausgleich zu erreichen.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das würde ich unterstützen. Ich fordere Sie ausdrücklich auf, im Bundesrat diese Initiative zu unternehmen. Dabei haben Sie unsere Unterstützung.

Ein vierter Punkt: Herr Hauschild, wenn Sie hier von Marktwirtschaft im Bereich der Energiewirtschaft ideologisch phantasieren, dann kommen mir weiß Gott die Tränen. Haben wir es tatsächlich mit einem marktwirtschaftlichen Wettbewerb im Energiesektor Deutschlands oder Frankreichs zu tun? Doch eher nicht. Ganz im Gegenteil. Die Wettbewerbsbehörde in Brüssel hat x-mal in Verfahren nachgewiesen, dass wir im Energiesektor vier Monopolisten haben.

Frau Dr. Runge, bitte kommen Sie zum Schluss.

Solange das nicht aufgebrochen wird, werden wir auch keinen marktwirtschaftlichen Wettbewerb im Energiesektor haben.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den

GRÜNEN – Alexander Krauß, CDU:

Wollen Sie marktwirtschaftlichen

Wettbewerb oder Einheitspreise?

Wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort; Herr Jurk für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Debattentitel verspricht uns eine bezahlbare, sichere und umweltschonende Energieversorgung. Sicher sind das Themen, die breit diskutiert werden sollten. Ob die Aktuelle Debatte dafür heute die Zeit bietet, die wir brauchen würden, wage ich zu bezweifeln, aber ich möchte schon einmal nachfragen: Was verstehen wir eigentlich unter bezahlbarer Energie?

Ist bezahlbar, wenn man zum Beispiel für 0,90 Euro pro Liter Heizöl kauft? Ist es bei Dieselkraftstoff der Preis von 1,489 Euro, wie er teilweise schon an den Tankstellen gezahlt werden musste? Sind es beim Strom 25 oder 30 Cent pro Kilowattstunde im Arbeitspreis? Diese Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird nicht beantwortet, auch nicht durch die heutige Debatte. Wir müssen sie uns aber stellen. Liebe Monika Runge, es wird uns nicht unbedingt helfen, wenn wir für einen begrenzten Kundenkreis eine Strompreisgenehmigung schaffen. Sie galt auch damals durch die BTO Elt lediglich für einen sehr kleinen Anteil von Stromkunden. Deshalb muss man schon fragen: Muss man sie ausweiten? Wie soll sie gestaltet sein? Das ist ein schwieriger Prozess.

Nichtsdestotrotz müssen wir uns im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger Gedanken darüber machen. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir uns schon einmal die Frage stellen: Wie wollen wir die Energiewende zum Gelingen bringen? Momentan sehe ich, dass man eher Ängste schürt und Furcht hat: Was kommt da auf uns zu? Wird alles teurer? Können wir uns im Winter eigentlich noch ausreichend mit Energie versorgen? Gibt es vielleicht kalte Wohnungen – bis hin zu der Frage: Können/wollen wir genügend für Umwelt- und Klimaschutz tun?

Woran es mir mangelt, ist, dass wir die Menschen dafür begeistern. Sie waren offensichtlich bereit, die Atomenergie abschaffen zu wollen. Die Macht derjenigen, die bei den letzten Ereignissen demonstriert haben, war relativ stark. Das heißt, die Menschen waren emotional auf das Thema eingestellt. Ich wünsche mir heute, dass die Menschen mitgenommen werden, auch für die Energiewende, dass sie keine Ängste und Furcht haben, sondern dass sie Lust am Gelingen dieser Energiewende verspüren und für sich sagen: Wir haben einen Nutzen von der

Energiewende – einen Nutzen übrigens auch für unsere zukünftigen Generationen dadurch, dass wir unsere Umwelt und unser Klima schonen.

(Beifall der Abg. Stefan Brangs und Martin Dulig, SPD)

Ich habe nicht vermutet, dass wir heute das Energie- und Klimaprogramm der Staatsregierung diskutieren. Insofern hat man vonseiten der Koalitionsfraktionen auch nicht gewagt, dies so stark zu kommunizieren. Es fehlt natürlich vieles. Ich möchte überhaupt nicht unterstellen, dass die fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – ob im Umweltministerium, im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie oder im Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – viele Fakten zusammengetragen und analysiert haben. Aber es fehlen ganz klar die Ziele, die sich der Freistaat Sachsen stellt; und wenn Ziele benannt werden, bleiben sie hinter denen der Bundesregierung zurück. Das muss deutlich gesagt werden. Es fehlen auch konkrete Umsetzungsschritte. Dabei hilft nicht der Verweis auf eine in Zukunft noch zu erstellende Fortschreibung des bereits damals zwischen CDU und SPD vereinbarten Aktionsplanes Klima und Energie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht um ganz konkrete Initiativen, die gerade in jüngster Zeit dringend notwendig sind. Herr Staatsminister, es ist gut, dass Sie meine damalige Idee eines Energiebeirates nach zweijähriger Unterbrechung wieder aufgegriffen haben. Wir haben sehr, sehr viele Fachleute und sehr viele Kapazitäten und Kompetenzen in unserem Land, die Sie dort teilweise versammelt haben. Aber was mir fehlt, ist der Ansatz von Bottom-Up – und nicht Top-down. Das heißt, die Energiewende muss von unten her getragen und erfolgreich sein.

Ich hätte mir vorgestellt, dass wir Regionalkonferenzen durchführen, zum Beispiel auf der Ebene der regionalen Planungsverbände. Also denke ich, dass die Landräte, die Bürgermeister, die Handwerker und Gewerbetreibenden, die Industrie, die SAENA und viele Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden sollten, indem man sich vor Ort darüber unterhält: Welche konkreten Ziele haben wir?

Gerade bei der Frage des Ausbaues der Windenergie haben Sie fast schon eine kleine Revolution veranstaltet, wenn ich das einmal sagen darf. Nach all den Jahren der Ver- und Behinderung heißt das Ausbauziel: statt 0,2 nun 0,5 % der Landesfläche. Das wird natürlich breite Diskussionen geben. Ich sage aber auch: Es gibt viele Bundesländer, zugegebenermaßen bevölkerungsschwächer und vielleicht von der Siedlungsstruktur und der Umwelt her anders gestrickt, wie Schleswig-Holstein mit 1,5 %; Thüringen, unser Nachbarland, vielleicht siedlungsstrukturell sogar vergleichbar: 1 %. Damit bleiben wir mit 0,5 %, die vielleicht noch hart erkämpft werden müssen, massiv hinter den Ausbauzielen zurück.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Ja, genau!)

Mir geht es auch um Ehrlichkeit in der Debatte. Frau Kollegin Dr. Runge hat völlig zu Recht darauf hingewiesen: Natürlich ist der Netzausbau eines der Problemkinder und einer der Kostentreiber, die vor uns stehen. Aber es ist kein guter Einstieg, wenn man genau das betreibt, was Frau Runge dargestellt hat: Die energieintensive Industrie wird – vorgegebenermaßen kommt dann das Argument der Wettbewerbsfähigkeit – entlastet und die anderen Verbraucher bezahlen es alle mit. Ich möchte nicht mit der falschen Rechnung der EEG-Umlage vom letzten Jahr in die Debatte einsteigen.

Herr Jurk, bitte zum Schluss kommen.

Eigentlich sollten die Menschen jetzt etwas zurückbekommen; aber es wird trotzdem teurer.

Herr Jurk, der letzte Satz, bitte

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, der marktwirtschaftliche Umbau der Energieversorgung auf der Grundlage von Gesetzen und Verordnungen genügt nicht. Deshalb brauchen wir vernetzte Strukturen und die Koordination staatlicher Vorgaben und privater Investitionen, da genau diese Prozesssteuerung mit der jetzigen Staatsregierung nicht stattfindet.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Dr. Monika Runge, DIE LINKE)

Herr Lichdi, nächster Redner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe gern zu, dass meine Fraktion dieses Thema zunächst auch zum Thema einer Aktuellen Debatte machen wollte, und dann ist uns die Koalition zuvorgekommen. Ich muss Ihnen schon bestätigen: Sie haben es wieder geschafft, das Thema in seiner Komplexität massiv zu unterfliegen.

Ich muss Ihnen sagen: Ich halte es eigentlich fast schon für eine Frechheit, dieses sogenannte Klima- und Energieprogramm vorzulegen. Ihre Staatsminister haben es zum Glück als Entwurf gekennzeichnet, und man mag deshalb vermuten: Vielleicht sollen daran noch Verbesserungen vorgenommen werden. Aber nach den Beiträgen der Redner der Koalition habe ich wenig Hoffnung. Herr Hauschild, das war wieder einmal eine veritable Drohung gegenüber den sächsischen Solarunternehmen, wenn Sie an der EEG-Umlage herumschrauben wollen. Der Versuch der Begründung war wieder mit den üblichen falschen Versatzstücken versehen, und Herr

von Breitenbuch, genau das ist eben der Grundfehler Ihrer Klima- und Energiepolitik: dass Sie glauben, Sie könnten

Klima- und Energiepolitik trennen. Das haben Sie noch einmal ausdrücklich gesagt.

Diese beiden Teile sind nicht trennbar, und ich wiederhole es gern: Eine moralisch verantwortliche Energiepolitik ist nur unter dem Vorzeichen eines wirksamen Klimaschutzes überhaupt noch vorstellbar, und, Herr von Breitenbuch, ich kann mir vorstellen, dass Sie die aktuellen wissenschaftlichen Ergebnisse einfach nicht verfolgen. Aber vielleicht ist Ihnen auch zu Ohren gekommen, dass der IPCC, also der UN-Weltklimarat, Anfang Oktober eine neue Studie herausgegeben hat, die beschreibt, wie die extremen Wetterereignisse weltweit weiter zuschlagen werden, und zwar in gehöriger Art und Weise: Die Wirbelstürme in der Karibik werden zunehmen, die Amerikaner werden ein Problem haben und natürlich werden die Inseln weiter untergehen. Die Gletscher wird es nicht mehr geben und die Arktis ist praktisch schon eisfrei – mittlerweile über mehrere Wochen hinweg. Dies alles sind unübersehbare Zeichen eines sich beschleunigenden Klimawandels. Wenn Sie sich dann hier herstellen und sagen: Das interessiert mich aber gar nicht, ich spreche hier von meinen alten Versatzstücken – „sicher“, „bezahlbar“ –, dann treffen Sie die Probleme nicht im Mindesten.

Was haben wir erlebt, seitdem die Bundesregierung bzw. der Deutsche Bundestag einen Ausstiegsplan aus der Atomenergie beschlossen hat? Ihre Regierung hatte nichts Eiligeres zu tun, als eine Renaissance der Braunkohle vorzunehmen. Der Herr Ministerpräsident hat es sich nicht nehmen lassen, in einer ganzen Abfolge von Konferenzen nun diesen Tod der Braunkohle wiederzubeleben und Wiederbeatmungsversuche zu machen. Darüber kann auch die Hochrangigkeit der Konferenzen, beispielsweise mit Herrn Nečas aus der Tschechischen Republik, nicht hinwegtäuschen.

Ich fand es sehr interessant, was Herr Løseth, der Chef des Vattenfall-Konzerns – vor zwei Monaten war es, glaube ich –, in Stockholm gesagt hat. Er hat in einem Interview gesagt: Wir müssen überlegen, ob wir nicht auch in Deutschland unsere Kohlenkraftwerke schließen oder abstoßen.

Natürlich wurde das in Deutschland gleich dementiert, und es wurde hier von den Medien auch nicht sehr weit aufgenommen. Aber wenn man sich ein wenig mit der Konzernstrategie von Vattenfall beschäftigt, dann wird es schon spannender. Vattenfall hat im Jahr 2010 für sich beschlossen – es ist ein schwedischer Konzern, der nicht nur in Deutschland tätig ist –, dass sie bis zum Jahr 2050 konzernweit CO2-frei produzieren wollen.

Jetzt muss man einmal schauen: Wie hoch sind die Konzernemissionen von Vattenfall? Sie liegen bei 90 Millionen Tonnen CO2-Emission konzernweit. Von diesen 90 Millionen sind ungefähr knapp 70 Millionen in Deutschland, und Vattenfall hat sich das Ziel gesetzt, sie bis zum Jahr 2020 um 30 % zu senken. Nun frage ich Sie: Glauben Sie allen Ernstes, dass Vattenfall davon absehen wird, wenn der CO2-Handel zuschlägt und sich die öffentliche Kritik mehren wird, in Ostdeutschland Koh

lenkraftwerke zu schließen? Wer das tatsächlich glaubt, der lügt sich in die Tasche und verkennt die Interessen, die der schwedische Staatskonzern Vattenfall hat.

Nein, meine Damen und Herren, das, was Sie hier als sogenanntes Klima-Energie-Programm vorlegen, ist nur das Dokument Ihres Starrsinns. Es ist nicht im Entferntesten geeignet, die Probleme der Klima- und Energiepolitik in Sachsen zu lösen. Deswegen kann ich Ihnen nur raten: Zerknüllen Sie das Ding und werfen Sie es in den Papierkorb.

Vielen Dank.