Protokoll der Sitzung vom 23.11.2011

Ich frage, ob ein Abgeordneter in der zweiten Runde noch das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall. Ich rufe eine dritte Runde auf. Herr Meyer, Sie hatten angekündigt, noch einmal das Wort ergreifen zu wollen.

Herr Präsident, das möchte ich gern tun. – Ich hatte bereits gesagt, dass wir in Sachsen eine gewisse Diskrepanz im Bereich Energie- und Klimapolitik im Verhältnis zur Technologiepolitik haben. Wir haben eine sehr ausgeprägte und erfolgreiche Technologiepolitik. Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien und der Umwelttechnik verzeichnen wir sehr gute Entwicklungen. Wir müssen es jedoch schaffen, dass wir den Nachholbedarf im Bereich der erneuerbaren Energien ummünzen können. Das heißt, dass wir die Erfolge in der Technologiepolitik in Sachsen in Wertschöpfung umsetzen können. Aus meiner Sicht lässt sich das ein Stück weit ausbauen.

Beim Energieprogramm, das einen Entwurf darstellt – deswegen, denke ich, kann man es ein Stück weit verbessern –, ist es wichtig, dass wir die Zielstellungen noch deutlicher machen, insbesondere in Bezug auf die Beschlüsse der Bundesregierung. Die Ziele sind nach oben gesetzt worden, aber wir müssen auch den Weg dahin deutlicher machen. Wir müssen also das Wie beantworten. Dafür sehe ich Bedarf sowohl im Bereich der Verteilungs- und Übertragungsnetze als auch im Bereich der Wärme- und Stromspeicher. Es muss deutlicher formuliert werden, wie wir diesen Weg realisieren können.

Andererseits müssen wir beantworten, welche Grundlagen und Rahmenbedingungen existieren. Zum Beispiel: Welcher konkrete Bedarf existiert beim Repowering oder bei Pumpspeichern? Ein Thema ist auch der Flächenbedarf. Das muss aus meiner Sicht in diesem Programm deutlicher werden.

Ich hatte bereits gesagt, dass mir persönlich die Energieeffizienz sehr wichtig ist. Die Formulierungen dazu sind aus meiner Sicht noch nicht ausreichend. Das muss konkretisiert werden. Wenn ich an den wichtigen Sektor der Unternehmen und des Verkehrs denke, ist es angesichts des steigenden logistischen Aufwandes, der sich deutschlandweit abzeichnet, wichtig, dass wir klare Signale geben, wie wir mehr Verkehr auf die Schiene bekommen. Nicht zuletzt müssen wir unsere Schienenwege besser ausnutzen.

Ich bitte die Staatsregierung, meine Äußerungen als konstruktiv-kritisch zu sehen. Wir werden die erfolgreiche Umsetzung unterstützen. Aber es ist wichtig, dass wir uns noch einmal damit auseinandersetzen und diese gute Grundlage, worüber sich viele fleißige Köpfe Gedanken gemacht haben, zu einer erfolgreichen Umsetzung führen. Das ist ganz entscheidend und das wollte ich noch einmal gesagt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Sven Morlok)

Bevor ich eine vierte Runde eröffne, frage ich, ob noch jemand von einer Fraktion, die noch nicht gesprochen hat, das Wort ergreifen möchte. – Das ist nicht der Fall. Damit eröffne ich eine vierte Runde. Herr von Breitenbuch für die CDU-Fraktion, bitte.

Herr Präsident! Werte Kollegin Frau Dr. Runge, Sie sprechen in der Aktuellen Runde die Netzentgelte an. So einfach können wir uns das nicht machen nach dem Motto: Da ist jetzt Groß gegen Klein, und jetzt werden die Großen bevorzugt und die Kleinen bezahlen es. Die Sache ist in sich komplexer.

Wir sind selbstverständlich keine Insel in Deutschland. Wir sind am Weltmarkt mit unseren Unternehmen, die dafür produzieren und dafür Wertschöpfung in unser Land holen. Wenn diese nicht mehr hier sind, weil die Strompreise nicht vergleichbar sind, sie wandern ab, und dann ist diese Wertschöpfung nicht mehr hier, und dann können wir uns diese Energiewende, die wir vorhaben und die teuer ist, nicht leisten. Es gibt andere Länder in der Welt und in Europa, die Energiepolitik ganz klar als Industriepolitik machen. Sie nutzen ihre niedrigen Strompreise, was wir auf keinen Fall außer Acht lassen können. Ich sage nicht, dass man nur auf eines achten soll. Wir müssen das Gesamte im Blick haben, und da sind mir aus Ihrer Sicht die Dinge zu simpel.

(Beifall bei der CDU)

Das Gleiche gilt für den Ausstiegspfad Kohle. Sie wollen Investitionssicherheit für die Unternehmen. Wenn Sie den Ausstiegspfad wollen, dann wollen Sie doch gar nicht, dass investiert wird. Dann läuft es wie bei der Atomkraft, wo nicht nachinvestiert worden ist und alle Meiler alt sind, und damit steigt man aus. Stattdessen wollen wir doch eine Verlässlichkeit. Uns ist doch allen in dieser Runde klar, dass wir auf keinen Fall gleichzeitig aus Kohle und Atomkraft aussteigen können. Der Ausstieg aus der Kernenergie in den nächsten zehn Jahren ist eine riesige Herausforderung für unser Land: Wer investiert? Wie wird die Technologie sein? Deswegen verstehe ich überhaupt nicht, dass Sie dies nicht in den Blick nehmen. Dafür wollte ich hier noch einmal eine Lanze brechen.

Wir stehen für sichere, für bezahlbare und umweltfreundliche Energie. Das ist eine komplexe Sache, da sind Interessenfelder auszugleichen. Politik ist dazu da, den Ordnungsrahmen zu setzen. Zur Schärfung dieses Blickes dient auch die heutige Debatte.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage die Fraktionen, ob es noch weitere Wortmeldungen in der vierten Runde gibt? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Morlok, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, dass wir heute diese Aktuelle Debatte führen können. Mit Recht wurde in dieser Debatte darauf hingewiesen, dass wir als Staatsregierung den Entwurf eines Energie- und Klimaprogramms vorgelegt haben. Das Vorlegen eines Entwurfes dient ja gerade dazu, dass man über den vorgelegten Entwurf mit allen Beteiligten in eine Diskussion kommen möchte, bevor man zum abschließenden Programm kommt.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit sehr herzlich beim Kollegen Kupfer und den Mitarbeitern seines Hauses für die gute Zusammenarbeit in der Erarbeitung dieses Energie- und Klimaprogramms bedanken.

Wenn wir über Energie- und Klimapolitik reden, sehr geehrte Damen und Herren, müssen wir widerstrebende Ziele zum Ausgleich bringen, ökologische, ökonomische und soziale Ziele. Zum Ausgleich bringen heißt aber auch, dass wir nicht alle Ziele zu 100 % erreichen können, sodass wir einen Ausgleich zwischen diesen Zielen finden müssen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten uns bei der Diskussion eine europäische Perspektive vornehmen. Das Thema CO2-Zertifikate ist ja hier schon angesprochen worden. Durch den Ausstieg aus der Atomenergie und den vermehrten Einsatz der fossilen Energieträger bei der Stromerzeugung wird nicht ein

Gramm mehr CO2 in Europa aufgrund des CO2-Handels emittiert, und durch einen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, sehr geehrte Frau Dr. Runge, würde auch nicht ein Gramm weniger emittiert werden. Das Einzige, was passiert: Beides hat Einfluss auf die Preise.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sollten uns auch darüber im Klaren sein, dass es bei den regenerativen Energien in Europa unterschiedliche Stärken und Schwächen gibt. Es gibt Regionen mit entsprechender Sonnenintensität und Sonnenscheindauer, es gibt Regionen mit entsprechenden Windintensitäten, und deswegen ist es sinnvoll, auch hier eine europäische Perspektive an den Tag zu legen.

Wir als Staatsregierung setzen auf eine Energiepolitik, die sicher, umweltgerecht und bezahlbar ist. Was sichere Energieversorgung im Strombereich bedeutet, nehmen wir in Deutschland gar nicht mehr so richtig wahr, weil der Strom sicher und verlässlich zur Verfügung steht. Ich war zusammen mit Kollegin Windisch und einer Unternehmerdelegation eine Woche in Indien. Wenn man in diesem Land ist, wird deutlich, dass sichere und verlässliche Energieversorgung tatsächlich ein wichtiges Argument ist.

Beim Thema Bezahlbarkeit meine ich schon bezahlbar für die Verbraucher, für die Haushalte, aber auch bezahlbar für die Unternehmen, weil natürlich Energiekosten, Stromkosten für Unternehmen ein Standortfaktor sind.

Wenn wir über energieintensive Unternehmen reden, sehr geehrte Damen und Herren, dann reden wir nicht nur über Alu- und Stahlhütten, sondern auch über Unternehmen wie zum Beispiel Zinntronik hier in Freiberg, in Sachsen, die Silizium für die Fotovoltaik herstellen. Wir reden über Unternehmen wie zum Beispiel SolarWorld, auch in Freiberg, das der größte Hersteller in Europa von entsprechenden Solaranlagen ist. Auch für sie sind Energiekosten eigentlich ihr Standortfaktor, und auch diese schaffen Arbeitsplätze im Freistaat Sachsen. Wir müssen, wenn es um einen Ausgleich der Interessen geht, auch diese Arbeitsplätze im Freistaat Sachsen berücksichtigen. Deswegen ist die Braunkohle für uns ein wichtiger Teil in unserem Energiemix, weil wir zum einen die sichere Versorgung und zum anderen die kostengünstige Bereitstellung haben.

Wir können feststellen, dass es im Freistaat eine große Akzeptanz für die heimische Braunkohle gibt. Ich möchte – weil wir vor 14 Tagen die Gelegenheit hatten, Herrn Prof. Schmidt, den Oberberghauptmann, zu verabschieden, der in den Ruhestand geht – einmal erwähnen, dass die Politik, die in den letzten 20 Jahren gerade auch vom Oberbergamt im Rahmen der Genehmigung von Braunkohleabbau gemacht wurde, einen sehr großen Beitrag für die Akzeptanz der heimischen Braunkohle hier im Freistaat Sachsen geleistet hat.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist natürlich klar, dass die Energieeffizienz eine der Schlüsselstellschrauben sein wird, wenn es darum geht, die CO2-Verminderung

hier in Sachsen zu erreichen. Wir setzen als Freistaat Sachsen bewusst auf die Kraft-Wärme-Kopplung. So viel zur vermissten Dezentralität in diesem Energie- und Klimaprogramm, weil wir genau mit dieser dezentralen Bereitstellung von Strom, elektrischer Energie und Wärme die höchsten Effizienzgrade erreichen wollen. Wir wollen von 19 auf 30% bis zum Jahr 2020 kommen. Also auch hier eine entsprechende Zielsetzung.

Weil das Verkehrsthema angesprochen wurde: Wir setzen auf das Thema Elektromobilität. Wir haben gestern im Kabinett beschlossen, dass wir uns für eines der Schaufenster bewerben wollen, die der Bund ausgeschrieben hat, weil natürlich beim Verkehr das Thema Elektromobilität für uns wichtig ist.

Beim Thema Schiene, Herr Kollege Meyer, wäre es schön, wenn wir die Schienenstrecken im Freistaat Sachsen, durch Deutschland, hätten, auf die wir den Verkehr verlagern könnten. Auch im Bereich der Infrastruktur, bei der Schieneninfrastruktur müssen deutliche Fortschritte gemacht werden, um diese Ziele erreichen zu können.

Zum Thema regenerative Energien. Unser Ministerpräsident hat das in seiner Regierungserklärung zu Beginn dieses Jahres deutlich gemacht: Wir wollen den Anteil der regenerativen Energien am Bruttostromverbrauch in den nächsten zehn Jahren um ein Drittel erhöhen. Momentan sind wir bei 16/17 %, das heißt, eine Verdoppelung. Das geht aber nur, wenn wir bei der Windenergie in Sachsen deutlich vorankommen. Das ist der größte Hebel. Wir haben gerechnet und gesagt: Wenn wir das erreichen wollen, dann müssen wir im Bereich der Windenergie eine Steigerung um das 2,6-Fache erreichen, und wir müssen die Fläche von 0,2 auf 0,5 % erhöhen.

Ich bin sehr froh, dass hier von verschiedenen Rednern angesprochen wurde, zum Beispiel von Kollegen Jurk, dass wir die Menschen mitnehmen müssen. Herr Meyer, Sie hatten gesagt, dass wir eine Akzeptanz dafür finden müssen. Wir müssen allein schon, um das Ziel von 0,2 auf 0,5 % zu erreichen, um viel Akzeptanz bei der Bevölkerung werben.

Ich würde mich freuen, wenn die Akzeptanz in der Bevölkerung größer wäre und wir weitere Flächen ausweisen könnten, um der Windenergie im Freistaat Sachsen noch eine größere Bedeutung einzuräumen. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen auch realistisch zur Kenntnis nehmen, wie die Diskussion im Freistaat Sachsen ist, denn es gibt erhebliche Vorbehalte gegen zu starken Landschaftsverbrauch durch Windkraftanlagen.

Auch das Thema Repowering ist eine Sache, die wir angehen müssen. Allerdings ist es so, dass die Regelungen, wie sie momentan im EEG vorhanden sind, keine ökonomischen Anreize für Unternehmen bieten, die Windkraftanlagen betreiben, das Thema Repowering anzugehen, weil der wirtschaftliche Vorteil nicht gegeben ist. Auch das ist eine Sache, die wir auf Bundesebene angehen müssen.

Wir als Freistaat Sachsen verstehen aber die Entwicklung hin zu regenerativen Energien bewusst auch als eine Chance als Technologiestandort. Aus meinem Hause gibt es insgesamt 24 Millionen Euro explizit für Technologieforschung im Bereich innovativer Energien bis zum Jahre 2013. Wir wollen diese Förderung der Technologie offen betreiben, weil wir alle nicht wissen, was die richtige Lösung in Zukunft sein wird: Ist es die Brennstoffzelle, ist es der Elektromotor? Werden wir die regenerativ erzeugte Energie elektrisch fahren oder eben doch in Form einer Elektrolyse, um wieder mit Wasserstoff letztlich zu Kohlenwasserstoff zu kommen und dieses Gas zu speichern? Deshalb wollen wir eine Technologieoffenheit im Freistaat Sachsen erreichen.

Braunkohle hat vielleicht mehr Möglichkeiten als das reine Verstromen. Ich habe vor 14 Tagen in Freiberg einen Förderbescheid über fast 10 Millionen Euro für die TU Bergakademie Freiberg übergeben, um zu erreichen, dass man aus der Braunkohle durch stoffliche Umwandlung zu

Lösungen kommt. Auch das ist ein Weg, den wir in diesem Zusammenhang beschreiten möchten.

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, zum Abschluss einladen, sich an der Diskussion über das Energie- und Klimaprogramm zu beteiligen. Wir sind an Ihren Anregungen interessiert und werden Ihnen, nachdem uns die verschiedenen Stellungnahmen zugegangen sind, im Frühjahr des nächsten Jahres gemeinsam mit dem Kollegen Kupfer ein endgültiges Programm vorlegen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, damit ist die 1. Aktuelle Debatte abgeschlossen.

Wir kommen nun zu

2. Aktuelle Debatte

Erste Landkreise vor dem finanziellen Aus –

Handeln der Staatsregierung dringend geboten!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion DIE LINKE das Wort. Die weitere Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, FDP, GRÜNE; Staatsregierung, wenn gewünscht.

Frau Junge, Sie haben das Wort.