Protokoll der Sitzung vom 24.11.2011

Es ist die Aufgabe der Kommunen vor Ort, den Einsatz von Familienhebammen in Anspruch zu nehmen. Das war die Absprache, meine Damen und Herren, die ich noch einmal in Erinnerung rufen möchte. Es war mit den Kommunen vereinbart, dass der Freistaat Sachsen die Ausbildung der Familienhebammen und die Kommunen den Einsatz finanzieren. Es gibt einige Kommunen, die die Arbeit der Familienhebammen über Fachleistungsstunden der Jugendämter finanzieren, als Beispiel hierfür sei der Vogtlandkreis genannt. Denkbar ist aber auch eine Finanzierung über die Gesundheitsämter.

Morgen, meine Damen und Herren – das ist heute schon angesprochen worden –, wird der Entwurf des Bundes

kinderschutzgesetzes im Bundesrat in 2. Lesung beraten. Nun kam die Frage, wie sich dazu der Freistaat Sachsen morgen verhalten wird.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Heute Nachmittag!)

Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich noch einmal daran erinnern, dass das Kinderschutzgesetz im Deutschen Bundestag von den Fraktionen der schwarzgelben Koalition beschlossen wurde; die SPD hatte sich enthalten. Es ist schon ein Stück weit mutig, sich hier hinzustellen, mit dem Finger auf die Staatsregierung zu zeigen und zu fragen: Was macht ihr? – Sie haben es in den eigenen Reihen nicht hinbekommen, dem zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Im Bundesrat, meine Damen und Herren, wird der Freistaat Sachsen diesem Gesetz morgen zustimmen. Ich weiß aber nicht, was die A-Seite morgen macht. Es ist also überhaupt nicht gesichert, dass dieses Gesetz morgen im Bundesrat eine Mehrheit findet. Bevor Sie also mit dem Finger auf die Staatsregierung zeigen, klopfen Sie einmal an die Tür der SPD.

(Beifall bei der CDU)

Frau Herrmann, bitte, für eine Kurzintervention.

Ich möchte von dem Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen, da ich davon ausgehe, dass es nicht sinnvoll wäre, Herrn Staatsminister Kupfer in dieser Angelegenheit Fragen zu stellen.

Herr Kupfer hat darauf hingewiesen, dass die AOK noch zwei zusätzliche Einsätze der Familienhebammen bezahlt. Das ist allerdings nur bei der AOK der Fall. Man muss darauf verweisen, dass das sachlich nicht richtig ist, weil es sich nicht um eine Gesundheitsleistung handelt. Das war von Anfang an klar. Es ist praktisch ein Zuvorkommen der AOK, wenn sie das bezahlt. Die Krankenkassen haben aber schon angedeutet, dass sie, wenn sie künftig die Finanzierung allein tragen sollten, dazu nicht mehr bereit sein werden.

Das ist noch einmal ein Plädoyer dafür, dass sich sowohl der Freistaat als auch die Kommunen beteiligen sollten. Aufgrund der Finanzkrise wissen Sie, Herr Kupfer, wie es den Kommunen geht. Ich denke, in einer solchen Situation muss man – auch wenn es dazu eine Absprache gegeben hat – neu darüber nachdenken, was man gemeinsam machen könnte, damit Familienhebammen in Sachsen flächendeckend zum Einsatz kommen. Es ist nicht „zum Beispiel“ Plauen, sondern es ist „nur“ Plauen. Wir brauchen diese Familienhebammen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Es gibt noch eine Kurzintervention von Herrn Pellmann. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Verehrter Herr Staatsminister! In der Debatte ist etwas untergegangen, was meine Fraktionskollegin vorhin deutlich gemacht hat. Ich will es noch einmal verstärken, auch in Bezug auf Ihre Rede.

Dieses scheinbar kleine Beispiel, das heute Gegenstand im Antrag war, belegt, was es bedeutet, wenn die Koalition einem weitergehenden und instruktiveren Anliegen der Opposition widerspricht. Sie haben – ich sage das sehr deutlich – durch Ihre Verweigerungshaltung ein Jahr verstreichen lassen. Sie hätten längst handeln können. Sie stellen sich heute hin und meinen, Sie müssten mit der SPD oder anderen Fraktionen, die sich zu einem nicht ausfinanzierten Bundesgesetz entsprechend verhalten haben, ins Gericht gehen. Nein! Sie sind selbst gefordert zu handeln.

Insofern schadet dieses Koalitionshandeln, alle Anträge der Opposition niederzustimmen, um sie

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Herr Krauß, – ein Jahr später in minderer Qualität aufleben zu lassen, dem Freistaat Sachsen und seinen Bürgern. Das musste noch einmal deutlich gesagt werden.

(Beifall des Abg. Klaus Tischendorf, DIE LINKE)

Das Schlusswort bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Ein gesunder Start ins Leben – Familienhebammen unterstützen Familien während der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr des Kindes –, von Anfang an soll niemand durchs Netz fallen: Das ist das Credo, nach dem Familienhebammen arbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition! Ich glaube, mit solchen Anmerkungen wie „Sie sind zu spät“, „es ist zu wenig“, „es könnte ganz anders sein“, beginnen die meisten Ihrer Redebeiträge zu Anträgen der Koalitionsregierung.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Weil wir recht haben!)

Insofern stört uns das nicht so sehr.

(Zuruf von den LINKEN)

Netzwerkarbeit, Krisenmanagement und Kommunikationstraining: Das alles gehört zu den vielschichtigen Anforderungen der Arbeit der Familienhebammen. Die Akzeptanz dieser Tätigkeit – diesbezüglich waren wir uns fraktionsübergreifend einig – hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Kaum ein Präventionsprojekt ohne frühe Hilfen, Frühwarnsystem oder Mutter-Kind-Projekte. Niemand will auf die Arbeit der Familienhebammen verzichten.

Wir wollen mit diesem Antrag ein Signal an die Familienhebammen geben, dass wir ihre Arbeit für außerordentlich wichtig erachten, sie wertschätzen und nicht auf sie verzichten können und wollen.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Vor einem Jahr habt ihr es abgelehnt!)

Nicht umsonst werden mit Landesmitteln zahlreiche Fortbildungen finanziert. Alle Hilfen – deswegen ist jetzt der richtige Zeitpunkt –, die der Bund offeriert, wollen wir im Interesse der Familienhebammen annehmen. Ziel muss es sein, das Netz an Hilfen weit zu spannen, damit möglichst jeder den passenden Ansprechpartner in Krisensituationen findet. Die Familienhebammen können einer dieser Ansprechpartner sein.

Was die Frage über den Zeitraum der Förderung anbelangt, möchte ich noch einmal auf den Antrag verweisen. Es ist uns wichtig, dass eine zeitlich unbefristete Struktur den Rahmen für diese Diskussion bildet, weil wir nur so die Familienhebammen unterstützen und motivieren können, damit diese die Arbeit weiter fortzusetzen.

In diesem Sinne danke ich für die Diskussion und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, Drucksache 5/7469. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist dem Antrag zugestimmt worden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Neugestaltung der Kinderförderung durch Einführung

einer Kindergrundsicherung

Drucksache 5/4916, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Wir beginnen mit der Diskussion; Frau Abg. Klepsch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin

nen und Kollegen! Ich glaube, selten hat uns eine Landtagssitzung in so vielen Debatten mit den Zusammenhängen von Bildung, sozialer Lage, Armutsgefährdung und

Familienbildung beschäftigt. Wir haben selten so ausführlich aus ganz verschiedenen Perspektiven über diese Themen diskutiert, auch über Mindestlöhne und drohenden Bildungsnotstand, über Kinderarmut und Armutsvermeidung. Insofern reiht sich der Antrag meiner Fraktion zum Thema Kindergrundsicherung dort ein und kann all diese Debatten recht gut abschließen.

Es war heute bereits mehrfach zu hören: Kinderarmut ist kein originär sächsisches, sondern ein bundesweites Problem. Wir hörten vorhin in der Großen Anfrage, dass jedes vierte Kind in Sachsen einkommensarm ist, dass circa 100 000 Kinder permanent davon betroffen sind und dass sich die Armut von sächsischen Kindern in den letzten Jahren permanent über der Schwelle von 20 %, also mehr als einem Fünftel der Kinder, manifestiert hat. Selbst das Absinken im vergangenen Jahr von 24 auf 23 % ist kein wirklicher Abbau von Kinderarmut. Das sollte uns zu denken geben und uns als Sächsischer Landtag zum Handeln motivieren.

Aus Sicht der LINKEN sind Ursachen für die bundesweit manifestierte Kinderarmut auch und vor allem im Steuersystem und der Ausgestaltung der verschiedenen Kinderförderung monetärer Art zu suchen.

Jeder, der sich ein wenig damit beschäftigt hat, weiß, dass derzeit diejenigen, denen es sowieso besser geht, weil sie mehr verdienen als andere und ein hohes Einkommen haben, steuerlich am meisten davon profitieren, dass sie Kinder haben. Das ist die große Ungerechtigkeit, die wir kritisieren und die wir gern beenden wollen.

Die gelegentliche Erhöhung des Kindergeldes, mit der man sich schmückt und sagt, wir tun etwas für Kinder in der Bundesrepublik, ist zu Recht umstritten; denn sie nützt den Vielverdienern vergleichsweise wenig. Sie brauchen die 20 Euro zusätzlich nicht. Aber die anderen, die wenig verdienen oder Transferleistungsempfänger sind, haben gar nichts davon, weil es bei ihnen mit den sonstigen Leistungen verrechnet wird.

Die Staatsregierung verweist in ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag darauf, dies sei systemgerecht. Ich sage: Das ist eine Manifestierung von Armut und Ungerechtigkeit gegenüber Kindern und Jugendlichen.

(Beifall bei den LINKEN)

Seit Januar 2011 wird sogar das Bundeselterngeld auf das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld angerechnet. Auch das nennt die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme systemgerecht. Wie gesagt, das ist armutsmanifestierend.