Familienhebammen wollen sehr gern in lokalen Netzwerken mitarbeiten. Deshalb haben sie zu ihrer täglichen Arbeitszeit noch diese Ausbildung auf sich genommen. Familienhebammen sind jedoch keine Sozialpädagogen. Sie sind aber diejenigen, die auf ganz natürliche Art Zugang zu Familien haben und ihre Sorgen, ihre Nöte, ihre Probleme kennen. Den Hebammen können die Familien vertrauen, und das tun sie auch. Familienhebammen gehören zu den wenigen aufsuchenden Diensten und werden immer häufiger angefragt. Sie sind eine Brücke zwischen Eltern und Institutionen. Bisher leisten Hebammen, die sich in Netzwerken für den Kinderschutz engagieren, eine gute, jedoch meist ehrenamtliche Arbeit.
Ihr Ziel als Koalition muss es sein, Hebammen zu schützen, um dem Kinderschutz einen weiteren Impuls zu verleihen. Dabei wollen wir Sie gern unterstützen. Die Fraktion DIE LINKE wird deshalb Ihrem Antrag zustimmen, obwohl es nur ein Teilerfolg ist.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen: Die SPD-Fraktion wird dem Antrag zustimmen.
So allgemein, wie er ist, bleiben wenig Alternativen übrig. Wie immer sind wir aber erstaunt, dass man auch bei so offen gehaltenen Anträgen nur zähneknirschend zustimmen kann. Aus dem Antrag hätte man deutlich mehr machen können.
Es ist aber richtig, dass die Staatsregierung zu einem Bericht aufgefordert wird. Schließlich ist das bisherige Wissen der Staatsregierung – das haben wir heute mehrfach gehört – auch über die Familienhebammen, deren Fortbildungskosten sie bislang finanziert hat, äußerst gering. Ich wage aber zu bezweifeln, dass es mit einem einzigen Bericht allein getan ist. Wir haben heute bei der Großen Anfrage gehört, wie wenig Sie über die Lage von Kindern und ihren Familien tatsächlich wissen. Eine regelmäßige Berichtspflicht wäre daher sehr wünschenswert.
Lokaler Kinderschutz erfordert eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen. Viele Instrumente müssen hier zur Anwendung gelangen. Dabei sind Präventionsmaßnahmen der Leitgedanke, unter dem alle Strategien stehen müssen.
Familienhebamme – das ist keine Ausbildung, sondern nur eine Fortbildung von bereits ausgebildeten Hebammen. Die originäre Hebammenarbeit endet acht Wochen nach der Geburt. Die Familienhebammen sind dann die Expertinnen für das gesamte erste Lebensjahr des Kindes. So wird nicht nur in der kurzen postnatalen Phase enger Kontakt zu Eltern und weiteren Familienangehörigen gesucht, vor allem, um rechtzeitig unterstützend zur Seite zu stehen, bevor aufgrund von Überforderung Situationen zu eskalieren drohen. Hier können und sollen Leistungen nach den verschiedenen Sozialgesetzbüchern sinnvoll verknüpft werden. Das betrifft insbesondere Leistungen nach dem SGB V und dem SGB VIII.
Familienhebammen sind nah an den Familien. Sie wissen zuerst um die Probleme, die in den Familien vorliegen. Ich hoffe, wir sind uns alle einig, dass natürlich noch viel mehr Familienhebammen in Sachsen zur Verfügung stehen müssten. Aber Sie wissen ja selbst nicht, wie das Angebot nachgefragt wird und vor allem, wie die Familienhebammen finanziert werden. Darin, meine Damen und Herren, liegt genau das Problem.
Wenn am morgigen Freitag der Bundesrat über das Bundeskinderschutzgesetz abschließend berät und abstimmt, wird daran auch die Bundesinitiative Familienhebamme geknüpft sein. Nach dem jetzigen Stand wird das Bundesprogramm naturgemäß zeitlich befristet sein. 30 Millionen Euro pro Jahr zwischen 2012 und 2016 klingen ja tatsächlich nach viel Geld. Man sollte sich auch nicht gegen eine Finanzierung durch den Bund wehren. Wir wissen ja aus Erfahrung der einzelnen Bundesländer, dass Familienhebammen alle Familien, aber insbesondere Familien mit bestimmten Risikofaktoren unterstützen und so einer möglichen Kindeswohlgefährdung vorbeugen. Daher ist ihr Einsatz zur Beförderung früher Hilfen grundsätzlich richtig.
Aber ich frage mich: Und danach? Was passiert nach 2016? Frau Staatsministein Clauß ist heute nicht da. Herr Kupfer, wir würden schon gern wissen, wie sich die Staatsregierung morgen verhalten wird. Wird es so sein, wie so oft, dass etwas projektartig finanziert wird und danach wieder vom Erdboden verschwindet, oder werden dann die Kommunen in die Pflicht genommen? Es ist immer gut, vorher zu wissen, was hinterher geschehen wird. Deshalb möchte ich gern wissen, wie Sachsen morgen abstimmt und wie es insgesamt mit Familienhebammen in Sachsen weitergehen soll. Die Antwort sind Sie nicht nur uns, sondern auch den Kommunen und den Hebammen selbst, vor allem aber den Familien und deren Kindern, um die es vor allem geht, schuldig.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag, der uns vorliegt, kann man nahtlos an die vorhergehende Debatte anschließen. Ich habe davon gesprochen, dass wir eine politische Strategie brauchen, die sich auf eine Zahlenbasis gründet. Wir sind uns alle im Klaren, dass das Aufwachsen von Kindern, vor allem unmittelbar nach der Geburt, eine sehr sensible Phase ist und es Familien in unserem Land gibt, die mit dieser Situation einfach überfordert sind.
Deshalb ist es sicher richtig, dass wir ein Netzwerk „Frühe Hilfen“ haben und in dieses auch die Familienhebammen eingebunden sind. Frau Hilpmann, die im Sächsischen Hebammenverband für die Familienhebammen zuständig ist, hat im Sozialausschuss am 07.11.2011, also erst vor Kurzem, berichtet, dass es seit März 2011 in Sachsen 49 ausgebildete Familienhebammen gibt. Die Ausbildung lief über zwei Jahre und umfasste 192 Stunden.
Mittlerweile sind die Familienhebammen selbst aktiv geworden, haben sich Weiterbildungen organisiert und sich untereinander im Netzwerk organisiert, damit das Thema mit dieser Ausbildung für sie nicht abgeschlossen ist, sondern sie sich über diese Fragen weiter untereinander austauschen können. Von diesen 49 ausgebildeten Familienhebammen haben zwei ein Angestelltenverhältnis: eine bei der AWO Pirna mit 20 Stunden und eine im Vogtland, in der Stadt Plauen, ebenfalls mit 20 Stunden.
Nach wie vor ist die Bezahlung für einen Großteil der Familienhebammen nicht geklärt, und es ist klar, dass andere Bundesländer unsere ausgebildeten Familienhebammen gern in ihren Ländern einsetzen. Eine Hebamme, die wir ausgebildet haben, arbeitet in Bayern in der Diakonie auf Honorarbasis, und eine arbeitet in SachsenAnhalt. Das ist in Ordnung. Trotzdem stelle ich mir die Frage, warum wir in Sachsen nicht in der Lage sind, Familienhebammen, die wir ausgebildet haben, dann auch zum Einsatz zu bringen.
Damit sind wir wieder bei der Strategie. Wir haben Geld für die Ausbildung von Familienhebammen ausgegeben. Das war ein richtiger Weg. Aber natürlich muss man schauen, dass die Mütter und ihre Kinder auch von den ausgebildeten Familienhebammen profitieren. Eine Sache ist – das tun Sie hier – zu sagen: Wir schauen einmal, was der Bund macht. Vielleicht können wir auch einige Mittel sparen. Das ist schon ausgeführt worden. Ja, der Bund hat im Kinderschutzgesetz, das morgen noch im Bundesrat behandelt wird, die Familienhebammen im Zusammenhang mit frühen Hilfen – 30 Millionen Euro pro Jahr, vier Jahre lang – als Modellprojekt verankert; und was ist dann? Das hat meine Vorrednerin ebenfalls bereits gesagt. Ich denke, spätestens hier müssen wir überlegen: Wollen wir Familienhebammen, und wie wollen wir weiter mit ihnen umgehen? Wie wollen wir in Sachsen in Zukunft Familienhebammen finanzieren? Dazu sagen Sie leider nichts.
Wir haben im Zusammenhang mit dem Haushalt einen Antrag gestellt. Wir wollen 700 000 Euro einstellen und mit einem Haushaltsvermerk versehen, dass dieses Geld ausschließlich für Familienhebammen in Sachsen eingesetzt werden soll.
Man kann auch über andere Dinge nachdenken; aber was nicht funktioniert, ist, anzunehmen, dass die Landkreise und kreisfreien Kommunen diese Finanzierung allein stemmen können. Wir wissen alle, wie die Situation dort ist. Sie stehen mit dem Rücken an der Wand und werden sich das schlicht und einfach nicht leisten können. Wenn wir also in Sachsen – das hat Frau Staatsministerin immer wieder betont – frühe Hilfen als wichtig erachten, dann ist es auch Pflicht, etwas dafür zu tun, damit Familienhebammen eingesetzt und adäquat bezahlt werden können, und dafür müssen wir uns einsetzen.
Nichtsdestotrotz ist der Antrag, der uns heute vorgelegt wurde, ein Bekenntnis zu Familienhebammen und ein erster Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht trägt dieses Bekenntnis heute an dieser Stelle dazu bei, dass Sachsen in der morgigen Abstimmung im Bundestag entsprechend votiert. Auch wir würden gern wissen, welches Abstimmungsverhalten sich Sachsen vorgenommen hat.
Danke, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ende Oktober dieses Jahres beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit das von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, CDU, vorgelegte Kinderschutzgesetz. Neben dem Einsatz der heute zum Thema eines Antrages erhobenen Familienhebammen sieht das Gesetz unter anderem vor, dass hauptamtliche Mitarbeiter der Jugendhilfe künftig generell ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen, in dem auch Verurteilungen wegen Sexualstraftaten erfasst sind. Zudem können Ärzte ihre Schweigepflicht brechen und das Jugendamt einschalten, wenn sie einen Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls haben.
Das Gesetz soll eigentlich im Januar in Kraft treten. Wegen ungeklärter Finanzierungsfragen, von denen bereits die Rede war, droht allerdings massiver Widerstand im Bundesrat. Es gibt das übliche Parteiengezänk um ein Gesetz, das nur das Wohl des Kindes zum Ziel hat.
Ähnlich verhält es sich mit den Familienhebammen in Sachsen, die vor allem eine fehlende Finanzierung für die ihnen neu abverlangten Aufgaben beklagen. Darauf haben bereits in der Anhörung zum „Sächsischen Netzwerk Kinderschutz“ Frau Andrea Hilpmann, Beauftragte für Familienhebammen im Sächsischen Hebammenverband, und Frau Christine Eichhorn, Vorsitzende des psychologischen Fachverbandes der Diakonie Sachsen, hingewiesen.
Wir alle kennen die Problematik der exorbitant gestiegenen Berufshaftpflichtbeiträge für die selbstständigen Hebammen und den Existenzkampf, dem sich viele Hebammen mittlerweile ausgesetzt sehen.
Deshalb unterstützen wir diesen Antrag, in dem unter Punkt 2 auf die Finanzierungsfrage eingegangen wird. Allerdings hätte man dabei durchaus noch etwas konkreter werden können. Entsprechende Vorschläge und Vorstellungen seitens der Familienhebammen liegen ja bereits auf dem Tisch, beispielsweise eine Finanzierung über Honorarverträge, über Fachleistungsstunden oder auch über die Anstellungen in den Diakonien oder Gesundheitsämtern.
Meine Damen und Herren! Der Einsatz von Familienhebammen zur Betreuung von Familien in schwierigen sozialen Situationen wird sicher in vielen Fällen hilfreich sein. Der Streit um die Finanzierung sollte deshalb rasch beigelegt und es sollte Ursachenforschung betrieben werden. Die Familienhebammen, die derzeit bereits in dieser Funktion – teilweise ehrenamtlich – tätig sind, beklagen zunehmend, dass sie in den Familien immer mehr Erziehungsnöte und Überforderung antreffen.
Vielleicht sollten Sie Ihre Aufmerksamkeit aber auch wieder mehr auf einige grundsätzliche Erkenntnisse richten, wie sie beispielsweise im Parteiprogramm der NPD formuliert sind. Ich zitiere einmal kurz: "Die kleinste Gemeinschaft innerhalb unseres Volkes ist die Familie. Auf ihr fußen Volk und Staat, weshalb der Familie auch die besondere Zuwendung und Fürsorge des Staates zuteil werden muss. Ihren natürlichen Ausdruck findet die Familie in der Ehe mit Kindern. Dies begründet den besonderen Schutz für Familie und Ehe. Kinder brauchen Mutter und Vater für eine gesunde Entwicklung; aber auch allein erziehende deutsche Mütter und Väter verdienen staatliche Unterstützung.“
Das mag für manchen hier im Saal, der lieber über alternative Lebensentwürfe philosophiert, vielleicht langweilig und altbacken klingen. Aber leider sind es gerade die vermeintlichen Fortschritte und Freiheiten, die die viel beklagten Fehlentwicklungen erst möglich machen. Somit wird es bei dem sicher sinnvollen Einsatz von Familienhebammen, die maximal eine aufsuchende Hilfe im Rahmen der frühen Hilfen leisten können, nicht bleiben können.
Es reicht auch nicht aus, wie im Antrag formuliert, darüber zu berichten, „welche ersten Erfahrungen seit dem Einsatz der ersten Familienhebammen in Sachsen seit Oktober 2010 gesammelt werden konnten, vor allem, was die Quantität und die Akzeptanz der betreuten Familien betrifft.“
Die Ursachen der Fehlentwicklungen in den Familien sollten, soweit erkennbar, ebenfalls mit erfasst werden; und es sollte mich wundern, wenn nicht die mit ökonomischen Zwängen begründete Mobilität oder fehlende eigene Erfahrungen in Erziehungsfragen festzustellen sein
Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall. Somit bitte ich nun Herrn Staatsminister Kupfer, für die Staatsregierung das Wort zu nehmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Umsetzung des sächsischen Handlungskonzeptes für präventiven Kinderschutz ist erfolgt, indem das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz 39 Hebammen zu Familienhebammen fortgebildet hat.
Die Diakonie hat als Träger dieser Fortbildungsmaßnahmen fungiert und ein Curriculum erstellen lassen, über das zukünftige Fortbildungen bewerkstelligt werden können. Diese sind mittels ESF-Maßnahmen ab dem Jahr 2012 möglich.
Die Mitglieder des Landesfachausschusses für präventiven Kinderschutz wurden am 13.11.2009 und am 24.06.2011 über den Stand der Fortbildungen sowie über den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung mit der AOK PLUS und dem Sächsischen Hebammenverband informiert.
Auch im Hinblick auf den Einsatz von Familienhebammen in Sachsen ist das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz tätig, indem es die Aktivitäten des BMFSFJ zur Umsetzung der im Kinderschutz angekündigten Bundesinitiative zur Unterstützung der Familienhebammenarbeit konstruktiv begleiten wird.
Sachsen ist mit den Fragen zur Umsetzung bereits an den Bund herangetreten und wird sicherlich im Rahmen der schriftlichen Beantwortung des hier in Rede stehenden Berichtswunsches dezidiert Auskunft geben können. Der Erfahrungswert aus dem „Netzwerk frühe Hilfen“ kommt aus der Praxis vor Ort. Hierzu hat die stellvertretende Vorsitzende des Sächsischen Hebammenverbandes, Frau Andrea Hilpmann, bereits fachkundig im Sozialausschuss am 7. November 2011 informiert.
Es ist die Aufgabe der Kommunen vor Ort, den Einsatz von Familienhebammen in Anspruch zu nehmen. Das war die Absprache, meine Damen und Herren, die ich noch einmal in Erinnerung rufen möchte. Es war mit den Kommunen vereinbart, dass der Freistaat Sachsen die Ausbildung der Familienhebammen und die Kommunen den Einsatz finanzieren. Es gibt einige Kommunen, die die Arbeit der Familienhebammen über Fachleistungsstunden der Jugendämter finanzieren, als Beispiel hierfür sei der Vogtlandkreis genannt. Denkbar ist aber auch eine Finanzierung über die Gesundheitsämter.