Danke, Frau Präsidentin! – Herr Krauß, ich möchte das verstehen, was Sie gerade versucht haben zu erklären. Stimmen Sie mir zu, dass jemand, der ein hohes Einkommen hat, aus Steuern einen höheren Kinderfreibetrag zurückbekommt als jemand mit einem niedrigeren Einkommen, dass also dessen Kinder mehr davon profitieren?
Ich stimme Ihnen zu, dass derjenige, der ein hohes Einkommen hat, besonders viel Steuern gezahlt hat und deswegen auch das Anrecht hat, etwas mehr Steuern davon zurückzubekommen, weil nämlich sein Steuersatz höher war.
Lassen Sie mich zum nächsten Punkt kommen. Da ging es um die Kritik an der Anrechnung des Bundeselterngeldes beim Arbeitslosengeld II. Es ist in der Tat so, dass diejenigen, die Hartz IV beziehen oder Arbeitslosengeld II bekommen, das Bundeselterngeld nicht mehr in Anspruch nehmen können. Weshalb ist das eigentlich so? Das hört sich zunächst sozial ungerecht an. Die einen bekommen Bundeselterngeld und die anderen nicht.
Ich bringe einmal eine Beispielrechnung aus dem vorigen Jahr. Ich habe sie hier schon einmal vorgetragen. Wenn Sie alleinerziehend sind und langzeitarbeitslos, dann haben Sie 1 003 Euro pro Monat plus Wohnungskosten bekommen: Arbeitslosengeld II für sich, für das Kind Alleinerziehendenzuschlag und Elterngeld. Dann frage ich Sie einmal, was die Friseuse hat. Sie können das auch gern durch Krankenschwester ersetzen, wie Sie wollen, also durch jemanden, der wenig verdient, wo aber diese Frau vorher arbeiten gegangen ist und jetzt ein Kind bekommen hat. Was hat diese bekommen? Hat sie 1003 Euro plus Miete erhalten? – Nein, hat sie nicht. Sie hat unter Umständen 524 Euro erhalten, also die Hälfte dessen, was jemand bekommt, der langzeitarbeitslos ist, –
nämlich Elterngeld und Kindergeld. Jetzt müssen Sie einmal der Friseuse – Sie können sie auch durch Krankenschwester ersetzen – erzählen, wieso sie nur die Hälfte von dem oder noch weniger bekommt als jemand, der langzeitarbeitslos ist, während sie aber Steuern bezahlt und mit ihrem Einkommen den Sozialstaat trägt. Das empfindet die Krankenschwester oder die Friseuse bzw. ihr Mann als ungerecht. Deswegen finde ich es gut, dass man gesagt hat: Was ist Gerechtigkeit, und muss man sie anders definieren als bisher?
Herr Krauß, Sie stimmen doch dann mit mir überein, dass es endlich an der Zeit ist, für Friseusen – ich bleibe bei Ihrem Begriff, weil ich aus der alten Zeit wie Sie stamme – und auch für Krankenschwestern einen armutsfesten Mindestlohn zu fordern?
Sonst, Herr Krauß, müsste ich uns beide, die wir ja zum Friseur gehen, fragen, ob wir vielleicht bisher zu wenig Trinkgeld gegeben haben.
Herr Kollege Pellmann, ich habe gestern die Position der CDU dazu genannt. Wir haben gesagt, dass wir eine einheitliche Lohnuntergrenze haben wollen, von der auch die Friseusen profitieren würden, und weil ich gern möchte, dass die Friseuse, auch wenn sie arbeitet, am Monatsende so viel hat, dass sie über die Runden kommt. Deswegen ist das wichtig. Andererseits sage ich aber auch, dass die Friseuse, wenn sie Mutter wird, nicht das Gefühl haben muss, dass sie die Dumme ist, weil sie gearbeitet hat und es ihr besser gegangen wäre, wenn sie nicht gearbeitet hätte.
Es muss auch an diesem Punkt gelten: Wer arbeitet, hat mehr als derjenige, der nicht arbeitet. Deshalb sind wir für Mindestlohn.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe vor zwei Jahren auch unseren Weg skizziert, den wir für richtig halten und den wir seitdem umgesetzt haben. Wir haben damals – übrigens mit großer Mehrheit hier im Hause – gefordert, dass es kindgerechte Hartz-IV-Sätze gibt, dass man also schaut, was Kinder in einer Familie bekommen, in der die Eltern arbeiten, und dann sagt, das Gleiche sollen auch die Kinder bekommen, deren Eltern nicht arbeiten. Das haben wir mittlerweile mit den kindgerechten Hartz-IV-Sätzen umgesetzt, und wir haben dazu das Bildungs- und Teilhabepaket aufgelegt.
Sie haben vor zwei Jahren noch das kostenlose Mittagessen gefordert. Wir haben jetzt die Beteiligung beim Mittagessen. Wir haben den Musikunterricht; wir haben die Mitgliedsbeiträge beim Sport – ich komme noch dazu,
dass wir auch im Kultusbereich den Sportverein haben, wozu der Freistaat Sachsen zusätzlich noch einmal Geld gibt. Man kann immer noch mehr fordern und sagen, es müssen jetzt noch die Turnschuhe dazukommen usw.; aber anerkennen Sie doch einmal, was dort gelaufen ist, wie zum Beispiel die Unterstützung bei den Unterrichtsmaterialien, die es seit diesem Jahr gibt. Ich würde mir wünschen, dass man einmal anerkennt, dass eine ganze Menge geschehen ist, statt sich nur hier hinzustellen und jedes Mal zu fordern, es muss noch eine Schippe draufgelegt werden.
Ich will auch ganz deutlich sagen: Bei uns ist kein Kind von Bildung ausgeschlossen. Ich will nur die Lehrmittelfreiheit ansprechen, die bei uns gilt, dass man kein Lehrbuch kaufen muss, oder ich will an die Kindertageseinrichtungen, an die Kindergärten denken, wo ein Drittel der Kinder freigestellt ist, wo die Eltern von den Elternbeiträgen freigestellt sind, weil sie finanziell nicht in der Lage sind, das zu gewährleisten – weil wir eben wollen, dass jedes Kind, das es möchte, die Möglichkeit hat, in den Kindergarten zu gehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben es gemerkt, wir sind nicht übermäßig glücklich mit Ihrem Antrag, und deswegen werden wir ihn auch ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Krauß, es geht uns jetzt gerade auch nicht um das Glück der Koalition, sondern um das Glück der Kinder – das ist ein kleiner Unterschied.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben ja wirklich in den letzten Tagen eine Menge von Diskussionen zu der Situation von Kindern geführt, insbesondere zu denen, die aus sozial schwächeren Familien kommen. Es gibt Ursachen für die hohe Armut von Kindern – wir haben es heute bereits bei unserer Großen Anfrage gehört. Sie liegen in der hohen Langzeitarbeitslosigkeit, an den im Bundesvergleich niedrigen Einkommen – das Stichwort Mindestlohn ist diskutiert worden, und da hat auch die CDU einen Erkenntniszugewinn – und an einer entsprechenden Anzahl an Menschen, die aufstockende Sozialleistungen erhalten, deren Anteil in Sachsen relativ hoch ist.
Die Erwerbs- und Einkommenssituation bestimmt jedoch neben anderen Faktoren schon sehr frühzeitig – darüber haben wir heute im Zusammenhang mit der Großen Anfrage diskutiert – auch die Bildungs- und Entwicklungschancen von Kindern. Durch staatliche Transferleis
Deutschland gibt – und das ist in der Tat so, Herr Krauß – viel Geld für Familien aus. Dieses Geld wird jedoch nicht in jedem Fall gerecht und effizient eingesetzt. Sachsen betont – auch jüngst – immer wieder, dass über 1 Million Euro pro Tag für Familien ausgegeben wird. Davon gehen aber 98 % allein in die Finanzierung der Kinderbetreuung. Dies ist zwar bildungspolitisch wichtig – darauf haben wir hier schon mehrfach hingewiesen –, ändert jedoch nichts an der ungleichen Einkommenssituation von Familien in Sachsen. So profitieren – ich will es noch einmal mit Zahlen untersetzen – Kinder von Gut- und Spitzenverdienern mit steigendem Einkommen von den steuerlichen Kinderfreibeträgen von aktuell bis zu 280 Euro, während Kinder von Normalverdienern Kindergeld in Höhe von 184 Euro erhalten.
Das macht sehr deutlich, dass Kinder dem Staat offenbar unterschiedlich viel wert sind – und wir setzen bewusst die Brille der Kinder auf –, je nachdem, in welcher Höhe das elterliche Einkommen zur Verfügung steht. Je höher das Elterneinkommen, desto mehr sind die Kinder dem Staat offenbar wert. So ist das heutige System.
Wir sind der Meinung, wir müssen dieses System der Familienförderung – genauso, wie es die LINKEN hier vorgeschlagen haben – grundsätzlich verändern. Wir schließen uns deshalb auch den Vorschlägen des Bündnisses Kindergrundsicherung an. Dieses Bündnis besteht nicht nur aus Linken – um einmal den Globalbegriff zu verwenden –, sondern es ist das große Zukunftsforum Familie drin sowie zahlreiche Spitzensozialverbände, Familienverbände und Gewerkschaften. Der Kinderschutzbund engagiert sich in diesem Bündnis Kindergrundsicherung.
Wir wollen eine Kindergrundsicherung – und das ist ein kleiner Unterschied zu den LINKEN –, die aus zwei Säulen besteht: Die eine Säule ist die, die in dem Antrag zum Ausdruck kommt, nämlich dass künftig ein monatlicher Beitrag in Höhe von mindestens – ich scheue mich nicht, diesen Betrag zu nennen – 356 Euro für jedes einzelne Kind zur Verfügung steht. Dies entspricht dem tatsächlich ermittelten Existenzminimum des Kindes und soll unabhängig vom Einkommen der Eltern gezahlt werden. Zum Zweiten wollen wir eine umfassende, qualitativ hochwertige Infrastruktur in den Bereichen Bildung, Betreuung sowie Kinder- und Jugendhilfe bereitstellen. Zu dieser zweiten Säule, die uns genauso viel wert ist, haben wir heute schon ausführlich gesprochen.
Die Kindergrundsicherung in Säule 1 soll alle bisherigen Familienleistungen – so wie es im Antrag dargestellt wird – zusammenfassen. Beim Ehegattensplitting kann man sicherlich noch darüber diskutieren, ob es grundsätzlich abgeschafft oder zunächst ausgesetzt werden soll, um überhaupt einen Systemwechsel hinzubekommen.
Ja, dieser Systemwechsel wird zu finanziellen Mehrlasten führen. Dafür werden derzeit 22 Milliarden Euro an
zusätzlichen Kosten geschätzt. Deswegen sagen wir ganz deutlich: Wir wollen es in Stufen einführen; darüber sind wir uns im Klaren. Wir können uns auch vorstellen, dass im ersten Schritt ein nach Einkommen gestaffeltes Kindergeld gezahlt und damit die bisherige Familienförderung sozial gerechter gestaltet wird – wenn sich die CDU mit auf einen solchen Weg begeben könnte.
Ich möchte hier zu der zweiten Säule nichts weiter ausführen, betone aber nochmals, dass uns die kostenfreie Infrastruktur genauso viel wert ist wie der Kindergrundbetrag zur Absicherung jedes Kindes. Natürlich geht es darum, dass es dann, wenn dieser Kindergrundbetrag für jedes Kind gezahlt wird, mit dem Einkommen der Eltern versteuert und damit eine soziale Gerechtigkeit geschaffen wird.
Zum zweiten Punkt des Antrages nur so viel: Er ist meines Erachtens unglücklich formuliert. Wir vonseiten der SPD wollen eine gebührenfreie Kita – ich denke, das wollen die LINKEN auch –, daran soll sich auch langfristig nichts ändern. Mit den vorliegenden Formulierungen befürchten wir aber, dass zusätzliche Kosten bei den Eltern hängenbleiben, denn eine Regelfinanzierung ist bereits vereinbart. Ab 2014 beteiligt sich der Bund dauerhaft mit 770 Millionen Euro an der Finanzierung der Betriebskosten. Nur – darauf will ich ausdrücklich hinweisen –, dieses Geld darf nicht erneut, wie es jetzt gerade mit den Betriebskosten für U3 passiert, im Landeshaushalt zweckentfremdet versickern, sondern es muss tatsächlich bei den Kommunen und den Eltern ankommen.
Insofern werden wir auch eine punktweise Abstimmung für den Antrag beantragen. Dem ersten Punkt können wir uneingeschränkt zustimmen; beim zweiten Punkt werden wir uns enthalten, da er aus unserer Sicht gewisse Unwägbarkeiten enthält.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser System der sozialen Sicherung enthält zahlreiche Maßnahmen, die darauf abzielen, Familien zu entlasten und letzten Endes die Mehrkosten, die man nun einmal für Kinder hat, die Arbeit der Familien und ihren Wert für die Gesellschaft zu honorieren, und dazu zählt beispielsweise auch die Leistung des Kindergeldes.
Die linke Idee der Kindergrundsicherung ist dabei eine ganz andere: Sie zielt auf eine von Lebenssituationen, Lebensformen und Erwerbskonstellation der Eltern unabhängige materielle Sicherstellung des Existenzminimums und des Betreuungs- und Bildungsbedarfes des Kindes ab. Das heißt, mit der Kindergrundsicherung erfolgt eine grundsätzliche Abkehr vom bisherigen Modell des steuerlichen Familienleistungsausgleiches.
Die Familie tritt bei der Kindergrundsicherung zugunsten einer Individualförderung des Kindes zurück. Allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren der Linksfraktion, verstehe ich unter Familienpolitik etwas anderes. Familien sind das Modell gelebter Verantwortung in unserer Gesellschaft.
Die Familie ist die kleinste soziale Einheit in unserer Gesellschaft und zugleich ihre soziale Mitte, ja der Kitt, der sie letztlich zusammenhält. Die Familien sind unser größtes Potenzial, um den Herausforderungen durch den demografischen Wandel begegnen zu können, und das ist aus meiner Sicht besonders schützenswert.
Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich halte es für richtig, dass das Bundeselterngeld auf die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II angerechnet wird, schon deshalb, weil das bereits steuerfinanzierte Leistungen sind. Das Elterngeld hingegen ist eine Lohnersatzleistung. Es ist für die Eltern gedacht, die nach der Geburt ihres Kindes vorerst zu Hause bleiben und ihr bisheriges Einkommen nicht erzielen können. Für die Absicherung von Leistungsempfängern allerdings gibt es den Regelsatz und die entsprechenden Zusatzleistungen.