Protokoll der Sitzung vom 24.11.2011

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und FDP)

Bitte, Herr Mann.

Ich möchte die Gelegenheit zu einer Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Mackenroth nutzen. Herr Mackenroth, Sie haben auf Ihre Logik im Zusammenhang mit den Hochschulpaktmitteln und dem, was Herr Finanzminister Unland damit macht oder eben

nicht macht, hingewiesen. Wir wollen das Geld zu 100 % an die Hochschulen weiterleiten.

Ich möchte hierzu nur Folgendes sagen: Es gibt eine gültige Vereinbarung zwischen den Ländern und dem Bund. Sie besagt, dass es über der Referenzlinie der KMK 13 000 Euro vom Bund gibt. 13 000 Euro muss das Land hälftig den Hochschulen für die Finanzierung dieser Aufgaben zur Verfügung stellen. Es steht nicht darin, dass das Land die 13 000 Euro vom Bund nimmt und damit seinen Landeshaushalt saniert. Es steht auch nicht darin, dass das Land die Kapazitäten beliebig an seine Hochschulen anpassen kann und die Arbeitnehmer an den Hochschulen auspresst, weil man die Arbeitsverhältnisse weitestgehend und immer mehr auf Lehrbeauftragte und andere prekäre Arbeitsverhältnisse stützt.

Es steht dort vielmehr Folgendes: Die Hochschulen sollen mit diesen Ressourcen zu gleichen Teilen von Bund und Land ausgestattet werden. Das ist ein Vertrag zwischen dem Bund und dem Land. Ich habe den Eindruck, dass das Land versucht, hierbei alle übers Ohr zu hauen: die Studierenden, weil die Lehrbedingungen schlechter werden, die Hochschulen, weil sie die Ressourcen verdient haben, und zu guter Letzt den Bund, weil sich das Land das Geld in den Landestopf einstreicht. Das ist die Realität.

Dieses Dokument ist im Internet verfügbar. Ich werde es Ihnen gern mit Kleinen Anfragen in den nächsten Wochen und Monaten untersetzen, damit wir schauen können, wie es aussieht und was in diesem Land passiert. Ich glaube, dass es in der KMK nicht gut ankommt, was Sachsen uns in den Kleinen Anfragen an Planzahlen liefert. Das ist gegen diesen Vertrag und führt dieses gute Instrument des Hochschulpaktes ad absurdum.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Herr Mackenroth, möchten Sie darauf antworten? – Das ist nicht der Fall. Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Herr Mackenroth, erlauben Sie mir zwei Bemerkungen von meiner Seite. Sie haben darauf verwiesen, dass Sie sich wünschen, dass die Hochschulen künftig mit den Stellenkürzungen selbst umgehen sollen. Es gibt die Hochschulautonomie. Ich habe es immer für ein Ziel der Hochschulautonomie gehalten, den Hochschulen diese Selbstverwaltung mit einer angemessenen Finanzausstattung zu ermöglichen. Wenn Sie nun Stellen- und Finanzkürzungen mit der Hochschulautonomie verbinden, heißt das, dass die Hochschulen einzig und allein in die Lage versetzt werden, den Mangel zu verwalten. Das ist eine Konterkarierung der Idee der Autonomie.

Zweitens. Ich kann es gar nicht glauben, dass Sie ernsthaft die Logik aufmachen wollen, dass in den Hochschulen die Möglichkeiten, Reserven zu erschließen, dort bestehen, wo unterausgelastete Fächer sind. Diese simple Logik würde auf jeden Fall eine Fehlsteuerung bedeuten;

denn unterausgelastete Fächer mit hohem Betreuungsaufwand können durchaus die berühmten Orchideenfächer sein, die gesellschaftlich absolut notwendig und wichtig sind. Wir müssen ein politisches Interesse daran haben, dass diese weiter bestehen. Typische unterausgelastete Fächer sind leider – wenn Sie sich die Statistik anschauen – die MINT-Fächer, also die Naturwissenschaften und die Technik. Ich meine, es muss uns gelingen, mehr Studierende für diese Fächer zu gewinnen, und nicht die Hochschulen dazu zu bringen, mit einem schlichten Steuerungsinstrument dort einzusparen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Mackenroth, bitte.

Herr Dr. Gerstenberg, ich habe nicht darüber geredet, dass wir Freiheiten gewähren, um den schwarzen Peter nach unten zu reichen und den Mangel durch die Hochschulen selbst und nicht mehr durch uns verwalten zu lassen.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: So sieht es aber aus!)

Sie werden bei den Hochschulpolitikern dieser Koalition immer Kolleginnen und Kollegen finden, die dem vehement entgegentreten werden.

Wir haben heute Morgen über Lehrerbedarf geredet. Jetzt reden wir über die Hochschulen. Diese Dinge gehören in die Haushaltsverhandlungen. Da sind sie gut aufgehoben. Wir werden dann darüber sprechen. Sie werden dann sehen, dass diese Koalition für die Hochschulen und die Wissenschaftslandschaft im Freistaat Sachsen kämpft wie die Löwen.

Dass wir unter dem Strich im Hochschulbereich Reserven haben, wo auch immer, nicht in den Solitärfächern, auch nicht immer in den großen Fächern, sondern dass es überhaupt Reserven gibt, das ist mein Petitum. Diese müssen aufgedeckt und gehoben werden. Das können – das wissen wir beide – die Hochschulen wesentlich besser als eine Ministerialbürokratie.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Fraktion DIE LINKE Herr Prof. Besier, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mann hat darauf verwiesen, dass das Statistische Bundesamt gemeldet hat, dass in Sachsen die Zahl der Studienanfänger entgegen den Prognosen gestiegen sei. Mir sind in dem hier zu diskutierenden Zusammenhang die drei Worte „entgegen den Prognosen“ wichtig.

Vor diesem Hintergrund ist das im Antrag der SPD geforderte Stellenmoratorium eigentlich ganz selbstverständlich. Ich wundere mich, warum wir darüber überhaupt diskutieren. Ansonsten müssten wir ja hoffen, dass jene, die sich im Studienjahr 2011 an einer sächsischen Hoch

schule eingeschrieben haben, vor ihren Examina das Land wieder verlassen.

Auch die Forderung nach einer auskömmlichen Finanzierung der Hochschulen versteht sich doch ganz von selbst. Die laufenden Grundmittel pro Studierendem liegen in Sachsen bei 6 602 Euro, im Bundesdurchschnitt bei 8 871 Euro. Einem Aufsatz in „Forschung und Lehre“ zufolge nimmt Sachsen im Ranking der Bundesländer bei der Besoldung Platz 12 ein, befindet sich also im unteren Drittel der 16 Bundesländer. Wenn ich dann im Entwurf des Sächsischen Hochschulentwicklungsplans bis 2020 von dem Ziel „Spitzenleistungen auf internationalem Niveau“ lese, frage ich mich, wie lange wir solche Illusionen weiter aufrechterhalten wollen.

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, DIE LINKE)

Wir können doch schon froh sein, wenn wir im nationalen Wettbewerb nicht auf einem der ganz unteren Plätze landen. Im unteren Drittel sind wir doch schon.

Es gibt auch andere Forderungen, zum Beispiel offene Diskussionen über das Wohin der sächsischen Hochschulen sowie über die Auswirkungen von Exzellenzinitiativen, Stärkung des akademischen Mittelbaus, Schaffung eines Innovationspools. Ich wundere mich, Herr Kollege Mackenroth. Über Innovationspools haben wir so oft geredet, dass ich mir erlaube, hier nur noch Stichworte zu nennen. Andernfalls wäre das eine Art Nachhilfe. Dazu gehört auch die Forderung nach Einführung eines Kaskadenmodells. Diese Forderungen sind meines Erachtens nur allzu berechtigt und finden auch die volle Zustimmung meiner Fraktion.

Wenn es an diesem Antrag überhaupt etwas zu kritisieren gäbe, dann – so mein Eindruck –, dass wir – ich nehme mich da nicht aus – inzwischen geneigt sind, uns mit Reparaturen zufrieden zu geben. Allerdings sind die Reparaturvorschläge inzwischen so zahlreich, dass man sich fragen muss, ob es nicht angebrachter wäre, dem Vorschlag der GRÜNEN, Herr Dr. Gerstenberg, vom Sommer folgend, so etwas wie einen alternativen Hochschulentwicklungsplan zu konzipieren.

Ich habe in internen Gesprächen mehrfach darauf hingewiesen, dass es immer noch offenkundige konzeptionelle Differenzen zwischen dem Entwurf des Hochschulentwicklungsplans und den Papieren der Enquete

Kommission im Blick auf die Weiterentwicklung des Hochschulstandortes Sachsen gibt. Auch in dieser Hinsicht wäre Planungssicherheit – um das Stichwort der SPD-Fraktion aufzunehmen – sehr zu wünschen.

Im Wissenschaftsausschuss des Landtages pflegen wir sachlich und kollegial miteinander zu diskutieren. Sie wissen, dass ich das hoch schätze. Die Oppositionsfraktionen haben ein hohes Maß an Verständnis für den notwendigen Abstimmungsprozess der regierungstragenden Fraktionen gezeigt. Das können Sie nicht bestreiten. Wir haben Ihnen viel, viel Zeit gelassen. Mit Recht weist die SPD-Fraktion in ihrem Antrag darauf hin, dass Sie seit über zwei Jahren an diesem Hochschulentwicklungsplan

arbeiten. Wie lange wollen Sie dem Landtag den Stand der Entwicklung noch vorenthalten?

Meine Fraktion hat nun einen entsprechenden Antrag eingereicht und als Antwort „im Jahr 2012“ erhalten. Das war der Kern der Antwort, wenn man von der Schilderung der Verständigungsprozesse absieht. Für Januar 2012 haben wir jetzt eine öffentliche Anhörung im Wissenschaftsausschuss beantragt. Zur Vorbereitung wird unter anderem unsere morgen beginnende Hochschulkonferenz dienen. In den Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2013/2014 werden wir Anträge stellen, die andere Prioritäten setzen.

In vier bis fünf Jahren – das prognostiziere ich Ihnen – werden wir eine ähnliche Situation im Hochschulbereich haben, wie sie heute im Schulbereich gegeben ist. Das Wissenschaftsministerium geht einfach von sinkenden Studierendenzahlen aus. Wir benötigen aber, besonders in den MINT-Fächern, mehr Absolventen als bisher. In anderen Ländern mit einer ähnlichen demografischen Entwicklung, etwa in Dänemark oder Schweden, gibt es Universitäten, bei denen in einzelnen Fächern bis zu 80 % der Studierenden aus dem europäischen Ausland kommen. Dort ist man davon überzeugt, dass sich die höheren Investitionen im Rahmen des internationalen Wettbewerbs lohnen.

Der Hochschulentwicklungsplan scheut eine solche Perspektive und geht allein von den knapper werdenden Mitteln aus. Dass es nicht nur in der nächsten, sondern auch in der übernächsten Generation mit dem Nachwuchs in den wirtschafts- und industrierelevanten Fächern hapern wird, hat man hierzulande doch ebenfalls prognostiziert. Was tut die Staatsregierung für eine gemeinsame Planung und Koordination zwischen der schulischen Bildung und der Hochschul-, der Fort- bzw. Weiterbildung?

Es genügt nicht, angesichts der finanziellen Misere ohne Rücksicht auf den gesellschaftlichen Kontext die Universitäten zu eigenen unternehmerischen Aktivitäten, Fundraising etc. anzuhalten, Stellen zu streichen und die Lehre stärker an Honorarprofessoren bzw. Privatdozenten zu delegieren.

Wir haben doch schon heute ein akademisches Lehrprekariat. Das kann Ihnen nicht entgangen sein. Es gibt Privatdozenten mit Professorentitel, den sie nach sechs Jahren auf Antrag verliehen bekommen, die dann nach der deutschen Mentalität nicht mehr in der Lage sind, an einem Gymnasium zu unterrichten, weil sie ja Professoren sind. Ich kenne hier in Dresden an der TU solche Privatdozenten, die ihren Lebensunterhalt durch Hartz IV bestreiten, weil sie von der knappen Lehrvergütung nicht leben können. Solche Perspektiven sollten Sie nicht als Vision bezeichnen. Es handelt sich doch eher um ein Trauma.

Angesichts der gegebenen Mehrheitsverhältnisse appelliere ich an die wahrhaft Konservativen in diesem Haus – vielleicht gibt es ja noch welche –, die fortschreitende

Ökonomisierung der Hochschulen nicht mehr weiter zu forcieren.

(Beifall bei den LINKEN)

Sie zerstört das innere Gleichgewicht. Ich komme mir gelegentlich ganz merkwürdig vor, weil ich – bekanntlich von der Linksfraktion kommend – hier eigentlich konservative CDU-Positionen vertrete, die bei Ihnen irgendwie verlorengegangen sind.

Wir müssen darauf achten, dass das Gleichgewicht zwischen den Disziplinen an den Universitäten nicht verlorengeht.

Wir wollen nicht, dass Forschung und Lehre auseinandergerissen werden – das warnende Beispiel Berlin haben wir vor Augen –, und unsere Universitätslandschaft darf nicht weiter parzelliert werden.

Bei der beabsichtigten engeren Verzahnung von Universitäten und Wirtschaft werden Fächer, die für die Wirtschaft uninteressant sind, einfach abgehängt – es sei denn, sie fungieren als Transmissionsriemen. Ich zitiere aus der Vision des SMWK: „Die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften tragen dazu bei, dass der technische Fortschritt von der Gesellschaft verstanden und reflektiert wird, sodass er von weiten Teilen der Bevölkerung mitgetragen und legitimiert wird.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wäre das Ende der Geistes- und Sozialwissenschaften, wenn sie vor allem eine solche Funktion haben. Sie sind die kritische Kraft, die unabhängig wirken muss. So kann es also nicht sein.

Die 2010 proklamierte sogenannte Lissabon-Strategie ist gescheitert. Dass sich die EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissenschaftsbasierten Wissenschaftsraum der Welt entwickelt habe, kann wohl niemand mehr ernsthaft behaupten. Das ist vorbei. Es gibt Wettbewerb in Quasi-Märkten – einen echten marktwirtschaftlichen Wettbewerb gibt es in Wissenschaft und Hochschule in der Breite nicht. Das widerspricht der Lebenswirklichkeit in vielen Disziplinen. Es macht keinen Sinn, die Hochschulen zu Unternehmen umfunktionieren zu wollen. Das sind sie in der Breite nicht. Es passen vielleicht einige wenige Fächer hinein, aber nicht die gesamte Universität. Ich bitte Sie, dies einmal zu bedenken.

Wir fordern vom Wissenschaftsministerium eine ausführliche Unterrichtung über die Ziele, Schwerpunkte und Maßnahmen des Hochschulentwicklungsplanes. Das ist erforderlich, um überhaupt eine öffentliche Debatte über die künftige Hochschulpolitik führen zu können. Ich weiß schon, wir sind gegenüber der Schulpolitik im Nachteil, weil Hochschulpolitik sehr viel weniger Menschen interessiert; und das, was die Öffentlichkeit nicht interessiert, liegt immer ein wenig im Schatten der politischen Aufmerksamkeit. Gleichwohl – ich habe es bereits erwähnt – werden wir eine ähnlich unglückliche Entwicklung im Hochschulbereich erleben, wenn wir nicht jetzt die Weichen anders stellen.

Bislang sind die Abgeordneten des Sächsischen Landtages, die schließlich der Haushaltsgesetzgeber sind, über

haupt nicht in die Planungen des Wissenschaftsministeriums einbezogen worden. Wir wollen also nicht mehr und nicht weniger als eine offene und demokratische Debatte über die künftige Hochschulpolitik hierzulande, und das soll bitte auch in gesellschaftliche Konzeptionen eingebettet werden. Was wollen Sie eigentlich mit dieser Gesellschaft? Wenn wir uns das einmal klargemacht haben, können wir auch darüber sprechen, welche Rolle Universitäten in dieser Gesellschaft spielen sollen.

Ich danke Ihnen.