Vielleicht noch ein Hinweis: Nach der Aktuellen Debatte würden wir die im Präsidium vereinbarte Mittagspause einschieben.
Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr zur Tagesordnung. Wir können in die Tagesordnung eintreten. Ich rufe auf den
Die Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt verteilt: CDU 30 Minuten, DIE LINKE 20 Minuten, SPD 17 Minuten, FDP 12 Minuten, GRÜNE 15 Minuten,
Als Antragsteller hat zunächst die Fraktion GRÜNE das Wort. Die weitere Reihenfolge lautet: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Für die einbringende Fraktion GRÜNE hat Frau Kollegin Giegengack das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muss kein penibler Leser des Landtags-Pressespiegels sein, um festzustellen, dass die Staatsregierung zunehmend in eine Legitimations- und Vertrauenskrise gerät. Das Innenministerium und das Kultusministerium stehen seit Längerem unter Dauerbeschuss. Erst gestern hatten wir wieder zwei Debatten aus dem Bereich von Herrn Minister Ulbig, aber auch im Bereich von Herrn Minister Wöller hagelt es seit Monaten massive Kritik vonseiten der Opposition, der Gewerkschaft, der Verbände und der Elternvertretungen wegen steigendem Unterrichtsausfall, der Nichtbesetzung von Direktorenstellen, massiven Abordnungen von Lehrern an andere Schulen und der Nichtbesetzung von Referendarstellen.
Anstatt in die Offensive zu gehen und ein abgestimmtes und zukunftsweisendes Konzept zur Bekämpfung des zukünftigen Lehrermangels vorzulegen, verweist der Kultusminister immer wieder auf einen kleinen Haushaltsvermerk von 2010: „Die Anzahl der Lehrerstellen bis 2020 wird der in den westdeutschen Flächenländern geltenden Lehrerausstattung zuzüglich eines Qualitätszuschlages von 5 % angeglichen werden.“ Ich halte es für unvernünftig und fahrlässig, angesichts dieses absehbaren und dramatischen Lehrermangels, des Ausscheidens Tausender Lehrer aus dem Schuldienst, hier in Rätseln zu sprechen. Das erweckt den Eindruck, dass die Staatsregierung völlig die Orientierung verloren hat, kein abgestimmtes Konzept vorlegen kann, keinen inneren Kompass hat, dieses Problem zu lösen, und auch keinen aktiven Gestaltungswillen zeigt.
Das erzeugt Angst, meine Damen und Herren, bei Eltern, Lehrern und Schülern. Das haben wir auch in der Presse verfolgen können. Lehrer fragen sich: Stehe ich in Zukunft vor Klassen mit 30 Kindern und wie viele Kinder
mit Behinderung werden dabei sein? Eltern fragen sich: Wird die Schule geschlossen werden, wenn jetzt Lehrer fehlen? Wird mein Kind den angestrebten Schulabschluss machen können, wenn die zweite Fremdsprache nicht angeboten wird? Wie wird mein Kind das Klassenziel erreichen, wenn ständig Unterricht ausfällt?
Als Mutter muss ich Ihnen sagen: Eltern bewegt nichts so sehr wie das Wohl ihrer Kinder. Gerade im Bereich Bildung brauchen wir Kontinuität und Verlässlichkeit.
Es ist Ihnen sicher nicht neu, dass das Vertrauen in einzelne Politiker außerordentlich gering ist. Es liegt nach Umfragen unter 10 %. Ich finde erschreckend, dass auch das Vertrauen in die Demokratie als Institution immer weiter zurückgeht. Im Osten trauen 53 % der Bevölkerung der Institution Demokratie nicht mehr zu, dass sie tatsächlich Probleme lösen kann. Das macht mir, die ich in einer Diktatur aufgewachsen bin, große Angst.
Mag sein, dass das mangelnde Vertrauen aus Unkenntnis über die Funktionsweise demokratischer Institutionen herrührt, wie Prof. Patzelt immer sagt, aber ich glaube, das hat auch etwas mit der Nichterbringung von parlamentarischen Leistungen zu tun. Ich bin der festen Überzeugung: Wo Anträge, Gesetzentwürfe und Initiativen der Opposition offenkundig den Mehrheitswillen der Bevölkerung aufgreifen, müssen Abgeordnete der Mehrheitsfraktion diese Anliegen aufnehmen und nicht aus falsch verstandener Loyalität die Regierung schützen.
Das können die Menschen nicht verstehen. Wo Vertreter der Exekutive, aus welchen Gründen auch immer, sich gegenseitig blockieren und damit ein politisches Vakuum erzeugen, müssen Abgeordnete, vor allen Dingen der Mehrheitsfraktion, Führungsverantwortung übernehmen und Entscheidungen einklagen, so wie es der Abg. Colditz getan hat.
Wir Parlamentarier von der CDU bis zu den LINKEN sind nicht die Belegschaft der Staatsregierung, sondern ihr Aufsichtsrat.
Um bei diesem Deutungsmuster zu bleiben: Der Aufsichtsrat kann und muss sogar in vielen Bereichen dem Vorstand freie Hand lassen. Doch wenn der Vorstand sich zu weit von den Interessen der Shareholder entfernt, dann ist es nicht nur Aufgabe, sondern Pflicht des Aufsichtsrates, und in diesem Sinne des Parlaments, einzuschreiten.
Ich bin nicht Ihrer Meinung, Herr Flath, dass dies hinter verschlossenen Türen geschehen muss. Wir Abgeordneten repräsentieren die Bürger von Sachsen. Wir sind zuallererst ihnen verpflichtet und nicht der Staatsregierung.
Das ist die Vertrauensgrundlage für den informellen Pakt zwischen Politik und Bürgern. Das ist repräsentative Demokratie. Ich möchte als Abgeordnete die Minister Wöller, Unland und Frau Prof. von Schorlemer –
– auffordern, uns ein gemeinsames Konzept vorzulegen, wie Sie dieses Problem lösen wollen. Wir sind verpflichtet dazu, hier eine Lösung zu finden. Keiner hat gesagt, dass das, was wir hier im Parlament machen, ein Spaziergang werden wird. Wir müssen eine Lösung finden, Finanzen und Bildungspolitik adäquat gegeneinander abzuwägen, –
Für die einbringende Fraktion sprach Frau Kollegin Giegengack. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Colditz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zahlen und Fakten liegen auf dem Tisch. Sie sind transparent und sie sind vor allen Dingen nicht interpretierbar. Wir erwarten bis 2020 einen Altersabgang von insgesamt 8 000 Lehrern. Wir haben jetzt schon – seit Schuljahresbeginn – Probleme in der Unterrichtsversorgung. Das liegt nicht – wie heute in der Zeitung nachzulesen – am Schneefall im Erzgebirge und auch nicht daran, dass es bei den Berufsschulen vielleicht mehr geschneit hat als bei den Mittelschulen. Das liegt ganz einfach daran, dass wir offensichtlich jetzt schon personelle Probleme haben. Es liegt auch nicht am Streik der Lehrer. Lehrer haben nun einmal, wenn sie in Sachsen nicht verbeamtet sind, auch Streikrecht. Das gefällt mir zwar nicht, aber sicherlich hat das auch Ursachen.
Meine Damen und Herren! Der Handlungsbedarf lässt sich also sehr deutlich herleiten. Ich denke, wir sind uns darüber im Klaren – zumindest spreche ich im Namen meiner Fraktion: Wir brauchen eine schrittweise Erneuerung des Lehrkörpers. Wir müssen die ältere Lehrergeneration schrittweise ersetzen und im Blick auf die Zahl, die uns dazu bevorsteht, müssen wir jetzt damit beginnen und nicht erst nächstes oder übernächstes Jahr.
Wir müssen jedem Referendar eine zeitnahe Ausbildung ermöglichen, einen zeitnahen Abschluss realisieren und wir können nicht differenzieren, ob er das Lehramt für Gymnasium oder für Mittelschule studiert hat. Wir brauchen jeden Lehrer in diesem Land. Alles andere ist eine verheerende Botschaft in die Richtung der Lehramtsstudenten. Wir müssen also dafür Sorge tragen, dass uns jeder ausgebildete Student als Junglehrer zur Verfügung steht.
Meine Damen und Herren! Wir brauchen Einstellungsmöglichkeiten auch im Blick auf Junglehrer. Wir werden es sicherlich nicht mit einem Mal stemmen, 8 000 Stellen im Haushalt einzustellen. Aber wir müssen deutliche Botschaften in die Gesellschaft in Sachsen senden, dass wir willens sind, dem Problem des Lehrermangels, der sich abzeichnet, und dem Problem der Überalterung unserer Lehrer letztlich auch gerecht zu werden.