Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in der Tat beim Stellenabbau hohe Ziele gesetzt. Die Zahl der Stellen beträgt zurzeit rund 86 500. Langfristig muss sie auf rund 70 000 abgesenkt werden. Damit stellen wir uns auf die demografische Entwicklung ein, denn wir müssen bis zum Jahr 2020 einen Rückgang der Bevölkerung von heute knapp 4,2 Millionen auf dann 3,9 Millionen Menschen verschmerzen. Bis zum Jahre 2025 wird es nochmals einen Rückgang von rund 100 000 Bürgern auf dann 3,8 Millionen Menschen geben.

Das hat geringere Einnahmen, zum Beispiel auch Steuereinnahmen, zur Folge. Deshalb können wir uns nicht mehr denselben Verwaltungsaufbau wie bisher leisten. Zusätzlich müssen wir darauf reagieren, dass die Transferleistungen sowohl auf der Deutschland- als auch auf der EU-Ebene sinken.

Ich möchte anhand einer Zahl deutlich machen, was das bedeutet.

Die Finanzausstattung des Freistaates sinkt bis zum Jahr 2020 real um etwa 3 Milliarden Euro. Wir wollen die uns selbst gestellten Ziele des Stellenabbaus erreichen. Jede Haushaltsaufstellung bringt uns diesem Ziel näher. Aber damit nicht genug. Wir schaffen Anreize für Beamte, vorzeitig in den Ruhestand einzutreten. Der Stellenabbau im Beamtenbereich wird damit für bestimmte Jahrgänge vorgezogen. Die vorgeschlagenen Regelungen enthalten deshalb Vergünstigungen, unter anderem beim Versorgungsabschlag, aber auch beim Hinzuverdienst. Damit diese Vergünstigungen nicht zu Mehrausgaben führen, kann keine Wiederbesetzung der Stellen erfolgen. Dabei ist für die Staatsregierung Folgendes sehr wichtig: In jedem Einzelfall muss sorgfältig geprüft werden, ob dienstliche Interessen der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand entgegenstehen. Die Arbeitsfähigkeit der Behörden und Dienststellen muss auf alle Fälle aufrechterhalten werden.

Der Gesetzentwurf steht auch der kürzlich beschlossenen langfristigen Anhebung der Altersgrenzen für den Ruhestandseintritt nicht entgegen. Diese war insbesondere wegen der demografischen Veränderungen bzw. der längeren Lebenserwartung unabdingbar. Es ist notwendig, in diesem Zusammenhang die künftigen finanziellen Versorgungslasten zu begrenzen; denn Sachsen braucht auch zukünftig eine stabile Haushaltslage. Dazu gehört es, strukturelle Maßnahmen einzuleiten, damit die Ausgaben langfristig an die zurückgehenden Einnahmen angepasst werden können. Nur so erhalten wir die Handlungsfähigkeit des Freistaates. Ich bitte Sie daher, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir kommen nun zur Abstimmung. Wir stimmen auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses, Drucksache 5/7655, einschließlich der Ergänzung ab. Es liegt in Drucksache 5/7712 ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, und ich bitte Frau Jähnigen um Einbringung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Änderungsantrag ist im Ergebnis der Anhörung und auf der Basis der dortigen Diskussion entstanden. Sie schlagen vor, dass der vorzeitige Ruhestand nur dann angenommen werden kann, wenn der Dienstherr keine entgegenstehenden dienstlichen Gründe geltend macht. Das beschränkt dieses Instrument natürlich noch

viel mehr. Dies werden dann wahrscheinlich nicht einmal 10 % der Beamtinnen und Beamten in Anspruch nehmen, da gerade die Älteren auf den gehobenen Stellen unverzichtbar sind.

Erstens. Wir halten es für nötig, dies zu flexibilisieren und vorgezogene Neueinstellungen vorzunehmen. Deshalb schlagen wir vor, dieses Tatbestandsmerkmal zu streichen.

Zweitens schlagen Sie als weiteres zusätzliches Merkmal vor, dass der vorzeitige Ruhestand dem Stellenabbau dienen müsse.

Einerseits ist das unklar. Was heißt „dem Stellenabbau“? Die kw-Stellen – künftig wegfallende Stellen – beschließt der Landtag. Es gibt keinen sonstigen Stellenabbau. Das hielten wir auch nicht für transparent. Andererseits ist es doch gut, wenn durch den vorzeitigen Ruhestand eines Beamten bzw. einer Beamtin eine vorgezogene Neueinstellung gelingt, weil wir später weniger Fachkräfte haben werden.

Man merkt natürlich, dass Sie mit Ihrer restriktiven Vorstellung – wegen des Fehlens eines Personalentwicklungskonzeptes – überhaupt nicht genau überlegt haben, was Sie da tun wollen. Andererseits wird das den Wirkungsgrad Ihres Gesetzes maximal beschränken. Wir halten das für unklug, und wir finden es auch im Sinne der Beschäftigten nicht klug, so viele Ermessensprüfungsbegriffe dort einzuführen; denn letzten Endes wird es kaum eine Person auf einer Dienststelle geben, für die sich keine Verwendung fände.

Also, überlegen Sie sich bitte, was Sie wollen! Mit unserem Vorschlag können Sie einen echten Altersruhestand auf Antrag der Beamten erreichen. Sie können Stellen freimachen – oft hoch dotierte Stellen –, dafür junge Leute neu einstellen und dabei noch etwas sparen.

Drittens schlagen wir Ihnen vor, dass bei der Ablehnung eines Antrages auf vorgezogenen Ruhestand eine Beteiligung des Personalrates erfolgen muss.

Wir denken, das sind Maßnahmen, die – entgegen dem Antrag der Betroffenen – zuungunsten des Personals erfolgen und damit natürlich beteiligungspflichtig sein müssen – auch eine Forderung der Gewerkschaften. Ich meine aber auch, sie dient der Kommunikation innerhalb der Dienststellen.

Summa summarum: Stimmen Sie bitte unseren Anträgen zu. Damit machen Sie Ihren eigenen Gesetzentwurf flexibel. Ohne unseren wird er nichts taugen, und ohne unseren werden wir ihm auch nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Abg. Patt, zum Antrag? – Bitte.

Vielen Dank. – Diese Vorschläge haben wir sehr wohl diskutiert, überlegt und abgewogen, können ihnen aber nicht folgen. Wenn wir den Dienstherrn aus der Entscheidung herausnehmen, ob diese Stelle abgebaut wird, und derjenige, der sie besetzt,

sie vorzeitig verlassen möchte, dann werden wir dem gegenseitigen Treueverhältnis zwischen Dienstherrn und Mitarbeiter nicht gerecht; denn zunächst einmal haben wir die Arbeitsfähigkeit der Staatsverwaltung aufrechtzuerhalten, und danach richtet sich, wie wir auf Wünsche einzelner Mitarbeiter eingehen können.

Warum, wie eben auch schon in den Erwiderungen gesagt wurde, soll hierbei eine Willkür herrschen? Ich weiß nicht, welchen Eindruck die Opposition, insbesondere DIE LINKE und SPD, von der Staatsverwaltung hat. Was muss das für ein Willkürapparat sein, in dem nicht ordentlich miteinander gearbeitet wird? Ich glaube, Sie haben ein sehr schlechtes Bild; das sollten Sie revidieren. Sie sollten auch Ihren Eindruck revidieren, dass nur die Schwächsten gehen würden. Ich weiß nicht, wieso Sie sich anmaßen, das festzustellen. Hier gibt es eine ausgewogene, austarierte Situation. Dabei kann auch die Personalvertretung sicher mitreden. Dafür brauchen wir keine besondere gesetzliche Regelung.

Deshalb schlage ich vor, dass wir diese drei Änderungsanträge nicht annehmen. – Danke.

Wer möchte sich noch zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN melden? – Es gibt keine Diskussion mehr. Somit lasse ich nun über diesen Änderungsantrag abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmenthaltungen und einer Reihe von Stimmen dafür wurde der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt.

Wir beginnen nun, über die Beschlussempfehlung abzustimmen. Ich beginne mit der Überschrift. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Gegenstimmen ist der Überschrift mit Mehrheit zugestimmt worden.

Artikel 1, Änderung des Sächsischen Beamtengesetzes. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Auch hier wieder Stimmenthaltungen und Gegenstimmen. Artikel 1 wurde dennoch mit Mehrheit angenommen.

Artikel 2, Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Auch hier gleiches Abstimmungsverhalten. Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen wurde Artikel 2 mit Mehrheit zugestimmt.

Artikel 3, Inkrafttreten. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Auch hier wiederum Stimmenthaltungen und Gegenstimmen. Artikel 3 wurde dennoch mit Mehrheit zugestimmt.

Ich lasse nun über den gesamten Gesetzentwurf abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und einer Reihe von Gegenstimmen wurde dem Gesetzentwurf dennoch zugestimmt.

Nun liegt mir ein Antrag auf Eilausfertigung vor. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Damit können wir so verfahren.

Wir schließen diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Einsetzung einer Unabhängigen Untersuchungskommission

„Aufklärung der Mitverantwortung sächsischer Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden für das ungehinderte Wirken

der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund“

Drucksache 5/7600, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE, danach folgen CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Ich erteile nun Herrn Abg. Gebhardt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da Herr Bartl heute nicht anwesend sein kann, werde ich sinnwahrend seine Rede vortragen.

(Christian Piwarz, CDU: Wo ist er denn? Bitte mit Dialekt!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem jüngst auch in anderen Zusammenhängen für den Freistaat Sachsen höchst interessanten Beschluss vom 12. Oktober 2011 zur Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften des Gesetzes zur Neuregelung zur Telekommunikationsüberwachung vom

21. Dezember 2007 erneut hervorgehoben – ich zitiere –: „Die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ist eine staatliche Aufgabe von hohem Verfassungsrang“.

Angesichts der Dimension und der Ungeheuerlichkeit der Verbrechenskomplexe, die bereits nach dem bislang bekannten Sachverhalt dem rechtsterroristischen, nationalsozialistischen Untergrund zuzuordnen sind, der seinerzeit offensichtlich keineswegs nur aus Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und der Inhaftierten Zschäpe bestand, sondern Mittäter, Beihelfer und geistige Brandstifter in erheblicher Zahl hatte, sollte man sich vor vorschnellen Bewertungen tunlichst hüten.

Eines steht aber jetzt schon fest: Bei der Erfüllung dieser vom Bundesverfassungsgericht nochmals ausdrücklich in das öffentliche Bewusstsein gerückten erstrangigen Aufgabe haben die zuständigen Strafverfolgungsbehörden des Freistaates Sachsen nicht unmaßgeblich, wie selbstverständlich auch der Sächsische Verfassungsschutz, angesichts der Qualität, der Quantität und Intensität des über nahezu ein Jahrzehnt unentdeckt gebliebenen Mordens, Raubens und Brandschatzens der NSU kläglich versagt – schlimm versagt.

Die Ermittlungen sind vom Generalbundesanwalt und in Sachsen vom Generalstaatsanwalt Klaus Fleischmann, den Staatsministern der Justiz und Inneres besänftigend und Geduld erheischend betont in vollem Gange. Sie, mehr aber noch die intensiven und verdienstvollen Recherchen der Medien, die mit Unterstützung von Menschen, die seit Jahr und Tag tief in die neonazistische Struktur blicken und immer wieder vergeblich und ungehört auf deren verbrecherische Gefährlichkeit aufmerksam zu machen versuchten, fördern jeden Tag neue, schlimme Erkenntnisse zutage.

Wäre es nicht so tragisch, könnte man sagen: Wie beim Adventskalender wird jeden Tag ein neues Türchen geöffnet und es kommt eine neue Tatsache ans Licht der Öffentlichkeit. Immer klarer wird, dass die in den ersten Novemberwochen von der Sächsischen Staatsregierung gewählten Sprachregelungen, als ob es hierbei vor allem um eine Thüringer Angelegenheit gehe, die den Freistaat Sachsen nur peripher berühre, schlicht ein Rohrkrepierer waren.

Längst ist es zur traurigen Gewissheit geworden: Nachdem Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wegen des Bombenbaus im thüringischen Jena im Januar 1998 in den Untergrund gehen mussten – wie mancher mutmaßte, vielleicht auch gegangen worden sind –, fanden sie in erschreckend unbeteiligter Form ihren ständigen Sitz und ihre Verstecke in Sachsen. Von Sachsen aus zogen sie quer durch die Republik, töteten höchst kaltblütig und feige zehn Menschen, neun davon mit Migrationshintergrund. Sie begingen zwölf Banküberfälle, wobei sie einen Azubi der betroffenen Sparkasse in Zwickau durch Bauchschuss schwer verletzten. Zwei Sprengstoffanschläge gingen nach bisherigen Erkenntnissen ebenfalls auf ihr Konto.

Zunächst fühlte sich das Mördertrio, wie die „Freie Presse“ dieser Tage titelte, in Chemnitz wohl. Hier startete es – kaum dort aufgetaucht – am 6. und 27. Oktober 1999 seine ersten beiden Überfälle auf Postfilialen, zwei von später insgesamt sieben nicht aufgeklärten Raubzügen in dieser sächsischen Stadt.

Wie in den letzten Tagen bekannt wurde, sicherten die dabei erbeuteten Gelder nicht nur den eigenen Lebensunterhalt, sondern wurden offensichtlich auch für das allgemeine Sponsoring in der Neonaziszene in Sachsen und anderswo investiert.

In Kreisen der rassistischen Blood-and-Honour-Bewegung, die wiederum von neonazistischen Hammerskins beherrscht wurde, gingen sie ebenso um, wie mit bekannten Größen aus der radikalen Musikszene mit potenziellen Vertriebsstrukturen in Chemnitz. Letztere waren offensichtlich zugleich ein Schutzschild, so wie sich die inzwischen zum Teil in Haft befindlichen Kammeraden aus Johanngeorgenstadt, aus Zwickau, aus Schwarzenberg und Umgebung organisierten, nachdem sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nach Zwickau abgesetzt hatten.