Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

(Beifall bei der SPD)

Der Öffentlichkeit wurde dieser Kompromiss in Form der Gleichwertigkeitsklausel als Erfolg für die Kommunen verkauft. Allen, die dieses Argument in der heutigen Debatte noch bemühen möchten, meine Damen und Herren von der Koalition, kann ich nur die Pressemittelungen des Deutschen Landkreistages vom

29. November 2011 empfehlen. Die kommunalen Spitzenverbände setzen nämlich große Hoffnungen in den Vermittlungsausschuss. Der Präsident des Deutschen Landkreistages Hans-Jörg Duppré formulierte es wie folgt: „Die Streichung der Gleichwertigkeitsklausel würde die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger weiter

stärken und ihre Steuerungsfunktion weiter ausbauen. Letztlich sind sie es, die für die ordnungsgemäße Entsorgung vor Ort verantwortlich sind.“

Meine Damen und Herren von der Koalition! Ihre Kollegen im Bund betonen zwar die Daseinsvorsorge im Bereich Abfall, nehmen den Kommunen aber zugleich die Grundlage, ihren Auftrag zu erfüllen. Sie werfen ihnen hierbei Knüppel zwischen die Beine. So führte Herr Becker, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, im Bundesrat aus: „Die Hausmüllentsorgung bleibt eine kommunale Aufgabe. Das ist die zentrale Botschaft. Nur da, wo die Kommunen keine hochwertigen Wertstoffsammlungen heute und vor allem in Zukunft ermöglichen können oder wollen, erhalten private Anbieter eine Chance.“

Was für eine Schizophrenie ist das? Man kann nicht auf der einen Seite die Kommunen in der Garantiestellung für eine nachhaltige Abfallentsorgung belassen und gleichzeitig gewerblichen Sammlern die Möglichkeit einer Rosinenpickerei eröffnen. Die Folge davon wird eine Entsorgung nach Marktlage sein – und zwar zulasten der Bürger und Kommunen. Die Kommunen müssen jederzeit damit rechnen, dass die Entsorgungspflicht wieder bei ihnen landet, sobald die privaten Entsorger ihre Gewinne abgeschöpft haben und keine Rentabilität mehr erzielen. Dafür müssen sie aber die Strukturen in der Hinterhand halten – Kostenstrukturen, die Kosten verursachen, ohne dass diese Kosten mit rentablen Entsorgungsaufträgen gedeckelt werden können; von der Planungssicherheit ganz zu schweigen.

Wir müssen doch nur an die Situation im Altpapierbereich vor einigen Jahren denken. Als der Altpapierpreis hoch war, haben private Entsorger Papiertonnen aufgestellt. Als der Preis nach unten ging, wurde das Altpapier nicht mehr abgeholt. Die Kommunen mussten einspringen.

Die Müllentsorgung ist bis heute eine Aufgabe der Daseinsfürsorge und daher dem privaten Wettbewerb weitgehend entzogen. Das ist sogar durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. Mit dem vorliegenden Kreislaufwirtschaftsgesetz soll dieses Prinzip ausgehöhlt werden. Es soll ein konkurrierendes System der gewerblichen Wirtschaft ausgebaut werden. Für einen Paradigmenwechsel dieser Art gibt es weder einen sachlichen Grund noch eine rechtliche Notwendigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Er ist vor allem nicht im Interesse der Bürger. Vielmehr ist hier ganz deutlich die neoliberale Handschrift der FDP zu erkennen. Ist sie noch da? – Ja.

(Heiterkeit bei der SPD)

Diese folgt nur einem Motto: Gewinne privatisieren, Verluste vergesellschaften.

Die SPD-geführten Länder haben im Bundesrat zu diesem Paradigmenwechsel ganz klar Nein gesagt und den Vermittlungsausschuss angerufen. Wenn die Sächsische Staatsregierung auch nur halbwegs im Interesse der sächsischen Bürger und ihrer Kommunen denkt und handelt, dann sorgt sie dafür, dass die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorger nicht geschwächt, sondern gestärkt wird. Das bedeutet: Die Gleichwertigkeitsklausel muss gestrichen werden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Der Vermittlungsausschuss des Bundesrates hat heute getagt und zu diesem Tagesordnungspunkt kein Ergebnis erzielt. Das heißt, die Staatsregierung hat noch Zeit, ihre Position deutlich zu machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Köpping. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Hippold. Herr Hippold, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz soll bzw. wird die EU-Abfallrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Umsetzung ist auch dringend erforderlich, da die Frist bereits am 12.12. letzten Jahres abgelaufen ist.

Auf Basis des geltenden Europarechts und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist die von der SPD-Fraktion kritisierte Gleichwertigkeitsklausel unumgänglich. Es hat mich schon etwas gewundert, dass Frau Köpping auf dieses EU-Erfordernis in ihrem Redebeitrag überhaupt nicht eingegangen ist.

(Andrea Roth, DIE LINKE: Das kommt nicht von der EU!)

Mit den strikten Untersagungsgründen des § 17 Abs. 3 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes verhindert sie den Schutz kommunaler Monopole, die den ökologischen Anforderungen nicht gerecht werden. Eine Streichung der Klausel hätte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen EU-Rechtswidrigkeit des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zur Folge. Entsprechende Klagen der privaten Entsorger sind vorprogrammiert und müssten nach unserer Rechtsauffassung auch positiv beschieden werden. Zudem würde die Untersagung unzulässiger gewerblicher Sammlungen erheblich erschwert. Die betroffenen gewerblichen Sammler werden sich darauf berufen, dass die neue Regelung des § 17 Absatz 3 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ohne Gleichwertigkeitsklausel gegen EU-Recht verstößt.

Die Befürchtung der SPD-Fraktion, die Zulassung privater Entsorger bei höherwertiger Abholung führe zu sogenannter Rosinenpickerei, bei der sich die gewerblichen Unternehmen auf die lukrativen Abfallfraktionen beschränken, während die teure Restmüllentsorgung bei den Kommunen hängen bleibt, ist grundsätzlich nachvollziehbar. Das haben wir allerdings schon frühzeitig erkannt und uns für eine Änderung im Entwurf stark gemacht. Der vorliegende Gesetzentwurf trägt unserer Forderung und der Sorge bis an die Grenzen des europarechtlich Zulässigen Rechnung. Zu diesem Schluss kommt unter anderem eine gutachterliche Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. Ulrich Karpenstein in der öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag.

Zum Sachverhalt: Der Ausschluss von Wettbewerbern ist entsprechend Europäischem Gerichtshof nur dann gerechtfertigt, wenn dies tatsächlich und im Einzelfall notwendig ist, um die gemeinwirtschaftlichen Dienstleistungen des betrauten Unternehmens zu ausgewogenen Bedingungen aufrecht zu erhalten. Insbesondere müssen die betrauten Unternehmen tatsächlich in der Lage sein, die Nachfrage zu decken. Allein die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung ist nicht ausreichend. Wird die Nachfrage der Haushalte nach speziellen und höherwerti

gen abfallwirtschaftlichen Dienstleistungen, wie etwa der blauen Tonne oder Bio-Tonnen, nicht erfüllt, können diese dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auch nicht vorenthalten werden.

Kurz gesagt: Leistungen, die nicht den Anforderungen der Bürger entsprechen bzw. gerecht werden, dürfen nicht durch ein Monopol geschützt werden. Aus dieser Sicht würde bei einer Streichung der Gleichwertigkeitsklausel den berechtigten Befürchtungen der kommunalen Entsorger vor Rosinenpickerei gerade nicht entgegengetreten. Der Gesetzgeber würde dann auf den bisherigen Rechtszustand zurückfallen. Es dürfte auch kaum mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen zur Neutralität und Unabhängigkeit staatlicher Beschränkungen vereinbar sein, dass der Träger des öffentlichen Entsorgers in der Regel selbst über die Zulassung einer gewerblichen Sammlung entscheidet.

Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass ein EuGH-Verfahren für die kommunalen Entsorgungsunternehmen erhebliche Risiken birgt. Dies geht bis hin zu der Gefahr, dass Überlassungspflichten für getrennt gesammelte Abfallfraktionen vollständig entfallen müssten.

Im Übrigen habe ich mich vorhin gewundert, dass Sie aus einer Pressemitteilung des Deutschen Landkreistages zitierten, wenn ich das richtig erfasst habe. Ich habe das etwas anders definiert. In diesen Pressemitteilungen des Städte- und Gemeindetages und des Deutschen Landkreistages vom 27. bzw. 28. haben beide Institutionen an die Länder appelliert, der Novellierung des Abfallrechts in der vorliegenden Fassung zuzustimmen. Der Landkreistagspräsident Hans Jörg Duppré sieht nämlich dadurch das Rosinenpicken privater Firmen zulasten der öffentlich-rechtlichen Entsorger und der Gebührenzahler deutlich erschwert. Im Übrigen sieht das auch der Münchener Oberbürgermeister Uhde, der aus meiner Sicht ein SPD-Parteibuch hat, genauso.

(Thomas Jurk, SPD: Aus Ihrer Sicht?)

Ja, aus unserer Sicht.

(Stefan Brangs, SPD: Sie meinen den neuen Ministerpräsidenten?)

Da wird noch viel Wasser irgendwo herunterfließen, denke ich.

(Zurufe: Isar!)

Aus diesem Grund sollten wir nicht ohne Not die Verabschiedung des vorliegenden Entwurfs des Kreislaufwirtschaftsgesetzes behindern. Ebenfalls sollten wir abwarten, wie der Vermittlungsausschuss des Bundesrates letztendlich entscheidet, auch wenn heute noch keine Entscheidung dazu gefallen ist. Vorschnelle Festlegungen sind an dieser Stelle fehl am Platze. Die Koalition wird aus diesem Grund dem Antrag der SPD nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU – Hochrufe von der SPD)

Das war Herr Hippold für die CDU-Fraktion. – Nun spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Roth. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da Frau Köpping schon ausführlich auf die sogenannte Gleichwertigkeitsklausel eingegangen ist, werde ich mit meinem Beitrag andere, darüber hinausgehende Schwerpunkte setzen. Trotzdem sage ich gleich am Anfang meines Redebeitrages: Die Fraktion DIE LINKE wird dem SPD-Antrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

So sind wir.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Der Zugriff der Privaten auf den Abfall ist ohne Wenn und Aber zu streichen. Abfall der Bürgerinnen und Bürger gehört am Anfang der Verwertungskette in kommunale Hand.

Doch – und jetzt kommt das „Doch“: Wer A sagt, muss auch B sagen. Es ist nicht im Geiste der EU-Abfallrahmenrichtlinie und erst recht nicht der Vernunft, wenn die Kreise als Aufgabenträger bzw. ihre Zweckverbände die Abfälle gebrauchen, um ihre zu großen Abfallbehandlungsanlagen zu füttern. Abfälle sind Ressourcen, sind wertvolle Rohstoffe, die in unserer rohstoffarmen Zeit und in unserem rohstoffarmen Land sinnvoll zu nutzen sind. Sinnvoll nutzen heißt stoffliche Verwertung. Das schreibt auch die neue Abfallhierarchie vor.

Die fünfstufige Abfallhierarchie verändert die bislang im europäischen und nationalen Recht anerkannte dreistufige Abfallhierarchie von Vermeidung, Verwertung und Beseitigung. Sie wird in der Weise verändert, dass die Verwertung in drei gestufte Verwertungsoptionen aufgeteilt ist. Das sind erstens Vorbereitung zur Wiederverwendung, zweitens Recycling und drittens sonstige Verwertung, zum Beispiel energetische Verwertung. Diese Abfallhierarchie setzt eindeutig die Priorität bei der stofflichen Verwertung. Mit der Wiederverwendung und dem Recycling können sowohl die Rohstoffe als auch die in ihnen gebundene Energie im Kreislauf gehalten werden.

Herr Minister, der Freistaat sollte sich im Bund klar und eindeutig dafür einsetzen, dass energetische Kapazitäten vom Markt genommen werden, sodass Recycling der sonstigen Verwertung eindeutig vorgezogen wird. Das ist, wie ich schon sagte, eine Forderung der Europäischen Union.

Natürlich verstehen wir auch die Nöte der kommunalen Abfallentsorger, die im vergangenen Jahrzehnt große Abfallbehandlungsanlagen errichtet haben. Sie kämpfen jetzt um jede Tonne Müll, um ihre Anlagen auszulasten. Sie verfolgen damit das verständliche Ziel, die Abfallgebühren der Bürgerinnen und Bürger stabil zu halten.

Mit der Umsetzung der Abfallhierarchie wird ihren Abfallbehandlungsanlagen Futter entzogen. Das ist ein

großes Problem. Mit diesem Problem dürfen wir die kommunalen Entsorgungsträger nicht allein lassen. Hier steht die Staatsregierung in der Pflicht, die mit öffentlichrechtlichen Verträgen Ende der Neunzigerjahre die Kreise zum Anlagenbau drängte. Schon damals bezeichnete ich diese Verträge als Knebelverträge, die keine Möglichkeit zur Konzipierung eigener Gedanken für eine zukunftsfähige kommunale Kreislaufwirtschaft zuließen.

Heute dürfen zu den vergangenen Fehlentscheidungen nicht neue gepaart werden. Es ist eine günstige Zeit, aus der Kette dieser Fehlentscheidungen auszubrechen. Dazu sind aus unserer Sicht folgende Schritte notwendig:

Erstens. Der Abfall gehört vollständig in die Hände der Kommunen. Einen ersten Schritt dazu sollten wir heute gehen.

Zweitens. Wenn für alle Abfälle die Kommunen zuständig sein sollen, dann gehören auch die Verpackungen dazu. Auch über sie soll die Kommune die Verantwortung erhalten und mit dem Dualen System Übertragungsvereinbarungen verhandeln.