Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Vielen Dank, Frau Hermenau. – Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/7634 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Danke sehr. Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 9

Verbraucherschützer und Experten endlich ernst nehmen –

private Altersvorsorge effizient gestalten und rechtlich absichern!

Drucksache 5/7598, Antrag der Fraktion der NPD

Die Fraktionen können wie folgt Stellung nehmen: NPD, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Aussprache. Für die NPDFraktion Herr Abg. Delle. Herr Delle, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade vorhin, vor einigen Stunden, haben wir an dieser Stelle über die drohende Altersarmut in Deutschland debattiert. Die NPD steht – das haben wir in vielen Zusammenhängen immer wieder betont – für einen Paradigmenwechsel in der Rentenpolitik, für eine Sicherstellung des Generationenvertrages und für die Rettung des umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems in der Tradition Bismarcks.

Insofern war unser Fokus bisher immer primär auf die staatliche Altersvorsorge gerichtet. Wir leben aber heute nun einmal in dem herrschenden neoliberalen System, das

sich dazu entschieden hat, die staatliche Altersvorsorge schrittweise abzubauen und in gleichem Maße die Last und Verantwortung der Vorsorge auf den Einzelnen abzuwälzen.

Die parlamentarische Mehrheit in diesem Landtag wie auch auf Bundesebene steht für diesen rentenpolitischen Kahlschlag, steht für die Anhebung der Regelaltersgrenze und stand bisher jeder Reform, wie der Schaffung einer einzigen solidarischen Volksrentenkasse, entgegen.

Genauso haben Sie auch die stärkere Berücksichtigung der Kinderzahl und der Kindererziehungszeiten bei der Beitragszahlung wie beim Rentenbezug immer abgelehnt.

Wann immer mal aus den Reihen der etablierten Parteien, beispielsweise vonseiten der CSU im Jahr 2003, ein Konzept kam, das in diesem Sinne hätte umgesetzt werden können, versandete es anschließend im parlamentarischen Betrieb.

Deshalb sind alte Menschen heute schon zunehmend von Altersarmut betroffen und jüngere sind dazu gezwungen – ob sie wollen oder nicht und ob sie es können oder nicht –, in erheblichem Umfang privat Vorsorge zu treffen.

Also müssen Sie sich, müssen wir uns alle der Frage zuwenden: Was sind die heutigen privaten Altersvorsorgeprodukte wert, die angeboten werden? Kann man damit überhaupt wirkungsvoll vorsorgen? Was ist mit den staatlich geförderten Produkten? Sind es diese überhaupt wert, gefördert zu werden, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen sollte dies geschehen?

Meine Damen und Herren! Am 23. November dieses Jahres legte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung – DIW – entsprechende Untersuchungsergebnisse vor, insbesondere zur berühmt-berüchtigten RiesterRente. Gerd Billen vom Bundesverband der Verbraucherzentralen fasst zusammen – Sie haben es bestimmt gelesen –: „Die Regierung lässt die Menschen sehenden Auges in die Altersarmut treiben. Es ist Zeit, dass jemand das Ruder in die Hand nimmt.“

Genau darum geht es uns heute. Wenn Sie, meine Damen und Herren, Ihrer Verantwortung gerecht werden wollen, dann werden Sie sich diesem Antrag und unseren Forderungen nicht ernsthaft verweigern können, entsprechen unsere Vorstellungen doch weitestgehend dem, was Verbraucherschützer und Experten schon seit Langem fordern.

Meine Damen und Herren! Werfen wir noch einmal einen Blick auf die wesentlichen Problempunkte im Bereich der privaten Altersvorsorgeprodukte. Eine entscheidende Frage ist selbstverständlich die nach den zu erwartenden Renditen. Von den Gegnern einer umfassenden Reform und gesetzlich eingreifender Regelungen wird argumentiert, auf dem Finanz- und Vorsorgemarkt sei alles zu haben und hier sei eben privates Engagement gefragt.

Leider kommt aber gerade bei den staatlich geförderten Produkten wie den Riesterverträgen das DIW zu dem Schluss, „dass insgesamt die Renditen aus gesellschaftlicher Sicht, das heißt, die Rentenleistung bezogen auf den Sparbeitrag des Einzelnen plus staatliche Zulage, bei allen versicherungsförmigen Produkten sehr niedrig ausfallen.“

Man könnte auch sagen, meine Damen und Herren, zur Vermeidung von Altersarmut tragen diese Produkte sehr wenig bis nichts bei. Die geringen Erträge hängen aber auch mit den hohen Abschlusskosten und Provisionen zusammen, die bei diesen Produkten anfallen und eben nicht über die gesamte Laufzeit verteilt werden, sondern auf die ersten Jahre nach Abschluss des Vertrages.

Dies schlägt dann besonders ins Kontor, wenn ein privater Anleger das Produkt bzw. die Versicherungsgesellschaft wechseln möchte. So greift die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in Berlin die Intransparenz und hohen Kosten beim Wechsel an. Zitat: „Wer das Recht auf Anbieterwechsel nutzt, kann sein eingezahltes Kapital nahezu vollständig verlieren“, so Dorothea Mohn, Referentin Altersvorsorge beim VZBV in Berlin. Somit wird

also derjenige, der privat vorsorgt und sich eigenverantwortlich um sein Vorsorgeportfolio kümmert, auch noch dafür bestraft, indem er unter Umständen nahezu das gesamte eingezahlte Kapital und einen großen Teil der Zulagen zu verlieren droht.

So sind es auch die Verbraucherzentralen, die, wie auch zu lesen in dem heutigen Antrag, eine auf Neudeutsch so genannte Non-Profit-Lösung fordern, also eine besonders kostengünstige Variante eines Vorsorgeangebotes, etwa in Form eines staatlichen Pensionsfonds.

Meine Damen und Herren! Wer so wie Sie auf einen Abbau der umlagefinanzierten Rente setzt und stattdessen auf die schnellere Kapitalbildung in privater Hand, der muss dafür dann auch Sorge tragen, dass der breiten Masse rentable und vor allem auch sichere Vorsorgeprodukte zur Verfügung stehen, sonst ist alles Makulatur, wenn Sie, insbesondere die Vertreter der Regierungsparteien, immer wieder von Eigenverantwortlichkeit und Mündigkeit des Verbrauchers reden.

Eine ganz zentrale Forderung der Experten ist nicht nur die gesetzliche Begrenzung der Kosten für Vertrieb und Verwaltung gerade bei staatlich geförderten Produkten, sondern auch die Kostentransparenz. Letztere hat für alle Altersvorsorgeprodukte zu gelten, ob staatlich gefördert oder nicht.

Auch für den Laien muss einfach und nachvollziehbar zu erkennen sein, welche Kosten die von ihm gewählten Verträge belasten und welche Renditeerwartungen auch wirklich realistisch sind. Wie sonst sollte eine ergänzende private Altersvorsorge sein?

Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Fraktionskollege Schimmer wird in einem weiteren Redebeitrag noch auf einige Einzelheiten eingehen. Doch schon jetzt fordere ich Sie auf: Machen Sie sich die Sichtweise ausgewiesener Experten zu eigen und stimmen Sie für den vorliegenden Antrag! Zeigen Sie damit auch, dass Ihnen der Schutz breiter Bevölkerungsschichten vor drohender Altersarmut wichtiger ist als die Ansprüche und Interessen der Versicherungslobby.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. Für die Koalition spricht Herr Biesok, FDPFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die private Altersvorsorge ist eine Erfolgsgeschichte. Sie wurde erst im Jahre 2002 eingeführt, aber bereits heute gibt es 15 Millionen Riester-Rentenverträge. Seit dem Jahre 2005 hat sich die Zahl verdreifacht. Das zeigt, wie gut dieses Produkt angenommen wird und wie viele Menschen es für wichtig erachten, privat für das Alter vorzusorgen.

Die kapitalgedeckte Rente ist eine ideale Ergänzung zur umlagefinanzierten Rente über die Deutsche Rentenversicherung Bund. Beide Systeme haben ihre Stärken und ihre Schwächen. Die NPD-Fraktion hat leider für die Riester-Rente nur die Schwächen dieses Modells dargelegt.

Wir haben erkannt, dass der demografische Wandel unser bisheriges Rentensystem an seine Grenzen geführt hat. Wir haben immer weniger Beitragszahler und eine steigende Lebenserwartung. Deshalb ist mit einem auf Umlagen finanzierten System die Rente allein nicht zu sichern. Wir müssen eine grundlegende Reform machen. Das ist nur möglich, wenn wir beide Modelle miteinander kombinieren. Allein durch eine Anhebung der Beiträge für die staatliche Rentenversicherung wird das nicht erreicht.

Meine Fraktion, die FDP, wäre gern noch einen weiteren Schritt gegangen, wir hätten einen stärkeren Schritt hin zur kapitalgebundenen Altersvorsorge gehabt. Aber zumindest haben wir mit der Riester-Rente einen ersten Schritt in diese Richtung.

Meine Damen und Herren! Die Bürger sind sich darüber im Klaren, dass sie mehr Eigenverantwortung übernehmen müssen, wenn sie ihren Lebensstandard im Alter halten wollen. Man kann sich nicht nur einseitig auf bestimmte Vorsorgeformen verlassen, sondern muss einiges miteinander kombinieren.

Die rot-grüne Bundesregierung hat damals bei der Konstruktion der Riester-Rente einen Konstruktionsfehler gemacht. Man hat dem Bürger nicht vertraut, dass er sich um seine Altersvorsorge richtig kümmert und dass er das Kapital, das er dort anspart, entsprechend nur fürs Alter verwendet. Entsprechend stark hat man die Riester-Rente reglementiert.

Immer dann, wenn man reglementiert, kostet das richtig Geld, und das ist hier auch bei den Riester-Renten. Wenn die NPD-Fraktion hier kritisiert, dass es sehr hohe Verwaltungsaufwendungen bei der Riester-Rente gibt, dann sind diese Verwaltungsaufwendungen zu einem ganz erheblichen Anteil darauf zurückzuführen, dass der Staat Vorgaben gemacht hat, wie dieses Produkt zu funktionieren hat. Der Staat hat Vorgaben gemacht, wie das Förderverfahren abzulaufen hat. Entsprechend müssen die Anbieterstrukturen vorhalten.

Die NPD fordert in ihrem Antrag unter anderem, eine Finanzaufsicht zu etablieren. Das muss man ablesen, um das wiedergeben zu können, um Vorsorgeprodukte einer staatlichen Aufsicht zu unterstellen. Hier offenbart sich eine grobe Unkenntnis der NPD-Fraktion. Zum einen haben wir bereits mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine staatliche Finanzaufsicht zum Wohle der Banken als auch der Versicherungsunternehmen. Zum anderen muss gerade – das ist eine Besonderheit der Riester-Rente – jeder Riester-Vertrag, bevor er an den Kunden vertrieben wird, staatlich zertifiziert werden und ganz streng den Qualitätskriterien genügen. Das ist nun wirklich schon umgesetzt.

Seit der Einführung der Riester-Rente hat man schon deutliche Fortschritte gemacht. Man hat einige Punkte in der Verwaltungsphase vereinfacht. Insbesondere hat man Dauervollmachten eingeführt, um die Zulagen zu erlangen, und man hat durch die Einführung eines sogenannten Wohn-Riester-Vertrages die Möglichkeit geschaffen, auch in eine selbstgenutzte Immobilie zu investieren und damit für sein Alter zu sorgen.

Auch die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer weiteren Vereinfachung der Riester-Verträge. So sollen die Produkte transparenter werden, der Laie soll schnell die wesentlichen Vertragsmerkmale erkennen, und er soll auch erkennen können, auf welche Höhe sich die Kosten belaufen.

Information, Verständlichkeit und Transparenz erwartet der Verbraucher. Nur so kann man abwägen, welche Vorsorge er im Alter anstrebt und in welche Form er investieren muss. Aber eines werden wir nicht tun. Das ist das, was die NPD-Fraktion hier vorschlägt. Wir werden den Anbietern nicht vorschreiben, wie viel Kosten sie haben dürfen und wie viel sie verdienen dürfen. Transparenz ja, aber keine Einheitsprodukte.

(Beifall bei der FDP)

Wir machen den mündigen Bürger nicht unmündig, indem wir ihm die Wahlfreiheit nehmen, sondern wir geben ihm die Information, die er für seine Entscheidung braucht.

Die NPD-Fraktion nimmt auf die Studie Bezug. In der wird kritisiert, dass die Effizienz dieser Vorsorgeprodukte nicht hoch genug ist. Es sei eine zu geringe Rendite vorhanden. Diese Kritik geht meines Erachtens fehl. Die Riester-Renten garantieren eine Rückzahlung des Kapitals und bei Versicherungsprodukten eine Garantieverzinsung mit Kapitalanteil. Gerade die D-Mark-Partei NPD müsste aber wissen, dass sichere Anlagen in Deutschland weit weniger Rendite bringen als manch andere Anlagen. Sicherheit kostet Rendite. Wer mehr Zinsen haben will, der muss andere Anlageformen wählen. Ich könnte da ein paar gute griechische, irische oder portugiesische Staatsanleihen empfehlen. Sie bieten eine Restlaufzeit von bis zu sechs Monaten bei einer Rendite bis zu 250 %. Ich denke, Griechenland wird im nächsten Monat nicht Pleite gehen. Aber wer will das schon, wir zumindest nicht.

Für eine private Altersvorsorge muss man eine sichere Anlage wählen, und dazu erkauft man sich eine geringere Rendite.

Gerade die Riester-Rente ist eine Anlageform für Bezieher von kleinen Einkommen. Durch die hohen staatlichen Zuschüsse, die sich jetzt nicht an den Beiträgen orientieren, sondern daran, dass 4 % des Einkommens jeweils eingebracht werden, kommen gerade Bezieher kleiner Einkommen auf eine hohe effektive Verzinsung. Bezieher größerer Einkommen haben einen Vorteil über die entsprechende steuerliche Berücksichtigung, sodass auch dort eine Nachsteuerrendite für die Altersvorsorge möglich ist, die durchaus marktüblich ist.

Daher sehen wir die Riester-Rente als ein sehr solides Produkt an, das für die Altersvorsorge gut geeignet ist. Wir werden den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner spricht Herr Homann von der SPDFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur wenige Traditionen gehören so stark zum sozialstaatlichen Deutschland wie die Rentenpolitik. Das sieht man auch daran, dass es, anders als bei anderen politischen Themen, in der Rentenpolitik einen Konsens zwischen den Bundestagsparteien gibt. Das gelingt ohne Frage nicht immer, aber es ist erklärtes Ziel, hier eine interfraktionelle Einigung herzustellen. Das sind wir den Rentnern in diesem Land auch schuldig.

Für uns Sozialdemokraten ist dabei klar: Die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung muss Lebensstandard sichernd sein. Deshalb ist die beste Strategie zur Sicherung der Rente gute Arbeit. Der NPD-Antrag geht auf den ganzen Bereich guter Arbeit, also auf die Beseitigung prekärer Beschäftigung des Niedriglohnsektors und unterbrochener Erwerbsbiografien, überhaupt nicht ein. Das ist ein schwerwiegender Fehler.