Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten und der Verweis auf die Familie in der Formulierung des Elternrechts trägt diesem Anspruch nicht Rechnung und setzt darüber hinaus voraus, dass alle Kinder in Familien aufwachsen, die diesen Anspruch einlösen können. So wünschenswert das ist – es entspricht nicht der Lebenswirklichkeit. Zu viele Kinder werden dadurch ausgeschlossen. Gerade wenn Familien Probleme haben, brauchen Kinder ein soziales Umfeld, das es ihnen ermöglicht, sich trotz dieser Probleme zu entfalten. Deshalb wollen wir die Kitas stärken und wir wollen vor allem, dass sich alle Mitarbeitenden allen Kindern in der Kita zuwenden können. Wir streichen mit Artikel 5 jegliche Zulassungskriterien für Kitas aus dem Kita-Gesetz. Kitas fördern die frühkindliche Entwicklung und sie sind Bildungseinrichtungen. Sie verwirklichen das Kinderrecht auf Bildung und keinem Kind soll der Zugang verwehrt werden.

Mit der Änderung der Gemeindeordnung wollen wir erreichen, dass Kinder und Jugendliche in den Kommunen über alle Entscheidungen, die sie in besonderem Maße betreffen, unterrichtet und beraten werden. Wir regeln das auch konkreter als in der letzten Legislatur. Wir haben im Vergleich dazu nachgebessert. Wir haben aufgenommen, dass Kommunen geeignete Verfahren zur Beteiligung entwickeln müssen und dabei vom Kinder- und Jugendhilfeausschuss beraten werden können.

Konsequent ist dann auch, dass Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren Einwohneranträge und Anträge auf Einwohnerversammlungen stellen können, wenn 5 % der Einwohner zwischen zwölf und 21 Jahren diese unterzeichnet haben. Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche das aktive Wahlrecht für Kommunalwahlen erhalten. Aber ich sage es noch einmal ganz deutlich: Eine Herabsetzung des Wahlalters allein genügt nicht.

Bitte zum Schluss kommen.

Es ist ein Prozess und muss von vielen anderen Maßnahmen flankiert werden.

Bitte zum Schluss kommen, ein letzter Satz.

Wir wollen mit dem Gesetz die Rechte von Kindern und Jugendlichen stärken. Ich bitte Sie um Überweisung an die Ausschüsse. Ich bitte Sie, den Sozialausschuss als mitberatenden Ausschuss zusätzlich aufzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auf konstruktive Auseinandersetzungen zum Gesetzentwurf in den Ausschüssen.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Herrmann.

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen im Freistaat Sachsen – federführend – an den Verfassungs-, Rechts- und Europaaus

schuss und mitberatend, wie gewünscht, an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, den Innenausschuss, den Ausschuss für Schule und Sport sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen.

Wer dem Vorschlag der Überweisung an die genannten Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit wurde der Gesetzentwurf an die genannten Ausschüsse überwiesen.

Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet. Vor der Mittagspause noch ein Tagesordnungspunkt:

Tagesordnungspunkt 3

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Regelung der Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte

von Kindern und Jugendlichen in Sachsen (SächsJugBetMitbestG)

Drucksache 5/7652, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin wie bei Tagesordnungspunkt 2, dieses Mal die Fraktion DIE LINKE. Für die genannte Fraktion Frau Abg. Klepsch. Frau Klepsch, Sie haben das Wort. Achten Sie bitte auf die acht Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde auf die Zeit achten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 22 Jahren, im November 1989, als in unseren Breitengraden bekanntlich das Thema Mauerfall und friedliche Revolution das Zeitgeschehen bestimmte, verabschiedeten die Vereinten Nationen die UN-Kinderrechtskonvention, die im Januar 1990 von der Bundesrepublik unterzeichnet wurde.

Rechte von Kindern und Jugendlichen sind in der Bundesrepublik seit Langem bundesgesetzlich verankert, so unter anderem im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Sozialgesetzbuch. Von 2005 bis 2010 existierte sogar ein nationaler Aktionsplan für ein kindergerechtes Deutschland. Dieser nationale Aktionsplan hatte allgemeine Qualitätsstandards für einzelne Lebensbereiche entwickelt, anhand derer spezifische Empfehlungen für Kindertageseinrichtungen, Schulen, Kinder- und Jugendarbeit und Erzieherische Hilfen formuliert wurden. Selbst aus dem Hause Schröder – bekannt auch als Urheberin der Extremismusklausel – oder dem Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend gibt es einen Leitfaden, der ausführlich Qualitätskriterien für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen vorstellt.

Dass nun heute zwei parallele Gesetzentwürfe vorliegen, die sich mit der Verankerung der Kinder- und Jugendmitbestimmung in Sachsen befassen, ist aber kein Zufall, sondern der Tatsache geschuldet, dass es im Freistaat

Nachholbedarf bei der gesetzlichen Verankerung der Mitbestimmung junger Menschen gibt.

Die Fraktion DIE LINKE hatte bereits in der vergangenen Legislatur einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht, der damals jedoch leider abgelehnt wurde.

Die Auswertungen der Wahlen von 2009 zeigen jedoch, dass unter den Erst- und Jungwählerinnen und -wählern der Anteil der Nichtwählerinnen und Nichtwähler an allen Generationen am größten ist. Offenbar erwarten junge Menschen noch weniger als der Rest der Bevölkerung von Politik und parlamentarischen Entscheidungen Auswirkungen auf ihr Leben. Jedoch, liebe Kolleginnen und Kollegen – das will ich deutlich sagen –, ist es gefährlich, wenn sich Parlamente und Parteien zunehmend aus einer deutlichen Minderheit der Bevölkerung und aus einer Elite der Bessergebildeten und -verdienenden rekrutieren.

Es genügt eben nicht, wenn Parteien im Rahmen des Wahlkampfes daran erinnern, dass junge Menschen auch Wählerinnen und Wähler sind, sondern Angebote zur Mitwirkung und zur Mitbestimmung müssen kontinuierlich und nachhaltig angelegt sein. Sie müssen den Kindern und Jugendlichen Selbstwirksamkeit ermöglichen, sie müssen ihnen also das Gefühl geben, dass sie wirklich etwas verändert haben.

In der Anhörung zum Thema machten die Sachverständigen deshalb auch darauf aufmerksam, dass die Zeitabläufe der öffentlichen Projektförderung mit Antragstellung und Bewilligung nicht dem Zeitempfinden und der Perspektive junger Menschen entsprechen. Kinder und Jugendliche denken und planen in kürzeren Zeiträumen, also über Wochen und Monate, jedoch nicht über Monate und Jahre.

Demokratie und Mitbestimmung, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen gelernt sein. Gerade aus unserer eigenen

Geschichte heraus, hier in Sachsen, in Ostdeutschland, sollten wir uns der Verantwortung bewusst sein, nicht über Kinder und Jugendliche zu entscheiden, sondern mit ihnen. Dass dies einige Anstrengungen erfordert, egal ob als Politiker, Pädagoge oder Eltern, das wissen alle, die sich schon einmal ernsthaft auf diesen Prozess eingelassen haben.

Wir haben in Sachsen durchaus erfolgreiche Projekte für die Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen. Am letzten Samstag tagte beispielsweise die Jury des Projektes „Hoch vom Sofa“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. In diesem Jahr wurde ebenfalls durch die DKJS das Programm „Bewegte Kommune“ mit drei Gemeinden gestartet. Für Schülerinnen und Schüler existiert seit zehn Jahren das Projekt „Mitwirkung mit Wirkung“. Die DKJS hält für Kinder im Vorschulalter das Programm „KitaNetzwerke – Demokratie von Anfang an“ bereit.

Über das Programm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ wurden seit 2005 über 600 Projekte, die sich auf unterschiedlichste Weise mit Demokratie beschäftigen, gefördert. Die Kindervereinigung Sachsen hat im vergangenen Jahr einen eigenen „Leitfaden für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen“ herausgegeben. Wir haben vor allem in kleineren Kommunen, aber eben nicht in den Großstädten, Jugendparlamente, so unter anderem in Borna, Coswig und Annaberg-Buchholz, deren konkrete Einbindung in die Kommunalpolitik jedoch sehr unterschiedlich ist. Es kommt also nicht nur auf die Quantität, sondern auch auf die Qualität an, auf die Auseinandersetzung und das Zusammenwirken mit jungen Menschen.

Das von mir Aufgezählte sind gute Ansätze. Es ließen sich noch viele weitere finden. Jedoch sind es in der Regel Projekte, die auf engagierte Akteure vor Ort und auf freie Träger der Jugendhilfe zurückgehen, auch wenn sie häufig anteilig durch den Freistaat finanziert werden. In dem oben erwähnten Leitfaden der Kindervereinigung zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wird deshalb nicht ohne Grund darauf verwiesen, dass in Sachsen bisher „keine effektive und systematische Vernetzung von Jugendarbeit und Schule mit anderen wichtigen Akteuren in Wirtschaft, Politik und Jugendverbänden existiert“.

Im Unterschied zu anderen Bundesländern, wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, ist die Mitwirkung junger Menschen bisher nicht in der Sächsischen Gemeindeordnung verankert. In anderen Bundesländern gibt es auch auf Landesebene Beratungsstellen oder landesweite Vernetzungstreffen für kommunale Jugendparlamente. In Sachsen gibt es das nicht.

Es ließen sich noch weitere Vergleiche anstellen, doch das Fazit bleibt gleich: Sachsen, das sich gern für seine Vorreiterrolle rühmt, nimmt in Fragen der Kinder- und Jugendmitbestimmung wie auch auf anderen Feldern keine positive Vorreiterrolle ein.

Was will nun DIE LINKE mit ihrem Gesetzentwurf? – Ich fasse es kurz zusammen. Unser Gesetzentwurf geht jetzt

zur Diskussion in die Ausschüsse, wobei uns auch die breite Beteiligung der verschiedenen Ausschüsse wichtig ist. Wir wollen zum einen eine flächendeckende Verankerung von Kinder- und Jugendvertretungen auf der kommunalen Ebene in den Gemeinden und in den Landkreisen. Wir wollen zweitens die Installation kommunaler Beauftragter für Kinder und Jugendliche und wir wollen drittens die rechtzeitige Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf allen politischen Ebenen, vom Gemeinderat bis zum Landesjugendhilfeausschuss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir freuen uns auf die gemeinsame Debatte in den Ausschüssen zu beiden Gesetzentwürfen und bitten um Zustimmung im Interesse der Kinder und Jugendlichen und – ich betone es noch einmal – weil Demokratie von Anfang an ein fraktionsübergreifendes Anliegen aller demokratischen Fraktionen in diesem Hause sein sollte.

Wir beantragen hiermit zusätzlich zu den bereits vorgesehenen Ausschüssen die Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz – Herr Präsident, das noch als Ergänzung.

Ich bin damit am Ende der Einbringung. – Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Klepsch. – Ich werde jetzt den entsprechenden förmlichen Antrag stellen, meine Damen und Herren. Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Regelung der Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Sachsen – federführend – an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zu überweisen sowie mitberatend an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, an den Innenausschuss, an den Ausschuss für Schule und Sport und an den Haushalts- und Finanzausschuss.

Wer dem Vorschlag der Überweisung an die genannten Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Ist jemand dagegen? – Möchte sich jemand enthalten? – Damit wird so verfahren und die Überweisung ist beschlossen.

Meine Damen und Herren! Bevor ich die Sitzung unterbreche und Sie zur Mittagspause bitte: Hier vorn bei der Tagungsleitung ist eine wunderschöne Brille abgegeben worden. Sie fand sich in den Reihen der FDP-Fraktion, gehört aber keinem FDP-Abgeordneten. Also gehen Sie in sich. Wer eine Brille sucht und sie jetzt möglicherweise zum Essen braucht – hier vorn kann sie abgeholt werden.

Meine Damen und Herren! Ich unterbreche die Sitzung für 45 Minuten. Wir fahren um 13:00 Uhr fort. Ich darf Sie noch darauf hinweisen, dass der Sächsische Blasmusikverband e. V., Bläserjugend Sachsen, uns auch in diesem Jahr wieder im Foyer des Altbaus Weihnachtsvorfreude bringen möchte.

Meine Damen und Herren! Guten Appetit. – Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung von 12:16 bis 13:00 Uhr) 3. Vizepräsident Prof. Dr. Andreas Schmalfuß: Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 4

Der Freistaat Sachsen in der Europäischen Union