Protokoll der Sitzung vom 25.01.2012

Inhaltliche Begründung für den Gesetzentwurf: dünn,

nichtssagend und dazu noch beliebig austauschbar;

Durchführung einer Aufgabenkritik vor der Standort

verlagerung: nicht vorhanden;

Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsanalyse sowohl für

die Gesamtmaßnahme als auch der Einzelprojekte inklusive Kostenvergleichsrechnung Bau–Kauf–Miete: nicht vorhanden;

Analyse der Wirkung der vorgeschlagenen Änderun

gen wie Erreichbarkeit der Behörden oder Qualität der öffentlichen Aufgabenerfüllung: nicht vorhanden;

Beschreibung der Auswirkungen der Reform auf die

betroffenen Kommunen, die Beschäftigten oder die Behördennutzer(innen): nicht vorhanden;

Abstimmung mit der kommunalen Ebene, die der

Gesetzgeber, also der Landtag, nachvollziehen kann: nicht vorhanden; und

ein schlüssiges Gesamtkonzept der Behördenstruktur:

nicht vorhanden.

All diese aufgeführten Punkte zeigen, dass es für die Staatsmodernisierung keine Prinzipien und Regeln gibt, sondern dass nach Beliebigkeit gehandelt wird. Ein Beispiel: Im Änderungsantrag von CDU und FDP soll im Sächsischen Standortegesetz verbindlich festgelegt

werden, dass der Sitz des Präsidenten der Landesdirektion Sachsen am Hauptsitz in Chemnitz ist und Dresden und Leipzig Außenstellen der Direktion sind.

(Prof. Dr. Andreas Schmalfuß, FDP: Genau, richtig!)

Noch in einer Innenausschusssitzung am 10. November hatten Vertreter der CDU und FDP auf meine Frage, warum der Sitz des Präsidenten nicht gesetzlich geregelt werden soll, geantwortet, das sei nebensächlich und würde nur den Weg verbauen – Zitat –, „zukünftig etwas zu ändern“. Im Dezember, als der Änderungsantrag vorlag und ich meine Verwunderung zum Ausdruck brachte, warum denn nun der Sitz doch im Gesetz geregelt wird,

wurde mir geantwortet, man habe sich mit meinen Argumenten beschäftigt.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Oh, oh!)

Nun könnte ich mich ja darüber freuen, jedoch glaube ich nicht, dass Argumente der Opposition in diesem Parlament gehört werden, und zweitens ist es der klare Beweis dafür, dass es bei diesem Gesetz um Beliebigkeit geht. Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?, kann man da nur sarkastisch feststellen.

Das einzig Positive, was man dem Reformvorhaben abgewinnen kann, wäre das erfreuliche Konjunkturprogramm für das örtliche Handwerk natürlich nur dann, wenn die Aufträge in der Region verbleiben. Ansonsten sind – darin widerspreche ich Herrn Kirmes ausdrücklich – über 95 % Ihrer behaupteten Einsparungen die Folge des im Haushaltsbegleitgesetz beschlossenen Personalabbaus. Die effektiven Minimalgewinne des Standortegesetzes rechtfertigen keinesfalls die wachsende Bürgerferne durch wegfallende Behördenstandorte, wie Gerichte, Finanzämter und Polizeireviere.

Für die Fraktion DIE LINKE gelten als Leitlinien des Modernisierungsprozesses in der öffentlichen Verwaltung in Sachsen die folgenden vier Punkte:

Erstens. Die Landesverwaltung erhält einen zweistufigen Aufbau. Die Aufgaben der jetzigen Landesdirektion werden auf die Ministerien bzw. die Landkreise und kreisfreien Städte oder Landesinstitutionen wie SAB, Staatsbetriebe und technische Ämter übertragen.

Zweitens. Bei allen Umstrukturierungsmaßnahmen der Landesbehörden stehen die Bürgerinnen und Bürger bzw. weitere Nutzer mit ihren Bedürfnissen an Dienstleistungen sowie die Erfordernisse des Datenschutzes im Vordergrund.

Drittens. Schließungen von Standorten sind nur dann vertretbar, wenn eine qualitätsvolle Aufgabenerfüllung in einem kleinen Standort entweder gar nicht mehr oder nur unter sehr hohen Kosten gesichert werden kann. Dabei sollen die tatsächlichen Fallzahlen, bezogen auf die jeweilige Behörde und den Standort, berücksichtigt werden.

Viertens. Die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind frühzeitig zu informieren und in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

Meine Fraktion hat diese vier Leitlinien als Prüfungsgrundlage für ihr Standortegesetz genutzt. Wir müssen feststellen, dass Sie diese Vorgaben nicht im Ansatz erfüllen. Aus diesem Grund müssen wir Ihrem Gesetz unsere Stimme verweigern.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Nun die SPD-Fraktion. Frau Abg. Friedel; bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen! Ich möchte Sie gern an ein Versprechen erinnern, das folgendermaßen lautet: „Die Verwaltung ist für den Bürger da. Transparenz und Bürgernähe der sächsischen Verwaltung sind Prinzipien, denen wir uns im besonderen Maße verpflichtet fühlen.“

Dieses Versprechen haben Sie der sächsischen Bevölkerung in Ihrem Koalitionsvertrag (Seite 52) gegeben; und dieses Versprechen haben Sie auch sich selbst gegeben.

(Andreas Storr, NPD: Klingt ja auch gut!)

Man muss bei der Beratung zum Standortegesetz, wie es heute vorliegt, feststellen: Sie haben dieses Versprechen sowohl gegenüber der Bevölkerung als auch gegenüber sich selbst gebrochen.

Im besonderen Maße der Transparenz und der Bürgernähe verpflichtet – dass das schon im Ansatz beim Standortegesetz keine Rolle gespielt hat, hat uns Kollege Kirmes gerade erklärt. Sie haben uns gesagt: Die drei Kriterien, um die es bei der Aufstellung ging, waren erstens demografische Entwicklung, zweitens Möglichkeiten moderner Kommunikation und drittens finanzielle Rahmenbedingungen. Von Transparenz, von Bürgernähe höre ich da überhaupt nichts.

Mit dem Standortegesetz haben wir eben keine Staatsmodernisierung vorliegen, sondern Staatsabbau. So klar muss man das sagen. Eine Staatsmodernisierung fasst man anders an. Man muss sich zuerst fragen: Welche Aufgaben habe ich als Staat zu erledigen, welche Dienstleistungen will ich erbringen, welche Bedürfnisse muss ich erfüllen? Ausgehend von dieser Aufgabenfeststellung mache ich im zweiten Schritt eine Personalbemessung: Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauche ich, um diese Aufgaben erfüllen zu können? Im dritten Schritt folgt die Organisation: In welchen Behörden bzw. Standorten und Strukturen soll dieses Personal die Aufgaben erfüllen?

So ist die Reihenfolge, und Sie zäumen das Pferd von hinten auf. Sie schauen sich im Bereich Organisation an, wo ein Haus frei ist, wo jemand hin muss, wo jemand weg muss, wo ein Wahlkreis so böse beschnitten wird, dass wir eben doch das eine oder andere geben müssen. Wenn das Polizeirevier geschlossen wird, machen wir vielleicht ein Haus der Bildung auf. Auf diesem Umweg schaffen Sie es dann zu rechtfertigen, dass wir auf diese Art und Weise ein bisschen Personal einsparen müssen. Am Ende kommt eher zufällig heraus, welche Aufgaben überhaupt noch gemacht werden können. Der Bereich der Polizei ist eines der besten Beispiele dafür. Mit diesem Standortegesetz haben wir, obwohl wir leider als Parlament gar nicht darüber befinden können, aber Bestandteil ist es trotzdem, die Entscheidung, ob von 71 Polizeirevieren in Sachsen 31 geschlossen werden. Da sind richtig große Städte dabei, nicht nur kleine Dorfreviere – die haben wir schon lange nicht mehr –, sondern Städte mit 15 000 bis 20 000 Einwohnern.

So. Dann haben wir noch 40 Polizeireviere und der Minister muss schauen, wie viel Personal er überhaupt noch unterbringen kann. Sie haben einen Stellenabbau von noch einmal 800 Stellen mitbeschlossen, zusätzlich zu dem, was ohnehin schon vorgesehen war. Der Minister ist in der Klemme, denn er hat in den Bürgerversammlungen vor Ort den Leuten versprochen, dass sie keinen Unterschied bemerken werden, weil die Zahl der Streifenbeamten nicht reduziert wird. Da er aber andererseits in bestimmten Bereichen nicht mehr reduzieren kann, fallen die Aufgaben weg, die man gerade noch so entbehren zu können glaubt. Bei der Polizei ist das ganz konkret der gesamte Bereich Prävention. 230 Präventionssachbearbeiter gibt es jetzt, 30 sollen es nach der Reform noch sein. Was das für die Bereiche Verkehrserziehung, Gewaltprävention und Drogenprävention bedeutet, kann jeder an fünf Fingern abzählen.

Aber es betrifft nicht nur den Bereich Polizei. Sie schwächen mit dem Standortegesetz massiv den ländlichen Raum. Da hilft es nicht, dass man als Feigenblatt den Rechnungshof nach Döbeln verlegt. Davon haben alle anderen Städte im ländlichen Raum überhaupt nichts. Sie schließen in unserem Freistaat 30 Polizeireviere, 10 Finanzämter und mehrere Gerichtsstandorte und wollen die Strukturen zentralisieren. Diese Zentralisierung, so glauben Sie, sei die Antwort auf unsere demografische Entwicklung und habe etwas mit einer modernen Staatsorganisation zu tun. In allen Anhörungen wurde uns von den Mitarbeitern der verschiedenen Behörden gesagt, dass es nicht funktioniert. Wir haben keinen einzigen Sachverständigen gefunden – doch, einen, aber dessen Namen nenne ich jetzt nicht –, der sagte, dieses Standortegesetz ist eine vernünftige Entscheidung. Viele haben gesagt, vom Grundsatz her ist es nachvollziehbar, dass sich die Regierung, dass sich die Koalition solche Gedanken macht, aber was am Ende herausgekommen ist, kann es ja wohl nicht sein.

Der Präsident des Landesrechnungshofes meinte, er könne gar nicht sagen, ob das sinnvoll sei oder ob es geeignetere Maßnahmen gebe, weil er gar keine Zahlen vorliegen habe. Wir haben in der ergänzenden Information des Staatsmodernisierungsministeriums auf unsere zum fünften oder sechsten Mal gestellte Nachfrage, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung davon betroffen sind, nur erfahren, dass das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden kann. Wie soll denn das funktionieren? Wie wollen Sie das, was Sie jetzt in das Gesetz schreiben, vernünftig umsetzen, wenn Sie noch gar nicht wissen, wie viele Mitarbeiter betroffen sein werden? Wir haben allein im Bereich der Polizei 12 000 Beschäftigte. Die Hälfte aller Polizeireviere wird umstrukturiert. Im Ausschuss wurde gesagt, dass es Einzelfälle seien, wo ein Arbeitsplatzwechsel ein gravierendes Problem darstelle, zum Beispiel die alleinerziehende Mutter, die im Finanzamt in Stollberg arbeitet und in ein anderes Finanzamt muss, weil Stollberg geschlossen wird und sie deswegen ihr Kind nicht mehr rechtzeitig aus der Kita abholen kann, weil diese 17 Uhr zumacht,

aber der nächste Bus erst 18:33 Uhr da ist. Das seien bedauerliche Einzelfälle. Sie produzieren aber diese Einzelfälle am laufenden Band in allen Bereichen der Staatsverwaltung, wie Polizei, Justiz und Finanzverwaltung. Das sind keine Einzelfälle. Sie wirbeln hier eine funktionierende Verwaltung völlig durcheinander.

(Beifall bei der SPD)

Wofür machen Sie das? Wir haben es schon gehört: um ab dem Jahr 2021 pro Jahr 10 Millionen Euro Mieten und Gebäudekosten einzusparen. Dafür nehmen wir

300 Millionen Euro in die Hand und sparen ab dem Jahr 2021 10 Millionen Euro. Das heißt, im Jahr 2051 haben sich unsere Ausgaben rentiert. Das ist langfristige Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Mario Pecher, SPD: Solide Haushaltspolitik!)

Dann haben wir noch ein Versprechen bekommen, wie auch gerade von Herrn Kirmes zu hören war. Probleme, die mit der Umsetzung dieses Gesetzes entstehen, werden wir im Rechtsarbeitskreis der CDU-Fraktion weiter erörtern. Da werden sich die betroffenen Mitarbeiter aber freuen!

(Stefan Brangs, SPD: Das ist doch selbstverständlich!)

Genau. Da werden sich die betroffenen Mitarbeiter freuen. Das wird die Bürger wirklich erleichtern, die nicht mehr in Annaberg auf das Gericht gehen können, sondern bis nach Marienberg fahren müssen. Aber da kam – so viel zur sachlichen Qualität der Argumente und des Austausches im Ausschuss – das Gegenargument von den Koalitionsfraktionen – ich sage nicht von wem – wie folgt: Wenn einer von Annaberg künftig nach Marienberg fahren muss, ist das doch nicht schlimm. Das sind 16 Kilometer schönste Erzgebirgslandschaft. Den Weg nimmt man doch gern auf sich. Wer so denkt, hat wirklich nichts von der Lebenswirklichkeit von Menschen mitbekommen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Der verbringt wahrscheinlich sein Leben nur im Dienstwagen und auf dem Abgeordnetenstuhl im Landtag.