Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

werden und deswegen Hunderttausende Handydaten gesammelt und ausgewertet werden. Es ist auch völlig unverhältnismäßig, wenn in einer spektakulären Ramboaktion ein Haus gestürmt wird, dabei eine Rechtsanwaltskanzlei, Büroräume der LINKEN und weiterer Vereine sowie eine Privatwohnung gestürmt werden, um angebliche Rädelsführer der Krawalle dingfest zu machen.

Ich lasse mir aber den Erfolg des zivilen Protestes gegen den Naziaufmarsch nicht zerreden. 20 000 Menschen, die sich mit Mahnwachen, Demonstrationen und friedlichen Blockaden den erklärten Verfassungsfeinden entgegengestellt haben, sind ein unübersehbares demokratisches Votum, das endlich auch von der Staatsregierung, der Koalition und auch von der Staatsanwaltschaft in Dresden anerkannt und ernstgenommen werden sollte.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und der FDP)

Leider wurde gestern wieder ein Versammlungsgesetz in Sachsen beschlossen, das der Zivilgesellschaft nicht gerecht wird. Es wurde wieder die Möglichkeit verspielt, endlich ein modernes Versammlungsgesetz der aktuellen Rechtsprache und Rechtsprechung anzupassen.

Herr Gebhardt, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Herr Heidan, bitte.

Vielen Dank. – Herr Gebhardt, ich habe eine Frage. Wie friedlich geht es denn dann zu, die Äußerung von Herrn Dr. Hahn im Fernsehen betreffend, wenn man Polizeisperren durchfließt? Wie friedlich ist das denn in Ihren Augen?

(Jürgen Gansel, NPD: Eine ganz gewaltfreie Angelegenheit!)

Herr Heidan, was wollen Sie denn jetzt von mir hören?

(Christian Piwarz, CDU: Das kann vielleicht einmal Frau Köditz erklären, wie das funktioniert!)

Auf solche Fragen muss ich nicht antworten, Herr Piwarz.

Ich komme auf den Anfang meiner Ausführungen zurück.

Leider haben die Staatsregierung und insbesondere Sie, Herr Innenminister, es versäumt, Ihren Dialog über den Umgang mit rechtsextremistischen Aufmärschen fortzusetzen. Der Versuch, den Sie unternommen haben, war gut, richtig und notwendig, wenn auch nicht ausreichend. Leider war es nur eine heiße Luftnummer, weil es keine Fortsetzung gegeben hat, nicht in großer Runde, aber auch nicht in kleinen Diskussions- und Gesprächskreisen.

Diese Gespräche können nur erfolgreich werden, wenn Sie alle relevanten Kräfte, die gegen die extreme Rechte etwas unternehmen, mit an einen Tisch holen. Stattdessen wird die Presse für Montag zum Zwickauer Demokratiedialog eingeladen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nicht öffentliche Sitzung!)

Demokratiedialog? Das Programm besteht aus offiziellen Reden und Ehrungen. Und wo ist der Dialog? Gehen wir sorgsam mit unseren Begrifflichkeiten um? Oder liegt es einfach nur daran, dass die teure und leider abgebrochene

Ausbildung Ihres Regierungssprechers mal wieder versagt hat?

(Oh-Rufe von der CDU)

Ich darf Ihnen einmal vorlesen, was er für diese Ankündigung geschrieben hat – vielleicht verstehen Sie es dann, Herr Clemen, obwohl ich daran zweifle –: „Im Zentrum der Veranstaltung steht“ – so Zitat – „die praktische Demokratie und Toleranzförderung.“ Jetzt der wichtigste Satz: „Der Diskurs des politischen Extremismus an diesem Abend stärkt das demokratische Grundprinzip.“

(Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, DIE LINKE)

Ich darf es noch einmal vorlesen: „Der Diskurs des politischen Extremismus an diesem Abend stärkt das demokratische Grundprinzip.“ – So das Zitat für die Einladung. Lassen wir also einmal alles Unwesentliche an diesem Satz weg, dann steht darin: Extremisten stärken die Demokratie.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Hört, hört! – Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, DIE LINKE)

Auch heute will ich es noch einmal wiederholen: Nicht die Polizei als das ausführende Organ darf die Zielscheibe für das Versagen der Politik, der Verwaltung und der Justiz sein. Die unübersichtliche Situation in Dresden am 19. Februar 2011 war auch der irren Annahme geschuldet, man könne eine Stadt wie Dresden in zwei Sektoren einteilen – getrennt durch die Elbe –: auf der einen Seite die Nazis und auf der anderen Seite die Gegendemonstranten. Verwaltungen und Gerichte haben hier etwas konstruiert, was in keinem Versammlungs- oder anderem Gesetz steht: das immer wieder gebotene Trennungsgebot. Hier war die Polizei 2011 einfach überfordert, so ein Trennungsgebot durch- und umzusetzen.

2010 waren es auch Zehntausende Demonstranten, die mit friedlichen Blockaden verhindert haben, dass die Nazis in Dresden marschieren konnten. Allen muss klar sein: Unser politisches Handeln, unsere Reden, unsere Beschlüsse haben direkte, aber auch indirekte Auswirkungen auf das Handeln von Polizeiführern oder einzelnen Polizeibeamten. Umso größer ist unser Unverständnis als LINKE, dass bereits jetzt durch den Dresdner Polizeipräsidenten Kroll laut seiner Aussage in den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ nicht nur eine erneute Anwendung der Handyabfrage nicht auszuschließen ist, sondern er auch vom Einsatz von Wasserwerfern und Räumpanzern spricht.

Der Polizeipräsident von Dresden spricht also von Aufrüstung. Schon allein die Wortwahl trägt nicht zur Deeskalation bei. Wenn der Polizeipräsident der Meinung ist, er müsse seine Polizeitruppen in die Schlacht führen, dann tun mir tatsächlich die einzelnen Polizisten leid. Deeskalation ist das Gebot der Stunde!

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Zusammenfassend will ich noch einmal festhalten: Der Februar 2012 in Dresden gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Überwindung der Sprachlosigkeit der Demokraten in Ansätzen ein gemeinsam abgestimmtes Handeln und Agieren gegen geplante Aufmärsche der Neonazis möglich macht. Es bleibt noch ein langer Weg, um eine gemeinsame Akzeptanz des anderen um- und durchzusetzen. Schwarz-Weiß-Schemas helfen uns nicht weiter, weil es keinen guten oder schlechten Demokraten gibt.

Lassen Sie uns gemeinsam nach den erfolgreichen Protesten und dem Verhindern dieser Naziaufmärsche 2012 in Dresden über eine neue, eine zeitgemäße Erinnerung, aber auch Mahnen im Zusammenhang mit der Bombardierung von Dresden und anderen Städten nachdenken. Wir sollten nie vergessen, was die Ursachen der Bombardierung waren und was Kriege anrichten.

Deswegen sollte unser gemeinsames Bestreben sein: Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus!

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! – Herr Schimmer?

Ja, Herr Präsident, ich würde gern vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen.

Die zweite.

Der Herr Gebhardt ist heute weit unter seinem Niveau geblieben, und ich glaube, dass er viele Dinge, die er eben erzählt hat, nicht einmal selbst glaubt, zum Beispiel, dass alle Antifaschisten angeblich Demokraten sind.

Vielleicht sollten Sie dazu noch einmal im Schwarzbuch des Kommunismus durchlesen, dass Pol Pot erst einmal ein Drittel seines eigenen Volkes in Arbeitslagern umgebracht, sie verhungern lassen hat; dass Stalin wahrscheinlich mehr Kommunisten auf dem Gewissen hat als Hitler; dass allein Mao bis zu 70 Millionen Mordopfer zugerechnet werden.

Aber das ist ja alles für die gute antifaschistische Sache. Ich weiß, das wiegt alles nicht so schwer bei Ihnen – dass Stalin über 20 Millionen Leute aus seinem eigenen Volk ermordet hat –; aber anscheinend stört Sie das gar nicht. Der Antifaschismus hat für Sie immer noch den Glorienschein. Angeblich ist jeder Antifaschist ein Demokrat, klar, auch wenn man das eigene Volk in Konzentrationslagern an den Polarkreis deportiert, auch wenn man es im Dschungel ermordet, wie es Pol Pot gemacht hat; auch wenn man eine widerliche Kulturrevolution vom Zaune bricht wie Mao, wo auch in einer zweistelligen Millionenzahl Chinesen ermordet wurden.

Antifaschismus ist immer Demokratie. Das mussten wir uns gerade anhören und ich glaube, dass mit solchen

Bündnispartnern selbst die CDU nicht ins Bett steigen kann.

Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Herr Gebhardt, möchten Sie erwidern? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, in der Aussprache ist nun die FDP an der Reihe. Herr Abg. Biesok; bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum wiederholten Male diskutieren wir heute die Demonstration rund um den 13. Februar.

Herr Dulig, Sie mahnen einen Grundkonsens an, der zwischen den demokratischen Parteien hier im Freistaat Sachsen entstehen soll. Sie haben bewusst darauf verzichtet und führen es auch noch aus, einige Punkte in Ihrem Antrag zu nennen, und die gehören meines Erachtens mit zu einem Grundkonsens unter Demokraten. In Ihren Anträgen befassen Sie sich erneut nur mit dem Missbrauch des Demonstrationsrechts durch Rechtsradikale. Blockaden und andere zum Teil gewalttätige Maßnahmen der Gegendemonstranten sucht man bei Ihnen vergebens – so als hätte es die Vorkommnisse im Februar 2011 nicht gegeben.

Herr Dulig, wenn es Ihnen wirklich um einen Grundkonsens, um friedliche Demonstrationen am 13. Februar geht, dann streichen Sie im dritten Spiegelstrich die Worte „durch Rechtsradikale“. Ja, die Rechtsradikalen haben das Demonstrationsrecht missbraucht. Ja, Rechtsradikale haben das Andenken an die Opfer der Bombenangriffe verhöhnt. Aber genauso haben Linksautonome das Demonstrationsrecht missbraucht. Es waren Linksradikale, die brennende Barrikaden errichtet und Polizisten mit Steinen beworfen haben. Das ist kein Protest, der vom Demonstrationsrecht gedeckt ist, sondern eine schlichte Straftat.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Wer als Linksautonomer Dresden im Februar als Höhepunkt in seinen Krawalltourismuskalender einträgt, der tritt das Andenken der Opfer mit Füßen.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Das ist doch unstrittig!)