Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Für die Staatsregierung war das Herr Staatsminister Prof. Wöller. Gibt es weiteren Redebedarf aus der CDU-Fraktion? – Das hat sich erledigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sehe noch eine Kurzintervention am Mikrofon 1 von Frau Kollegin Prof. Stange.

– Noch nicht.

Oh, schade! Das kam durch die Vielzahl der Titel in diesem Hohen Hause – Entschuldigung. Bitte, Frau Dr. Stange, zur Kurzintervention.

Vielen Dank, Herr Präsident. Da der Minister ja keine Zwischenfragen mehr zugelassen hat, möchte ich zumindest einiges richtigstellen. Wir diskutieren über die Aufstockung der Referendare nicht erst seit dem Jahr 2010 oder 2009, seitdem die neue Landesregierung die Verantwortung dafür hat, sondern es ist bereits im Jahr 2006 bei den Haushaltsverhandlungen für die Jahre 2007/2008 und auch für das Haushaltsjahr 2009/2010 über die Zahl der Referendare gesprochen worden. Diese sind aufgestockt worden.

Meine Frage: Die Referendare sind in den Einstellungsjahren 2008/2009 auf über 1 000 Stellen aufgestockt worden. Wenn Sie sich an die Grafik erinnern, die Sie uns selbst vorgelegt haben: Es gab einen rapiden Absturz im Jahr 2009/2010 auf die besagten 380 Stellen, die Sie dann letztlich in Ihrer Regierungsverantwortung hatten.

Wenn wir also heute wieder aufsteigen, dann ist es nur ein Zurückholen dessen, was wir schon einmal an Erkenntnissen hatten. Zu diesem Zeitpunkt lagen der Landesregierung keine Zahlen zum Einstellungsbedarf bei Lehrerinnen und Lehrern aus dem Kultusministerium vor. Diese Zahlen lagen erst Mitte 2008 vor.

Ich weise darauf hin, dass seit 1990 fast 14 000 Stellen im Lehrerbereich abgebaut worden sind. Dazu haben unter anderem die Lehrerinnen und Lehrer, die in Teilzeit gegangen sind, durch erheblichen Einkommensverzicht beigetragen. Das ist nicht nur ein Solidarpakt gewesen,

sondern das war auch eine erhebliche Entlastung des Haushalts des Freistaates zu diesem Zeitpunkt. Ich bitte, dass das endlich einmal berücksichtigt wird.

Ein dritter Punkt. Es liegen uns nach wie vor weder im Plenum noch im Ausschuss neue Zahlen vor, was den Einstellungsbedarf und das Ausscheiden der Lehrerinnen und Lehrer in den nächsten Jahren anbelangt. Insofern gilt für mich nach wie vor die Aussage, die aus Ihrem Hause gekommen ist, Herr Wöller, vom Dezember 2009, dass der Einstellungsbedarf in den nächsten Jahren bei 4 000 Stellen liegt. Das sind die Zahlen, die uns vorgelegt worden sind. Wenn Sie neuere Zahlen haben, bitte ich, dass sie dem Plenum und dem Ausschuss vorgelegt werden, damit wir uns auch an diesen Zahlen orientieren

können. Sonst stimmt Ihre Rechnung nicht, und es wird zu einem Stellenabbau von 2 000 Stellen kommen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Herr Staatsminister, möchten Sie reagieren?

Nein.

Meine Damen und Herren! Ich sehe keinen weiteren Redebedarf. Die 1. Aktuelle Debatte ist abgeschlossen.

Ich rufe auf

2. Aktuelle Debatte

Gefahr für Mensch und Tier – Sachsen braucht Regeln für Antibiotikaeinsatz

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zuerst hat die einbringende Fraktion das Wort. Es folgen: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile das Wort für die einbringende Fraktion GRÜNE der Kollegin Giegengack.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben Millionen Menschen dahingerafft – die klassischen Epidemien Pest, Cholera, Fleckfieber, Tuberkulose und Diphterie – und nur durch die Bekämpfung der Armut, durch Hygienemaßnahmen und den Einsatz von Antibiotika konnten diese tödlichen Seuchenzüge beendet werden.

Auch heute gibt es noch genügend bakterielle Infektionskrankheiten; doch sie haben ihren Schrecken verloren – eben durch den Einsatz von Antibiotika. Sie gehören zu den wichtigsten Waffen, die die Medizin heute besitzt.

Doch es stellt sich immer mehr die Frage: Wie lange noch? Es ist kein Geheimnis: Die Antibiotikaresistenzen nehmen ständig zu und zu den bereits seit vielen Jahren bekannten resistenten grampositiven Bakterien – den MRSA – kommen zunehmend auch Resistenzen bei gramnegativen und gramvariablen Erregern hinzu. Um es konkret zu machen: Hier geht es zum Beispiel um die Erreger der Tuberkulose. Auch dort sind zunehmend Resistenzen zu verzeichnen. Das halte ich für ein alarmierendes Signal.

Die Antibiotikaresistenzen in der Medizin haben drei wesentliche Ursachen: zum Ersten die Unwissenheit, vor allem in Anwendungsfehlern. So kommt es viel zu häufig zu einem unnötigen Einsatz von Antibiotika. Sie werden verschrieben bei viralen Infekten, wo sie gar nicht helfen. Es gibt keinen indikationsgerechten Einsatz; es wird mit Breitbandantibiotika geschossen, wenn einfache Antibiotika auch noch helfen würden. Außerdem werden die Medikamente sehr unzuverlässig eingenommen und

häufig aufgrund einer fehlenden Aufklärung durch die Ärzte zu zeitig abgebrochen.

Mit dem neuen schwarz-gelben Bundesinfektionsschutzgesetz wird nun ein Monitoring des Antibiotikaverbrauchs eingeführt – allerdings nur für den stationären Bereich. Die meisten unnötigen Antibiotikaverordnungen passieren aber im ambulanten Bereich. Das ist den schwarz-gelben Politikern in Berlin durchaus bewusst – davon gehe ich aus –, und dann stellt sich schon die Frage, ob hier Gemeinwohlinteressen Lobbyinteressen untergeordnet

worden sind und man nicht wirklich will, dass der Antibiotikaverbrauch sinkt.

Der zweite Punkt: Nachlässigkeit, Resistenzen durch mangelnde Hygiene. Nach dem OP-Barometer von 2011 – veröffentlicht vor 14 Tagen – haben 90 % der 2 000 befragten OP- und Anästhesiepflegekräfte deutschlandweit beurteilt, dass die Versorgung mit Sterilgütern im OP mittelmäßig bis schlecht ist. Untersuchungen zeigen, dass 30 % dieser Krankenhausinfektionen und Todesfälle dadurch vermieden werden könnten, dass man die Infektionshygiene verbessert.

Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz werden die Hygienerichtlinien des Robert-Koch-Instituts endlich verbindlich – das ist ein großer Fortschritt –, doch man muss fragen, inwiefern diese KRINKO-Empfehlungen umgesetzt werden können; denn die Kliniken haben natürlich zur Kostenkonsolidierung die Reinigungsdienste in Größenordnungen ausgegliedert und sind zum Teil gar nicht in der Lage, die Anordnungen des Hygienefachpersonals tatsächlich umzusetzen.

Hinzu kommt, dass wir einem großen Mangel an Hygienefachkräften entgegengehen. Von den 36 medizinischen Fakultäten in Deutschland haben nur noch elf einen Lehrstuhl für Hygiene. Auch in Dresden und Leipzig

wurden beide Lehrstühle aufgelöst. Sächsische Medizinstudenten können also keine Hygienevorlesungen mehr hören. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf den öffentlichen Gesundheitsdienst, der die Hygienemaßnahmen in Krankenhäusern überwachen muss. Wer soll diese Aufgabe in den Gesundheitsämtern noch übernehmen? Sachsen hat noch 19 tätige Hygieniker, davon sind acht in den 13 Kreisen und kreisfreien Städten unterwegs; das heißt, noch nicht einmal jeder Kreis hat einen im öffentlichen Gesundheitsdienst. Das ist für mich eine Katastrophe und dem müssen wir unbedingt entgegensteuern.

Der dritte Punkt: Fahrlässigkeit. Hier geht es um die Erzeugung von Resistenzen bei Antibiotika in der Tiermast; darauf wird mein Kollege Michael Weichert noch einmal intensiv eingehen, darin möchte ich mich jetzt nicht vertiefen.

Meine Damen und Herren, wir betreiben eine hochspezialisierte Medizin. Wir verpflanzen Organe, wir können Frühchen ab der 29. Woche retten und sind dabei, eine der wirksamsten Waffen, die die Medizin im Moment hat, durch unsere Gedankenlosigkeit zu verlieren. Wir müssen uns diesem Thema stellen und vor allem das Problem beim Namen nennen. Da reicht es nicht aus, dass die „Sächsische Zeitung“ heute einen ganzseitigen Artikel über die Frühchenstation in Bremen macht, wo mehrere Frühchen gestorben sind, und auf der Seite kein einziges Mal das eigentliche Problem angesprochen wird, nämlich Antibiotikaresistenz. Deswegen sind die Frühchen gestorben.

Die Zahl der jährlich neu auf den Markt kommenden Antibiotika geht rapide zurück. Das hat etwas damit zu tun, dass es für die Firmen nicht lukrativ ist, in diesem Bereich zu forschen, da die Anwendungszeit aufgrund der Entwicklung von Resistenzen einfach sehr gering ist. Wir gehen einer riesengroßen Gefahr entgegen.

Die Redezeit geht allerdings auch zu Ende, Frau Kollegin.

Im Moment haben wir 15 000 Tote aufgrund von Antibiotikaresistenzen. Wir müssen das Problem mehr auf die Agenda holen. Diese 15 000 entsprechen der Anzahl von Todesfällen durch bösartige Mammakarzinome. Wir machen große Brustkrebsprogramme, auch in diesem Land, und wir sollten in Bezug auf Antibiotikaresistenzen genau solche Programme auflegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN,

den LINKEN und der SPD

Das war für die einbringende Fraktion GRÜNE Frau Kollegin Giegengack. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Fischer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Giegengack, ich freue mich ganz besonders, dass Sie es uns

ermöglichen: Nach Ihrem Vortrag zur menschlichen Gesundheit kann ich zur tierischen Gesundheit Stellung nehmen; denn so habe ich eigentlich Ihren Debattentitel verstanden – ganz besonders im Hinblick auf die aktuelle Debatte, die sich mit dem Antibiotikaeinsatz in der Tierzucht befasst.

Eines vorweg: Ein Totalverbot von Antibiotika halte ich nicht für sinnvoll, aber auch die Forderung des nordrheinwestfälischen Landwirtschaftsministers Remmel

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ja! Guter Mann!)

einer Reduzierung um 50 % ist völlig übereilt; denn Tiergesundheit sollte an oberster Stelle stehen.

Wir reden über § 13 „Verordnung über tierärztliche Hausapotheke“. Darin ist ganz klar geregelt, wie Antibiotika in Sachsen verwendet werden dürfen: Es muss eine Nachweisführung praktiziert werden, die eine ärztliche Diagnose, Dosierung, Dauer der Anwendung beinhaltet. Diese Nachweise müssen fünf Jahre lang aufbewahrt werden. Die Antibiotika kann auch der Arzt vor Ort nur verschreiben, das heißt, ich kann als Landwirt nicht nach Gutdünken verfahren.

Im Übrigen müssen bei Tiertransporten Warenbegleitscheine, die das alles beinhalten, mitgeführt werden, denn ansonsten bekommen Sie als Geflügelzüchter Ihr Geflügel am Schlachthof überhaupt nicht mehr los. Nur rückstandsfreie Lebensmittel dürfen in den Verkehr gebracht werden – was dem Schutz des Verbrauchers dient – und seit 2006 ist der Einsatz von Antibiotika zur Leistungssteigerung offiziell verboten, in Deutschland schon seit 2004 freiwillig praktiziert.

Das Ziel im Tierhaltungsmanagement ist die Reduzierung von Antibiotika in fünf Jahren um 30 %. Das halte ich auch im Hinblick auf die Praktikabilität der wirtschaftlichen Betriebe für unbedingt sinnvoll und richtig.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Kollege Fischer?

Bitte.