Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Bitte.

Herr Fischer, was meinen Sie damit: Nur rückstandsfreie Produkte dürfen in den Verkehr gebracht werden? Wir haben ja ganz klar Studien, die offengelegt haben, dass bis zu 95 % der Hühnchen ebensolche resistenten Bakterien getragen haben. Das widerspricht komplett dem, was Sie gerade ausgeführt haben.

Ihnen ist bekannt, dass das Bundesamt für Risikobewertung in dem nationalen Rückstandskontrollplan keine Beanstandungen festgestellt und daher Unbedenklichkeit ausgesprochen hat. Dieser Bericht ist im Netz verfügbar und steht Ihnen allen jederzeit zur Verfügung. Genau das meine ich und nichts anderes; alles andere ist Verunsicherung des Verbrauchers!

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Welche Auswirkungen haben Antibiotikaresistenzen bei Menschen? Ich habe eben das Bundesamt für Risikobewertung angesprochen, das klare Aussagen gemacht hat. Das Übertragungsrisiko von MRSA auf den Menschen spielt nach deren Aussage eine sehr untergeordnete Rolle.

Ich möchte für alle Mediziner in diesem Raum noch kurz erklären, was MRSA ist: der Staphylococcus aureus. Das sind Stämme, die gegen alle bisher marktverfügbaren Betalaktam-Antibiotika, also beispielsweise Penicillin, resistent sind.

Meine Damen und Herren, die jetzige Diskussion wird unsachlich geführt – leider auch in den Medien –, denn sie verkennt bisweilen auch die wahren Gegebenheiten. Der Einsatz von Antibiotika ist unbedingt notwendig, um die weitere Ausbreitung von Zoosen zu verhindern. Zoosen sind Krankheiten, die auf Tierbestände übergreifen können.

Es liegt in der Natur der Sache, dass es eben nicht möglich ist – wie von Ihnen gerade angesprochen –, eine einzelne Behandlung einzelner Tiere vorzunehmen, wenn wir große Herden halten können.

Ich darf sagen: Antibiotikaresistente Keime werden durch Erhitzen und ordentliche Küchenhygiene abgetötet. Das kann jeder von uns praktizieren, die Regeln sind allen bekannt. Bei erwiesener Rückstandshöchstmengenüberschreitung wird ohnehin ein Verkaufsverbot ausgesprochen – was an sich schon eine Sicherheit des Verbrauchers beinhaltet.

Wenn es mehr Regeln geben sollte – das fordern Sie in Ihrem Antragstext ausführlich –, dann europaweit und keine sächsischen Alleingänge.

Meine Damen und Herren, eine Sache möchte ich klarstellen: Verstöße sollen verfolgt und hart bestraft werden, denn sie betreffen uns alle und sie betreffen das Verbrauchervertrauen. Aber wir sollten den Verbraucher nicht durch Scheindebatten gezielt verunsichern, wie es übrigens gestern Abend wieder passiert ist. Ich kann Sie von diesem Pult aus nur alle bitten: Werden Sie sich darüber klar: Die Landwirtschaft von heute ist nicht mehr der Misthaufen in der Hofmitte mit der Forke und den gackernden Hühnern obendrauf, sondern die Landwirtschaft von heute ist die rurale Wirtschaftsmacht von nebenan! Sie erzeugt sichere, gesunde Lebensmittel, die durchaus mehr Achtung durch uns alle verdient hätten.

(Beifall bei der CDU)

Die Landwirtschaft, so Gerd Sonnleitner, ist etwas für ganz Mutige, für die, die die Herausforderung lieben, eigentlich für die Starken in unserer Gesellschaft. Deshalb bitte ich Sie: Stärken wir gemeinsam diesen Wirtschaftszweig, stärken wir die ländliche Heimat, anstatt die Landwirtschaft zu verunglimpfen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Johannes Lichdi, GRÜNE: Bravo!)

Für die CDU-Fraktion war das der Abg. Fischer. – Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE die Abg. Bonk.

Herr Präsident, vielen Dank! Meine Damen und Herren! Herr Fischer, gestern noch auf dem Weg in den Feierabend, heute schon zur ruralen Wirtschaftsmacht von nebenan. Sie sind immer gut unterwegs, kann man sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Aber zum Thema. „Resistenzen gegen Antibiotika erschweren die Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten und sind tatsächlich ein schwerwiegendes Problem. Sie verursachen Leid und Kosten.“ So betont Jörg Hacker, der Präsident des Robert-Koch-Institutes, dass sie ein infektionsmedizinisches Problem ersten Ranges darstellen. Angesichts der Opferzahlen ist der Verweis aufs häusliche Abkochen geradezu zynisch, Herr Fischer, und kann keine Grundlage für unsere Debatte darstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Gesamtverbrauch von Antibiotika in der Tierhaltung ist innerhalb der letzten Jahre zwar regional unterschiedlich, aber dennoch bundesweit erheblich gestiegen. Frau Giegengack ist schon auf den Prozentsatz von 95 % eingegangen. Es war angesichts des aktuellen Falls auch klar, dass der Fund von derartigen resistenten Keimen bei Fleisch keine neue Erkenntnis oder Ausnahme dargestellt hat. Die heute neu festgestellte Krankheit, der Schmallenberg-Virus, ist zwar ein Virus, verweist aber auf die Wechselwirkung zwischen dem Medikamenteneinsatz und den Krankheiten. Er ist zwar in Sachsen noch nicht aufgetreten. Wir können aber froh sein, dass dieses große System, von dem wir gestern gesprochen haben, angelaufen ist. Das kann man an dieser Stelle auch einmal positiv erwähnen.

Die Ursachen für den Anstieg der Antibiotikaverbräuche sind ganz klar im Marktverhalten zu sehen. Seit dem Verbot des Einsatzes von antibiotischen Futterzusatzstoffen als Wachstumsförderer steigt der Verbrauch – –

Frau Kollegin Bonk, ich weise Sie noch einmal darauf hin, dass unsere Aktuellen Debatten – –

Ich zeige Ihnen das dann gern. Dass es sich hier um einen reinen Stichpunktzettel handelt, versichere ich Ihnen.

Trotzdem ermahne ich Sie noch einmal, nach Möglichkeit frei zu reden.

Und ich versichere Ihnen, dass ich frei spreche, und komme zu den Ursachen zurück,

nämlich dass das Verbot des Einsatzes von antibiotischen Futterzusatzstoffen eine Ursache für den Anstieg von Antibiotikaverbräuchen ist und der Preisdruck in der Tierproduktion die Landwirte auf diese Schiene bringt.

Nun möchte ich mich nicht zu den Vorschlägen von Frau Aigner auf Bundesebene äußern, die es zwar auch verdient hätten, das verschiebt aber die Ebene. Ich möchte deswegen zu den Maßnahmen in Sachsen kommen, die auch der Titel der Aktuellen Debatte anmahnt. Zur Handlungsfähigkeit der Staatsregierung müsste man fragen, wie ihr Kenntnisstand ist. Es verwundert doch, dass in der Antwort auf die Große Anfrage die Staatsregierung zu Gehör bringt, dass ihr keine Informationen vorliegen, welche Antibiotika in welchen Mengen zum Beispiel in der Rinder- und Milchproduktion eingesetzt werden.

Wer nichts weiß, kann natürlich auch nicht handeln. Entsprechend oberflächlich und allgemein fallen auch die Bewertungen der verantwortlichen Ministerien aus. Das SMUL verweist zum Beispiel allgemein darauf, dass es nicht auf die Betriebsgröße ankommt, ob es den Tieren gut gehe oder nicht. Das mag stimmen, aber damit wird die gesamte Steuerungswirkung hin zu einer tiergerechteren und damit nicht zuletzt gesundheitsfördernden Tierhaltung verneint und abgelehnt.

Frau Staatsministerin Clauß hat in einem Interview gesagt, wer nur billig kaufen will, fördere damit die Massentierhaltung beim Fleisch. Dies führe zu verstärktem Antibiotikaeinsatz. Deshalb fordere sie erhöhten Kontrolldruck und die Entnahme von Proben durch Amtstierärzte. Da kann ich nur sagen: Bitte nicht nur fordern, sondern einfach machen! Dass es keine Übersicht über den Stand des Antibiotikaeinsatzes gibt, ist dabei irritierend. Dass Sie als Sozialministerin nicht zu wissen scheinen, dass große Teile der Bevölkerung gar nicht anders können, als billiges Fleisch zu kaufen, ist ebenfalls irritierend.

(Widerspruch der Staatsministerin Christine Clauß)

Die Probleme liegen auf der Hand. Zunehmend latent kranke oder krankheitsanfällige, einseitig auf Leistung getrimmte Tierbestände sind die Ursache für verstärkten Antibiotikaeinsatz.

Schauen wir noch einmal auf das von der Ministerin favorisierte und verantwortete Portal Lebensmittelwarnung.de. Wir stellen fest, dass die aktuellen Fälle dort gar nicht eingestellt sind. Fragen, die dort gestellt werden, schauen wir uns bei Gelegenheit noch genauer an. Das bewirkt am Ende, dass die Lebensmittel dort als in der Tendenz nicht gesundheitsschädigend eingeschätzt werden. Es besteht eine systemimmanente Gefahr für den Verbraucherschutz, weil das Instrumentarium nicht greift. Es verweist darauf, dass dort keine von Landesbehörden ermittelten Kontrollergebnisse verzeichnet sind, sondern nur von Herstellern selbst –

Die Redezeit läuft ab.

– eingestellte Kontrollen.

Frau Bonk.

Deswegen komme ich zum Schluss. – Die Diskrepanz zwischen den öffentlichen Kontrollergebnissen und denen der Verbraucherschutzorganisationen muss aufgehoben werden. Das ist es, was die Verbraucher verunsichert, und vor allem Ihre Leugnung und nicht die Information und Debatte darüber.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war die Abg. Bonk für die Fraktion DIE LINKE. – Als Nächste spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Dr. Deicke.

(Dr. Liane Deicke, SPD, zeigt dem Präsidenten ihren Stichwortzettel.)

Aus aktuellem Anlass noch der Hinweis: Wir hatten uns entschieden, unsere Aktuellen Debatten in freier Rede zu halten. Ich muss sagen, unser anfänglicher Eifer lässt leider wieder nach. Nicht bei Frau Dr. Deicke, aber bei diesem oder jenem Redner heute. Das müssen wir noch einmal ganz grundsätzlich im Präsidium besprechen.

Bitte, Frau Dr. Deicke, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Als ich das Thema der Aktuellen Debatte las, habe ich es auch etwas anders verstanden, Frau Giegengack. Ich beziehe mich auf die Nutztierhaltung im Zusammenhang mit dem Antibiotikaeinsatz, die aktuell im Fokus steht.

Der Antibiotikaeinsatz zieht Antibiotikaresistenzen nach sich, aber dieses Problem ist an und für sich nicht neu. Aktuell sind eigentlich nur die Skandale, die es in der letzten Zeit dazu gegeben hat. Ich erwähne noch einmal zwei der aktuellen Vorkommnisse. Einmal hat der BUND Stichproben von Hähnchenfleisch in Supermärkten genommen. Von 20 Betrieben waren elf – eine erhebliche Anzahl – mit antibiotikaresistenten Keimen verseucht. Das hat natürlich zu einer Diskussion über dieses Thema geführt. Kurz darauf ist in Bayern ein Vorkommnis bei der Schweinemast gewesen. Dort wurde festgestellt, dass Futtermitteln Antibiotika beigemischt wurden. Die Krönung bei der Geschichte war, dass diese Antibiotika für das Schlachtvieh gar nicht zugelassen waren.

Wie kann so etwas passieren? Wir haben eine ganze Reihe gesetzlicher Vorschriften für die Anwendung von Antibiotika. Herr Fischer ist etwas näher darauf eingegangen. Deswegen erspare ich mir das im Einzelnen. Was ich bei Herrn Fischer sehr bedenklich fand, ist seine Aussage, dass ein gesetzlich vorgeschriebenes Gebot, nur einzelne erkrankte Tiere mit Antibiotika zu behandeln, in der Praxis gar nicht anwendbar sei. Da frage ich mich, wieso wir Gesetze haben, die wir nicht einhalten können. Da müsste man doch schon vonseiten der Staatsregierung aktiv handeln.

Es gibt auf Bundesebene eine Antibiotikaresistenzstrategie von April 2011. Dort wird eindeutig herausgearbeitet, welche Hauptursachen für Antibiotikaresistenzen infrage kommen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?

Bitte, Herr Fischer.

Hochverehrte Frau Deicke, vielen Dank für die Bezugnahme auf meine Rede. Ich habe an Sie als studierte Agrartechnikerin eine Frage.