Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Hochverehrte Frau Deicke, vielen Dank für die Bezugnahme auf meine Rede. Ich habe an Sie als studierte Agrartechnikerin eine Frage.

Ich bin Chemikerin!

(Heiterkeit bei der SPD und den LINKEN)

Chemikerin, Entschuldigung! – Wie stellen Sie sich denn die praktische Umsetzung einer medikamentösen Behandlung einzelner Tiere vor?

Ich habe Sie nicht ganz verstanden.

Wie stellen Sie sich die medikamentöse Behandlung einzelner Tiere vor, wenn es sich um eine Herde von sagen wir 700 Hühnern handelt? Wie wollen Sie das machen, wie wollen Sie die kranken von den gesunden trennen?

Es geht nicht darum, was ich mir vorstelle, sondern es geht darum, was im Gesetz steht!

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Noch einmal zurück zur Antibiotikaresistenzstrategie. Dort sind die Hauptursachen für Resistenzen benannt. Das sind die unsachgemäße Verordnung und auch die unsachgemäße Anwendung von Antibiotika. An zweiter Stelle stehen die Hygienemängel.

Fakt ist – das hat Frau Giegengack schon gesagt –, dass Antibiotika ihre Wirkung verlieren und dass nicht genügend neue Wirkstoffe als Ersatz produziert werden. Es gibt mehr Antibiotika, die nicht mehr wirksam werden, als neue Antibiotika.

Natürlich ist auch die Tatsache bekannt, dass über den Verzehr von belasteten Lebensmitteln auch Menschen gegen Antibiotika resistent werden können. Das Medikament wirkt dann beim Menschen nicht mehr.

Wie sieht die Praxis aus? Ich habe gelesen, dass in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen von den Ministerien entsprechende Untersuchungen durchgeführt wurden, wie das in der Hähnchenmast aussieht. Die Ergebnisse sind ziemlich erschreckend. Sie besagen nämlich, dass die Anwendung von Antibiotika in der Praxis gang und gäbe ist. Das Ergebnis in Nordrhein-Westfalen ist, dass Masthähnchen zu 96 % mit Antibiotika behandelt werden. In

Niedersachsen ist das nicht ganz so viel, aber immer noch sehr erheblich. Dort sind es 85 %.

Man muss fragen, warum in Sachsen hierzu keine Daten vorliegen, wenn das Problem eigentlich schon lange erkannt ist. In anderen Bundesländern hat man reagiert. In Sachsen sind wir diesbezüglich sehr unwissend.

(Zuruf der Staatsministerin Christine Clauß)

Wir agieren nicht und wir reagieren nicht. Frau Ministerin Clauß, ich wäre froh, wenn Sie mich da eines Besseren belehren würden. In Nordrhein-Westfalen – das wäre auch ein Beispiel, dem wir in Sachsen folgen könnten – ist kürzlich eine Datenbank gestartet worden, um Aufschluss zu geben, inwieweit Betriebe hier auffällig geworden sind.

Die Redezeit geht zu Ende.

Zum Schluss möchte ich noch ein Zitat von Frau Clauß auf dem Ärztekongress erwähnen: „Wir dürfen nicht in Aktionismus verfallen.“ Natürlich dürfen wir das nicht, aber wir hatten ja genügend Zeit, sodass wir das nicht tun müssten.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion sprach Frau Kollegin Dr. Deicke. – Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Schütz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Giegengack, das war wieder einmal eine Einführung typisch Grün: Angst vor Hühnerfleisch, Angst vor Antibiotika. Vielleicht sagen Sie uns auch irgendwann einmal, wovor die GRÜNEN nicht Angst haben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Zuruf der Abg. Annekathrin Giegengack, GRÜNE)

Allein schon der Debattentitel ist sehr irreführend. Er klingt so, als ob wir keine Regeln für den Einsatz von Antibiotika hätten. Wir haben eine Reihe davon, und jeder Mediziner, ob im Human- oder im Veterinärbereich, hat seinen Eid geleistet, dass er in allererster Linie hilft und Krankheiten verhindert. Wir alle, ich wie Sie, möchten bei Krankheiten geholfen bekommen. Dafür haben sich Antibiotika einen guten Namen gemacht. Das ist beim Menschen wie beim Tier so, denn auch Tierschutz wird sehr groß geschrieben. Natürlich gilt auch für uns als FDP: Antibiotikaeinsatz muss gesenkt werden, die Transparenz dazu muss erhöht werden.

(Beifall bei der FDP)

Der Einsatz von Antibiotika ist auf ein Minimum zu reduzieren. Er ist auf das therapeutisch Notwendige zu beschränken. Das gilt, wie gesagt, für die Humanmedizin genauso wie für die Tiermedizin. Antibiotika sind als Wachstumsförderer verboten. Der prophylaktische Einsatz

oder gar der Einsatz zur Überdeckung von Krankheiten durch Haltungsmängel ist verboten, und zwar unabhängig von der Größe der Betriebe, sondern allein die Haltung ist ausschlaggebend.

Tierärzte sind bei Vergabe von Antibiotika auf eine Untersuchung der Tiere angewiesen. Sie müssen die Gaben dokumentieren und diese auf Nachfrage auch nachweisen. Jeder Betrieb, jeder Bauer muss jede Ampulle, jede Spritze dokumentieren. Das ist geltendes Recht. Wer dagegen verstößt, macht sich strafbar.

(Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

Auf Bundesebene läuft derzeit die Anhörung zu einem Gesetz, das Maßnahmen gegen Antibiotikaresistenzen vorschlägt. Dabei gilt allerdings nur schnelles Handeln und konsequente Kontrolle, um die nicht sachgerechte Antibiotikavergabe einzudämmen. Das darf aber nicht dazu führen, dass Landwirtschaft und Tierärzte unter Generalverdacht gestellt werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir müssen Transparenz schaffen, wir brauchen Sicherheit für den Verbraucher, und wir müssen gleichzeitig die Fragen des Tierschutzes berücksichtigen.

Die Schlussfolgerung der GRÜNEN, dass eine Verringerung der Bestandsgrößen bei der Hühnchenmast dazu führen könnte, die Zahl der antibiotikaresistenten Keime automatisch zu verringern, ist völlig falsch. Die Studie aus Nordrhein-Westfalen belegt sogar – meine Vorredner sind darauf eingegangen –, dass in größeren Betrieben der Einsatz von Antibiotika eher geringer ist als in kleineren Betrieben. Man sollte also erst einmal die Studien lesen, bevor man nach Verbieten und Beschränken ruft.

Es ist natürlich auch für uns klar: Egal, ob große oder kleine Tierhaltung, der Antibiotikaeinsatz muss minimiert werden. Aber für jeden Verbraucher sage ich auch ganz klar: Jeder Betrieb, der heute in der Tierhaltung tätig ist, unterliegt strengen Vorgaben. Das wird von Tierärzten kontrolliert, die ebenfalls die Gesetze einhalten müssen.

Ich darf mit dem Blick auf gestern auch noch einmal auf den Verbraucherbericht 2011 hinweisen: Wir haben die am besten kontrollierten und am besten überwachten Lebensmittel weltweit. Darauf können sich die Verbraucher hier bei uns verlassen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die FDP-Fraktion war das die Abg. Schütz. – Für die NPD-Fraktion spricht jetzt der Abg. Dr. Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als NPD-Fraktion stehen wir für einen pragmatischen Politikansatz. Deshalb möchte ich zunächst die vorbeugenden Maßnahmen gegen die Entwicklung von Resistenzen beim Einsatz von Antibiotika in der Tierproduktion in der Landwirtschaft, wie sie vom

Bundeslandwirtschaftsministerium unter Führung von Frau Aigner in dem Entwurf zur Änderung des Arzneimittelgesetzes gefordert werden, begrüßen.

Wir begrüßen auch die heutige Aktuelle Debatte. Bekanntlich hat die NPD-Fraktion bereits am 12. Januar dieses Jahres einen Antrag mit dem Titel „Maßnahmenpaket gegen Antibiotikaresistenzen“ eingebracht. Wir werden in den Fachausschüssen beobachten, wie sich die anderen Fraktionen dazu positionieren.

Mein Kollege Andreas Storr hat im Dezember vergangenen Jahres eine Kleine Anfrage „Antibiotika in der Tiermast“ eingebracht. Die Antworten darauf waren erschreckend. Zunächst bekamen wir zu hören, dass keine Daten dazu vorliegen, in welchem Umfang in Betrieben der Schweine-, Rinder- oder Geflügelhaltung Antibiotika verabreicht werden. Weiterhin erhielten wir die Antwort, dass es keine Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass im Freistaat Sachsen Antibiotika zur Leistungsförderung in der Tierproduktion eingesetzt werden. Das ist an sich zunächst positiv, aber es stellt sich die Frage, ob es nur Unkenntnis ist oder ob es tatsächlich so ist. Es liegen keine Daten darüber vor, wie viele Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen beim Einsatz von Antibiotika im Freistaat Sachsen seit 2006 festgestellt und wie diese geahndet wurden. Es ist für uns nicht nachzuvollziehen, dass man solche Fragen so beantwortet.

Weiterhin würden keine Daten darüber vorliegen, welche Erkrankungen von Tierärzten bei Kontrollen in sächsischen Tiermastbetrieben festgestellt wurden.

Soweit die Dinge aus der Tierhaltung.

Mein verstorbener Fraktionskollege Petzold fragte zu Antibiotikaresistenzen im Freistaat Sachsen im Dezember 2009 und bekam als Antwort: Weder für Deutschland noch für den Freistaat Sachsen lägen genaue Daten zur Mortalität durch Infektionen mit Erregern aufgrund von Antibiotika mit Resistenzen vor. Frau Giegengack sprach davon, dass jetzt etwa 15 000 geschätzt würden. Aber solch eine Antwort auf eine Kleine Anfrage ist doch bezeichnend dafür, wie wenig ernst dieses Thema zumindest in der Vergangenheit genommen worden ist. Des Weiteren gebe es keine genauen Aussagen, welche Kosten aufgrund der Antibiotikaresistenz im Gesundheitswesen in Sachsen verursacht würden.

Dass es eine Kostensteigerung gibt, sieht man an der Schätzung, dass pro Tag bei einer ITS-Behandlung etwa 1 600 Euro Mehrkosten entstünden, bei einer Normalstation 400 Euro, wenn mit Reserveantibiotika therapiert werden müsse. Man sieht, der Handlungsbedarf ist dringend.

Was die Tiermast betrifft, so gibt es eigentlich klare Vorschriften. Das wurde von meiner Vorrednerin bereits angesprochen, ich möchte es trotzdem wiederholen. Der Antibiotikaeinsatz ist nur für erkrankte Tiere zulässig, kein Einsatz zur Wachstumsförderung, kein Einsatz zur Überdeckung von Krankheiten durch Haltungsmängel. Verstöße dahin gehend wären strafbar.

Aber wir haben ein Problem und da sind wir relativ nah bei den GRÜNEN: Die intensivierte Landwirtschaft mit Massentierhaltung bringt auch bei Einhaltung dieser Vorschriften einfach einen hohen Antibiotikaeinsatz. Durch einen solchen Einsatz sind wegen der Miterkrankungen, wenn die Erkrankung in solch einen Stall mit Massentierhaltung eingedrungen ist, die Verordnungsmengen ebenfalls relativ hoch. Die Tiere sind auf engem Raum nah beieinander und damit stecken sie sich gegenseitig an. Damit ist auch bei Einhaltung dieser Vorschriften eine hohe Verordnungsmenge am Ende das Resultat.

Somit kommen wir zu einem Punkt, an dem wir schon sagen müssen: Auch der Konsument entscheidet selbstverständlich mit. Uns als NPD-Fraktion ist klar, dass das Geld für viele Menschen wirklich ein Argument ist, billige Lebensmittel zu kaufen. Aber im Endeffekt fördert man im Umkehrschluss, dass Nahrungsmittel aus Massentierhaltung verkauft werden. Vielleicht sollte man überlegen, ob man bei anderen Dingen sparen könnte.

Ich bin schon fast am Ende meiner Redezeit. – Die jetzt von Frau Bundesministerin Aigner geforderten Maßnahmen finden unsere Unterstützung, zum Beispiel, dass die Überwachungsbehörden der Bundesländer einen erweiterten Zugriff auf die erfassten Abgabemengen zu Zwecken des Monitorings erhalten sollen.

Mehr kann ich jetzt nicht anbringen, meine Redezeit ist abgelaufen.

Vielen Dank.