Grundlage vieler Klagen wegen sogenannten Kinderlärms sind Bestimmungen im Wohnungseigentums- und Mietrecht, im öffentlichen Baurecht und im Immissionsschutzrecht. Gesetzliche Regelungen, wie Kinderlärm rechtlich konkret einzuordnen ist, bestehen dabei leider nicht. Die Sozialverträglichkeit ist daher im Streitfall einzelfallbezogen zu ermitteln, und das jedes Mal vor Gericht. Leid
Wir wollen in einer kinderfreundlichen Gesellschaft leben. Dazu gehört ein klares Bekenntnis. Kinder sind keine Kreissägen.
Deshalb wollen wir mehr Rechtssicherheit für Kinder, Eltern, Kommunen und Träger von Einrichtungen statt einer absurden Gleichsetzung von Kinderlärm und Verkehrs- und Industrielärm.
Das Bundesland Rheinland-Pfalz hat dazu eine Bundesratsinitiative zum Thema „Kinderlärm – kein Grund zur Klage“ gestartet. Dieser Initiative sind inzwischen die Länder Brandenburg und Bremen und – jetzt hören bitte die Kollegen von CDU und FDP besonders zu – Hessen beigetreten.
Wir als SPD-Fraktion wollen, dass sich der Freistaat Sachsen dieser Bundesratsinitiative anschließt.
Gegenstand der Initiative ist eine umfassende Regelung und kein Herumdoktern auf Landesebene. Erstens wollen wir im Bundes-Immissionsschutzgesetz klarstellen, dass Kinderlärm in der Regel keine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne dieses Gesetzes darstellt. Zweitens wollen wir im Zivilrecht darstellen, dass Kinderlärm in der Regel keine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung des Eigentums darstellt. Drittens wollen wir im Baurecht klarstellen, dass Kindereinrichtungen in reinen Wohngebieten generell zulässig sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will deutlich machen, dass unnötiger Lärm auch weiterhin vermieden werden muss. Natürlich sind lärmende Spielgeräte zu vermeiden, und im Einzelfall können weitere Einschränkungen vorgenommen werden.
Kinderfreundlichkeit heißt auch, dass wir die Entwicklung der Kinder fördern und damit ihre kindertypischen, manchmal auch lautstarken Lebensgeräusche akzeptieren müssen.
Allein mit Gesetzen werden wir in Sachen Kinderfreundlichkeit in diesem Land nichts erreichen. Aber eine klare gesetzliche Vorschrift ist dazu nötig. Deshalb lassen Sie uns an dieser Stelle die Bundesratsinitiative unterstützen und im Freistaat Sachsen ein Zeichen für mehr Kinderfreundlichkeit setzen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Die von Ihnen angesprochene Thematik „Kinderlärm: kein Grund zur Klage“ geht in die richtige Richtung.
Kinder sind unsere Zukunft, und es liegt in unserem Interesse, für eine kinder- und jugendfreundliche Umgebung zu sorgen. Das Spielen und Toben mit den entsprechenden Geräuschen gehört dazu und trifft das Interesse unserer Gesellschaft. Kinderlärm ist daher nicht mit anderen Lärmformen, zum Beispiel Verkehrs- oder Gewerbelärm, gleichzusetzen. In diesem Bereich gibt es jedoch zahlreiche Urteile und Maßnahmen, welche sich in der Sache für lärmende Kinder aussprechen.
So gibt es zum Beispiel das Urteil des Amtsgerichtes Bergisch-Gladbach, welches aussagt, das Lachen, Schreien und Weinen von Kleinkindern von jedem Hausbewohner als natürliches Verhalten der Kinder hingenommen werden müssen.
Weiterhin gibt es das Urteil des Landgerichtes Berlin, wonach Kinder in Hinterhöfen spielen dürfen, auch wenn das die Nachbarn stört. Die gefährliche Entwicklung des Straßenverkehrs zwingt Hausbesitzer dazu, verwaiste Hinterhöfe für Kinderspiele freizugeben. Die Nachbarschaft muss die damit verbundene, unvermeidliche Lärmbelästigung hinnehmen. Das sagt das Landgericht Berlin.
Kinder und Jugendliche dürfen auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofes durchaus einmal laut sein. Danach kann Lärm als Begleiterscheinung kindlichen und jugendlichen Freizeitverhaltens in höherem Maße hingenommen werden. Die Richter begründeten diese Grundsatzentscheidung damit – wie ich vorhin schon ausführte –, dass es ein allgemeines Interesse der Gesellschaft gibt, für eine kinder- und jugendfreundliche Umgebung zu sorgen. Dieses Urteil erging in engem Zusammenhang mit der Klage von Hauseigentümern, die sich darüber beschwerten, dass es bei einem gemeindeeigenen Jugendzeltplatz zu Lärm gekommen ist.
In Sachsen haben wir auch einen anderen Ansatz. Zum Beispiel haben wir Mehrgenerationenhäuser – immerhin sind es 37 an der Zahl –, die als zentrale Anlaufstellen von Menschen aller Generationen, wie es der Name schon sagt, zu sehen sind. In diesen Häusern kommt es logischerweise zu Lärm; das gehört einfach mit dazu. Aus unserer Sicht ist das ein sinnvoller Ansatz.
Die Thematik ist tatsächlich bereits von der CDU – zum Beispiel im Bundeskoalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP – klar geregelt. Ich darf die Zeilen 2998 bis 2999 zitieren. Darin steht: „Kinderlärm darf keinen Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen geben.“
Demnach sind wir der Meinung, dass zuerst der Bund gefragt ist. Das ist, wie es vorhin schon dargestellt wurde, eine recht komplexe Angelegenheit. Das betrifft das Bundes-Immissionsschutzgesetz, die Bauplanung und letztendlich das Bürgerliche Gesetzbuch. Wenn wir hier in Sachsen einen Beschluss fassen, dann greifen wir möglicherweise in Handlungsspielräume ein, und dem wollen wir vorbeugen. Wie bereits gesagt, geht es in der Sache in die richtige Richtung, aber ein Beschluss dazu in diesem Hohen Hause würde aus unserer Sicht keinen Mehrwert bringen.
Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie gesagt haben, es sei eine Sache, die auf Bundesebene geregelt werden muss? So habe ich auch den Antrag verstanden. Habe ich Sie möglicherweise falsch verstanden, wenn Sie sagen, dass bereits der Koalitionsvertrag allein eine rechtliche Handhabe sein könnte?
Sie haben mich richtig verstanden in Bezug auf das, was Sie zuerst gesagt haben. Es ist natürlich eine bundeseinheitliche Regelung gefragt. Es bringt nichts, wenn wir in Sachsen Sonderregelungen haben, die dann in Thüringen oder Westdeutschland nicht gelten. Von daher sagen wir, dass es auf Bundesebene eine Verständigung geben muss. Dafür gibt es klare Regelungen.
Zu Ihrer zweiten Frage. Natürlich ist der Koalitionsvertrag noch keine Umsetzung, aber er zeigt auf, dass sich das die Koalitionsregierung zum Ziel gesetzt hat. Unmissverständlich steht es im Vertrag, wie ich soeben zitiert habe. Wir können davon ausgehen, dass sich die Bundesregierung, der Bundestag und letztendlich Sachsen über den Bundesrat damit befassen und sich der Sache annehmen werden. – So weit die Antwort zu Ihrer zweiten Frage.
Als CDU-Fraktion werden wir uns dafür starkmachen, dass im Bundesabstimmungsverfahren das Thema in der Sache unterstützt wird. Wir sind der Meinung, dass ein Beschluss zum gegenwärtigen Zeitpunkt unsere Hand
lungsspielräume in der Beziehung einengen und keinen deutlichen Mehrwert erzeugen würde. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.
Zum Schluss möchte ich noch ein wenig auf die Widersprüchlichkeit des SPD-Antrages verweisen. Wenn Sie sich erinnern, dass im Mai dieses Jahres der Tarifstreit der Erzieherinnen stattfand und dabei unter anderem die Aussage kam, dass der Lärm spielender Kinder eine Belastung für die Erzieherinnen darstellt, dann wissen wir, dass das durchaus stimmt und dies das Thema noch komplexer macht. Wir müssen sehr sensibel herangehen. Sie haben diese Aussage mit unterstützt. Von daher müssen Sie einen solch pauschalen Antrag, wie Sie ihn jetzt vorbringen, noch einmal revidieren, in sich gehen und sich fragen, ob Ihr Antrag so haltbar ist.
Vielen Dank, Herr Meyer. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Heike Werner; Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zugeben, dass ich auf den Tagesordnungspunkt ziemlich gespannt war, jedoch nicht vordergründig wegen der Debatte. Ich denke, wir sind uns darin einig, dass es ziemlich schrecklich ist, zu hören und zu lesen, wenn Menschen unter dem Deckmantel von Ruhe und Ordnung Kinderräume einschränken wollen. Sie wollen einschränken, dass Kinder toben und lachen.
Ich war deshalb verwundert; denn ich habe mich zunächst gefragt, warum die SPD ausgerechnet jetzt diesen Antrag auf die Tagesordnung setzt, während im Bundesrat andere Initiativen verhandelt werden, zum Beispiel das Thema KdU.
Aber ich dachte mir dann, dass es vielleicht ein psychologisches Argument gibt, dass es darum geht zu sehen, wie weit die Regierungskoalition eigentlich gehen kann, wie souverän sie ist. Für mich zeigt sich Souveränität darin, dass es nicht immer und immer wieder diese unsägliche Ablehnungsstrategie bei Anträgen der Opposition gibt, sodass man in der Lage ist zu sagen: Ja, wir haben hier ein gemeinsames Anliegen, ja, wir wollen es gemeinsam tragen und ja, wir wollen, dass sich im Bundesrat die Regierung dafür einsetzt.
Die Hürde, die die SPD Ihnen gebaut hat, ist ja hier ganz gering. Der Antrag kostet nichts, Sie müssten hier nichts Großartiges unternehmen. Es geht darum, die Hand zu heben, und man könnte auch noch symbolisch zeigen, dass uns in Sachsen Kinderfreundlichkeit tatsächlich wichtig ist und wir uns hier dafür einsetzen werden. Im
Moment sieht es nicht ganz danach aus, aber ich denke, dass es sich im Verlauf der Diskussion noch ergeben könnte.
Es wurden bereits Beispiele genannt. Ich möchte auch ein Beispiel nennen. Das aus Markkleeberg hat mir ein Kollege schon vorweggenommen. Es gibt leider zu viele davon. Deswegen kann man noch unzählige andere erwähnen. Es geht zum Beispiel um eine Skateranlage in Markkleeberg. Diese sollte recht weit weg gebaut werden, in einer Ecke mit Straßen dahinter. 500 Meter entfernt steht ein Wohnhaus, doch viel näher noch gibt es eine Eisenbahn, eine Tankstelle usw. Ein halbes Jahr lang wurde untersucht, ob der Lärmschutz tatsächlich so eingehalten wird, dass Einwohner nicht belästigt werden. Das sind die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben. Grund dafür, warum die neue Skateranlage gebaut werden musste, war, dass es eine andere Skateranlage gab, eine kleine mit einigen Geräten. Es gab einen Basketballkorb usw. Dieser kleine Spielplatz stand neben einem Wohnheim für betreutes Wohnen. Die Menschen dort fanden das gut, es gab auch Begegnungen untereinander. Aber das Ganze musste versetzt werden, weil sich Anwohner angrenzender Einfamilienhäuser beschwert hatten, und das, obwohl dieser Spielplatz in dem B-Plan ausgewiesen war.