Protokoll der Sitzung vom 09.12.2009

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Klar ist für meine Fraktion, meine Damen und Herren: Die CDU steht zum Bologna-Prozess. Ein Zurück in die Zukunft wird es mit meiner Partei nicht geben!

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Was soll denn der Quatsch?)

Wichtigstes Instrument ist die Einführung der gestuften Studiengänge mit den neuen Abschlüssen. Bei der Umstellung gibt es große Unterschiede. Der Norden ist deutlich fortschrittlicher als der Süden. Sachsen liegt nach der aktuellen Studie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, dem sogenannten Ländercheck, vom November 2009 bei der Umstellung eher im hinteren Bereich. Das liegt größtenteils in der Verantwortung der Hochschulen. Aber man muss auch sagen: Wenn die Hochschulen nicht spuren und die Umstellung nicht hinbekommen, dann leuchten bei der Politik die gelben Lichter. Die Politik wird dann gegebenenfalls durch Gesetzgebung oder Verordnung nachsteuern müssen.

Sachsen befindet sich jedoch in der Kategorie Praxisbezug der Studiengänge und Mobilität in der Spitzengruppe. Der Ländercheck attestiert dem Freistaat für die notwendige Umstellung sehr gute Rahmenbedingungen. Meines Erachtens gilt es jetzt, diese Qualität in die neuen Studiengänge zu übertragen; denn, meine Damen und Herren,

Herr Kollege, die letzten Sekunden laufen.

Hochschulpolitik ist Zukunftspolitik. Die Hochschulen in Sachsen sind leistungsstark und modern. Wir haben attraktive Lehr- und Forschungsmöglichkeiten für Studenten und Wissenschaftler, wollen aber noch besser werden. Denn auch in diesem Bereich gilt: Sachsen bietet mehr als andere.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Vielen Dank. Eine Punktlandung. – Ich bitte den nächsten Redner. Kollege Schmalfuß für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute wirklich eine aktuelle Debatte. Das zeigen die Studentenproteste an einigen sächsischen Hochschulen. Ich habe sehr viel Verständnis und Sympathie für die Studenten. Aber wir dürfen keine einseitige Darstellung zulassen, auch nicht im Plenum. Ich möchte einen Artikel der „Freien Presse“ vom 2. Dezember dieses Jahres zitieren: „Mittweida, Fachhochschule. Warum sollte man hier streiken? Kein Student besetzt an der Hochschule in Mittelsachsen einen Hörsaal. Es gibt keine Plakate und keine offenen Beschwerden. Wie es scheint, ist Mittweida so etwas wie die Insel der Glückseligkeit.“ So schreibt der Mittweidaer Studentenrat in seiner letzten Stellungnahme. Er stehe dem Grundgedanken des Bologna-Prozesses positiv abwartend gegenüber. Dem Rat sei klar, dass es bei einer solchen Umstellung Schwierigkeiten und Anpassungsprobleme gebe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man muss zur Kenntnis nehmen, dass es im Freistaat Sachsen auch Hochschulen gibt, die den Bologna-Prozess erfolgreich umgesetzt haben. Von diesen Hochschulen gilt es zu lernen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Ich möchte gern noch einen Studenten zitieren, mit dem ich zwar nicht persönlich gesprochen habe, aber das steht in der „Freien Presse“.

(Widerspruch bei der Linksfraktion – Vereinzelt demonstrativer Beifall bei den GRÜNEN)

Marko Schille hat in diesem Sommer seinen Bachelor in Maschinenbau abgelegt und beginnt nun den entsprechenden Masterstudiengang: „Ich hatte in den letzten Jahren genug Freizeit. Es gibt keine Massenvorlesungen, also genug Dozenten, und die Hochschule Mittweida hat keine Studiengebühren. Warum sollte man hier also streiken?“

Das zeigt: Unsere sächsischen Hochschulen können den Bologna-Prozess erfolgreich umsetzen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren! Horst Köhler hat zum 600. Gründungstag unserer Universität Leipzig Probleme angesprochen, auch Kollege Mackenroth hat es in seiner Rede gesagt: zu lange Studienzeiten, zu viele Abbrecher, zu schlechte Studienbedingungen, zu wenige Unterstützungsangebote und zu wenig Chancengleichheit.

Meine Damen und Herren! Wir müssen dies sehr differenziert betrachten nach Hochschulen, nach Studiengängen und natürlich auch nach den Bundesländern, über die wir reden. Wir haben in Sachsen andere Problemstellungen als in Bundesländern wie zum Beispiel BadenWürttemberg oder Bayern. Es ist einfach unfair, hier an dieser Stelle alles über einen Kamm zu scheren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Wenn Sie Zahlenmaterial benötigen über Abbrecherquoten, über erfolgreiches oder nicht erfolgreiches Beenden von Studiengängen in Sachsen, so verweise ich auf die Antwort der Staatsregierung zum Antrag der FDP-Landtagsfraktion in der vergangenen Legislaturperiode in Drucksache 4/14228, wo wir genau dieses Thema diskutiert haben, die akademischen Traditionen in Sachsen zu bewahren und keine dogmatische Umstellung der Bachelor- und Masterstudiengänge in unserem Freistaat durchzuführen.

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition: Die Koalition hat gehandelt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Niemals! – Martin Dulig, SPD: Hervorragend!)

Hervorragend. Ich bedanke mich für das Kompliment.

Wenn Sie den Koalitionsvertrag gelesen haben, werden Sie finden, dass die Koalitionspartner CDU und FDP eine Evaluierung und Weiterentwicklung der Bachelor-, Masterstudienreform in Sachsen vereinbart haben. Daran werden wir uns auch messen lassen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Es gibt natürlich auch konkrete Maßnahmen, die die Hochschulen selbst umsetzen können, bei denen wir sie als Politik gar nicht zu beraten brauchen. Das ist einmal weg vom kleinteiligen Prüfungswesen. Die Anpassung der Studien- und Prüfungsordnungen liegt in der Verantwortung der Hochschulen. Hier sind die Hochschulen gefragt, entsprechend den neuen Studiengängen auch die Prüfungs- und Studienordnungen so anzupassen, dass die Bachelor- und Masterstudiengänge besser studierbar werden.

Der zweite konkrete Vorschlag ist, dass wir die Hochschulen auffordern, die Anerkennungsverfahren von Prüfungsleistungen, die in anderen Bundesländern an Hochschulen erbracht worden sind – vielleicht auch an anderen Hochschulen in Sachsen –, einfach umzusetzen, sodass es für Studentinnen und Studenten leichter ist, von einer Hochschule auf eine andere Hochschule zu wechseln.

Lassen Sie mich schließen, meine Damen und Herren, mit einem weiteren Zitat von Horst Köhler, der in Leipzig gesagt hatte: „Wir brauchen an vielen Stellen mehr Ehrgeiz und mehr Mitmacher. Die Frage, wie wir unsere Hochschulen weiter entwickeln, ist auch ein Lackmustest dafür, wie ernst wir es wirklich mit dem Ziel der Zukunftsfähigkeit unseres Landes meinen.“

Meine Damen und Herren! Wechselseitiges Fingerzeigen ist an dieser Stelle

Herr Kollege!

nicht angebracht. Ich sage: Unterstützen Sie den Kurs der Koalition für die Zukunft der sächsischen Hochschulen!

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nach diesem etwas längerem Köhler-Zitat, mit dem die Redezeit leicht überschritten wurde, bitte ich den nächsten Redner: für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Besier.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Bologna-Prozess zehn Jahre gelaufen ist, ist es mehr als selbstverständlich, dass wir darüber reflektieren: Was ist daraus geworden?

Sind denn die Vorzüge, die angepriesen worden sind, inzwischen eingetreten oder ist das nicht so? Haben wir einen europäischen Hochschulraum? Hatten wir vorher keinen? Ist die Zahl derjenigen, die bereit sind, im Ausland zu studieren, größer geworden? Sie ist kleiner geworden. 10 % waren es vorher, nicht mehr 10 % sind es heute.

Aber lassen Sie uns nicht all das noch einmal wiederholen, lassen Sie uns grundsätzlich darüber nachdenken: Ist es nicht sinnvoller, nicht von Weiterentwicklung zu sprechen, sondern über die Frage: Was haben wir verloren?

Der Marburger Philosoph Reinhard Brandt hat zu Recht gesagt: Wir haben das deutsche Universitätssystem ansatzweise immerhin schon zerstört. Was wir erlebt haben, ist doch eine Verfachhochschulung von Universitäten.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE, und Jürgen Gansel, NPD)

Die deutschen Universitäten zeichneten sich gerade dadurch aus, dass sie insofern zukunftsgerichtet waren, als sie betont haben, Erkenntnis zu gewinnen, die Suche nach Erkenntnisgewinn, die Art und Weise, wie Probleme zu analysieren und zu lösen sind.

Angesichts der Tatsache, dass Wissen immer schneller verfällt, ist es wichtig, dass junge Menschen lernen, wie sie neues Wissen erwerben, wie sie neue Probleme lösen

können. Dieses ist durch eine Wissensakkumulation, meine sehr verehrten Damen und Herren, kaum möglich. Dieser Systembruch der deutschen Universitäten – da haben Sie vollkommen recht – betrifft natürlich nicht alle Fächer. Aber betroffen sind gerade jene Reflexionsfächer der Geistes- und Sozialwissenschaften, die nun eine völlig andere Geschichte nehmen werden.

Beispielsweise könnten wir so etwas gut gebrauchen wie ein Philosophikum als Einstieg für die genannten Fächer und das Deutlichmachen, dass Wissenschaftstheorie, Wissenschaftsphilosophie und Wissenschaftsgeschichte zu den wesentlichen Grundlagen gehören, die Menschen befähigen, sich neues Wissen anzueignen und nicht einfach nur Wissen zu akkumulieren.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Andreas Storr, NPD)

Hier stehen wir eben vor systemimmanenten Scheidewegen. Wir müssen uns überlegen: Wollen wir tatsächlich einen erheblichen Teil der Universitäten, nämlich diesen Eingangsstudiengang, den Bachelorstudiengang, als eine Fachhochschule weiterführen – was bedeutet, dass die Universität in Wahrheit gespalten ist –, und erst mit dem zweiten Schritt, mit dem Master-Studiengang, würde dann tatsächlich das Universitätsstudium beginnen?

Erst dann würden wieder Forschung und Lehre bei den Studierenden zusammenkommen. Ihnen ist natürlich deutlich, dass dieser Bachelorstudiengang überhaupt nicht die Gelegenheit bietet, Professoren zu motivieren, gemeinsam mit den Studierenden etwas weiter zu entwickeln in der Art, dass Studierende schon zu diesem frühen Zeitpunkt Einblick in Forschungsvorgänge bekommen.

All diese Dinge werden abgeschnitten durch diese Art des Studiums. Mein Plädoyer ist, dass wir noch einmal – nach zehn Jahren halten wir das für angemessen – reflektieren: Was haben wir getan? Haben wir nicht einen großen Teil der beachtlichen deutschen Universitätstraditionen damit verspielt?

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE, und Andreas Storr, NPD)

Als Nächstes nimmt die Fraktion der SPD das Wort. Bitte, Herr Kollege Mann.