Protokoll der Sitzung vom 07.03.2012

Ich darf Sie auf die Spielregeln unserer Geschäftsordnung hinweisen. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die ihr zur Verfügung stehende Zeit zu sprechen. Möchte davon jemand Gebrauch machen?

(Stefan Brangs, SPD: Ja, möchten wir!)

Noch weitere? – Ich habe die Meldungen gesehen. Zunächst spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Prof. Besier.

Frau Staatsministerin! Die Situation im Universitätsbereich ist insofern etwas eigenartig, als wir im Grundsatz meist

übereinstimmen. Entschuldigen Sie, ich war einen Moment draußen, und mir hat einer der Spitzenkollegen an einer der drei Universitäten geflüstert, es gebe einen Zusammenhang – diesen haben Sie nie festgestellt – zwischen Exzellenzinitiativen und der Bereitschaft des entsprechenden Landes, die Universitäten finanziell zu unterstützen, und es ist so, dass diejenigen Universitäten, die besonders gefördert werden und finanziell besonders gut ausgestattet sind – ein Beispiel wäre Heidelberg –, bei den Exzellenzinitiativen immer vorn dran sind. Daher sind wir in einer schwierigen Situation, und es gab die etwas problematische Bemerkung am Schluss des Gespräches, für den Osten müsse eben auch eine Exzellenzuniversität her, und dann werde es wohl auf Dresden fallen.

Ich stimme in vielem mit Ihnen überein, und ich würde mich freuen, wenn es nicht zu Flickschusterei käme; die Problematik besteht darin, dass hier nicht der Ort ist, alles en detail zu diskutieren. Sie wissen jedoch, dass wir seit 1977 ein Mittelbauproblem vor uns herschieben – also nicht von Ihnen gemacht – und wir dieses endlich angehen müssen. Wenn Sie aber auf begrenzte Zeit Stellen schaffen, die dann wegfallen, kommen wir in der Tat dazu, hoch qualifizierte Akademiker wieder in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. So viele mentale Veränderungen werden wir in diesem Land nicht hinbekommen, dass diejenigen, die mit dem Titel "Professor" ausgestattet sind, etwa anständigen Unterricht an einem Gymnasium machen. Das werden wir nicht erreichen. Daher bitte ich Sie, noch einmal zu überlegen, wie wir dann mit diesem akademischen Mittelbau umgehen, den Sie nach einer bestimmten Zeit – Sie sagten mehrjährig; sagen wir, fünf oder sechs Jahre – wieder entlassen, was wir also mit diesen Leuten machen sollen.

In diesem Bereich haben wir bereits ein Problem. Darüber brauchen wir uns nicht zu streiten. Es wird uns belasten, dass wir dann habilitierte Wissenschaftler en masse haben, die gleichzeitig Hartz-IV-Empfänger sind; denn sie werden nach dieser Zeit – sagen wir, sechs Jahren – von den Universitäten nicht mehr voll alimentiert werden können. Das ist vor allem der Punkt, der mir bei dem, was Sie als Lösungsmöglichkeit vorgetragen haben, Sorgen macht

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Prof. Besier. – Herr Mann, Sie haben ebenfalls noch einen solchen Antrag angezeigt. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP! Es tut mir für all jene leid, die schon mental abgeschaltet haben, aber ich möchte sagen: Die Debatte hat in den Wortbeiträgen – in Teilen in jenem von Herrn Mackenroth und auf jeden Fall in dem der Staatsministerin – einmal gezeigt, dass Debatte und parlamentarische Kultur hier noch gegeben sind, zumindest in diesem Ressort.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann und vereinzelt bei den LINKEN)

Wir haben Argumente ausgetauscht. Sie wurden abgewogen und es gab neue Informationen. Das freut einen in diesem Haus immer, denn in vielen Debatten hat man den Eindruck von Parallelwelten.

Aber zur Sache! Die Staatsministerin hätte ich noch fragen wollen, warum sie meine Frage, die ich vorhin aufgeworfen hatte, nicht beantwortet hat: wo die Logik dabei ist, die 300 Stellen erst aus dem regulären Stellenplan zu kürzen und sie dann wieder bis 2015 befristet draufzulegen. Ich kann sie immer noch nicht in Gänze erkennen, aber ich kann versuchen, zu übersetzen.

Das eine ist: Die CDU und die FDP diskutieren darüber, dass sie Professorenstellen abbauen und in den Mittelbau verschieben wollen. Prinzipiell gebe ich Ihnen recht. Das Verhältnis zwischen Professorenschaft und Mittelbau liegt im Argen. Oder aber, Sie wollen gar das Beamtenverhältnis der Professorenschaft auflösen. Dieser Vorschlag würde mich sehr, sehr verwundern, aber vielleicht mögen Sie dies noch klarstellen. Beides ist in Gänze noch nicht beantwortet, und grundsätzlich halte ich es weiterhin für fragwürdig, mit kurzfristigen Verträgen Menschen in hoch qualifizierter Beschäftigung halten zu wollen, die sowohl in der Lehre als auch im Forschungsbereich eine dauerhafte, nachhaltige Arbeit leisten müssen. Das ergibt für mich noch nicht wirklich ein Konzept, sondern der einzige Grund, den ich sehe, ist immer noch die Stellenabbaumaßgabe und die harte Hand von Herrn

Prof. Unland, die dahintersteht.

Ich möchte noch einige Hinweise auf das geben, was Sie ebenfalls sagten. Ich denke, wir sind uns im Plenum nicht nur inzwischen offensichtlich einig, dass wir bis 2020 eine Menge Studierende mehr haben werden, als bisher angenommen. Hierzu nur die kurze Einlassung: Wir sollten auch ehrlich miteinander umgehen. Seit Sommer letzten Jahres meldeten die Hochschulen Bewerber-Hochs von 25 bis 30 % mehr als bisher. Das war auch bundesweit so. Man hätte es etwas eher erkennen können, als die Frau Staatsministerin es gerade ausführte. Aber wir haben festgestellt: Wir werden die hohe Studierendenzahl bis 2020 haben. Wir müssen etwas tun, und wir haben heute in der Regierungserklärung gehört: Auch der Ministerpräsident hat erkannt, was das für ein Pfund ist. Sehr gut!

Nun sagten Sie, was wir da machen: Wir schließen ein Bündnis auf Bundesebene. Dieses Bündnis haben wir Ihnen im Plenum bereits angeboten, und ich möchte

insbesondere den Hinweis an die CDU- und die FDPKollegen geben, dass der Vorschlag der SPD zu einem "Hochschulpakt Plus" zur Aufstockung der Bundesgelder für die zusätzlichen Studierenden, die in die Hochschulen der Länder strömen, im Wissenschaftsausschuss des Bundestages – ich glaube, darin sitzt Herr Kollege Kretschmer – abgelehnt wurde. Wenn diese Position dort weiter gehalten wird, werden Sie ein Problem mit Ihren Geldern hier in Sachsen bekommen. Dann wird der Bund nämlich in Sachsen irgendwann den Geldhahn abdrehen, weil er unter Ihrer Leitung, unter der Verantwortung Ihrer beider Fraktionen nicht reagiert und Gelder drauflegt, die unbestritten notwendig sind. Zumindest haben Sie es heute hier nicht bestritten.

Das heißt, die erste Aufgabe, die Sie als Parlamentarier und Parteimitglieder haben werden, ist, Ihre Kollegen im Bundestag davon zu überzeugen, dass das, was Sie jetzt offensichtlich einsehen, auch für den Bund gelten muss.

Die zweite Frage, über die wir uns unterhalten müssen, ist: In welchem Verhältnis können wir in der Zukunft die Aufgaben zwischen Forschung und Lehre an den sächsischen Hochschulen erledigen? Hierzu möchte ich nur einen Hinweis geben: Es hätte auch bei der Erstellung wie bei der Diskussion des Hochschulentwicklungsplanes geholfen, dass wir diese Plangrundlagen, von denen wir heute gehört haben, dass die Studierendenzahlen bis 2020 bei über 100 000, womöglich über 110 000 Studierenden in Sachsen bleiben werden, als Grundlage für den Hochschulentwicklungsplan angenommen werden, über den Sie gerade in der Konsequenz mit den Hochschulen verhandeln. Das Kabinett hat ihn beschlossen, und Sie haben die Grundlagen durchgewinkt. Die Hochschulen müssen nun mit diesen falschen Konsequenzen aus dem Hochschulplan, der von deutlich niedrigeren Zahlen ausgeht, umgehen, und die Hochschulen haben das Problem in der Lehre.

Ich bitte Sie, im Rahmen des Regierungshandelns hierauf einzuwirken und diese fehlerhaften Rahmenbedingungen zu korrigieren.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Mann. – Weitere Meldungen habe ich nicht gesehen. Die 1. Aktuelle Debatte ist damit abgeschlossen. Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

Vernunft statt Hysterie bei der Luftreinhaltung

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen von CDU und FDP das Wort, danach die weitere Reihenfolge wie

gehabt: DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Wir beginnen mit

der Aussprache. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Pohle. Sie haben das Wort

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! "Vernunft statt Hysterie bei der Luftreinhaltung" – das wünsche ich mir seit Jahren. Ich komme aus Leipzig und bin somit Betroffener. Ich bin direkt betroffen, ich bin Mitglied der Handwerkskammer und habe in meinem kleinen Betrieb auch zwei Fahrzeuge ausrangieren müssen, die eigentlich noch gut waren und die man normalerweise aus ökologischen Gesichtspunkten noch hätte behalten können.

Wenn wir uns das Problem anschauen: Woher kommt das eigentlich? Wir haben ursprünglich das Kyoto-Protokoll, wobei wir wissen, dass das höchste Gut die Gesundheit ist, und wir wissen, dass Umwelteinflüsse sehr schädlich für unsere Gesundheit sind, diese jedoch die Zielstellung sein muss, die wir auch in Sachsen verfolgen. Damit einher gingen Verordnungen der Europäischen Union, die Vorgaben gemacht haben, also Grenzwerte vorgegeben haben, die wir im Bereich des Feinstaubes und weiterer Dinge zu berücksichtigen haben, und damit ging das Bundes-Immissionsschutzgesetz einher, das dies festgelegt hat und Luftreinhaltepläne zur Folge hatte.

Diese Luftreinhaltepläne müssen nun umgesetzt werden, und wenn man es sich anschaut – deswegen kommen wir zu "Vernunft statt Hysterie", denn in Leipzig gibt es seit einem Jahr eine Umweltzone –: Was Wunder – ein Wunder hat es nicht gebracht. Am Ende dieses Jahres werden wir dort die Ergebnisse haben, aber die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Feinstaubminimierung nicht erfolgt ist; und sie wird auch nicht erfolgen. Es ist sicherlich auch klar, dass in dem Moment, in dem ich grüne Plaketten vergebe oder nur noch moderne Fahrzeuge einfahren lasse, die lineare Abnahme dieser alten Fahrzeuge dann erfolgt, wenn der TÜV uns scheidet.

Gleichzeitig gibt es einen linearen Aufwuchs im Verkehr. Ich möchte jetzt meine telepathischen Kräfte nicht so sehr bemühen, aber ich garantiere Ihnen: Dadurch werden wir in fünf bis zehn Jahren keine Feinstaubeinsparungen haben. Wir müssen zu anderen Maßnahmen kommen.

Diese anderen Maßnahmen sind bereits in verschiedenen Luftreinhalteplänen, auch in Leipzig, durchgeführt worden. Ich möchte auf einige verweisen: die Schadstoffbegrenzung durch Bauleitplanungen, freiwillige Maßnahmen der Anlagenbetreiber, Reifenwaschanlagen an Baustellen, Umrüstung der ÖPNV-Busse, Unterstützung bei der Umstellung von Fuhrparks, Nassstraßenreinigung im Baustellenbereich, verstärkte Begrünung von Straßenrand und Straßenraum, Weiterentwicklung des Parksystems, Straßenausbauprogramm, Erhöhung der ÖPNVAttraktivität, Erhöhung im Straßenbau für Rad- und Fußgängerverkehr, Einsatz gasbetriebener Müllfahrzeuge, Einsatz emissionsarmer Baumaschinen und -fahrzeuge, Maßnahmen im Baustellenbereich.

Das hat in Leipzig offensichtlich nicht genügt. Deshalb musste nachgebessert werden. Im neuen Entwurf des

Luftreinhalteplanes von 2009 steht ganz vorn: Einführung einer Umweltzone.

Schauen wir in das Nachbarland. Die Landeshauptstadt Magdeburg in Sachsen-Anhalt ist im Ranking die zweitgrünste Stadt Deutschlands. Trotz alledem hat Magdeburg eine Umweltzone. Schauen Sie sich einal die Umweltzone an. Sie zieht sich nicht wie in Leipzig fast über die komplette Fläche, sondern es ist nur ein kleiner Teil. Wenn ich mir das in Leipzig anschaue, stelle ich fest: Betroffen sind unter anderem eingemeindete Ortsteile. Ich sage Ihnen ganz offen: Sie haben die Luftqualität von Luftkurorten und trotzdem sind sie in der Umweltzone.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Damit sie es bleiben!)

Damit sie es bleiben. Ja, diese Umweltzonen könnten ein Qualitätsmaßstab sein.

(Heiterkeit bei der CDU)

Aber es ist eigentlich nicht zum Lachen, weil kleine Gewerbetreibende, aber auch andere Betriebe davon betroffen sind. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, Herr Hahn, es ist Ihr Beigeordneter in Leipzig. Ich zitiere Herrn Rosenthal, der sagte: Die Einführung einer Umweltzone war transparent, ehrlich und alternativlos.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Ja!)

Dazu muss ich sagen – wir sind alt genug –: Alternativlos bei einer Umweltzone, das sehe ich wirklich anders.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Herr Tillich sagt uns laufend, was alternativlos ist!)

Er wird seine Gründe dafür haben. – Deshalb haben wir dazu eine Aktuelle Debatte. Wir wollen in der Tat keine Hysterie haben. Wenn man seine Hausaufgaben besser macht und wenn man von vornherein weiß, was auf einen zukommt, dann kann man das besser steuern. Denn am Ende wurden wir vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich würde mir wünschen, dass wir im Interesse von Sachsen zu vernünftigeren Lösungen kommen, denn es ist im Grunde genommen eine Stigmatisierung eines ganzen Bereiches. Das steht uns nicht zu, und deshalb wünsche ich mir, dass wir das verbessern.

Recht vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die miteinreichende FDP-Fraktion spricht Herr Abg. Hauschild.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Er liest jetzt die Anzeige aus der Zeitung vor!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Autos, Feinstaub, Umweltzone – wenn es so einfach wäre, Herr Brangs. Aber das Ziel von uns allen hier ist doch, dass wir saubere Luft für beste Lebensqualität für uns und unsere Kinder haben.