Protokoll der Sitzung vom 07.03.2012

Mit diesem Antrag suggerieren Sie Handeln. Sie beweihräuchern sich, wo es nichts zu beweihräuchern gibt. Was soll eine Weiße Liste? Der Nutzen für den Artenschutz, die Biodiversität ist gleich null. Doch genau darum geht es. Biodiversität muss nicht nur in der Naturschutzpolitik, sondern auch in der Landwirtschafts- und Forstpolitik einen höheren Stellenwert einnehmen. Mit einem Alibiantrag kommen Sie diesem Ziel keinen Schritt näher.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. Herr Lichdi für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Lichdi, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich den Ausführungen meiner beiden hochverehrten Vorrednerinnen vollumfänglich an.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD – Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Sie haben verdienstvollerweise in den zahlreichen Programmen des Freistaates gewühlt und diesen Antrag damit verglichen. Sie haben auch in den Protokollen der letzten Legislaturperiode gewühlt und die richtigen Ausführungen der damaligen Redner der CDU und der Staatsminister der CDU vorgetragen. Aber nach den Videotheken, Waschanlagen, Schmalspurbahnen, Nummernschildern und wer weiß, was noch müssen derzeit die Weißen Listen herhalten, damit die FDP mal wieder eine Hochglanzbroschüre, vielleicht kurz vor der Wahl, drucken kann.

Herr Meyer, Sie haben versucht, diesem Antrag etwas Positives abzugewinnen. Man hat wirklich gemerkt, wie Sie gegen Ihre eigene, bessere Überzeugung versucht haben, hier etwas Positives herauszuarbeiten.

Ja, man kann das machen, aber es bleibt trotzdem ein relativ sinnloser Antrag. Wenn man ihn genauer ansieht, stellt man fest: Es ist auch ein gefährlicher Antrag; denn er suggeriert, dass wir im Arten- und Naturschutz auf einem guten Weg sind. Aber das pure Gegenteil ist der Fall und daher ist dieser Antrag schädlich.

Meine Damen und Herren von der Koalition, natürlich macht es sich immer gut, die vielen ehrenamtlichen Kräfte in Sachsen, die sich engagieren, zu loben. Das tun wir auch, denn wir schätzen ihre Arbeit. Aber ich finde es nicht ganz redlich, wenn Sie sie immer dafür vereinnahmen und so tun, als ob Sie damit die Arbeit der Ehrenamtlichen stärken würden. Denen würde viel mehr helfen, wenn Sie beispielsweise bei der Handhabung der Mittel, bei den Richtlinien „Natürliches Erbe“ endlich die Bürokratie herausnehmen würden. Aber das tun Sie nicht.

Ich möchte noch etwas Grundsätzliches erwähnen: Wir haben bisher, und zwar seit Jahrzehnten, als eingeführtes naturschutzpolitisches Instrument die Roten Listen in Sachsen, in Deutschland und darüber hinaus. Was bedeutet es, wenn wir eine Rote Liste machen? Dann gehen wir davon aus, dass wir den vollen Besatz aller Tiere und Pflanzen, wie er beispielsweise um 1850 bestanden hat, weiterhin wollen und dass das der Normalzustand ist. Dann sagen wir vor diesem Hintergrund: Diese und jene Art ist gefährdet. Deshalb führen wir sie auf einer Roten Liste auf.

Was bedeutet es, wenn wir eine Weiße Liste machen? Das ist ein Paradigmenwechsel, eine Umkehrung. Das heißt, wir gehen davon aus, dass wir uns mit unserer verarmten Landschaft abgefunden haben. Wir haben uns damit abgefunden, dass immer mehr Tiere und Pflanzen aussterben, und jetzt freuen wir uns über die zwei oder drei Erfolge, die wir erzielt haben. Das ist das Gefährliche und Perfide an diesem Antrag: dass Sie der Öffentlichkeit suggerieren, wir wären auf dem richtigen Weg. Das ist aber objektiv nicht der Fall.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Meyer, Sie haben ein paar Arten aufgezählt, bei denen wir durchaus Erfolge erzielt haben. Ich habe genau

zugehört. Den Weißstorch haben Sie nicht genannt. Sie wissen auch, warum Sie ihn nicht genannt haben.

(Unruhe im Saal)

Seit 2000 gibt es ein Weißstorch-Programm und wir wissen – –

Herr Lichdi, einen kleinen Moment, bitte. – Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Ihren Geräuschpegel etwas zu reduzieren. Das gilt auch für die Mitglieder der Staatsregierung.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Danke!)

Das wäre sehr nett; vielen Dank. – Herr Lichdi, Sie dürfen in Ihrem Redebeitrag fortfahren.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Meyer, warum haben Sie den Weißstorch nicht genannt? Weil dieses Artenschutzprogramm, das seit 2000 läuft, nicht die Erfolge gebracht hat. Warum hat es die Erfolge nicht gebracht? Weil die Weißstörche natürlich auf Feuchtwiesen angewiesen sind und diese immer mehr zurückgehen – nicht aufgrund des Klimawandels, sondern aufgrund der Art und Weise der Bewirtschaftung. Das ist ein bezeichnendes Beispiel.

Sie können sich nicht allein auf einzelne Tierarten beziehen, sondern Sie müssen die Tierarten in ihren Habitaten betrachten. Das ist eine Binsenweisheit des Naturschutzes. Deshalb ist diese Liste auch so schädlich. Wenn wir sagen, wir machen eine Weiße Liste, dann vereinzeln Sie das Problem und schauen das einzelne Tier oder die einzelne Pflanze an, vergessen jedoch das Umfeld.

Nein, es geht darum, dass wir über einen Habitatschutz sprechen – denn das ist die Voraussetzung für einen Arten- und Naturschutz – und dass wir über die Wiederherstellung von Lebensräumen sprechen. Wir haben immer noch keine Schutzverordnungen nach FFH, die Biotopverbundplanung wird seit vielen, vielen Jahren verschleppt. Es gibt zwar schöne Papiere, wo das aufgeschrieben wird, allein an der Umsetzung mangelt es. Sie haben auch gar kein Interesse. Wie sieht es beispielsweise beim Bodenbrüterprogramm aus, das wir 2008 mit durchgesetzt haben? Alles, was ich höre, ist, dass es leider nicht sehr erfolgreich ist, weil es Flickschusterei ist. Das ist einfach der Fall, Herr Rößler.

(Dr. Matthias Rößler, CDU: Es war ein guter Schritt!)

Es war ein guter Schritt, Herr Landtagspräsident Rößler, aber er hat nicht die Erfolge gebracht, die wir uns gewünscht haben.

Wir wissen auch, woran das liegt. Es liegt an der industriellen Form der Agrarwirtschaft, es liegt daran, dass wir weiterhin Agrarwüsten haben.

Aber da kommen wir auch zu des Pudels Kern. Wenn man nämlich die Begründung liest, liest man einen Satz, der mich irritiert hat. Wenn wir die Erfolge abgefeiert haben,

wenn wir die Arten auf der Weißen Liste vermerkt haben, dann könnten wir ja wieder zu einem „normalen Umgang“ mit den Tieren und Pflanzen kommen. Das steht in Ihrer Begründung. Da frage ich mich, was Sie für einen „normalen Umgang“ halten. Offensichtlich halten Sie für „normal“, dass dann diese Tiere wieder geschossen werden oder die Pflanzen wieder nicht geschützt werden müssen usw.

Nein, meine Damen und Herren, ich vermute, dass Sie damit einen weiteren Schritt beim Wolf tun wollen. Meine Vorredner haben es auch gesagt. Der Wolf wird ins Jagdrecht aufgenommen. Sie träumen ja schon vom nächsten Schritt, dass der Wolf dann irgendwann einmal auch wieder, weil er ein erfolgreiches Wiederansiedlungsprojekt ist, abgeschossen werden könnte. Ich glaube, das ist bei manchen – vielleicht nicht bei Ihnen, Herr Kupfer –, die diesen Antrag gestellt haben, im Hinterkopf. Denen sei gesagt, dass diese sechs oder sieben Rudel, die wir bisher in Sachsen haben, natürlich nicht ausreichen, um eine stabile Population darzustellen.

Nein, meine Damen und Herren, das ist ein Placeboantrag. Dieser Antrag nützt nichts. Dieser Antrag setzt die falschen Signale. Wir bräuchten eine Umsteuerung in der Landwirtschaftspolitik, wir bräuchten einen echten, ambitionierten, urbanen Artenschutz, beispielsweise an Gebäuden, wir bräuchten einen effektiven Altbaumschutz, darüber redet gar keiner. Stattdessen machen wir ein Baum-ab-Gesetz; und wir bräuchten eine Biotopverbundplanung mit Wildniszonen im Wald und auch in Auen. Es hat mich übrigens auch sehr verwirrt, dass hier von Auenrenaturierung die Rede war. Mir ist kein Projekt der Auenrenaturierung in Sachsen bekannt. Vielleicht können ja die Vertreter, die das aufgeführt haben, es noch einmal erörtern. Mir sind diese drei Lachen bei Coswig – das ist ein sehr schönes Projekt – bekannt. Aber von einer Auenrenaturierung kann man nicht sprechen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Abschließende Rednerin in der ersten Runde ist Frau Schüßler für die NPD-Fraktion.

Danke, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt schwer, als letzter Redner ein Zitat aus diesem Protokoll von 2008 zu finden, das noch nicht verwendet worden ist. Aber ich habe noch zwei, und deshalb beginne ich jetzt.

Im Jahr 2008 erschien in Niedersachsen erstmals eine Weiße Liste der nicht bedrohten Arten als Gegenstück zur Roten Liste aussterbender Arten. Ende desselben Jahres geschah es dann, dass die sächsische FDP einen ähnlich lautenden Antrag hier im Plenum einbrachte. Es war schon sehr amüsant, die damaligen Redebeiträge im Protokoll noch einmal nachzulesen.

So wurde von unserem Abg. René Despang ausgeführt: „Mit dem Begehren, der Freistaat Sachsen möge eine

sogenannte Weiße Liste mit den bisher erzielten Erfolgen im Tier- und Artenschutz erstellen, übt die FDP offensichtlich schon für ihre Wunschrolle als zukünftiger Koalitionspartner der CDU.“ Dieser Wunsch ist bekanntlich in Erfüllung gegangen. Der damalige Antrag wurde von der CDU genauso konsequent abgelehnt, wie sie ihn heute vorantreibt.

Herr Umweltminister Kupfer gab im November 2008 zu bedenken: „Für eine belastbare Liste positiver Trends sind umfangreiche Erhebungen und Auswertungen notwendig.“ Weiter: „Das können wir personell nicht leisten.“ Es ist ziemlich unglaubwürdig, dass die Erstellung jetzt plötzlich weniger problematisch sein sollte. Seinerzeit sah das auch Herr Abg. Clemen so: „Angesichts sinkender finanzieller Mittel ist die Erstellung einer weiteren Liste mit belastbaren Daten momentan nicht zielführend. Umfangreiche Erhebungen und Auswertungen der Daten führen zu einem kaum vertretbaren Verwaltungsaufwand, der zulasten der Facharbeit geht. Ein zusätzlicher Nutzen für die betroffenen Arten bzw. die Förderung ihrer Erhaltung resultiert meiner Ansicht nach daraus nicht.“

Der Sinn dieser Weißen Liste soll also sein, Einzel- und Teilerfolge herauszustellen und damit das negative Gesamtbild des verbreiteten Artensterbens zu vertuschen. Für uns als NPD-Fraktion reichen heute wie damals im Jahr 2008 diese Fakten aus, um zu erkennen, welche Anstrengungen im Tier- und Artenschutz für die Zukunft notwendig sind.

Noch einmal kurz zum Antrag im Einzelnen:

I. ist das übliche Berichtsbegehren, auf das unser Umweltminister sicher noch eingehen wird.

II. Hier haben wir die bewusste Weiße Liste, die wir aus den gerade genannten Gründen, also Kosten und Personal, ablehnen werden.

III. und IV. möchte einerseits die „Anstrengungen fortsetzen“ und andererseits Bund und Europa einbeziehen. Das ist nett und sehr allgemein formuliert.

Abschließend – darauf freue ich mich schon die ganze Zeit – möchte ich Herrn Lichdi zu dem Antrag vom 14.11.2008 zitieren und mir das auch zu eigen machen: „Zum Thema Biodiversität und wie man das richtig anpackt sind schon klügere Anträge gestellt worden. Deswegen verzichte ich auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem höchst unnötigen und ärgerlichen Antrag.“ Wir lehnen ebenfalls ab.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde der allgemeinen Aussprache. Mir liegen keine Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Ich frage trotzdem: Wünscht ein Abgeordneter das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Kupfer, Sie haben jetzt Gelegenheit zu sprechen.

Vielen Dank! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße es trotz aller auch kritischen Aspekte, die wir zu diesem Thema noch berücksichtigen müssen, dass wir die Erfolge im Naturschutz in den Mittelpunkt einer Plenardebatte stellen.

Die Sächsische Staatsregierung, meine Damen und Herren, hat in den letzten 20 Jahren mit einer ausgewogenen Politik einem intensiven Natur- und Artenschutz durchaus Rechnung getragen. Halten Sie sich die Situation von vor 20 Jahren einmal vor Augen. Wenn ich von hier aus die Elbe sehe, jetzt mit ihrer Artenvielfalt, und daran denke, dass die Elbe vor 20 Jahren ein biologisch toter Fluss war, dann erkennen Sie schon an diesem Beispiel, dass in den letzten 20 Jahren im Umwelt- und Naturschutz eine ganze Menge getan wurde.

Angesichts dieser Bilder hätte ich mir vor 20 Jahren nicht vorstellen können, dass der Seeadler, der Kranich und der Elbebiber hier einen solchen Zuwachs erhalten haben. Ich hätte mir damals auch nicht vorstellen können, dass sich der Wolf wieder in Sachsen ansiedelt oder die Wildkatze, wie sie jetzt schon wieder im Vogtland vorkommt.

Wir haben mit gezielten Programmen dem Wanderfalken, dem Lachs, der Flussperlmuschel und auch den Serpentinitfarnen wieder auf die Schwingen, die Flossen oder die Wurzeln geholfen. Staatliche und kommunale Stellen haben dazu ebenso beigetragen wie die vielen ehrenamtlichen Naturschützer, die hier im Lande aktiv sind. Dafür ein herzliches Dankeschön.