Protokoll der Sitzung vom 07.03.2012

Für eine Gender-Budget-Analyse werden die Ausgaben- und Einnahmenseiten innerhalb eines bestehenden Haushalts untersucht und folgende Fragestellungen könnten dabei auch Orientierung sein: Welche Auswirkungen haben ressourcenwirksame Entscheidungen auf die vielfältigen Situationen von Frauen und Männern? Wer profitiert von welchen Ausgaben, direkt oder indirekt? Wer trägt wie zu welchen Einnahmen bei? Welche Auswirkungen haben Einsparungen und wer trägt entstehende zusätzliche Lasten? Welche ressourcenwirksamen Ent

scheidungen und Maßnahmen verfestigen oder verändern bestehende Geschlechterrollen?

Auf der Grundlage von Gender-Budget-Analysen können dann entsprechende haushaltspolitische Maßnahmen ergriffen werden. Bei der Interpretation der Daten ist eine gendertheoretisch fundierte Betrachtung notwendig, denn nicht immer lassen sich zweifelsfreie Bewertungskriterien aus der Analyse der erhobenen Daten herauslesen.

Im Land Berlin – das wurde schon erwähnt –, aber auch in einigen Kommunen wie München oder Freiburg gibt es gute Erfahrungen mit Gender-Budget-Nutzenanalysen. Die Antragsteller machen nun den Vorschlag, sich bei der Haushaltsaufstellung 2013/2014 geeignete Kapitel des Einzelplanes 07 aus der Obergruppe 68 als Pilotprojekt herauszugreifen und die geschlechterspezifischen Wirkungen zu untersuchen. Das kann ich mir gut vorstellen, geht es doch bei diesen „Sonstigen Zuschüssen für laufende Zwecke an sonstige Bereiche“, so heißt diese Obergruppe, sowohl um Renten, um Unterstützungen und sonstige Geldleistungen für natürliche Personen, für öffentliche und private Unternehmen, für soziale Einrichtungen, um nur einige zu nennen. Sie umfassen Mittel für Wirtschaftsförderung für kleine und mittlere Unternehmen in den verschiedensten Formen, Mittel für Fortbildung, Mittel zur Schaffung von Netzwerken in der Wirtschaft oder auch – das ist der größte Posten – Zuschüsse aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds.

Diese Bereiche eignen sich in der Tat sehr gut dafür zu untersuchen, welcher Anteil der eingesetzten Mittel Frauen und welcher Männern zur Verfügung steht bzw. Mädchen oder Jungen und welche Effekte erreicht wurden. Ob die Ergebnisse für diese Analyse aber schon bis zum März 2013 zur Verfügung stehen, wage ich zu bezweifeln. Dann wird es eben später.

Ich denke, mit diesem Pilotprojekt kann die Herangehensweise von Gender-Budgeting sehr gut vorbereitet und erprobt werden, um es dann auf weitere Bereiche des Haushalts auszudehnen.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPDFraktion spricht Frau Dr. Deicke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In verschiedener Hinsicht ist diese Debatte dieselbe, die wir vorhin bereits geführt haben, zum einen weil Gender-Budgeting eine anerkannte Strategie in der Gleichstellungsarbeit ist, um die geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Finanzströmen zu untersuchen. Anerkannt ist sie überall, nur eben nicht in Sachsen, oder besser: nur nicht bei der Staatsregierung.

So bin ich bei einer weiteren Parallele zur vorherigen Debatte. Hier müssen wir die Verweigerungshaltung der Staatsregierung und natürlich auch der Koalition feststellen. Ihre rein ideologischen Barrieren verhindern ein

gesundes Problembewusstsein und den Willen zu gerechter Politik.

Ich kann für meine Fraktion sagen, dass wir dem vorliegenden Antrag zustimmen werden, weil er richtig ist.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Meine Fraktion hat bereits vor zwei Jahren einen Antrag mit dem gleichen Ziel in den Landtag eingebracht. Damals hat ihn die Koalitionsmehrheit im Sozialausschuss abgelehnt. Auch wenn dieser GRÜNEN-Antrag nicht so weit geht wie unserer, steht dennoch zu befürchten, dass dieses Schicksal auch der jetzigen Initiative zuteil wird, und das, obwohl dieser Antrag nun wahrlich kein Wolkenkuckucksheim fordert. Hier ist lediglich ein Prüfauftrag formuliert.

Der Antrag besagt so viel wie: Die Staatsregierung solle einmal eine anerkannte Strategie überprüfen und dann dem Landtag berichten, inwiefern sie dauerhaft in die Haushaltsaufstellung implementiert werden kann. Um mehr geht es gar nicht. Aber der Regierungskoalition ist sicherlich bereits das zu viel. Es ist die Verweigerungshaltung, die uns so verärgert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viel lieber streite ich mit Ihnen darüber, ob die von Ihnen aus GenderBudgeting gezogenen Konsequenzen meinen Ansätzen entsprechen, als über die Frage, ob wir das überhaupt brauchen oder nicht. Schon vor fünf Jahren war der Bund weiter als heute die Staatsregierung. Im Jahr 2007 wurde die Machbarkeitsstudie zur Umsetzung von GenderBudgeting-Strategien im Bundeshaushalt vorgestellt.

Ich möchte aus dieser Studie Folgendes zitieren: „In der Machbarkeitsstudie wurden in allen Ressorts gute Ansatzpunkte für Gender-Budgeting identifiziert. Die hier wiedergegebenen Ergebnisse sind der Beginn von Gender-Wirkungsanalysen, die bei der Einführung von Gender-Budgeting weiter verfolgt werden sollten.“ Der Bundeshaushalt ist deutlich umfangreicher als ein Landeshaushalt. Dennoch hat sich die damalige schwarz-rote Bundesregierung auf den Weg gemacht, Möglichkeiten für eine Implementierung von Gender-Budgeting zu eruieren.

Zwar ist unter Schwarz-Gelb diese Strategie bis heute nicht weiter verfolgt worden, aber dennoch war der Bund schon einmal weiter als der Freistaat heute. Wenn die Studie zu dem Ergebnis kommt, dass sogar in den Einzelplänen des Bundeshaushalts Ansätze gesehen werden, um die Strategien umzusetzen, muss es doch im Einzelplan 07 – ich betone, in einem einzelnen Einzelplan des sächsischen Haushalts – auch möglich sein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Bereits im Jahr 2003 hat das Europäische Parlament unterstrichen, „dass Gender-Budgeting nicht darauf abzielt, getrennte Haushalte für Frauen aufzustellen, sondern vielmehr auf die öffentlichen Haushalte einzuwirken, weil diese nicht geschlechterneutral sind, da sie sich sowohl hinsichtlich der Einnahmen als auch der

Ausgaben auf Männer und Frauen unterschiedlich auswirken“.

Ich fasse zusammen: Überall hat man sich der Idee von Gender Budgeting angenommen und danach abgewogen, wie es umgesetzt werden kann. Natürlich muss die Umsetzung genau geprüft werden. Aber in Sachsen lehnt es die Staatsregierung sogar ab, sich überhaupt damit zu beschäftigen. Sie nehmen so gern das Wort „Innovation“ in den Mund und stellen Sachsen als das Kernland der Innovation dar. Schade nur, dass das auf die Wirtschaft zutrifft, aber nicht auf die Staatsregierung. Ihre Verweigerungshaltung verhindert Innovation und Gerechtigkeit im politischen Handeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Die FDP-Fraktion, bitte. Herr Prof. Schmalfuß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Gleichstellung von Mann und Frau ist für die CDU und die FDP ein wichtiges Anliegen.

(Beifall des Abg. Jens Michel, CDU)

Damit folgt die Koalition dem Auftrag des Artikels 8 der sächsischen Landesverfassung. Darin heißt es – ich zitiere –: „Die Förderung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist Aufgabe des Landes.“

Selbstverständlich versteht die Staatsregierung die

Gleichstellung als ressortübergreifende Querschnittsaufgabe. Unser Hauptanliegen ist hierbei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um einerseits die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und andererseits den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Die in diesem Zusammenhang begonnene Flexibilisierung der Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen oder die zahlreichen Förderprogramme bei Unternehmensgründungen für Frauen sollen nur als einige Beispiele für die Umsetzung der Zielsetzung dienen.

Allerdings können wir im Gegensatz zu Ihnen aus dem Verfassungsauftrag des Artikels 8 nicht herauslesen, dass auch die Haushaltsplanung geschlechtergerecht auszurichten ist. Die damit verbundene deutliche Erhöhung der Bürokratiekosten steht dem Grundanliegen einer soliden und effizienten Haushaltsaufstellung der CDU/FDPKoalition entgegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Fakt ist nicht zu vernachlässigen. Bereits die Erstellung einer Analyse, wie die Verteilung öffentlicher Haushaltsmittel nach Geschlecht geschehen soll, wäre mit erheblichen Bürokratiekosten und einem ebenfalls erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden. Darüber hinaus zu bezweifeln, dass eine geschlechtergerechte Gestaltung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben zu zusätzlichen Innovations- und Effizienzpotenzialen führt. Es ist statt

dessen damit zu rechnen, dass es zu einer Komplizierung der Haushaltsaufstellung kommen würde.

Aufgrund der aus meiner Sicht auch sehr abstrakten Diskussion ist der Zielsetzung einer geschlechtergerechten Verwendung von Haushaltsmitteln doch bereits damit Genüge getan, dass es zu keiner geschlechterspezifischen Diskriminierung kommt. Da die Haushaltsaufstellung sowohl bei der Mittel- als auch bei der Stellenverteilung geschlechtsneutral geschieht, ist die mit Ihrem Antrag bezweckte Diskussion bereits überflüssig.

Meine Damen und Herren, wir stehen in Sachsen vor gewaltigen Aufgaben. Der Solidarpakt II läuft 2019 aus. Gegenüber 2011 werden dem Freistaat Sachsen demnach im Jahr 2020 etwa 1,5 Milliarden Euro weniger an SoBEZ-Mitteln zur Verfügung stehen. Im Rahmen der neuen EU-Strukturfondsperiode werden dem Freistaat Sachsen voraussichtlich ebenfalls deutlich weniger Mittel zur Verfügung stehen.

Auch die Mittel aus dem Länderfinanzausgleich werden bis 2020 zurückgehen, wenn die demografische Entwicklung so eintritt wie prognostiziert. Für jeden Bürger, der den Freistaat Sachsen verlässt, muss mit Mindereinnahmen in Höhe von 2 700 bis 3 250 Euro gerechnet werden. Folgt man den Prognosen, hätte der Freistaat Sachsen im Jahr 2020 etwa 800 Millionen Euro weniger als noch im Jahr 2010.

Deshalb, meine Damen und Herren, muss es uns gelingen, weitere Wachstumspotenziale zu erschließen und die politischen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Freistaates Sachsen zu erhöhen. Auch die Herausforderung, die Stellenausstattung an die der westdeutschen Flächenländer anzupassen, werden wir weiter angehen. Nur so kann es uns gelingen, im Jahr 2020 noch handlungsfähig zu sein und auf eigenen Beinen stehen zu können.

Diesen drängenden Aufgaben werden sich CDU und FDP bei der Aufstellung des kommenden Haushalts vordergründig widmen. Die vorgenannten Fragestellungen sind zu beantworten, um die Zukunftsfähigkeit des Freistaates Sachsen langfristig zu sichern. Die Frage jedoch, wie ein Haushalt geschlechtergerecht zu gestalten ist, ist deshalb aus Sicht der FDP-Fraktion nicht so dringend und aufgrund der besonderen Situation des Freistaates Sachsen nicht zeitgemäß.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb bin ich auch etwa überrascht, dass sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu diesem Thema hat hinreißen lassen. Der Antrag hilft jedoch nicht, die drängenden Probleme und Fragestellungen des Freistaates Sachsen zu beantworten.

(Beifall bei der FDP)

Die NPD hat keinen Redebedarf angemeldet. Gibt es jetzt vonseiten der Fraktionen noch Redebedarf? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Staatsregierung: Wünschen Sie das Wort? – Herr Prof. Unland, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was könnte der zentrale Ansatzpunkt für Genderfragen sein? Mit Sicherheit nicht der Staatshaushalt.

(Beifall der Abg. Ines Springer, CDU)

Bei der Haushaltsaufstellung erfolgt eine Mittel- und Stellenverteilung geschlechterneutral. Eine vertiefte,

quantifizierbare Berücksichtigung von Genderfragen oder auch von anderen Querschnittsaufgaben, wie Umweltorientierung, Familienorientierung – ich könnte die Liste beliebig lang fortführen –, innerhalb der Haushaltsaufstellung und der Haushaltsaufstellungsverhandlungen würde zu einer Überfrachtung des Verfahrens führen. Dies kann der Haushaltsaufstellungsprozess nicht leisten.

Die Umsetzung des Antrages würde weiterhin eine komplexe Analyse erfordern. Dies wäre mit zusätzlichen hohen Bürokratiekosten – das wollen wir ja nicht – und einem erheblichen Verwaltungsaufwand – auch das wollen wir nicht – verbunden.

Darüber hinaus dürfen wir bei einer Beurteilung von Gender-Budgeting auch die damit verbundenen Bewertungsprobleme sowie die geringe Aussagekraft nicht außer Acht lassen. Geschlechtersensible Haushalts- und Finanzdaten sind schwer zu aggregieren, sodass geschlechterspezifische Aussagen zum Gesamthaushalt kaum möglich sind.

Zudem erfordert die Interpretation dieser Daten komplexe fachpolitische Bewertungen. Diese sehr umfangreiche fachpolitische Arbeit kann nicht im Rahmen eines zeitlich anspruchsvollen und komplex gestalteten Haushaltsaufstellungsverfahrens erfolgen. Zudem stehen Kosten und Nutzen eines derartigen Verfahrens in keinem angemessenen Verhältnis.